Erklärung des ersten Briefes Pauli C. 2. v. 9. 10. 11.
[Spaltenumbruch]lieben Brüder, unserer Arbeit und unserer Mühe. Denn Tag und Nacht (da zur Nacht auch einige Abend- und Morgen-Stunden gehören) arbeiteten wir (nemlich mit unsern Händen im Teppich machen Apost. Gesch. 18, 3. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. 9, 16. 2 Cor. 11, 9. 2 Thess. 3, 8.) daß wir niemand unter euch beschwerlich wären (2 Cor. 12, 13.) und predigten euch das Evangelium GOttes (1 Cor. 9, 18.
Anmerckungen.
1. Gleichwie dieses von Paulo nicht erfor- dert wurde; so ist auch kein Lehrer schuldig, sich von anderwärtiger Arbeit zu nehren: sintemal ein Arbeiter am Worte seines Lohnes, oder Un- terhalts, werth ist, nach Christi von Paulo wi- derholten Ausspruch 1 Cor. 9, 6. u. s. f. Matth. 10, 10. Luc. 10, 7. Unterdessen aber so hat doch ein Lehrer so viel daraus zu erkennen, daß er vom Geitze ferne seyn, und sich auch mit wenigen be- gnügen soll, zumal da der Gemeine ein mehrers darzureichen zu schwer werden will, es auch nicht hergebracht ist. Da aber auch der Zuhörer Pflicht ist, sich gegen ihre Lehrer so viel danckba- rer und gutthätiger zu erweisen, so viel treuer und arbeitsamer und vergnügter sie sind.
2. Hat Paulus sich in seinem Amte so gar arbeitsam erwiesen, daß er es bey der geistlichen Ar- beit nicht einmal gelassen hat; wo wollen denn diejenigen Lehrer mit ihrem Gewissen vor GOtt auskommen, welche auch in der geistlichen Arbeit so gar säumig sind.
3. Hat Paulus auch zur leiblichen Arbeit ausser der Zeit bey Tage auch einige nächtliche, das ist späte Abend- und frühe Morgen-Stunden an- gewendet, wie vielmehr soll ein getreuer Lehrer, zumal wenn er eines gesunden Leibes ist, solche Stunden theils zu seinem Studiren, theils zum Gebet und Fürbitte für seine Gemeine anwenden, um in der heiligen Schrift immer mächtiger und am Geiste stärcker zu werden, und das Wort der Wahrheit mit desto mehrern Nachdruck zu desto mehrern Segen vortragen zu können.
4. Jm übrigen ist zu mercken, daß, da Paulus, wenn er nicht geprediget, auch des Tages gear- beitet hat, er ohne Zweifel auch mitten unter und bey seiner Arbeit nicht wird unterlassen haben, diejenigen, welche ihn besuchet, mit Unterricht zu erbauen: daß demnach die geistliche Arbeit mit der leiblichen wohl oft gar genau verknüpfet ge- wesen ist. Und was kan löblicher und gesegneter seyn, als wenn Leute, die zusammen in einer Werckstätte sich befinden, sich mit gottseligen Gesprächen unter einander erbauen! Denn kön- nen sie Böses gedencken und reden; Warum nicht viel lieber etwas Gutes? Sonderlich ist dieses die Pflicht der Herren und Meister, daß sie disfals ihren Gesellen und Lehrlingen mit gutem Exempel vorgehen.
V. 10.
Deß seyd ihr Zeugen, und GOtt, wie heilig (gegen GOTT) und gerecht (in aller Billigkeit und Liebe gegen Menschen) und un- sträflich (in gantzem Wandel: welches letztere [Spaltenumbruch]
aus den beyden ersten Stücken entstehet) wir bey euch, die ihr gläubig waret (umintsis piseuou- sin, euch eurem, der Gläubigen, Urtheil nach, da wir hingegen von den ungläubigen Jüden aufs ärgste verlästert worden) gewesen sind.
Anmerckungen.
1. Wo das Zeugniß des eignen Gewissens mit dem Zeugnisse GOttes und rechtschaffner Menschen verknüpfet ist, da zielet solches drey- fache Zeugniß auf die rechte Freudigkeit und Ruhe des Gewissens.
2. Paulus konte dieses in Demuth nach der Wahrheit von sich sagen: Welches ihm niemand nachthun kan und muß, als der in eben dem Pau- linischen Grunde stehet, und daraus zeuget, auch wichtige Veranlassung dazu hat.
3. Was aber Paulus alhier von sich bezeu- get, das muß ein ieglicher Lehrer an sich haben. Denn dis sind Gaben der Heiligung, welche ein ieglicher Gläubiger, und also noch vielmehr ein ieglicher rechtschaffner Lehrer, mit Paulo gemein hat. Wie er denn auch daher von den Lehrern insgesamt erfordert, daß sie unsträflich und Für- bilder der Heerde seyn sollen. 1 Tim. 3, 2. 4, 12. Tit. 1, 7.
V. 11.
Wie ihr denn wisset, daß wir, als ein Vater seine Kinder, einen ieglichen unter euch (wie unterrichtet, also auch nach dem Unterricht zur rechten Application und Ausü- bung der Lehre) ermahnet, (und unter dem schweren Leiden) getröstet (und durch den Trost zur Beständigkeit ermuntert.)
Anmerckungen.
1. Es ist nicht genug, das Wort GOttes dem gantzen Haufen der Zuhörer vortragen: son- dern es lieget dem Lehrer auch allerdinge ob, daß er auch bey aller, theils gegebner, theils gesuchter Gelegenheit ena ekason, einen ieglichen besonders zu erbauen suche. Es ist leicht gesaget: Dic, & liberasti animam tuam. Denn das dic,sage es, muß bey dem öffentlichen Vortrage nicht al- lein bleiben. Paulus hielte es auch anderwärtig also: Wie er sich denn in der an die Aeltesten von Ephesus gehaltenen Abschieds-Rede auch darauf bezog. Apost. Gesch. 20, 31. Da er zu ih- nen sprach: Seyd wacker und dencket dar- an, daß ich nicht abgelassen habe, drey Jahr, Tag und Nacht, einen ieglichen mit Thränen zu vermahnen.
2. Für eines der vornehmsten und besten Kennzeichen eines rechtschaffenen Lehrers, dem es um die Gewinnung und um den Wachsthum seiner Zuhörer zu thun ist, kan man unter andern mit Recht auch dieses halten, daß er bey aller ge- gebenen, theils auch gesuchten Gelegenheit sie ins besondere zu erbauen suchet, und, wo er sich bey diesen und jenen in einer Privat-Gesellschaft be- findet, daß er solche zur Erbauung anwendet: gleichwie es hingegen ein unfehlbarer Character eines Mietlings ist, wenn er solches unterlässet, und sich in Privat-Gesellschaft der Wahrheit,
davon
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 2. v. 9. 10. 11.
[Spaltenumbruch]lieben Bruͤder, unſerer Arbeit und unſerer Muͤhe. Denn Tag und Nacht (da zur Nacht auch einige Abend- und Morgen-Stunden gehoͤren) arbeiteten wir (nemlich mit unſern Haͤnden im Teppich machen Apoſt. Geſch. 18, 3. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. 9, 16. 2 Cor. 11, 9. 2 Theſſ. 3, 8.) daß wir niemand unter euch beſchwerlich waͤren (2 Cor. 12, 13.) und predigten euch das Evangelium GOttes (1 Cor. 9, 18.
Anmerckungen.
1. Gleichwie dieſes von Paulo nicht erfor- dert wurde; ſo iſt auch kein Lehrer ſchuldig, ſich von anderwaͤrtiger Arbeit zu nehren: ſintemal ein Arbeiter am Worte ſeines Lohnes, oder Un- terhalts, werth iſt, nach Chriſti von Paulo wi- derholten Ausſpruch 1 Cor. 9, 6. u. ſ. f. Matth. 10, 10. Luc. 10, 7. Unterdeſſen aber ſo hat doch ein Lehrer ſo viel daraus zu erkennen, daß er vom Geitze ferne ſeyn, und ſich auch mit wenigen be- gnuͤgen ſoll, zumal da der Gemeine ein mehrers darzureichen zu ſchwer werden will, es auch nicht hergebracht iſt. Da aber auch der Zuhoͤrer Pflicht iſt, ſich gegen ihre Lehrer ſo viel danckba- rer und gutthaͤtiger zu erweiſen, ſo viel treuer und arbeitſamer und vergnuͤgter ſie ſind.
2. Hat Paulus ſich in ſeinem Amte ſo gar arbeitſam erwieſen, daß er es bey der geiſtlichen Ar- beit nicht einmal gelaſſen hat; wo wollen denn diejenigen Lehrer mit ihrem Gewiſſen vor GOtt auskommen, welche auch in der geiſtlichen Arbeit ſo gar ſaͤumig ſind.
3. Hat Paulus auch zur leiblichen Arbeit auſſer der Zeit bey Tage auch einige naͤchtliche, das iſt ſpaͤte Abend- und fruͤhe Morgen-Stunden an- gewendet, wie vielmehr ſoll ein getreuer Lehrer, zumal wenn er eines geſunden Leibes iſt, ſolche Stunden theils zu ſeinem Studiren, theils zum Gebet und Fuͤrbitte fuͤr ſeine Gemeine anwenden, um in der heiligen Schrift immer maͤchtiger und am Geiſte ſtaͤrcker zu werden, und das Wort der Wahrheit mit deſto mehrern Nachdruck zu deſto mehrern Segen vortragen zu koͤnnen.
4. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß, da Paulus, wenn er nicht geprediget, auch des Tages gear- beitet hat, er ohne Zweifel auch mitten unter und bey ſeiner Arbeit nicht wird unterlaſſen haben, diejenigen, welche ihn beſuchet, mit Unterricht zu erbauen: daß demnach die geiſtliche Arbeit mit der leiblichen wohl oft gar genau verknuͤpfet ge- weſen iſt. Und was kan loͤblicher und geſegneter ſeyn, als wenn Leute, die zuſammen in einer Werckſtaͤtte ſich befinden, ſich mit gottſeligen Geſpraͤchen unter einander erbauen! Denn koͤn- nen ſie Boͤſes gedencken und reden; Warum nicht viel lieber etwas Gutes? Sonderlich iſt dieſes die Pflicht der Herren und Meiſter, daß ſie disfals ihren Geſellen und Lehrlingen mit gutem Exempel vorgehen.
V. 10.
Deß ſeyd ihr Zeugen, und GOtt, wie heilig (gegen GOTT) und gerecht (in aller Billigkeit und Liebe gegen Menſchen) und un- ſtraͤflich (in gantzem Wandel: welches letztere [Spaltenumbruch]
aus den beyden erſten Stuͤcken entſtehet) wir bey euch, die ihr glaͤubig waret (ὑμῖντσις πιςέυου- σιν, euch eurem, der Glaͤubigen, Urtheil nach, da wir hingegen von den unglaͤubigen Juͤden aufs aͤrgſte verlaͤſtert worden) geweſen ſind.
Anmerckungen.
1. Wo das Zeugniß des eignen Gewiſſens mit dem Zeugniſſe GOttes und rechtſchaffner Menſchen verknuͤpfet iſt, da zielet ſolches drey- fache Zeugniß auf die rechte Freudigkeit und Ruhe des Gewiſſens.
2. Paulus konte dieſes in Demuth nach der Wahrheit von ſich ſagen: Welches ihm niemand nachthun kan und muß, als der in eben dem Pau- liniſchen Grunde ſtehet, und daraus zeuget, auch wichtige Veranlaſſung dazu hat.
3. Was aber Paulus alhier von ſich bezeu- get, das muß ein ieglicher Lehrer an ſich haben. Denn dis ſind Gaben der Heiligung, welche ein ieglicher Glaͤubiger, und alſo noch vielmehr ein ieglicher rechtſchaffner Lehrer, mit Paulo gemein hat. Wie er denn auch daher von den Lehrern insgeſamt erfordert, daß ſie unſtraͤflich und Fuͤr- bilder der Heerde ſeyn ſollen. 1 Tim. 3, 2. 4, 12. Tit. 1, 7.
V. 11.
Wie ihr denn wiſſet, daß wir, als ein Vater ſeine Kinder, einen ieglichen unter euch (wie unterrichtet, alſo auch nach dem Unterricht zur rechten Application und Ausuͤ- bung der Lehre) ermahnet, (und unter dem ſchweren Leiden) getroͤſtet (und durch den Troſt zur Beſtaͤndigkeit ermuntert.)
Anmerckungen.
1. Es iſt nicht genug, das Wort GOttes dem gantzen Haufen der Zuhoͤrer vortragen: ſon- dern es lieget dem Lehrer auch allerdinge ob, daß er auch bey aller, theils gegebner, theils geſuchter Gelegenheit ἕνα ἕκαςον, einen ieglichen beſonders zu erbauen ſuche. Es iſt leicht geſaget: Dic, & liberaſti animam tuam. Denn das dic,ſage es, muß bey dem oͤffentlichen Vortrage nicht al- lein bleiben. Paulus hielte es auch anderwaͤrtig alſo: Wie er ſich denn in der an die Aelteſten von Epheſus gehaltenen Abſchieds-Rede auch darauf bezog. Apoſt. Geſch. 20, 31. Da er zu ih- nen ſprach: Seyd wacker und dencket dar- an, daß ich nicht abgelaſſen habe, drey Jahr, Tag und Nacht, einen ieglichen mit Thraͤnen zu vermahnen.
2. Fuͤr eines der vornehmſten und beſten Kennzeichen eines rechtſchaffenen Lehrers, dem es um die Gewinnung und um den Wachsthum ſeiner Zuhoͤrer zu thun iſt, kan man unter andern mit Recht auch dieſes halten, daß er bey aller ge- gebenen, theils auch geſuchten Gelegenheit ſie ins beſondere zu erbauen ſuchet, und, wo er ſich bey dieſen und jenen in einer Privat-Geſellſchaft be- findet, daß er ſolche zur Erbauung anwendet: gleichwie es hingegen ein unfehlbarer Character eines Mietlings iſt, wenn er ſolches unterlaͤſſet, und ſich in Privat-Geſellſchaft der Wahrheit,
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[16/0018]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 2. v. 9. 10. 11.
lieben Bruͤder, unſerer Arbeit und unſerer
Muͤhe. Denn Tag und Nacht (da zur
Nacht auch einige Abend- und Morgen-Stunden
gehoͤren) arbeiteten wir (nemlich mit unſern
Haͤnden im Teppich machen Apoſt. Geſch. 18, 3.
20, 34. 1 Cor. 4, 12. 9, 16. 2 Cor. 11, 9. 2 Theſſ. 3, 8.)
daß wir niemand unter euch beſchwerlich
waͤren (2 Cor. 12, 13.) und predigten euch
das Evangelium GOttes (1 Cor. 9, 18.
Anmerckungen.
1. Gleichwie dieſes von Paulo nicht erfor-
dert wurde; ſo iſt auch kein Lehrer ſchuldig, ſich
von anderwaͤrtiger Arbeit zu nehren: ſintemal
ein Arbeiter am Worte ſeines Lohnes, oder Un-
terhalts, werth iſt, nach Chriſti von Paulo wi-
derholten Ausſpruch 1 Cor. 9, 6. u. ſ. f. Matth.
10, 10. Luc. 10, 7. Unterdeſſen aber ſo hat doch
ein Lehrer ſo viel daraus zu erkennen, daß er vom
Geitze ferne ſeyn, und ſich auch mit wenigen be-
gnuͤgen ſoll, zumal da der Gemeine ein mehrers
darzureichen zu ſchwer werden will, es auch nicht
hergebracht iſt. Da aber auch der Zuhoͤrer
Pflicht iſt, ſich gegen ihre Lehrer ſo viel danckba-
rer und gutthaͤtiger zu erweiſen, ſo viel treuer und
arbeitſamer und vergnuͤgter ſie ſind.
2. Hat Paulus ſich in ſeinem Amte ſo gar
arbeitſam erwieſen, daß er es bey der geiſtlichen Ar-
beit nicht einmal gelaſſen hat; wo wollen denn
diejenigen Lehrer mit ihrem Gewiſſen vor GOtt
auskommen, welche auch in der geiſtlichen Arbeit
ſo gar ſaͤumig ſind.
3. Hat Paulus auch zur leiblichen Arbeit
auſſer der Zeit bey Tage auch einige naͤchtliche, das
iſt ſpaͤte Abend- und fruͤhe Morgen-Stunden an-
gewendet, wie vielmehr ſoll ein getreuer Lehrer,
zumal wenn er eines geſunden Leibes iſt, ſolche
Stunden theils zu ſeinem Studiren, theils zum
Gebet und Fuͤrbitte fuͤr ſeine Gemeine anwenden,
um in der heiligen Schrift immer maͤchtiger und
am Geiſte ſtaͤrcker zu werden, und das Wort der
Wahrheit mit deſto mehrern Nachdruck zu deſto
mehrern Segen vortragen zu koͤnnen.
4. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß, da Paulus,
wenn er nicht geprediget, auch des Tages gear-
beitet hat, er ohne Zweifel auch mitten unter und
bey ſeiner Arbeit nicht wird unterlaſſen haben,
diejenigen, welche ihn beſuchet, mit Unterricht zu
erbauen: daß demnach die geiſtliche Arbeit mit
der leiblichen wohl oft gar genau verknuͤpfet ge-
weſen iſt. Und was kan loͤblicher und geſegneter
ſeyn, als wenn Leute, die zuſammen in einer
Werckſtaͤtte ſich befinden, ſich mit gottſeligen
Geſpraͤchen unter einander erbauen! Denn koͤn-
nen ſie Boͤſes gedencken und reden; Warum
nicht viel lieber etwas Gutes? Sonderlich iſt
dieſes die Pflicht der Herren und Meiſter, daß ſie
disfals ihren Geſellen und Lehrlingen mit gutem
Exempel vorgehen.
V. 10.
Deß ſeyd ihr Zeugen, und GOtt, wie
heilig (gegen GOTT) und gerecht (in aller
Billigkeit und Liebe gegen Menſchen) und un-
ſtraͤflich (in gantzem Wandel: welches letztere
aus den beyden erſten Stuͤcken entſtehet) wir bey
euch, die ihr glaͤubig waret (ὑμῖντσις πιςέυου-
σιν, euch eurem, der Glaͤubigen, Urtheil nach, da wir
hingegen von den unglaͤubigen Juͤden aufs aͤrgſte
verlaͤſtert worden) geweſen ſind.
Anmerckungen.
1. Wo das Zeugniß des eignen Gewiſſens
mit dem Zeugniſſe GOttes und rechtſchaffner
Menſchen verknuͤpfet iſt, da zielet ſolches drey-
fache Zeugniß auf die rechte Freudigkeit und Ruhe
des Gewiſſens.
2. Paulus konte dieſes in Demuth nach der
Wahrheit von ſich ſagen: Welches ihm niemand
nachthun kan und muß, als der in eben dem Pau-
liniſchen Grunde ſtehet, und daraus zeuget, auch
wichtige Veranlaſſung dazu hat.
3. Was aber Paulus alhier von ſich bezeu-
get, das muß ein ieglicher Lehrer an ſich haben.
Denn dis ſind Gaben der Heiligung, welche ein
ieglicher Glaͤubiger, und alſo noch vielmehr ein
ieglicher rechtſchaffner Lehrer, mit Paulo gemein
hat. Wie er denn auch daher von den Lehrern
insgeſamt erfordert, daß ſie unſtraͤflich und Fuͤr-
bilder der Heerde ſeyn ſollen. 1 Tim. 3, 2. 4, 12.
Tit. 1, 7.
V. 11.
Wie ihr denn wiſſet, daß wir, als
ein Vater ſeine Kinder, einen ieglichen
unter euch (wie unterrichtet, alſo auch nach dem
Unterricht zur rechten Application und Ausuͤ-
bung der Lehre) ermahnet, (und unter dem
ſchweren Leiden) getroͤſtet (und durch den Troſt
zur Beſtaͤndigkeit ermuntert.)
Anmerckungen.
1. Es iſt nicht genug, das Wort GOttes
dem gantzen Haufen der Zuhoͤrer vortragen: ſon-
dern es lieget dem Lehrer auch allerdinge ob, daß
er auch bey aller, theils gegebner, theils geſuchter
Gelegenheit ἕνα ἕκαςον, einen ieglichen beſonders
zu erbauen ſuche. Es iſt leicht geſaget: Dic, &
liberaſti animam tuam. Denn das dic, ſage
es, muß bey dem oͤffentlichen Vortrage nicht al-
lein bleiben. Paulus hielte es auch anderwaͤrtig
alſo: Wie er ſich denn in der an die Aelteſten
von Epheſus gehaltenen Abſchieds-Rede auch
darauf bezog. Apoſt. Geſch. 20, 31. Da er zu ih-
nen ſprach: Seyd wacker und dencket dar-
an, daß ich nicht abgelaſſen habe, drey
Jahr, Tag und Nacht, einen ieglichen
mit Thraͤnen zu vermahnen.
2. Fuͤr eines der vornehmſten und beſten
Kennzeichen eines rechtſchaffenen Lehrers, dem
es um die Gewinnung und um den Wachsthum
ſeiner Zuhoͤrer zu thun iſt, kan man unter andern
mit Recht auch dieſes halten, daß er bey aller ge-
gebenen, theils auch geſuchten Gelegenheit ſie ins
beſondere zu erbauen ſuchet, und, wo er ſich bey
dieſen und jenen in einer Privat-Geſellſchaft be-
findet, daß er ſolche zur Erbauung anwendet:
gleichwie es hingegen ein unfehlbarer Character
eines Mietlings iſt, wenn er ſolches unterlaͤſſet,
und ſich in Privat-Geſellſchaft der Wahrheit,
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/18>, abgerufen am 16.02.2025.
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