Erklärung des andern Briefes Pauli C. 3. v. 12-15.
[Spaltenumbruch]
jene Umstände also gehalten werden, daß ihr widriger Sinn zu keiner äusserlichen Verfolgung ausbricht. Wo aber die Gottlosen sich selbst gelassen bleiben, da lassen sie von ihrer Art nicht: und da gilt denn der Ausspruch: Alle die gott- selig leben wollen, die müssen Verfolgung leiden.
7. Man hat auch die Verfolgungen selbst zu unterscheiden. Denn sind es nicht grosse, so sind es kleinere und leichtere; geschehen sie nicht öffentlich, so geschehen sie doch heimlich. Bre- chen sie nicht in böse Wercke zum harten Druck aus; so äussern sie sich doch in Worten, oder bösen Nachreden, falschen Beschuldigungen und Lästerungen: kommen sie nicht zu dieser Zeit, und an diesem Ort; so bleiben sie zur an- dern Zeit und anderswo nicht aus. Und also ist und bleibet es wahr: Alle die gottselig le- ben wollen in Christo JEsu, müssen Ver- folgung leiden; wo GOTT es nicht sonder- bar verhindert.
8. Es versuche es einer auch mitten in der Evangelischen Kirche; er sterbe der Welt in- nerlich ab, und fange an Christo im Glauben zu leben, und solches sein geistliches Leben äusser- lich mit Verleugnung der Welt und ihrer sünd- lichen Gleichstellung und mit einem gottseligen Wandel aufrichtig zubeweisen. Was gilts, die theils Epicurischen, theils Pharisäischen Welt- Kinder werden ihn bald verhöhnen und seiner spotten, ihn auch mit diesem und jenem Spott- Namen belegen; solten sie ihn auch von der Pie- tät selbst hernehmen. Hat nicht dieses die Er- fahrung von so vielen Jahren her genugsam ge- lehret? wiewol es doch durch GOttes Gnade guten theils auch in diesem Stücke wahr ge- worden, wie schon gedacht, was Paulus v. 9. saget: Sie werdens die Länge nicht trei- ben: Denn ihre Thorheit wird offenbar werden iedermann.
9. Man hat alhie auch wohl zu unterschei- den die eigentlichen Leiden um Christi wil- len, welche nach der Redens-Art der heiligen Schrift eigentlich den Namen des Creutzes Chri- sti und der Christen haben, von den allgemei- nen natürlichen Leiden, welche so wol den From- men als Gottlosen begegnen, bey jenen doch a- ber geheiliget werden und gesegnet sind, als da sind: Kranckheit, Armuth u. s. w. imgleichen von den selbstgemachten Leiden: davon es heißt: Der Gottlose hat viel Plage Psalm 32, 10.
10. Gleichwie die wahrhaftig gottseligen Lehrer und Zuhörer an den Leiden, welche ihnen um Christi, oder um der Gottseligkeit willen, widerfahren, ein gewisses Kennzeichen haben, daß sie Christum angehören: also haben hinge- gen alle unbekehrte und nur blosse Namen-Chri- sten, so wol unter den Lehrern, als Zuhörern, daran, daß sie von keinen eigentlichen Leiden um der Wahrheit willen, auch wo sie ihres Orts an- dern begegnen, etwas erfahren, eine Probe, daß sie der Zueignung nach Christum noch nicht an- gehören, ob sie wol durch ihn erlöset sind. Daß aber die Feinde der Wahrheit an ihrem feindseli- [Spaltenumbruch]
gen Sinn einen klaren Erweis ihres antichristi- schen Wesens haben, ist an sich bekannt, und sa- gets ihnen ihr Gewissen. Jm übrigen sehe man von den Leiden der Gläubigen um Christi Willen folgende Oerter Matth. 5, 10, 11, 12. c. 10, 16. u. f. c. 16, 24. Joh. 15, 18. u. f. w. c. 17, 14. Apost. Gesch. 14, 22. 2 Tim. 2, 12. 13. 1 Joh. 3, 13. u. f. 1 Pet. 2, 20. u. f. c. 4, 12. u. s. w.
V. 13.
Mit den bösen Menschen aber (die sich zur Verfolgung der Unschuldigen so feindse- lig erweisen) und verführischen (die, welche die Leute mit ihrer falschen und schädlichen Lehre unter so vielem Blendwercke gleichsam bezaubern Gal. 3, 1.) wird es ie länger ie ärger (so wol in eignem Verfälle, als auch in der Verlei- tung anderer) verführen und werden ver- führet (also daß sie sind blinde Leiter der Blin- den, die mit diesen endlich in eine Grube fallen Matth. 15, 14. c. 23, 16. 24. Röm. 2, 19. 21. u. s. w.)
Anmerckungen.
1. Vorher im neunten Vers heißt es: sie werden es die Länge nicht treiben; und hier: Mit den bösen und verführischen Menschen wirds ie länger ie ärger: davon der eine Ausspruch dem andern gar nicht zuwider ist. Denn obgleich, nach dem ersten Ausspruche, sie es die Länge nicht also treiben würden, daß sie nicht solten darüber in ihrem Betruge entdecket und of- fenbar werden, wie dabey stehet: so konten sie doch wol für sich nachhero eher noch ärger und unver- schämter werden, als vorher: welches v. 13 angezei- get wird. Wie denn manche Menschen gleichsam eine recht verruchte Hurenstirne haben, daß, wenn sie auch schon in ihrer Bosheit entdecket darstehen, sie dennoch darinnen fortfahren, und übel auch noch wol ärger machen, auch immer Leute finden von solcher Corruption, daß sie ihnen anhangen. Und so erweisen sich denn solche Verführer, als Leu- te, die gleichsam ein Brand-Mal im Gewissen haben, und fühllos worden sind. c. 2, 17. Welche denn in das Gericht der Verstockung fallen und von GOtt verlassen werden. Daher es von ihnen Offenb. 22, 11. heißt: wer böse ist, der sey immer hin böse: wer unrein ist, der sey immerhin unrein; nemlich auf seine Verant- wortung, wenn er sich davon nicht will abziehen lassen.
2. Wie das verführet werden zu verste- hen sey, fraget sich? Es lassen sich die ersten Wor- te, böse und verführische Menschen, wol über- haupt von den falschen Lehrern und ihrem Anhan- ge verstehen; da denn mit den letzten dieselbe un- terschieden werden in die Verführer und die Verführete; will man aber auch dieses letztere Wort von den Verführern selbst verstehen, so sind sie gleichfalls Verführete, die sich anfangs auch vom Satan durch Betrug der Sünde und des Jrrthums selbst verführen lassen, nachmals aber dadurch, daß sie andere verleiten, selbst immer weiter und tiefer verfallen sind: wie es zu gesche- hen pflegt.
V. 14.
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 3. v. 12-15.
[Spaltenumbruch]
jene Umſtaͤnde alſo gehalten werden, daß ihr widriger Sinn zu keiner aͤuſſerlichen Verfolgung ausbricht. Wo aber die Gottloſen ſich ſelbſt gelaſſen bleiben, da laſſen ſie von ihrer Art nicht: und da gilt denn der Ausſpruch: Alle die gott- ſelig leben wollen, die muͤſſen Verfolgung leiden.
7. Man hat auch die Verfolgungen ſelbſt zu unterſcheiden. Denn ſind es nicht groſſe, ſo ſind es kleinere und leichtere; geſchehen ſie nicht oͤffentlich, ſo geſchehen ſie doch heimlich. Bre- chen ſie nicht in boͤſe Wercke zum harten Druck aus; ſo aͤuſſern ſie ſich doch in Worten, oder boͤſen Nachreden, falſchen Beſchuldigungen und Laͤſterungen: kommen ſie nicht zu dieſer Zeit, und an dieſem Ort; ſo bleiben ſie zur an- dern Zeit und anderswo nicht aus. Und alſo iſt und bleibet es wahr: Alle die gottſelig le- ben wollen in Chriſto JEſu, muͤſſen Ver- folgung leiden; wo GOTT es nicht ſonder- bar verhindert.
8. Es verſuche es einer auch mitten in der Evangeliſchen Kirche; er ſterbe der Welt in- nerlich ab, und fange an Chriſto im Glauben zu leben, und ſolches ſein geiſtliches Leben aͤuſſer- lich mit Verleugnung der Welt und ihrer ſuͤnd- lichen Gleichſtellung und mit einem gottſeligen Wandel aufrichtig zubeweiſen. Was gilts, die theils Epicuriſchen, theils Phariſaͤiſchen Welt- Kinder werden ihn bald verhoͤhnen und ſeiner ſpotten, ihn auch mit dieſem und jenem Spott- Namen belegen; ſolten ſie ihn auch von der Pie- taͤt ſelbſt hernehmen. Hat nicht dieſes die Er- fahrung von ſo vielen Jahren her genugſam ge- lehret? wiewol es doch durch GOttes Gnade guten theils auch in dieſem Stuͤcke wahr ge- worden, wie ſchon gedacht, was Paulus v. 9. ſaget: Sie werdens die Laͤnge nicht trei- ben: Denn ihre Thorheit wird offenbar werden iedermann.
9. Man hat alhie auch wohl zu unterſchei- den die eigentlichen Leiden um Chriſti wil- len, welche nach der Redens-Art der heiligen Schrift eigentlich den Namen des Creutzes Chri- ſti und der Chriſten haben, von den allgemei- nen natuͤrlichen Leiden, welche ſo wol den From- men als Gottloſen begegnen, bey jenen doch a- ber geheiliget werden und geſegnet ſind, als da ſind: Kranckheit, Armuth u. ſ. w. imgleichen von den ſelbſtgemachten Leiden: davon es heißt: Der Gottloſe hat viel Plage Pſalm 32, 10.
10. Gleichwie die wahrhaftig gottſeligen Lehrer und Zuhoͤrer an den Leiden, welche ihnen um Chriſti, oder um der Gottſeligkeit willen, widerfahren, ein gewiſſes Kennzeichen haben, daß ſie Chriſtum angehoͤren: alſo haben hinge- gen alle unbekehrte und nur bloſſe Namen-Chri- ſten, ſo wol unter den Lehrern, als Zuhoͤrern, daran, daß ſie von keinen eigentlichen Leiden um der Wahrheit willen, auch wo ſie ihres Orts an- dern begegnen, etwas erfahren, eine Probe, daß ſie der Zueignung nach Chriſtum noch nicht an- gehoͤren, ob ſie wol durch ihn erloͤſet ſind. Daß aber die Feinde der Wahrheit an ihrem feindſeli- [Spaltenumbruch]
gen Sinn einen klaren Erweis ihres antichriſti- ſchen Weſens haben, iſt an ſich bekannt, und ſa- gets ihnen ihr Gewiſſen. Jm uͤbrigen ſehe man von den Leiden der Glaͤubigen um Chriſti Willen folgende Oerter Matth. 5, 10, 11, 12. c. 10, 16. u. f. c. 16, 24. Joh. 15, 18. u. f. w. c. 17, 14. Apoſt. Geſch. 14, 22. 2 Tim. 2, 12. 13. 1 Joh. 3, 13. u. f. 1 Pet. 2, 20. u. f. c. 4, 12. u. ſ. w.
V. 13.
Mit den boͤſen Menſchen aber (die ſich zur Verfolgung der Unſchuldigen ſo feindſe- lig erweiſen) und verfuͤhriſchen (die, welche die Leute mit ihrer falſchen und ſchaͤdlichen Lehre unter ſo vielem Blendwercke gleichſam bezaubern Gal. 3, 1.) wird es ie laͤnger ie aͤrger (ſo wol in eignem Verfaͤlle, als auch in der Verlei- tung anderer) verfuͤhren und werden ver- fuͤhret (alſo daß ſie ſind blinde Leiter der Blin- den, die mit dieſen endlich in eine Grube fallen Matth. 15, 14. c. 23, 16. 24. Roͤm. 2, 19. 21. u. ſ. w.)
Anmerckungen.
1. Vorher im neunten Vers heißt es: ſie werden es die Laͤnge nicht treiben; und hier: Mit den boͤſen und verfuͤhriſchen Menſchen wirds ie laͤnger ie aͤrger: davon der eine Ausſpruch dem andern gar nicht zuwider iſt. Denn obgleich, nach dem erſten Ausſpruche, ſie es die Laͤnge nicht alſo treiben wuͤrden, daß ſie nicht ſolten daruͤber in ihrem Betruge entdecket und of- fenbar werden, wie dabey ſtehet: ſo konten ſie doch wol fuͤr ſich nachhero eher noch aͤrger und unver- ſchaͤmter werden, als vorher: welches v. 13 angezei- get wird. Wie denn manche Menſchen gleichſam eine recht verruchte Hurenſtirne haben, daß, wenn ſie auch ſchon in ihrer Bosheit entdecket darſtehen, ſie dennoch darinnen fortfahren, und uͤbel auch noch wol aͤrger machen, auch immer Leute finden von ſolcher Corruption, daß ſie ihnen anhangen. Und ſo erweiſen ſich denn ſolche Verfuͤhrer, als Leu- te, die gleichſam ein Brand-Mal im Gewiſſen haben, und fuͤhllos worden ſind. c. 2, 17. Welche denn in das Gericht der Verſtockung fallen und von GOtt verlaſſen werden. Daher es von ihnen Offenb. 22, 11. heißt: wer boͤſe iſt, der ſey immer hin boͤſe: wer unrein iſt, der ſey immerhin unrein; nemlich auf ſeine Verant- wortung, wenn er ſich davon nicht will abziehen laſſen.
2. Wie das verfuͤhret werden zu verſte- hen ſey, fraget ſich? Es laſſen ſich die erſten Wor- te, boͤſe und verfuͤhriſche Menſchen, wol uͤber- haupt von den falſchen Lehrern und ihrem Anhan- ge verſtehen; da denn mit den letzten dieſelbe un- terſchieden werden in die Verfuͤhrer und die Verfuͤhrete; will man aber auch dieſes letztere Wort von den Verfuͤhrern ſelbſt verſtehen, ſo ſind ſie gleichfalls Verfuͤhrete, die ſich anfangs auch vom Satan durch Betrug der Suͤnde und des Jrrthums ſelbſt verfuͤhren laſſen, nachmals aber dadurch, daß ſie andere verleiten, ſelbſt immer weiter und tiefer verfallen ſind: wie es zu geſche- hen pflegt.
V. 14.
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[174/0176]
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 3. v. 12-15.
jene Umſtaͤnde alſo gehalten werden, daß ihr
widriger Sinn zu keiner aͤuſſerlichen Verfolgung
ausbricht. Wo aber die Gottloſen ſich ſelbſt
gelaſſen bleiben, da laſſen ſie von ihrer Art nicht:
und da gilt denn der Ausſpruch: Alle die gott-
ſelig leben wollen, die muͤſſen Verfolgung
leiden.
7. Man hat auch die Verfolgungen ſelbſt
zu unterſcheiden. Denn ſind es nicht groſſe, ſo
ſind es kleinere und leichtere; geſchehen ſie nicht
oͤffentlich, ſo geſchehen ſie doch heimlich. Bre-
chen ſie nicht in boͤſe Wercke zum harten Druck
aus; ſo aͤuſſern ſie ſich doch in Worten, oder
boͤſen Nachreden, falſchen Beſchuldigungen
und Laͤſterungen: kommen ſie nicht zu dieſer
Zeit, und an dieſem Ort; ſo bleiben ſie zur an-
dern Zeit und anderswo nicht aus. Und alſo
iſt und bleibet es wahr: Alle die gottſelig le-
ben wollen in Chriſto JEſu, muͤſſen Ver-
folgung leiden; wo GOTT es nicht ſonder-
bar verhindert.
8. Es verſuche es einer auch mitten in der
Evangeliſchen Kirche; er ſterbe der Welt in-
nerlich ab, und fange an Chriſto im Glauben zu
leben, und ſolches ſein geiſtliches Leben aͤuſſer-
lich mit Verleugnung der Welt und ihrer ſuͤnd-
lichen Gleichſtellung und mit einem gottſeligen
Wandel aufrichtig zubeweiſen. Was gilts, die
theils Epicuriſchen, theils Phariſaͤiſchen Welt-
Kinder werden ihn bald verhoͤhnen und ſeiner
ſpotten, ihn auch mit dieſem und jenem Spott-
Namen belegen; ſolten ſie ihn auch von der Pie-
taͤt ſelbſt hernehmen. Hat nicht dieſes die Er-
fahrung von ſo vielen Jahren her genugſam ge-
lehret? wiewol es doch durch GOttes Gnade
guten theils auch in dieſem Stuͤcke wahr ge-
worden, wie ſchon gedacht, was Paulus v. 9.
ſaget: Sie werdens die Laͤnge nicht trei-
ben: Denn ihre Thorheit wird offenbar
werden iedermann.
9. Man hat alhie auch wohl zu unterſchei-
den die eigentlichen Leiden um Chriſti wil-
len, welche nach der Redens-Art der heiligen
Schrift eigentlich den Namen des Creutzes Chri-
ſti und der Chriſten haben, von den allgemei-
nen natuͤrlichen Leiden, welche ſo wol den From-
men als Gottloſen begegnen, bey jenen doch a-
ber geheiliget werden und geſegnet ſind, als da
ſind: Kranckheit, Armuth u. ſ. w. imgleichen
von den ſelbſtgemachten Leiden: davon es
heißt: Der Gottloſe hat viel Plage Pſalm
32, 10.
10. Gleichwie die wahrhaftig gottſeligen
Lehrer und Zuhoͤrer an den Leiden, welche ihnen
um Chriſti, oder um der Gottſeligkeit willen,
widerfahren, ein gewiſſes Kennzeichen haben,
daß ſie Chriſtum angehoͤren: alſo haben hinge-
gen alle unbekehrte und nur bloſſe Namen-Chri-
ſten, ſo wol unter den Lehrern, als Zuhoͤrern,
daran, daß ſie von keinen eigentlichen Leiden um
der Wahrheit willen, auch wo ſie ihres Orts an-
dern begegnen, etwas erfahren, eine Probe, daß
ſie der Zueignung nach Chriſtum noch nicht an-
gehoͤren, ob ſie wol durch ihn erloͤſet ſind. Daß
aber die Feinde der Wahrheit an ihrem feindſeli-
gen Sinn einen klaren Erweis ihres antichriſti-
ſchen Weſens haben, iſt an ſich bekannt, und ſa-
gets ihnen ihr Gewiſſen. Jm uͤbrigen ſehe man
von den Leiden der Glaͤubigen um Chriſti Willen
folgende Oerter Matth. 5, 10, 11, 12. c. 10, 16. u. f.
c. 16, 24. Joh. 15, 18. u. f. w. c. 17, 14. Apoſt.
Geſch. 14, 22. 2 Tim. 2, 12. 13. 1 Joh. 3, 13. u.
f. 1 Pet. 2, 20. u. f. c. 4, 12. u. ſ. w.
V. 13.
Mit den boͤſen Menſchen aber (die
ſich zur Verfolgung der Unſchuldigen ſo feindſe-
lig erweiſen) und verfuͤhriſchen (die, welche die
Leute mit ihrer falſchen und ſchaͤdlichen Lehre
unter ſo vielem Blendwercke gleichſam bezaubern
Gal. 3, 1.) wird es ie laͤnger ie aͤrger (ſo
wol in eignem Verfaͤlle, als auch in der Verlei-
tung anderer) verfuͤhren und werden ver-
fuͤhret (alſo daß ſie ſind blinde Leiter der Blin-
den, die mit dieſen endlich in eine Grube fallen
Matth. 15, 14. c. 23, 16. 24. Roͤm. 2, 19. 21. u.
ſ. w.)
Anmerckungen.
1. Vorher im neunten Vers heißt es: ſie
werden es die Laͤnge nicht treiben; und hier:
Mit den boͤſen und verfuͤhriſchen Menſchen
wirds ie laͤnger ie aͤrger: davon der eine
Ausſpruch dem andern gar nicht zuwider iſt.
Denn obgleich, nach dem erſten Ausſpruche, ſie es
die Laͤnge nicht alſo treiben wuͤrden, daß ſie nicht
ſolten daruͤber in ihrem Betruge entdecket und of-
fenbar werden, wie dabey ſtehet: ſo konten ſie doch
wol fuͤr ſich nachhero eher noch aͤrger und unver-
ſchaͤmter werden, als vorher: welches v. 13 angezei-
get wird. Wie denn manche Menſchen gleichſam
eine recht verruchte Hurenſtirne haben, daß, wenn
ſie auch ſchon in ihrer Bosheit entdecket darſtehen,
ſie dennoch darinnen fortfahren, und uͤbel auch
noch wol aͤrger machen, auch immer Leute finden
von ſolcher Corruption, daß ſie ihnen anhangen.
Und ſo erweiſen ſich denn ſolche Verfuͤhrer, als Leu-
te, die gleichſam ein Brand-Mal im Gewiſſen
haben, und fuͤhllos worden ſind. c. 2, 17. Welche
denn in das Gericht der Verſtockung fallen und
von GOtt verlaſſen werden. Daher es von ihnen
Offenb. 22, 11. heißt: wer boͤſe iſt, der ſey
immer hin boͤſe: wer unrein iſt, der ſey
immerhin unrein; nemlich auf ſeine Verant-
wortung, wenn er ſich davon nicht will abziehen
laſſen.
2. Wie das verfuͤhret werden zu verſte-
hen ſey, fraget ſich? Es laſſen ſich die erſten Wor-
te, boͤſe und verfuͤhriſche Menſchen, wol uͤber-
haupt von den falſchen Lehrern und ihrem Anhan-
ge verſtehen; da denn mit den letzten dieſelbe un-
terſchieden werden in die Verfuͤhrer und die
Verfuͤhrete; will man aber auch dieſes letztere
Wort von den Verfuͤhrern ſelbſt verſtehen, ſo ſind
ſie gleichfalls Verfuͤhrete, die ſich anfangs auch
vom Satan durch Betrug der Suͤnde und des
Jrrthums ſelbſt verfuͤhren laſſen, nachmals aber
dadurch, daß ſie andere verleiten, ſelbſt immer
weiter und tiefer verfallen ſind: wie es zu geſche-
hen pflegt.
V. 14.
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/176>, abgerufen am 23.11.2024.
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