[Spaltenumbruch]
Speisen) und Kleider (skepasmata, Decken, damit wir unsere blösse decken) haben, so lasset uns begnügen.
Anmerckungen.
1. Man pfleget das Wort Nahrung im bürgerlichen Verstande viel weiter zu nehmen, als es alhier Paulus nimmt; denn Paulus ver- stehet dadurch nur Speisen, womit man den Leib nähret. Da nun die Natur mit wenigem zufrie- den ist, auch bey bloß natürlichen Menschen; wie man an so vielen Tausenden siehet, welchen ihr Bißen Brod so wohl schmecket: warum soll denn nicht vielmehr ein Christe aus dem Grunde der Gnaden, da er für seine Seele eine bessere Spei- se hat, nicht mit wenigem vergnüget seyn?
2. Und wie man nach der Welt-Art durch Nahrung ein solches Gewerbe verstehet, dadurch man reich wird: also meinet man auch, es gehö- re zu den Kleidern nicht allein ein grosser Vor- rath, sondern auch eine besondere Achtbarkeit, wenn man damit vergnüget seyn soll. Aber Pau- lus bedienet sich eines solchen Worts, welches nur auf die blosse Nothdurft der Bedeckung gehet. Eben also pfleget man die teutschen Wörter Fül- le und Hülle vom Uberfluß zu verstehen; da sie doch eigentlich nur allein das anzeigen, was Pau- lus alhier saget, nemlich die Speise, womit man den hungrigen Magen fullet, oder sättiget; und Kleider, damit man den nackenten Leib verhül- let, oder bedecket.
3. Nun ist es zwar GOtt nicht zuwider, an der Nahrung und Kleidung ein mehrers zu haben, als die blosse Nothdurft erfordert; aber ein an- ders ist es haben, ein anders es in der Verleug- nung, guten Ordnung und Mäßigung, auch rechten Mittheilung recht gebrauchen; und mit dem, was man hat, zufrieden seyn. Mit was für einer Vergnüglichkeit der Patriarche Jacob seine Reise nach Mesopotamien angetreten, sehe man 1 B. Mos. 28, 20. da es heißt: So GOtt wird mit mir seyn, und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, und Brodt zu essen geben, und Kleider anzuziehen, und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der HErr mein GOTT seyn.
V. 9.
Denn die da (nicht vergnüget sind mit der Nothdurft und deme, was dazu gehöret, sondern) reich werden wollen (und daher alles ihr Tichten und Trachten darauf richten, auch alle ihre Verreichtungen darnach abmessen) die fal- len in Versuchungen (kommen bald auf diese bald auf jene Vorschläge und auch auf solche Mit- tel, welche gefährlich, oder doch unzuläßig sind) und Stricke (da sie denn, wenn sie sich einmal eingelassen, theils in Ansehung des Schadens, welchen sie sich beym Ablassen vorstellen, theils in Betrachtung des grösten Gewinnes, davon sie sich bey der Fortsetzung gewisse Hoffnung ma- chen, sich gleichsam recht verstricket und so verwi- ckelt finden, daß sie, als Gefangene des Satans, sich davon nicht wider loß machen können, 2 Tim. 2, 26.) und viel thörichter und schädlicher [Spaltenumbruch]
Lüste (sie gehen ein in solche Begierden, welche so wol an sich selbst schon, als auch in ihrem Aus- bruche recht thöricht und schädlich sind. Thöricht; da nichts so ungereimt und abgeschmackt auch un- gerecht ist, welches ein Geitziger, der sich durch den Geitz blenden und recht unvernünftig machen lassen, nicht würcklich vornimmt oder doch ver- suchet; solte er sich gleich vor vernünftigen christ- lichen Leuten noch so sehr prostituiren. Schäd- lich; weil dadurch alles gute in der Seelen er- sticket, Matth. 13, 22. auch darüber die Gesund- heit des Leibes nebst dem Leben selbst in Gefahr gesetzet, ja nicht selten verloren wird:) welche versencken (als wie in einen Abgrund, daraus man nicht wider hervorkommen kan, so wenig, als einer, dem ein Mühlstein an den Hals gehen- get und er ersäufet ist im Meer, da es am tiefsten ist Matth. 18, 6.) die Menschen ins Ver- derben und Verdammniß (da sie nach Leib und Seele dergestalt umkommen, daß sie nach Zurücklassung alles Zeitlichen nicht allein an geist- lichen Gütern ewigen Mangel, sondern auch noch dazu wegen ihrer gehäuften Schuld ewige Pein leiden)
Anmerckungen.
1. Ein anders ist reich seyn, ein anders reich werden wollen. Reich seyn kan einer mit gu- tem Gewissen; sintemal die zeitlichen Güter an sich eine gute Gabe GOttes sind, wie unter an- dern sonderlich an den Patriarchen zu sehen ist. Aber reich werden wollen und solchen seinen Willen mit Anhänglich keit durch äusserste Bemü- hung ins Werck richten, ist nichts anders, als der leidige Geitz, und kan also mit dem Christenthum durchaus nicht bestehen.
2. Damit das reich seyn Niemand miß- brauche, also daß er nur auf seinen zeitlichen Gü- tern mit seinem Gemüthe ruhe und sich darauf ver- lasse; so ist wohl zu mercken, daß die Besitzung nicht allein, ohne Anklebung oder Anhänglichkeit seyn, sondern auch mit einer solchen Verwaltung verknüpfet seyn müsse, dadurch man einen guten und getreuen Haushalter abgiebt, zum Dienste des dürftigen Nächsten und also zur Ehre GOt- tes. Doch hievon ein mehrers bey dem 17 und 18ten Vers.
3. Es ist aller sündlichen Lüste Eigenschaft, daß sie sind thöricht und schädlich. Thöricht, da sie auch wider die Gesunde Vernunft, und noch vielmehr wider das Licht göttlicher Offen- bahrung streiten, den Menschen auch zu vielen recht albernen Handlungen verleiten: wie es denn, die unsterbliche Seele mit zeitlichen Gü- tern sättigen wollen, so ungereimt ist, als wolte man die Tugenden in Kasten legen: denn so wenig diese Tugenden fassen, so wenig fasset jene die zeitlichen Güter. Und wie thöricht ist es nicht, seinen Kindern Netze und Stricke zum Verder- ben sammlen? hat nun mancher Geitzhals gar nicht einmal Kinder, so ist seine Bemühung auch nach dem Urtheil der Welt so viel thörichter. Siehe Ps. 29, 7. Schädlich sind die Lüste, in dem sie gemeiniglich ihre Strafe auf gewisse Art schon auf dieser Welt mit sich führen; von der
ewi-
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 6. v. 8. 9.
[Spaltenumbruch]
Speiſen) und Kleider (σκεϖάσματα, Decken, damit wir unſere bloͤſſe decken) haben, ſo laſſet uns begnuͤgen.
Anmerckungen.
1. Man pfleget das Wort Nahrung im buͤrgerlichen Verſtande viel weiter zu nehmen, als es alhier Paulus nimmt; denn Paulus ver- ſtehet dadurch nur Speiſen, womit man den Leib naͤhret. Da nun die Natur mit wenigem zufrie- den iſt, auch bey bloß natuͤrlichen Menſchen; wie man an ſo vielen Tauſenden ſiehet, welchen ihr Bißen Brod ſo wohl ſchmecket: warum ſoll denn nicht vielmehr ein Chriſte aus dem Grunde der Gnaden, da er fuͤr ſeine Seele eine beſſere Spei- ſe hat, nicht mit wenigem vergnuͤget ſeyn?
2. Und wie man nach der Welt-Art durch Nahrung ein ſolches Gewerbe verſtehet, dadurch man reich wird: alſo meinet man auch, es gehoͤ- re zu den Kleidern nicht allein ein groſſer Vor- rath, ſondern auch eine beſondere Achtbarkeit, wenn man damit vergnuͤget ſeyn ſoll. Aber Pau- lus bedienet ſich eines ſolchen Worts, welches nur auf die bloſſe Nothdurft der Bedeckung gehet. Eben alſo pfleget man die teutſchen Woͤrter Fuͤl- le und Huͤlle vom Uberfluß zu verſtehen; da ſie doch eigentlich nur allein das anzeigen, was Pau- lus alhier ſaget, nemlich die Speiſe, womit man den hungrigen Magen fůllet, oder ſaͤttiget; und Kleider, damit man den nackenten Leib verhuͤl- let, oder bedecket.
3. Nun iſt es zwar GOtt nicht zuwider, an der Nahrung und Kleidung ein mehrers zu haben, als die bloſſe Nothdurft erfordert; aber ein an- ders iſt es haben, ein anders es in der Verleug- nung, guten Ordnung und Maͤßigung, auch rechten Mittheilung recht gebrauchen; und mit dem, was man hat, zufrieden ſeyn. Mit was fuͤr einer Vergnuͤglichkeit der Patriarche Jacob ſeine Reiſe nach Meſopotamien angetreten, ſehe man 1 B. Moſ. 28, 20. da es heißt: So GOtt wird mit mir ſeyn, und mich behuͤten auf dem Wege, den ich reiſe, und Brodt zu eſſen geben, und Kleider anzuziehen, und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, ſo ſoll der HErr mein GOTT ſeyn.
V. 9.
Denn die da (nicht vergnuͤget ſind mit der Nothdurft und deme, was dazu gehoͤret, ſondern) reich werden wollen (und daher alles ihr Tichten und Trachten darauf richten, auch alle ihre Verreichtungen darnach abmeſſen) die fal- len in Verſuchungen (kommen bald auf dieſe bald auf jene Vorſchlaͤge und auch auf ſolche Mit- tel, welche gefaͤhrlich, oder doch unzulaͤßig ſind) und Stricke (da ſie denn, wenn ſie ſich einmal eingelaſſen, theils in Anſehung des Schadens, welchen ſie ſich beym Ablaſſen vorſtellen, theils in Betrachtung des groͤſten Gewinnes, davon ſie ſich bey der Fortſetzung gewiſſe Hoffnung ma- chen, ſich gleichſam recht verſtricket und ſo verwi- ckelt finden, daß ſie, als Gefangene des Satans, ſich davon nicht wider loß machen koͤnnen, 2 Tim. 2, 26.) und viel thoͤrichter und ſchaͤdlicher [Spaltenumbruch]
Luͤſte (ſie gehen ein in ſolche Begierden, welche ſo wol an ſich ſelbſt ſchon, als auch in ihrem Aus- bruche recht thoͤricht und ſchaͤdlich ſind. Thoͤricht; da nichts ſo ungereimt und abgeſchmackt auch un- gerecht iſt, welches ein Geitziger, der ſich durch den Geitz blenden und recht unvernuͤnftig machen laſſen, nicht wuͤrcklich vornimmt oder doch ver- ſuchet; ſolte er ſich gleich vor vernuͤnftigen chriſt- lichen Leuten noch ſo ſehr proſtituiren. Schaͤd- lich; weil dadurch alles gute in der Seelen er- ſticket, Matth. 13, 22. auch daruͤber die Geſund- heit des Leibes nebſt dem Leben ſelbſt in Gefahr geſetzet, ja nicht ſelten verloren wird:) welche verſencken (als wie in einen Abgrund, daraus man nicht wider hervorkommen kan, ſo wenig, als einer, dem ein Muͤhlſtein an den Hals gehen- get und er erſaͤufet iſt im Meer, da es am tiefſten iſt Matth. 18, 6.) die Menſchen ins Ver- derben und Verdammniß (da ſie nach Leib und Seele dergeſtalt umkommen, daß ſie nach Zuruͤcklaſſung alles Zeitlichen nicht allein an geiſt- lichen Guͤtern ewigen Mangel, ſondern auch noch dazu wegen ihrer gehaͤuften Schuld ewige Pein leiden)
Anmerckungen.
1. Ein anders iſt reich ſeyn, ein anders reich werden wollen. Reich ſeyn kan einer mit gu- tem Gewiſſen; ſintemal die zeitlichen Guͤter an ſich eine gute Gabe GOttes ſind, wie unter an- dern ſonderlich an den Patriarchen zu ſehen iſt. Aber reich werden wollen und ſolchen ſeinen Willen mit Anhaͤnglich keit durch aͤuſſerſte Bemuͤ- hung ins Werck richten, iſt nichts anders, als der leidige Geitz, und kan alſo mit dem Chriſtenthum durchaus nicht beſtehen.
2. Damit das reich ſeyn Niemand miß- brauche, alſo daß er nur auf ſeinen zeitlichen Guͤ- tern mit ſeinem Gemuͤthe ruhe und ſich darauf ver- laſſe; ſo iſt wohl zu mercken, daß die Beſitzung nicht allein, ohne Anklebung oder Anhaͤnglichkeit ſeyn, ſondern auch mit einer ſolchen Verwaltung verknuͤpfet ſeyn muͤſſe, dadurch man einen guten und getreuen Haushalter abgiebt, zum Dienſte des duͤrftigen Naͤchſten und alſo zur Ehre GOt- tes. Doch hievon ein mehrers bey dem 17 und 18ten Vers.
3. Es iſt aller ſuͤndlichen Luͤſte Eigenſchaft, daß ſie ſind thoͤricht und ſchaͤdlich. Thoͤricht, da ſie auch wider die Geſunde Vernunft, und noch vielmehr wider das Licht goͤttlicher Offen- bahrung ſtreiten, den Menſchen auch zu vielen recht albernen Handlungen verleiten: wie es denn, die unſterbliche Seele mit zeitlichen Guͤ- tern ſaͤttigen wollen, ſo ungereimt iſt, als wolte man die Tugenden in Kaſten legen: denn ſo wenig dieſe Tugenden faſſen, ſo wenig faſſet jene die zeitlichen Guͤter. Und wie thoͤricht iſt es nicht, ſeinen Kindern Netze und Stricke zum Verder- ben ſammlen? hat nun mancher Geitzhals gar nicht einmal Kinder, ſo iſt ſeine Bemuͤhung auch nach dem Urtheil der Welt ſo viel thoͤrichter. Siehe Pſ. 29, 7. Schaͤdlich ſind die Luͤſte, in dem ſie gemeiniglich ihre Strafe auf gewiſſe Art ſchon auf dieſer Welt mit ſich fuͤhren; von der
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[134/0136]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 6. v. 8. 9.
Speiſen) und Kleider (σκεϖάσματα, Decken,
damit wir unſere bloͤſſe decken) haben, ſo laſſet
uns begnuͤgen.
Anmerckungen.
1. Man pfleget das Wort Nahrung im
buͤrgerlichen Verſtande viel weiter zu nehmen,
als es alhier Paulus nimmt; denn Paulus ver-
ſtehet dadurch nur Speiſen, womit man den Leib
naͤhret. Da nun die Natur mit wenigem zufrie-
den iſt, auch bey bloß natuͤrlichen Menſchen; wie
man an ſo vielen Tauſenden ſiehet, welchen ihr
Bißen Brod ſo wohl ſchmecket: warum ſoll denn
nicht vielmehr ein Chriſte aus dem Grunde der
Gnaden, da er fuͤr ſeine Seele eine beſſere Spei-
ſe hat, nicht mit wenigem vergnuͤget ſeyn?
2. Und wie man nach der Welt-Art durch
Nahrung ein ſolches Gewerbe verſtehet, dadurch
man reich wird: alſo meinet man auch, es gehoͤ-
re zu den Kleidern nicht allein ein groſſer Vor-
rath, ſondern auch eine beſondere Achtbarkeit,
wenn man damit vergnuͤget ſeyn ſoll. Aber Pau-
lus bedienet ſich eines ſolchen Worts, welches
nur auf die bloſſe Nothdurft der Bedeckung gehet.
Eben alſo pfleget man die teutſchen Woͤrter Fuͤl-
le und Huͤlle vom Uberfluß zu verſtehen; da ſie
doch eigentlich nur allein das anzeigen, was Pau-
lus alhier ſaget, nemlich die Speiſe, womit man
den hungrigen Magen fůllet, oder ſaͤttiget; und
Kleider, damit man den nackenten Leib verhuͤl-
let, oder bedecket.
3. Nun iſt es zwar GOtt nicht zuwider, an
der Nahrung und Kleidung ein mehrers zu haben,
als die bloſſe Nothdurft erfordert; aber ein an-
ders iſt es haben, ein anders es in der Verleug-
nung, guten Ordnung und Maͤßigung, auch
rechten Mittheilung recht gebrauchen; und mit
dem, was man hat, zufrieden ſeyn. Mit was fuͤr
einer Vergnuͤglichkeit der Patriarche Jacob ſeine
Reiſe nach Meſopotamien angetreten, ſehe man
1 B. Moſ. 28, 20. da es heißt: So GOtt wird
mit mir ſeyn, und mich behuͤten auf dem
Wege, den ich reiſe, und Brodt zu eſſen
geben, und Kleider anzuziehen, und mich
mit Frieden wieder heim zu meinem Vater
bringen, ſo ſoll der HErr mein GOTT
ſeyn.
V. 9.
Denn die da (nicht vergnuͤget ſind mit der
Nothdurft und deme, was dazu gehoͤret, ſondern)
reich werden wollen (und daher alles ihr
Tichten und Trachten darauf richten, auch alle
ihre Verreichtungen darnach abmeſſen) die fal-
len in Verſuchungen (kommen bald auf dieſe
bald auf jene Vorſchlaͤge und auch auf ſolche Mit-
tel, welche gefaͤhrlich, oder doch unzulaͤßig ſind)
und Stricke (da ſie denn, wenn ſie ſich einmal
eingelaſſen, theils in Anſehung des Schadens,
welchen ſie ſich beym Ablaſſen vorſtellen, theils in
Betrachtung des groͤſten Gewinnes, davon ſie
ſich bey der Fortſetzung gewiſſe Hoffnung ma-
chen, ſich gleichſam recht verſtricket und ſo verwi-
ckelt finden, daß ſie, als Gefangene des Satans,
ſich davon nicht wider loß machen koͤnnen, 2 Tim.
2, 26.) und viel thoͤrichter und ſchaͤdlicher
Luͤſte (ſie gehen ein in ſolche Begierden, welche
ſo wol an ſich ſelbſt ſchon, als auch in ihrem Aus-
bruche recht thoͤricht und ſchaͤdlich ſind. Thoͤricht;
da nichts ſo ungereimt und abgeſchmackt auch un-
gerecht iſt, welches ein Geitziger, der ſich durch
den Geitz blenden und recht unvernuͤnftig machen
laſſen, nicht wuͤrcklich vornimmt oder doch ver-
ſuchet; ſolte er ſich gleich vor vernuͤnftigen chriſt-
lichen Leuten noch ſo ſehr proſtituiren. Schaͤd-
lich; weil dadurch alles gute in der Seelen er-
ſticket, Matth. 13, 22. auch daruͤber die Geſund-
heit des Leibes nebſt dem Leben ſelbſt in Gefahr
geſetzet, ja nicht ſelten verloren wird:) welche
verſencken (als wie in einen Abgrund, daraus
man nicht wider hervorkommen kan, ſo wenig,
als einer, dem ein Muͤhlſtein an den Hals gehen-
get und er erſaͤufet iſt im Meer, da es am tiefſten
iſt Matth. 18, 6.) die Menſchen ins Ver-
derben und Verdammniß (da ſie nach Leib
und Seele dergeſtalt umkommen, daß ſie nach
Zuruͤcklaſſung alles Zeitlichen nicht allein an geiſt-
lichen Guͤtern ewigen Mangel, ſondern auch
noch dazu wegen ihrer gehaͤuften Schuld ewige
Pein leiden)
Anmerckungen.
1. Ein anders iſt reich ſeyn, ein anders reich
werden wollen. Reich ſeyn kan einer mit gu-
tem Gewiſſen; ſintemal die zeitlichen Guͤter an
ſich eine gute Gabe GOttes ſind, wie unter an-
dern ſonderlich an den Patriarchen zu ſehen iſt.
Aber reich werden wollen und ſolchen ſeinen
Willen mit Anhaͤnglich keit durch aͤuſſerſte Bemuͤ-
hung ins Werck richten, iſt nichts anders, als der
leidige Geitz, und kan alſo mit dem Chriſtenthum
durchaus nicht beſtehen.
2. Damit das reich ſeyn Niemand miß-
brauche, alſo daß er nur auf ſeinen zeitlichen Guͤ-
tern mit ſeinem Gemuͤthe ruhe und ſich darauf ver-
laſſe; ſo iſt wohl zu mercken, daß die Beſitzung
nicht allein, ohne Anklebung oder Anhaͤnglichkeit
ſeyn, ſondern auch mit einer ſolchen Verwaltung
verknuͤpfet ſeyn muͤſſe, dadurch man einen guten
und getreuen Haushalter abgiebt, zum Dienſte
des duͤrftigen Naͤchſten und alſo zur Ehre GOt-
tes. Doch hievon ein mehrers bey dem 17 und
18ten Vers.
3. Es iſt aller ſuͤndlichen Luͤſte Eigenſchaft,
daß ſie ſind thoͤricht und ſchaͤdlich. Thoͤricht,
da ſie auch wider die Geſunde Vernunft, und
noch vielmehr wider das Licht goͤttlicher Offen-
bahrung ſtreiten, den Menſchen auch zu vielen
recht albernen Handlungen verleiten: wie es
denn, die unſterbliche Seele mit zeitlichen Guͤ-
tern ſaͤttigen wollen, ſo ungereimt iſt, als wolte
man die Tugenden in Kaſten legen: denn ſo
wenig dieſe Tugenden faſſen, ſo wenig faſſet jene
die zeitlichen Guͤter. Und wie thoͤricht iſt es nicht,
ſeinen Kindern Netze und Stricke zum Verder-
ben ſammlen? hat nun mancher Geitzhals gar
nicht einmal Kinder, ſo iſt ſeine Bemuͤhung auch
nach dem Urtheil der Welt ſo viel thoͤrichter.
Siehe Pſ. 29, 7. Schaͤdlich ſind die Luͤſte, in
dem ſie gemeiniglich ihre Strafe auf gewiſſe Art
ſchon auf dieſer Welt mit ſich fuͤhren; von der
ewi-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/136>, abgerufen am 27.11.2024.
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