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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 12. 13. an den Titum.
[Spaltenumbruch] sich selbst sündlich, auch wenn sie von gröbern
Umständen gemäßiget sind. Denn sie sind
nichts, als eine eitele Welt-Lust: Lust, Lust,
ist die Losung dabey. Die Lust ist der Antrieb,
die Lust ist das gantze Wesen derselben: und
zwar nicht allein die schädliche Lust, bey welcher
keine wahre Furcht GOttes und keine reine Lust
in GOTT aufkommen kan, und welche der so
hoch anbefohlnen Verleugnung unserer selbst,
und der Welt, gerade entgegen stehet: son-
dern auch eine recht thörichte und alberne
Lust,
davon der Mensch weder nach Leib, noch
nach der Seele den geringsten wahren Nutzen,
wol aber vielen Schaden hat. Die daher auch
recht unvernünftig ist. Und was ist nicht al-
lein unchristlicher, sondern auch unvernünftiger,
als wenn die Lüstlinge ihre Lust-Handlun-
gen
mit der Mäßigung entschuldigen? z. E.
wenn ein Spieler saget: er spiele nicht um
Geld, sondern nur für die lange Weile, um die
Zeit zu verpaßiren. Denn es ist ja diese so kur-
tze Lebens-Zeit und darinnen eine Stunde viel
edler, als ein Stücke Geld; da dieses noch wie-
der kan erworben, jene aber nimmermehr wie-
der erlanget werden, und also hat man davon
GOtt, wie sie angewendet, Rechenschaft zu ge-
ben. Und ist den Unbekehrten, als unreinen,
oder durch das Blut Christi noch nicht gewa-
schenen, nach Tit. 1, 15. alles unrein, oder alles
sündlich, so gar auch ihr Essen und Trincken, da
sie es nicht im Glauben und nicht in der Furcht
noch zur Ehre GOttes thun; wie können ihnen
denn solche unvernünftige Lust-Handlungen in-
different
und unsündlich seyn? Gläubige und
wahrhaftige Christen aber hüten sich davor, als
vor einem Schlam und Unflath. Steiget in ih-
nen eine solche Lust-Begierde auf, so creutzigen
sie dieselbe nach Gal. 5, 24. und sehen sich vor,
daß sie sich von übertünchten, oder übertün-
chenden Lust-Predigern und Lust-Krämern, da-
von Petrus 2 Epist. c. 2, 19. 20. schreibet, durch
die Lock-Speise, als wenn es indifferente Sa-
chen wären, welche zur Christlichen Freyheit ge-
höreten, nicht einschläfern, einflechten und über-
winden lassen, damit nicht das Letzte mit ihnen
ärger werde, denn das Erste, nemlich der Rück-
fall gefährlicher, als der erste unbekehrte Zu-
stand.

9. Hieraus ist nun leichtlich zu erkennen,
wie diejenigen Einwürfe und Behelfe der Lüst-
linge anzusehen sind, da sie sagen: wo stehet
denn in der Heil. Schrift: Du solt nicht spielen,
nicht tantzen u. s. w. Denn damit geben sie
gantz deutlich an den Tag, daß sie auch noch nicht
einmal eine bloß buchstäbliche Erkenntniß von
dem menschlichen Verderben und von der Ord-
nung des Heyls haben, und daß bey Lesung
und Betrachtung der Heil. Schrift eine recht
grosse und dicke Decke des Unglaubens und der
Finsternisse vor den Augen ihres Gemüths hange.
Welche sie denn auch durch viele andere nichtige
Einwendungen, die itzo nicht zu berühren sind,
sonderlich durch offenbaren Mißbrauch vieler
Oerter der Heil. Schrift, zu erkennen geben.

[Spaltenumbruch]

10. So viel zur Erläuterung und richtigen
Anwendung dieses sehr wichtigen Orts. Der
Nachdruck der übrigen Worte ist bereits in der
paraphrasi bey dem Texte angezeiget. Dabey
denn noch dieses zu mercken ist, daß der guten
Zucht und der Gerechtigkeit noch vor der Gott-
seligkeit deswegen gedacht wird, weil diese durch
jene sich zu erkennen giebet, und von ihnen, wenn
sie rechter Art sind, ein Schluß auf diese kan
und muß gemachet werden. Es kömmt aber,
wie leichtlich zu erachten, bey allen diesen Stü-
cken nicht an auf eine und die andere gute und
geistliche Handlung, sondern auf eine beständi-
ge und mit mehrerm Wachsthum verknüpfte
Ubung in der Beharrung.

V. 13.

Und warten auf die selige Hoffnung
(auf die Offenbarung und Vollendung der Se-
ligkeit, welche das Ziel unserer Hoffnung ist,
dahin sie gehet) und Erscheinung der Herr-
lichkeit des grossen GOTTes und unsers
Heylandes JEsu Christi
(zum grossen Welt-
Gerichte, dazu er in grosser Majestät erscheinen
und uns in sein Reich der Herrlichkeit, welches
wir erwarten, einführen wird.)

Anmerckungen.

1. Es ist dieser Ort einer von denen, wor-
aus man die wahre ewige Gottheit unsers
Heylandes aufs bündigste erweisen kan. Zu-
vorderst wird hier zum Grunde gesetzet, daß
durch die Worte der grosse GOtt niemand an-
ders als der wahre ewige GOTT könne ver-
standen werden: als welches gantz klar ist, so
wol aus der ordentlichen Bedeutung des
Worts GOTT, welchen es im gantzen neuen
Testamente hat, wenn es in der eintzelen Zahl
ohne Beysatz eines der wahren Gottheit entge-
gen stehenden Worts gebrauchet wird, wie es
geschiehet 1 Cor. 8, 5. 2 Cor. 4, 4. Phil. 3, 19.
als auch aus dem dazu gesetzten Worte tou~ me-
galou, des grossen GOttes; welches niemals
anders, als von dem einigen wahren GOTT
gebrauchet wird, und gebrauchet werden kan.
Siehe 2 B. Mos. 18, 11. 5 B. Mos. 17, 21. Esra
5, 8. Neh. 1, 5. c. 8, 6. c. 9, 32. Ps. 95, 3. Dan. 2,
45. c. 9, 4. Offenb. 19, 17. u. s. w. Und wie
könnte auch das bloß Göttliche Werck des
Welt-Gerichts iemand anders zukommen, als
dem wahren GOTT, dem es hier zugeschrieben
wird.

2. Daß nun aber unser Heyland dieser
grosse GOTT sey, und Paulus ihn dadurch
verstehe, das ist wider die Socianer, die es
nach ihrer grossen Blindheit leugnen, daraus of-
fenbar: Weil dem grossen GOTT, davon die
Rede ist, die Zukunft und Erscheinung zum Ge-
richte alhier zugeschrieben wird, die da eigent-
lich dem Sohne GOttes zukömmt, wie aus sei-
nem königlichen Amte an sich klar ist, und aus
so vielen Orten der heiligen Schrift, sonderlich
des neuen Testaments, erhellet. Man sehe un-
ter andern Matth. 24. 25. Joh. 5, 21. Ap. Ges.

22, 31.
D d

Cap. 2. v. 12. 13. an den Titum.
[Spaltenumbruch] ſich ſelbſt ſuͤndlich, auch wenn ſie von groͤbern
Umſtaͤnden gemaͤßiget ſind. Denn ſie ſind
nichts, als eine eitele Welt-Luſt: Luſt, Luſt,
iſt die Loſung dabey. Die Luſt iſt der Antrieb,
die Luſt iſt das gantze Weſen derſelben: und
zwar nicht allein die ſchaͤdliche Luſt, bey welcher
keine wahre Furcht GOttes und keine reine Luſt
in GOTT aufkommen kan, und welche der ſo
hoch anbefohlnen Verleugnung unſerer ſelbſt,
und der Welt, gerade entgegen ſtehet: ſon-
dern auch eine recht thoͤrichte und alberne
Luſt,
davon der Menſch weder nach Leib, noch
nach der Seele den geringſten wahren Nutzen,
wol aber vielen Schaden hat. Die daher auch
recht unvernuͤnftig iſt. Und was iſt nicht al-
lein unchriſtlicher, ſondern auch unvernuͤnftiger,
als wenn die Luͤſtlinge ihre Luſt-Handlun-
gen
mit der Maͤßigung entſchuldigen? z. E.
wenn ein Spieler ſaget: er ſpiele nicht um
Geld, ſondern nur fuͤr die lange Weile, um die
Zeit zu verpaßiren. Denn es iſt ja dieſe ſo kur-
tze Lebens-Zeit und darinnen eine Stunde viel
edler, als ein Stuͤcke Geld; da dieſes noch wie-
der kan erworben, jene aber nimmermehr wie-
der erlanget werden, und alſo hat man davon
GOtt, wie ſie angewendet, Rechenſchaft zu ge-
ben. Und iſt den Unbekehrten, als unreinen,
oder durch das Blut Chriſti noch nicht gewa-
ſchenen, nach Tit. 1, 15. alles unrein, oder alles
ſuͤndlich, ſo gar auch ihr Eſſen und Trincken, da
ſie es nicht im Glauben und nicht in der Furcht
noch zur Ehre GOttes thun; wie koͤnnen ihnen
denn ſolche unvernuͤnftige Luſt-Handlungen in-
different
und unſuͤndlich ſeyn? Glaͤubige und
wahrhaftige Chriſten aber huͤten ſich davor, als
vor einem Schlam und Unflath. Steiget in ih-
nen eine ſolche Luſt-Begierde auf, ſo creutzigen
ſie dieſelbe nach Gal. 5, 24. und ſehen ſich vor,
daß ſie ſich von uͤbertuͤnchten, oder uͤbertuͤn-
chenden Luſt-Predigern und Luſt-Kraͤmern, da-
von Petrus 2 Epiſt. c. 2, 19. 20. ſchreibet, durch
die Lock-Speiſe, als wenn es indifferente Sa-
chen waͤren, welche zur Chriſtlichen Freyheit ge-
hoͤreten, nicht einſchlaͤfern, einflechten und uͤber-
winden laſſen, damit nicht das Letzte mit ihnen
aͤrger werde, denn das Erſte, nemlich der Ruͤck-
fall gefaͤhrlicher, als der erſte unbekehrte Zu-
ſtand.

9. Hieraus iſt nun leichtlich zu erkennen,
wie diejenigen Einwuͤrfe und Behelfe der Luͤſt-
linge anzuſehen ſind, da ſie ſagen: wo ſtehet
denn in der Heil. Schrift: Du ſolt nicht ſpielen,
nicht tantzen u. ſ. w. Denn damit geben ſie
gantz deutlich an den Tag, daß ſie auch noch nicht
einmal eine bloß buchſtaͤbliche Erkenntniß von
dem menſchlichen Verderben und von der Ord-
nung des Heyls haben, und daß bey Leſung
und Betrachtung der Heil. Schrift eine recht
groſſe und dicke Decke des Unglaubens und der
Finſterniſſe vor den Augen ihres Gemuͤths hange.
Welche ſie denn auch durch viele andere nichtige
Einwendungen, die itzo nicht zu beruͤhren ſind,
ſonderlich durch offenbaren Mißbrauch vieler
Oerter der Heil. Schrift, zu erkennen geben.

[Spaltenumbruch]

10. So viel zur Erlaͤuterung und richtigen
Anwendung dieſes ſehr wichtigen Orts. Der
Nachdruck der uͤbrigen Worte iſt bereits in der
paraphraſi bey dem Texte angezeiget. Dabey
denn noch dieſes zu mercken iſt, daß der guten
Zucht und der Gerechtigkeit noch vor der Gott-
ſeligkeit deswegen gedacht wird, weil dieſe durch
jene ſich zu erkennen giebet, und von ihnen, wenn
ſie rechter Art ſind, ein Schluß auf dieſe kan
und muß gemachet werden. Es koͤmmt aber,
wie leichtlich zu erachten, bey allen dieſen Stuͤ-
cken nicht an auf eine und die andere gute und
geiſtliche Handlung, ſondern auf eine beſtaͤndi-
ge und mit mehrerm Wachsthum verknuͤpfte
Ubung in der Beharrung.

V. 13.

Und warten auf die ſelige Hoffnung
(auf die Offenbarung und Vollendung der Se-
ligkeit, welche das Ziel unſerer Hoffnung iſt,
dahin ſie gehet) und Erſcheinung der Herr-
lichkeit des groſſen GOTTes und unſers
Heylandes JEſu Chriſti
(zum groſſen Welt-
Gerichte, dazu er in groſſer Majeſtaͤt erſcheinen
und uns in ſein Reich der Herrlichkeit, welches
wir erwarten, einfuͤhren wird.)

Anmerckungen.

1. Es iſt dieſer Ort einer von denen, wor-
aus man die wahre ewige Gottheit unſers
Heylandes aufs buͤndigſte erweiſen kan. Zu-
vorderſt wird hier zum Grunde geſetzet, daß
durch die Worte der groſſe GOtt niemand an-
ders als der wahre ewige GOTT koͤnne ver-
ſtanden werden: als welches gantz klar iſt, ſo
wol aus der ordentlichen Bedeutung des
Worts GOTT, welchen es im gantzen neuen
Teſtamente hat, wenn es in der eintzelen Zahl
ohne Beyſatz eines der wahren Gottheit entge-
gen ſtehenden Worts gebrauchet wird, wie es
geſchiehet 1 Cor. 8, 5. 2 Cor. 4, 4. Phil. 3, 19.
als auch aus dem dazu geſetzten Worte του῀ με-
γάλου, des groſſen GOttes; welches niemals
anders, als von dem einigen wahren GOTT
gebrauchet wird, und gebrauchet werden kan.
Siehe 2 B. Moſ. 18, 11. 5 B. Moſ. 17, 21. Esra
5, 8. Neh. 1, 5. c. 8, 6. c. 9, 32. Pſ. 95, 3. Dan. 2,
45. c. 9, 4. Offenb. 19, 17. u. ſ. w. Und wie
koͤnnte auch das bloß Goͤttliche Werck des
Welt-Gerichts iemand anders zukommen, als
dem wahren GOTT, dem es hier zugeſchrieben
wird.

2. Daß nun aber unſer Heyland dieſer
groſſe GOTT ſey, und Paulus ihn dadurch
verſtehe, das iſt wider die Socianer, die es
nach ihrer groſſen Blindheit leugnen, daraus of-
fenbar: Weil dem groſſen GOTT, davon die
Rede iſt, die Zukunft und Erſcheinung zum Ge-
richte alhier zugeſchrieben wird, die da eigent-
lich dem Sohne GOttes zukoͤmmt, wie aus ſei-
nem koͤniglichen Amte an ſich klar iſt, und aus
ſo vielen Orten der heiligen Schrift, ſonderlich
des neuen Teſtaments, erhellet. Man ſehe un-
ter andern Matth. 24. 25. Joh. 5, 21. Ap. Geſ.

22, 31.
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[209/0211] Cap. 2. v. 12. 13. an den Titum. ſich ſelbſt ſuͤndlich, auch wenn ſie von groͤbern Umſtaͤnden gemaͤßiget ſind. Denn ſie ſind nichts, als eine eitele Welt-Luſt: Luſt, Luſt, iſt die Loſung dabey. Die Luſt iſt der Antrieb, die Luſt iſt das gantze Weſen derſelben: und zwar nicht allein die ſchaͤdliche Luſt, bey welcher keine wahre Furcht GOttes und keine reine Luſt in GOTT aufkommen kan, und welche der ſo hoch anbefohlnen Verleugnung unſerer ſelbſt, und der Welt, gerade entgegen ſtehet: ſon- dern auch eine recht thoͤrichte und alberne Luſt, davon der Menſch weder nach Leib, noch nach der Seele den geringſten wahren Nutzen, wol aber vielen Schaden hat. Die daher auch recht unvernuͤnftig iſt. Und was iſt nicht al- lein unchriſtlicher, ſondern auch unvernuͤnftiger, als wenn die Luͤſtlinge ihre Luſt-Handlun- gen mit der Maͤßigung entſchuldigen? z. E. wenn ein Spieler ſaget: er ſpiele nicht um Geld, ſondern nur fuͤr die lange Weile, um die Zeit zu verpaßiren. Denn es iſt ja dieſe ſo kur- tze Lebens-Zeit und darinnen eine Stunde viel edler, als ein Stuͤcke Geld; da dieſes noch wie- der kan erworben, jene aber nimmermehr wie- der erlanget werden, und alſo hat man davon GOtt, wie ſie angewendet, Rechenſchaft zu ge- ben. Und iſt den Unbekehrten, als unreinen, oder durch das Blut Chriſti noch nicht gewa- ſchenen, nach Tit. 1, 15. alles unrein, oder alles ſuͤndlich, ſo gar auch ihr Eſſen und Trincken, da ſie es nicht im Glauben und nicht in der Furcht noch zur Ehre GOttes thun; wie koͤnnen ihnen denn ſolche unvernuͤnftige Luſt-Handlungen in- different und unſuͤndlich ſeyn? Glaͤubige und wahrhaftige Chriſten aber huͤten ſich davor, als vor einem Schlam und Unflath. Steiget in ih- nen eine ſolche Luſt-Begierde auf, ſo creutzigen ſie dieſelbe nach Gal. 5, 24. und ſehen ſich vor, daß ſie ſich von uͤbertuͤnchten, oder uͤbertuͤn- chenden Luſt-Predigern und Luſt-Kraͤmern, da- von Petrus 2 Epiſt. c. 2, 19. 20. ſchreibet, durch die Lock-Speiſe, als wenn es indifferente Sa- chen waͤren, welche zur Chriſtlichen Freyheit ge- hoͤreten, nicht einſchlaͤfern, einflechten und uͤber- winden laſſen, damit nicht das Letzte mit ihnen aͤrger werde, denn das Erſte, nemlich der Ruͤck- fall gefaͤhrlicher, als der erſte unbekehrte Zu- ſtand. 9. Hieraus iſt nun leichtlich zu erkennen, wie diejenigen Einwuͤrfe und Behelfe der Luͤſt- linge anzuſehen ſind, da ſie ſagen: wo ſtehet denn in der Heil. Schrift: Du ſolt nicht ſpielen, nicht tantzen u. ſ. w. Denn damit geben ſie gantz deutlich an den Tag, daß ſie auch noch nicht einmal eine bloß buchſtaͤbliche Erkenntniß von dem menſchlichen Verderben und von der Ord- nung des Heyls haben, und daß bey Leſung und Betrachtung der Heil. Schrift eine recht groſſe und dicke Decke des Unglaubens und der Finſterniſſe vor den Augen ihres Gemuͤths hange. Welche ſie denn auch durch viele andere nichtige Einwendungen, die itzo nicht zu beruͤhren ſind, ſonderlich durch offenbaren Mißbrauch vieler Oerter der Heil. Schrift, zu erkennen geben. 10. So viel zur Erlaͤuterung und richtigen Anwendung dieſes ſehr wichtigen Orts. Der Nachdruck der uͤbrigen Worte iſt bereits in der paraphraſi bey dem Texte angezeiget. Dabey denn noch dieſes zu mercken iſt, daß der guten Zucht und der Gerechtigkeit noch vor der Gott- ſeligkeit deswegen gedacht wird, weil dieſe durch jene ſich zu erkennen giebet, und von ihnen, wenn ſie rechter Art ſind, ein Schluß auf dieſe kan und muß gemachet werden. Es koͤmmt aber, wie leichtlich zu erachten, bey allen dieſen Stuͤ- cken nicht an auf eine und die andere gute und geiſtliche Handlung, ſondern auf eine beſtaͤndi- ge und mit mehrerm Wachsthum verknuͤpfte Ubung in der Beharrung. V. 13. Und warten auf die ſelige Hoffnung (auf die Offenbarung und Vollendung der Se- ligkeit, welche das Ziel unſerer Hoffnung iſt, dahin ſie gehet) und Erſcheinung der Herr- lichkeit des groſſen GOTTes und unſers Heylandes JEſu Chriſti (zum groſſen Welt- Gerichte, dazu er in groſſer Majeſtaͤt erſcheinen und uns in ſein Reich der Herrlichkeit, welches wir erwarten, einfuͤhren wird.) Anmerckungen. 1. Es iſt dieſer Ort einer von denen, wor- aus man die wahre ewige Gottheit unſers Heylandes aufs buͤndigſte erweiſen kan. Zu- vorderſt wird hier zum Grunde geſetzet, daß durch die Worte der groſſe GOtt niemand an- ders als der wahre ewige GOTT koͤnne ver- ſtanden werden: als welches gantz klar iſt, ſo wol aus der ordentlichen Bedeutung des Worts GOTT, welchen es im gantzen neuen Teſtamente hat, wenn es in der eintzelen Zahl ohne Beyſatz eines der wahren Gottheit entge- gen ſtehenden Worts gebrauchet wird, wie es geſchiehet 1 Cor. 8, 5. 2 Cor. 4, 4. Phil. 3, 19. als auch aus dem dazu geſetzten Worte του῀ με- γάλου, des groſſen GOttes; welches niemals anders, als von dem einigen wahren GOTT gebrauchet wird, und gebrauchet werden kan. Siehe 2 B. Moſ. 18, 11. 5 B. Moſ. 17, 21. Esra 5, 8. Neh. 1, 5. c. 8, 6. c. 9, 32. Pſ. 95, 3. Dan. 2, 45. c. 9, 4. Offenb. 19, 17. u. ſ. w. Und wie koͤnnte auch das bloß Goͤttliche Werck des Welt-Gerichts iemand anders zukommen, als dem wahren GOTT, dem es hier zugeſchrieben wird. 2. Daß nun aber unſer Heyland dieſer groſſe GOTT ſey, und Paulus ihn dadurch verſtehe, das iſt wider die Socianer, die es nach ihrer groſſen Blindheit leugnen, daraus of- fenbar: Weil dem groſſen GOTT, davon die Rede iſt, die Zukunft und Erſcheinung zum Ge- richte alhier zugeſchrieben wird, die da eigent- lich dem Sohne GOttes zukoͤmmt, wie aus ſei- nem koͤniglichen Amte an ſich klar iſt, und aus ſo vielen Orten der heiligen Schrift, ſonderlich des neuen Teſtaments, erhellet. Man ſehe un- ter andern Matth. 24. 25. Joh. 5, 21. Ap. Geſ. 22, 31. D d

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/211>, abgerufen am 10.05.2024.