[Spaltenumbruch]
ben mit lebendiger Hoffnung erwartet und er- griffen wird.
2. Der Glaube wird deßwegen den Aus- erwehlten beygeleget, weil es bey der Erweh- lung auf den Glauben ankömmt; denn da es heißt: Wer gläubet, der soll selig werden; Marc. 16, 16. und GOTT vorhersiehet, wel- che sich zum Glauben und also in die Heyls- Ordnung bringen lassen, und darinn verhar- ren, so hat er diesen, in Ansehung ihres Glau- bens, oder Christi, den sie dadurch ergriffen, das ewige Leben schon von Ewigkeit her zuer- kannt. Darum es 2 Thess. 2, 13. heißt, daß wir erwehlet sind im Glauben der Wahrheit, der durch die Heiligung des Geistes angezündet worden.
3. Das Wort Glaube wird erläutert durch die darauf gesetzte Worte Erkenntniß der Wahrheit; denn der Glaube ist ein solches geistliches Leben in der Seele, welches auch ein geistliches Licht ist, in welchem die Wahrheit, das ist, der gantze Rath GOttes von unserer Seligkeit, lebendig erkannt wird: wie denn auch daher der Glaube mehrmal durch das Wort Er- kenntniß bezeichnet wird. Siehe Hiob 19, 25. Jes. 53, 11. Joh. 17, 3. 2 Pet. 1, 3. c. 2, 20. Es ist demnach keine Erkenntniß Göttlicher Dinge rechter Art, es sey denn daß sie gläubig sey. Da unbekehrte Menschen keinen wahren Glauben haben, so haben sie auch keine wahre, das ist, geistliche und lebendige Erkenntniß, ob sie gleich noch so viel buchstäbliche Wissenschaft besitzen.
4. Die Wahrheit heißt [fremdsprachliches Material] kat' eusebeian, das ist, eine solche Wahrheit, welche nicht al- lein die Gottseligkeit zum Zweck hat, sondern auch von der Art ist, daß sie, wo sie recht leben- dig erkannt und besessen wird, die Gottseligkeit, als eine dazu gehörige Sache, schon mit in sich hat, und immer mehr aus sich gebieret. Und also ist es eine recht Kraft-Wahrheit, der blos- sen theorie, oder buchstäblichen Wissenschaft Göttlicher Dinge, und noch viel mehr dem losen Gezäncke und Geschwätze, davon v. 10. u. f. entgegen gesetzet.
5. Glaube, Liebe, Hoffnung 1 Cor. 13, 13. stehen auch alhier bey einander; denn des Glaubens und der Hoffnung wird ausdrück- lich gedacht. Die Liebe aber, als eine Frucht und Erweis des Glaubens, stehet darzwischen in dem Worte Gottseligkeit; als welche ausser dem Glauben und der Hoffnung in der Liebe bestehet, und in derselben Pflichten gegen GOtt, uns selbst, und den Nächsten ausgeübet wird.
6. Aiones, Hebr. [mymlvts], sind gewisse periodi, oder Hauptstücke und Abschnitte im Laufe der Zeiten, dadurch sie von einander un- terschieden werden, und ihre terminos, oder Grentzen, in gewissen merckwürdigen Begeben- heiten, ihrem Anfange und Ende nach, haben. Also haben wir solche aianas von Anfang der Welt bis auf die Sündfluth: von der Sünd- fluth bis auf Abraham; von Abraham bis auf Mosen: von Mose bis auf Salomon, oder den ersten Tempel: vom ersten Tempel bis auf den [Spaltenumbruch]
andern; von dem andern bis auf Christum: welche grössere periodi oder aiones denn wie- der kleinere in sich halten. Welcher Bedeu- tung nicht entgegen stehet, daß das Wort auch ofte von der unendlichen Ewigkeit gebraucht wird. Und also sind khronoi aionioi alhier ei- gentlich diejenige periodi temporum, oder Zeitlaufe, welche in unterschiedlichen leicht zu machenden Abschnitten von Adam bis auf Chri- stum verflossen sind. Vor welchen bereits GOTT das ewige Leben in Christo verheissen hat, das ist, gleich nach dem Fall. Daß also diese Worte eigentlich auf das Paradiesische Protevangelium, erste Evangelium gehen von des Weibes Samen, der der Schlangen den Kopf zertreten, und damit das verlohrne Heyl wiederbringen solte.
7. Daß die Worte aionioi khronoi alhier diese Bedeutung haben, siehet man theils aus dem Beysatz des Worts hat verheissen; theils aus den folgenden Worten: hat offenbaret zu seiner Zeit. Denn die Verheissung ist nicht vor der Zeit von Ewigkeit her geschehen, sondern erst in der Zeit, und hebet sich an vor allen pe- riodis temporum, oder aionon, im Paradie- se nach dem Fall. Daß aber verheissen so viel seyn solte, als beschliessen, wie viele Ausle- ger dafür halten, ist gezwungen. Und aus den Worten von der in gewissen Zeiten geschehenen Offenbarung v. 3. ist der angeführte Verstand erwehnter Worte noch deutlicher. Denn da durch die zu gewissen Zeiten geschehene Offen- barung die neue Oeconomie des Evangelii, wie sie durch Christum aufgerichtet ist, verstanden wird: so stehet dieser nicht die Ewigkeit, son- dern die vorige alte Oeconomie in ihren perio- dis entgegen. Und daß diese auch sonst mit den Worten khronoi aionioi bezeichnet werden, siehet man Röm. 16, 25. Col. 1, 26. Wenn es aber die Sache selbst also mit sich bringet, so kan durch die Redens-Art pro khronon aionion, vor den periodis der Zeiten, auch die vorherge- gangene Ewigkeit verstanden werden, aus 2 Tim. 1, 9.
8. Wer sich der Hoffnung des ewigen Le- bens recht erfreuen will, in dem muß auch der wahre Glaube seyn, und sich in der Gottseligkeit erweisen. Denn in solcher Ordnung lässet diese Hoffnung nicht zu schanden werden; als welche durch die im Hertzen ausgegossene Liebe GOttes bevestiget ist.
V. 3.
Hat aber offenbaret zu seiner Zeit (da die aiones, die periodi der Zeiten verlauf- fen, oder die bestimte Zeit erfüllet war Gal. 4, 4. Röm. 16, 15. Eph. 1, 9. 10. Col. 1, 26. 1 Pet. 1, 20.) sein Wort (der Verheissung und des Evangelii) durch die Predigt (kerugma, solche Verkündigung, die im Namen und in der Au- ctorität GOttes öffentlich geschiehet) die mir vertrauet ist (also daß GOtt mich dazu getreu gemachet und geachtet bat 1 Thess. 2, 4.) nach dem Befehl GOttes unsers Heylandes (des
Drey-
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 1. v. 1-3.
[Spaltenumbruch]
ben mit lebendiger Hoffnung erwartet und er- griffen wird.
2. Der Glaube wird deßwegen den Aus- erwehlten beygeleget, weil es bey der Erweh- lung auf den Glauben ankoͤmmt; denn da es heißt: Wer glaͤubet, der ſoll ſelig werden; Marc. 16, 16. und GOTT vorherſiehet, wel- che ſich zum Glauben und alſo in die Heyls- Ordnung bringen laſſen, und darinn verhar- ren, ſo hat er dieſen, in Anſehung ihres Glau- bens, oder Chriſti, den ſie dadurch ergriffen, das ewige Leben ſchon von Ewigkeit her zuer- kannt. Darum es 2 Theſſ. 2, 13. heißt, daß wir erwehlet ſind im Glauben der Wahrheit, der durch die Heiligung des Geiſtes angezuͤndet worden.
3. Das Wort Glaube wird erlaͤutert durch die darauf geſetzte Worte Erkenntniß der Wahrheit; denn der Glaube iſt ein ſolches geiſtliches Leben in der Seele, welches auch ein geiſtliches Licht iſt, in welchem die Wahrheit, das iſt, der gantze Rath GOttes von unſerer Seligkeit, lebendig erkannt wird: wie denn auch daher der Glaube mehrmal durch das Wort Er- kenntniß bezeichnet wird. Siehe Hiob 19, 25. Jeſ. 53, 11. Joh. 17, 3. 2 Pet. 1, 3. c. 2, 20. Es iſt demnach keine Erkenntniß Goͤttlicher Dinge rechter Art, es ſey denn daß ſie glaͤubig ſey. Da unbekehrte Menſchen keinen wahren Glauben haben, ſo haben ſie auch keine wahre, das iſt, geiſtliche und lebendige Erkenntniß, ob ſie gleich noch ſo viel buchſtaͤbliche Wiſſenſchaft beſitzen.
4. Die Wahrheit heißt [fremdsprachliches Material] κατ᾽ ἐυσέβειαν, das iſt, eine ſolche Wahrheit, welche nicht al- lein die Gottſeligkeit zum Zweck hat, ſondern auch von der Art iſt, daß ſie, wo ſie recht leben- dig erkannt und beſeſſen wird, die Gottſeligkeit, als eine dazu gehoͤrige Sache, ſchon mit in ſich hat, und immer mehr aus ſich gebieret. Und alſo iſt es eine recht Kraft-Wahrheit, der bloſ- ſen theorie, oder buchſtaͤblichen Wiſſenſchaft Goͤttlicher Dinge, und noch viel mehr dem loſen Gezaͤncke und Geſchwaͤtze, davon v. 10. u. f. entgegen geſetzet.
5. Glaube, Liebe, Hoffnung 1 Cor. 13, 13. ſtehen auch alhier bey einander; denn des Glaubens und der Hoffnung wird ausdruͤck- lich gedacht. Die Liebe aber, als eine Frucht und Erweis des Glaubens, ſtehet darzwiſchen in dem Worte Gottſeligkeit; als welche auſſer dem Glauben und der Hoffnung in der Liebe beſtehet, und in derſelben Pflichten gegen GOtt, uns ſelbſt, und den Naͤchſten ausgeuͤbet wird.
6. Ἀιῶνες, Hebr. [םימלוצ], ſind gewiſſe periodi, oder Hauptſtuͤcke und Abſchnitte im Laufe der Zeiten, dadurch ſie von einander un- terſchieden werden, und ihre terminos, oder Grentzen, in gewiſſen merckwuͤrdigen Begeben- heiten, ihrem Anfange und Ende nach, haben. Alſo haben wir ſolche ἀιᾶνας von Anfang der Welt bis auf die Suͤndfluth: von der Suͤnd- fluth bis auf Abraham; von Abraham bis auf Moſen: von Moſe bis auf Salomon, oder den erſten Tempel: vom erſten Tempel bis auf den [Spaltenumbruch]
andern; von dem andern bis auf Chriſtum: welche groͤſſere periodi oder αἰῶνες denn wie- der kleinere in ſich halten. Welcher Bedeu- tung nicht entgegen ſtehet, daß das Wort auch ofte von der unendlichen Ewigkeit gebraucht wird. Und alſo ſind χρόνοι αἰώνιοι alhier ei- gentlich diejenige periodi temporum, oder Zeitlaufe, welche in unterſchiedlichen leicht zu machenden Abſchnitten von Adam bis auf Chri- ſtum verfloſſen ſind. Vor welchen bereits GOTT das ewige Leben in Chriſto verheiſſen hat, das iſt, gleich nach dem Fall. Daß alſo dieſe Worte eigentlich auf das Paradieſiſche Protevangelium, erſte Evangelium gehen von des Weibes Samen, der der Schlangen den Kopf zertreten, und damit das verlohrne Heyl wiederbringen ſolte.
7. Daß die Worte ἀιὼνιοι χρόνοι alhier dieſe Bedeutung haben, ſiehet man theils aus dem Beyſatz des Worts hat verheiſſen; theils aus den folgenden Worten: hat offenbaret zu ſeiner Zeit. Denn die Verheiſſung iſt nicht vor der Zeit von Ewigkeit her geſchehen, ſondern erſt in der Zeit, und hebet ſich an vor allen pe- riodis temporum, oder αἰώνων, im Paradie- ſe nach dem Fall. Daß aber verheiſſen ſo viel ſeyn ſolte, als beſchlieſſen, wie viele Ausle- ger dafuͤr halten, iſt gezwungen. Und aus den Worten von der in gewiſſen Zeiten geſchehenen Offenbarung v. 3. iſt der angefuͤhrte Verſtand erwehnter Worte noch deutlicher. Denn da durch die zu gewiſſen Zeiten geſchehene Offen- barung die neue Oeconomie des Evangelii, wie ſie durch Chriſtum aufgerichtet iſt, verſtanden wird: ſo ſtehet dieſer nicht die Ewigkeit, ſon- dern die vorige alte Oeconomie in ihren perio- dis entgegen. Und daß dieſe auch ſonſt mit den Worten χρόνοι ἀιώνιοι bezeichnet werden, ſiehet man Roͤm. 16, 25. Col. 1, 26. Wenn es aber die Sache ſelbſt alſo mit ſich bringet, ſo kan durch die Redens-Art πρὸ χρόνων ἀιωνίων, vor den periodis der Zeiten, auch die vorherge- gangene Ewigkeit verſtanden werden, aus 2 Tim. 1, 9.
8. Wer ſich der Hoffnung des ewigen Le- bens recht erfreuen will, in dem muß auch der wahre Glaube ſeyn, und ſich in der Gottſeligkeit erweiſen. Denn in ſolcher Ordnung laͤſſet dieſe Hoffnung nicht zu ſchanden werden; als welche durch die im Hertzen ausgegoſſene Liebe GOttes beveſtiget iſt.
V. 3.
Hat aber offenbaret zu ſeiner Zeit (da die ἀιῶνες, die periodi der Zeiten verlauf- fen, oder die beſtimte Zeit erfuͤllet war Gal. 4, 4. Roͤm. 16, 15. Eph. 1, 9. 10. Col. 1, 26. 1 Pet. 1, 20.) ſein Wort (der Verheiſſung und des Evangelii) durch die Predigt (κήρυγμα, ſolche Verkuͤndigung, die im Namen und in der Au- ctoritaͤt GOttes oͤffentlich geſchiehet) die mir vertrauet iſt (alſo daß GOtt mich dazu getreu gemachet und geachtet bat 1 Theſſ. 2, 4.) nach dem Befehl GOttes unſers Heylandes (des
Drey-
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[196/0198]
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 1. v. 1-3.
ben mit lebendiger Hoffnung erwartet und er-
griffen wird.
2. Der Glaube wird deßwegen den Aus-
erwehlten beygeleget, weil es bey der Erweh-
lung auf den Glauben ankoͤmmt; denn da es
heißt: Wer glaͤubet, der ſoll ſelig werden;
Marc. 16, 16. und GOTT vorherſiehet, wel-
che ſich zum Glauben und alſo in die Heyls-
Ordnung bringen laſſen, und darinn verhar-
ren, ſo hat er dieſen, in Anſehung ihres Glau-
bens, oder Chriſti, den ſie dadurch ergriffen,
das ewige Leben ſchon von Ewigkeit her zuer-
kannt. Darum es 2 Theſſ. 2, 13. heißt, daß wir
erwehlet ſind im Glauben der Wahrheit,
der durch die Heiligung des Geiſtes angezuͤndet
worden.
3. Das Wort Glaube wird erlaͤutert
durch die darauf geſetzte Worte Erkenntniß der
Wahrheit; denn der Glaube iſt ein ſolches
geiſtliches Leben in der Seele, welches auch ein
geiſtliches Licht iſt, in welchem die Wahrheit,
das iſt, der gantze Rath GOttes von unſerer
Seligkeit, lebendig erkannt wird: wie denn auch
daher der Glaube mehrmal durch das Wort Er-
kenntniß bezeichnet wird. Siehe Hiob 19, 25.
Jeſ. 53, 11. Joh. 17, 3. 2 Pet. 1, 3. c. 2, 20. Es
iſt demnach keine Erkenntniß Goͤttlicher Dinge
rechter Art, es ſey denn daß ſie glaͤubig ſey. Da
unbekehrte Menſchen keinen wahren Glauben
haben, ſo haben ſie auch keine wahre, das iſt,
geiſtliche und lebendige Erkenntniß, ob ſie gleich
noch ſo viel buchſtaͤbliche Wiſſenſchaft beſitzen.
4. Die Wahrheit heißt _ κατ᾽ ἐυσέβειαν,
das iſt, eine ſolche Wahrheit, welche nicht al-
lein die Gottſeligkeit zum Zweck hat, ſondern
auch von der Art iſt, daß ſie, wo ſie recht leben-
dig erkannt und beſeſſen wird, die Gottſeligkeit,
als eine dazu gehoͤrige Sache, ſchon mit in ſich
hat, und immer mehr aus ſich gebieret. Und
alſo iſt es eine recht Kraft-Wahrheit, der bloſ-
ſen theorie, oder buchſtaͤblichen Wiſſenſchaft
Goͤttlicher Dinge, und noch viel mehr dem loſen
Gezaͤncke und Geſchwaͤtze, davon v. 10. u. f.
entgegen geſetzet.
5. Glaube, Liebe, Hoffnung 1 Cor. 13,
13. ſtehen auch alhier bey einander; denn des
Glaubens und der Hoffnung wird ausdruͤck-
lich gedacht. Die Liebe aber, als eine Frucht und
Erweis des Glaubens, ſtehet darzwiſchen in dem
Worte Gottſeligkeit; als welche auſſer dem
Glauben und der Hoffnung in der Liebe beſtehet,
und in derſelben Pflichten gegen GOtt, uns
ſelbſt, und den Naͤchſten ausgeuͤbet wird.
6. Ἀιῶνες, Hebr. םימלוצ, ſind gewiſſe
periodi, oder Hauptſtuͤcke und Abſchnitte im
Laufe der Zeiten, dadurch ſie von einander un-
terſchieden werden, und ihre terminos, oder
Grentzen, in gewiſſen merckwuͤrdigen Begeben-
heiten, ihrem Anfange und Ende nach, haben.
Alſo haben wir ſolche ἀιᾶνας von Anfang der
Welt bis auf die Suͤndfluth: von der Suͤnd-
fluth bis auf Abraham; von Abraham bis auf
Moſen: von Moſe bis auf Salomon, oder den
erſten Tempel: vom erſten Tempel bis auf den
andern; von dem andern bis auf Chriſtum:
welche groͤſſere periodi oder αἰῶνες denn wie-
der kleinere in ſich halten. Welcher Bedeu-
tung nicht entgegen ſtehet, daß das Wort auch
ofte von der unendlichen Ewigkeit gebraucht
wird. Und alſo ſind χρόνοι αἰώνιοι alhier ei-
gentlich diejenige periodi temporum, oder
Zeitlaufe, welche in unterſchiedlichen leicht zu
machenden Abſchnitten von Adam bis auf Chri-
ſtum verfloſſen ſind. Vor welchen bereits
GOTT das ewige Leben in Chriſto verheiſſen
hat, das iſt, gleich nach dem Fall. Daß alſo
dieſe Worte eigentlich auf das Paradieſiſche
Protevangelium, erſte Evangelium gehen von
des Weibes Samen, der der Schlangen den
Kopf zertreten, und damit das verlohrne Heyl
wiederbringen ſolte.
7. Daß die Worte ἀιὼνιοι χρόνοι alhier
dieſe Bedeutung haben, ſiehet man theils aus
dem Beyſatz des Worts hat verheiſſen; theils
aus den folgenden Worten: hat offenbaret
zu ſeiner Zeit. Denn die Verheiſſung iſt nicht
vor der Zeit von Ewigkeit her geſchehen, ſondern
erſt in der Zeit, und hebet ſich an vor allen pe-
riodis temporum, oder αἰώνων, im Paradie-
ſe nach dem Fall. Daß aber verheiſſen ſo viel
ſeyn ſolte, als beſchlieſſen, wie viele Ausle-
ger dafuͤr halten, iſt gezwungen. Und aus den
Worten von der in gewiſſen Zeiten geſchehenen
Offenbarung v. 3. iſt der angefuͤhrte Verſtand
erwehnter Worte noch deutlicher. Denn da
durch die zu gewiſſen Zeiten geſchehene Offen-
barung die neue Oeconomie des Evangelii, wie
ſie durch Chriſtum aufgerichtet iſt, verſtanden
wird: ſo ſtehet dieſer nicht die Ewigkeit, ſon-
dern die vorige alte Oeconomie in ihren perio-
dis entgegen. Und daß dieſe auch ſonſt mit den
Worten χρόνοι ἀιώνιοι bezeichnet werden, ſiehet
man Roͤm. 16, 25. Col. 1, 26. Wenn es aber
die Sache ſelbſt alſo mit ſich bringet, ſo kan
durch die Redens-Art πρὸ χρόνων ἀιωνίων, vor
den periodis der Zeiten, auch die vorherge-
gangene Ewigkeit verſtanden werden, aus 2
Tim. 1, 9.
8. Wer ſich der Hoffnung des ewigen Le-
bens recht erfreuen will, in dem muß auch der
wahre Glaube ſeyn, und ſich in der Gottſeligkeit
erweiſen. Denn in ſolcher Ordnung laͤſſet dieſe
Hoffnung nicht zu ſchanden werden; als welche
durch die im Hertzen ausgegoſſene Liebe GOttes
beveſtiget iſt.
V. 3.
Hat aber offenbaret zu ſeiner Zeit
(da die ἀιῶνες, die periodi der Zeiten verlauf-
fen, oder die beſtimte Zeit erfuͤllet war Gal. 4,
4. Roͤm. 16, 15. Eph. 1, 9. 10. Col. 1, 26. 1 Pet.
1, 20.) ſein Wort (der Verheiſſung und des
Evangelii) durch die Predigt (κήρυγμα, ſolche
Verkuͤndigung, die im Namen und in der Au-
ctoritaͤt GOttes oͤffentlich geſchiehet) die mir
vertrauet iſt (alſo daß GOtt mich dazu getreu
gemachet und geachtet bat 1 Theſſ. 2, 4.) nach
dem Befehl GOttes unſers Heylandes (des
Drey-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/198>, abgerufen am 23.11.2024.
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vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.