Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 7. [Spaltenumbruch]
HErr ist aller Güter, sondern er ist unterden Vormündern und Pflegern bis auf die bestimmte Zeit vom Vater. Also auch wir, da wir (nepioi, unmündige) Kinder (un- ter dem alten Mosaischen Bunde) waren, wa- ren wir gefangen gehalten unter den äus- serlichen Satzungen. Da aber die Zeit er- füllet ward, sandte GOtt seinen Sohn - - aufdaß er die, so unter dem Gesetze waren (und im Stande der Furchtsamkeit stunden) erlösete, und wir die (völlige oder volljährige) Kindschaft empfingen. Weil ihr denn Kinder seyd, hat GOtt gesandt den Geist seines Sohnes in eure Hertzen, der schreyet: Abba, lieber Vater: nemlich als ein Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht. 4. So wird demnach der Heilige Geist da- 5. Nun ist der Gegensatz wohl zu mercken, 6. Was Kraft oder Vermögen in geist- 7. Da nun durch die Kraft sonderlich die Gleich-
Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 7. [Spaltenumbruch]
HErr iſt aller Guͤter, ſondern er iſt unterden Vormuͤndern und Pflegern bis auf die beſtimmte Zeit vom Vater. Alſo auch wir, da wir (νήπιοι, unmuͤndige) Kinder (un- ter dem alten Moſaiſchen Bunde) waren, wa- ren wir gefangen gehalten unter den aͤuſ- ſerlichen Satzungen. Da aber die Zeit er- fuͤllet ward, ſandte GOtt ſeinen Sohn ‒ ‒ aufdaß er die, ſo unter dem Geſetze waren (und im Stande der Furchtſamkeit ſtunden) erloͤſete, und wir die (voͤllige oder volljaͤhrige) Kindſchaft empfingen. Weil ihr denn Kinder ſeyd, hat GOtt geſandt den Geiſt ſeines Sohnes in eure Hertzen, der ſchreyet: Abba, lieber Vater: nemlich als ein Geiſt der Kraft, der Liebe und der Zucht. 4. So wird demnach der Heilige Geiſt da- 5. Nun iſt der Gegenſatz wohl zu mercken, 6. Was Kraft oder Vermoͤgen in geiſt- 7. Da nun durch die Kraft ſonderlich die Gleich-
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Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 7.
HErr iſt aller Guͤter, ſondern er iſt unter
den Vormuͤndern und Pflegern bis auf
die beſtimmte Zeit vom Vater. Alſo auch
wir, da wir (νήπιοι, unmuͤndige) Kinder (un-
ter dem alten Moſaiſchen Bunde) waren, wa-
ren wir gefangen gehalten unter den aͤuſ-
ſerlichen Satzungen. Da aber die Zeit er-
fuͤllet ward, ſandte GOtt ſeinen Sohn ‒ ‒
aufdaß er die, ſo unter dem Geſetze waren
(und im Stande der Furchtſamkeit ſtunden)
erloͤſete, und wir die (voͤllige oder volljaͤhrige)
Kindſchaft empfingen. Weil ihr denn
Kinder ſeyd, hat GOtt geſandt den Geiſt
ſeines Sohnes in eure Hertzen, der ſchreyet:
Abba, lieber Vater: nemlich als ein Geiſt der
Kraft, der Liebe und der Zucht.
4. So wird demnach der Heilige Geiſt da-
her ein Geiſt der Furchtſamkeit genannt, weil er
in der Direction und Leitung der Glaͤubigen
(einige wenigere Glaubens-Helden, die zu einer
neu-teſtamentiſchen Glaubens-Freudigkeit gelan-
geten ausgenommen) dieſelbe unter dem Geſetze
gleichſam als die noch unmuͤndige Kinder in meh-
rer, der Knechtſchaft eigenen, Furchtſamkeit des
Gewiſſens vor Gott behielte. Dabey es ihnen doch
aber an den eigentlichen Guͤtern des Reichs GOt-
tes, als Gerechtigkeit, Friede und Freude u. ſ. w.
und alſo auch an der Kraft u. ſ. w. nicht gar ge-
fehlet hat, ſondern ſie haben ſie nur in einem ge-
ringern Grad beſeſſen.
5. Nun iſt der Gegenſatz wohl zu mercken,
da der Apoſtel die Furchtſamkeit der Kraft,
die Liebe und die Zucht entgegen ſetzet. Denn
damit zeiget er an, eines theils, wie daß es den
Glaͤubigen des alten Teſtaments in ihrem Gna-
den-Stande gefehlet habe an der rechten Kraft,
oder Glaubens-Freudigkeit, und an dem damit
verknuͤpften mehrern Maſſe der Liebe und der
weiſen Maͤßigung: andern theils aber, wie dieſe
Gnaden-Gaben an ſtatt der knechtiſchen Furcht-
ſamkeit den Glaubigen unter dem neuen Bunde
mitgetheilet waͤren. Und alſo ſtehet auch in die-
ſen Worten das Wort Geiſt, als die Cauſſa
efficiens, der wirckende Urheber von der zur
Verklaͤrung Chriſti in der Seelen Joh. 16, 14.
gehoͤrigen Evangeliſchen Gnaden-Gabe der
Glaubens-Kraft, der voͤlligen Liebe und der kluͤg-
lichen Moderation. Von welcher Worte
Nachdruck noch eines und das andere beſonders
zu erinnern iſt.
6. Was Kraft oder Vermoͤgen in geiſt-
lichen Dingen ſey iſt zuvorderſt aus dem geiſtli-
chen Unvermoͤgen und aus der Ohnmacht zu er-
kennen. Dieſe heißt nach dem Verſtande des
Menſchen Finſterniß und Jrrthum; nach dem
Willen der Tod, da man als gantz entfremdet
von dem Leben, das aus GOtt iſt, durch die
Suͤnde GOTT abgeſtorben und im geiſtlichen
Tode von allem Guten gantz entkraͤftet lieget.
Dannenhero die ſolchem Unvermoͤgen entgegen
ſtehende Kraft iſt die kraͤftige Gnade der Wieder-
geburt und geiſtlichen Salbung, auch Rechtfer-
tigung, dadurch ein Menſch zum geiſtlichen Leben
und zum geiſtlichen Lichte, und alſo auch zur rech-
ten Glaubens-Freudigkeit koͤmmt; und zwar
zur Zeit des neuen Bundes in einem viel groͤſſern
Maſſe, als unter dem alten Bunde. Von der
Mittheilung dieſer geiſtlichen Glaubens- und alſo
Lebens- und Lichts-Kraft heißt es Eph. 1, 19. 20.
Daß ihr erkennen moͤget, welche da ſey
die uͤberſchwengliche Groͤſſe ſeiner Kraft
an uns, die wir glauben nach der Wirckung
ſeiner maͤchtigen Staͤrcke u. ſ. w. da der
Apoſtel anzeiget, wie die in uns gewirckte Kraft
allein von der wirckenden Kraft GOttes her-
komme. Von dieſer Kraft ſehe man ſonderlich
Roͤm. 8, 37. Eph. 6, 10. u. ſ. w. Eph. 3, 16. Phil.
4, 12. Jch vermag alles durch den, der
mich maͤchtig machet, Chriſtum.
7. Da nun durch die Kraft ſonderlich die
neu-teſtamentliche Glaubens-Kraft und Glau-
bens-Freudigkeit verſtanden wird, der Glaube
aber durch die Liebe thaͤtig ἐνεργουμἐνη, kraͤftig
wirckend iſt Gal. 5, 6. ſo ſehen wir, warum
Paulus die Liebe zur Kraft ſetzet. Sie ſind auch
unterſchieden, wie eine Gabe von ihrer wircklichen
Ubung und Application unterſchieden iſt. Denn
es kan keiner die Liebe in ihren Pflichten aus-
uͤben, er habe denn die rechte geiſtliche Kraft da-
zu. Und dieſe Kraft wuͤrde eine vergebliche Bey-
lage ſeyn, welcher man leichtlich wieder verluſtig
wuͤrde, wofern man ſie durch die Liebe nicht an-
legete. Ja es fuͤhret die Liebe nicht allein auf die
wuͤrckliche Anwendung der empfangnen Kraft,
ſondern ſie weiſet auch die gehoͤrige Art und Weiſe
an: ſintemal nicht allemal und aller Orten gleiche
Kraft auf gleiche Art anzuwenden iſt. Wie man
denn auch zwar einen geſunden Leib von ſtarcken
Kraͤften haben kan, welche aber deßwegen nicht
allenthalben und allemal auf gleiche Art und in
gleicher Maſſe angewendet werden duͤrfen, und
man bey mancher Sache durch uͤbermaͤßigen Ge-
brauch der Kraͤfte mehr verderben als gut machen
wuͤrde, z. E. Wenn man an einem Zweige am
Baume, um ihn zur Erden oder auf die andere
Seite zu beugen, alle Kraft des armes und leibes
anwenden wolte. Denn da wuͤrde es heiſſen:
Franges, ſi vires experiere tuas. Da es hin-
gegen heißt: fleclitur obſequio. Und da es mit
Anwendung der Kraft inſonderheit auf die dem
Naͤchſten zu beweiſende Pflichten ankoͤmmt, ſo
laͤßt ſich dieſes, wie noͤthig bey der Kraft die Liebe
ſey, vortreflich aus der Kirchen-Hiſtorie der er-
ſten Apoſtoliſchen Zeiten erlaͤutern. Hier waren
manche zu einer ſolchen Glaubens-Kraft gekom-
men, daß ſie mit aller Gewiſſens-Freudigkeit ſich
der von Chriſto erworbenen Freyheit bedienen,
und ſich von allen Moſaiſchen Satzungen enthal-
ten konten. Viele andere aber waren disfalls
noch ſehr ſchwach. Nun waren einige unter den
Staͤrckern, welche bey den Schwaͤchern auf
gleichen Gebrauch der Chriſtlichen Freyheit drun-
gen; aber ihnen damit groſſen Anſtoß gaben und
leichtlich ihren Bruch, oder Ruͤckfall aus dem
Stande der Gnade verurſachten und alſo bey
dem Gebrauch ihrer geiſtlichen Kraft wider die
Liebe handelten: wie zu ſehen Roͤm. 14. und
1 Cor. 8. 9 dagegen Paulus daſelbſt die Liebe,
recommendiret und es mit ſeinem eigenen Ex-
empel erweiſet, wie man, ohne alle ſuͤndliche
Gleich-
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