[Spaltenumbruch]
(das dir erworbene Heyl zur gäntzlichen Vollen- dung appliciren,) und die dich hören (in so fern sie dir zum Glauben und allem übrigen rechtschafnen Wesen getreulich und beständig folgen: bey denen wirst du ein gesegnetes Werckzeug seyn zur Beforderung ihrer Selig- keit.)
Anmerckungen.
1. Es ist dem Lehr-Amte eine grosse geist- liche Würde, daß unser Heyland das, was er, als der rechte Urheber aus seiner eigen Wirckung thut, auch seinen Dienern beyleget, in sofern er sie zu gesegneten Werckzeugen gebrauchet. Wel- ches einem das Lehr-Amt recht lieb und werth machen soll. Es kan aber auch ein ieder Christ in einem besondern Umgange ein Werckzeug zur Seligkeit eines andern werden, wenn er an ihn mit Lehr und Leben arbeitet, wie er schuldig ist, nach 1 Thess. 5, 11. 14.
2. Es ist aber die Ordnung wohl zu beo- bachten, welche Paulus in diesen Worten von der Achthabung und Seligmachung des Lehrers und der Zuhörer machet. Denn da verbindet er nicht allein eines mit dem andern aufs genaue- ste, sondern auch er setzet den Lehrer voran, und spricht: habe acht auf dich selbst und auf die Lehre, oder dein Amt. Und denn; was die Frucht betrift: du wirst dich, und die dich hören, selig machen.
3. Zuvorderst ist zu mercken, daß eines oh- ne das andere nicht seyn kan. Denn wer auf sich selbst nicht acht hat und sich selbst selig ma- chet, der wird noch vielweniger auf die Gemei- ne acht haben, wie zu ihrer Seligkeit nöthig ist: sintemal dis letztere viel schwerer ist, als das er- ste. Darum auch alhier gilt, was Paulus sagt c. 3. v. 5. So iemand seinem eigenen Hause (sich selbst, welches noch weniger ist, als seinem Hau- se) nicht wohl verstehet, wie wird er die Gemeine GOttes versorgen? Und wer hin- gegen anf sein Amt und Zuhörer nicht acht hat, der versäumet auch seine eigene Seligkeit; ja er ziehet eine vielfache Verdammniß über sich. Erstlich damit, daß er damit sein eigenes Heyl versäumet, in dem er durch Versäumniß der Zuhörer wider sein Gewissen handelt, und da- mit seinen unbekehrten Sinn an den Tag leget: Und denn auch, daß er schuldig wird an der Ver- damniß so vieler Zuhörer. Es kan demnach unmöglich eines ohne das andere seyn. Dabey doch aber von dem Amte dieses zur Ausnahme zu mercken ist, daß gleichwol die heilige Sacra- mente bey dem Dienste eines solchen Lehrers an sich selbst in ihrer Integrität und Kraft bleiben, und so fern er das Wort GOttes, und nach demselben den Rath GOttes in seiner buchstäb- lichen Richtigkeit vorträget, solcher Vortrag auch seinen Segen haben könne; ob es wohl nicht leichtlich geschehen wird, daß ein noch un- bekehrter Lehrer denselben gantz und in aller Lau- terkeit vorstellet, und auf den unterschiedenen [Spaltenumbruch]
Zustand der Seelen recht appliciret. Denn es fehlet ihm an der gläubigen und lautern Er- kenntniß; geschweige daß er die geistliche und ü- bernatürliche Treue und Tüchtigkeit haben solte, seine Zuhörer bey Gelegenheit auch in besonderm Umgange zu erbauen. Dagegen er sie mit sei- nem eigenen todten Wesen, nach welchem es ihm gar nicht ans Hertz kommet und von Her- tzen gehet, von GOtt und göttlichen Dingen mit ihnen erbaulich zu reden, und sie um das Heyl ihrer Seelen zu befragen, vielmehr ein- schläfert, wo nicht auf allerhand Art selbst är- gert.
4. Gleichwie nun eines ohne das andere nicht seyn kan: so ist in solcher nöthigen Zusam- menfügung auch diese Ordnung wohl zu mer- cken, daß das acht haben auf sich selbst, und das sich selbst selig machen voran stehet, und den ersten Platz auch nothwendig haben muß. Denn wie logice das Subjectum vor dem Prae- dicato stehet: so muß ja ein Lehrer wenn er soll zum Amte gebrauchet werden, zuvorderst seiner Person nach dazu tüchtig und würdig seyn. So muß auch aller wahrer Trieb, daß man dem Am- te ein Genügen thun wolle, daher kommen, daß man sein gereinigtes gutes Gewissen nicht wolle verletzen, und seine eigene Seligkeit darüber versäumen. Wo aber nun kein gutes Ge- wissen ist, (als welches bey keinem Unbekehr- ten statt findet,) noch die eigne Seligkeit besor- get wird, woher soll denn der Trieb kommen, dem Amte an den Seelen ein Genügen zu thun? Und woher sollen die Kräfte genommen werden? Was man disfalls von einer besondern Amts- Gnade unbekehrter Lehrer tichtet, davon fin- det sich weder in Pauli Pastoral-Briefen, noch sonsten in der heiligen Schrift die geringste Spur.
5. Paulus schärfet die genaue Verbin- dung und die Ordnung dieser beyden Stücke, wie hier dem Timotheo, also auch den übrigen nach Mileto berufenen Aeltesten von Ephesus gar sorgfältig ein, wenn er Ap. Gesch. 20, 28. spricht: So habet nun acht auf euch selbst, und auf die gantze Heerde. Um welcher Ordnung willen in den gedachten Pastoral- Briefen Paulus so sehr auf die Eigenschaften und Pflichten der Lehrer gegen sich selbst drin- get.
6. Es fliesset aus dieser Ordnung auch die- ses, daß keiner besser auf die Lehre und wahre Orthodoxie bey andern hält, als der dabey zuvorderst seines eigenen Heyls recht wahrnimt: und daß hingegen diejenigen, welche ihr eigenes Heyl so liederlich versäumen, sich vergeblich der Orthodoxie rühmen, dieselbe auch gemeinig- lich gar schlecht bewahren, sondern mit dem Worte GOttes eine rechte Krämerey treiben, nicht aber reden in Lauterkeit, als aus GOtt und vor GOTT in Christo JEsu. 2 Cor. 3, 17. und mit Beweisung des Geistes und der Kraft. 1 Cor. 2, 4.
Das
Q 3
Cap. 4. v. 16. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch]
(das dir erworbene Heyl zur gaͤntzlichen Vollen- dung appliciren,) und die dich hoͤren (in ſo fern ſie dir zum Glauben und allem uͤbrigen rechtſchafnen Weſen getreulich und beſtaͤndig folgen: bey denen wirſt du ein geſegnetes Werckzeug ſeyn zur Beforderung ihrer Selig- keit.)
Anmerckungen.
1. Es iſt dem Lehr-Amte eine groſſe geiſt- liche Wuͤrde, daß unſer Heyland das, was er, als der rechte Urheber aus ſeiner eigen Wirckung thut, auch ſeinen Dienern beyleget, in ſofern er ſie zu geſegneten Werckzeugen gebrauchet. Wel- ches einem das Lehr-Amt recht lieb und werth machen ſoll. Es kan aber auch ein ieder Chriſt in einem beſondern Umgange ein Werckzeug zur Seligkeit eines andern werden, wenn er an ihn mit Lehr und Leben arbeitet, wie er ſchuldig iſt, nach 1 Theſſ. 5, 11. 14.
2. Es iſt aber die Ordnung wohl zu beo- bachten, welche Paulus in dieſen Worten von der Achthabung und Seligmachung des Lehrers und der Zuhoͤrer machet. Denn da verbindet er nicht allein eines mit dem andern aufs genaue- ſte, ſondern auch er ſetzet den Lehrer voran, und ſpricht: habe acht auf dich ſelbſt und auf die Lehre, oder dein Amt. Und denn; was die Frucht betrift: du wirſt dich, und die dich hoͤren, ſelig machen.
3. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß eines oh- ne das andere nicht ſeyn kan. Denn wer auf ſich ſelbſt nicht acht hat und ſich ſelbſt ſelig ma- chet, der wird noch vielweniger auf die Gemei- ne acht haben, wie zu ihrer Seligkeit noͤthig iſt: ſintemal dis letztere viel ſchwerer iſt, als das er- ſte. Darum auch alhier gilt, was Paulus ſagt c. 3. v. 5. So iemand ſeinem eigenen Hauſe (ſich ſelbſt, welches noch weniger iſt, als ſeinem Hau- ſe) nicht wohl verſtehet, wie wird er die Gemeine GOttes verſorgen? Und wer hin- gegen anf ſein Amt und Zuhoͤrer nicht acht hat, der verſaͤumet auch ſeine eigene Seligkeit; ja er ziehet eine vielfache Verdammniß uͤber ſich. Erſtlich damit, daß er damit ſein eigenes Heyl verſaͤumet, in dem er durch Verſaͤumniß der Zuhoͤrer wider ſein Gewiſſen handelt, und da- mit ſeinen unbekehrten Sinn an den Tag leget: Und denn auch, daß er ſchuldig wird an der Ver- damniß ſo vieler Zuhoͤrer. Es kan demnach unmoͤglich eines ohne das andere ſeyn. Dabey doch aber von dem Amte dieſes zur Ausnahme zu mercken iſt, daß gleichwol die heilige Sacra- mente bey dem Dienſte eines ſolchen Lehrers an ſich ſelbſt in ihrer Integritaͤt und Kraft bleiben, und ſo fern er das Wort GOttes, und nach demſelben den Rath GOttes in ſeiner buchſtaͤb- lichen Richtigkeit vortraͤget, ſolcher Vortrag auch ſeinen Segen haben koͤnne; ob es wohl nicht leichtlich geſchehen wird, daß ein noch un- bekehrter Lehrer denſelben gantz und in aller Lau- terkeit vorſtellet, und auf den unterſchiedenen [Spaltenumbruch]
Zuſtand der Seelen recht appliciret. Denn es fehlet ihm an der glaͤubigen und lautern Er- kenntniß; geſchweige daß er die geiſtliche und uͤ- bernatuͤrliche Treue und Tuͤchtigkeit haben ſolte, ſeine Zuhoͤrer bey Gelegenheit auch in beſonderm Umgange zu erbauen. Dagegen er ſie mit ſei- nem eigenen todten Weſen, nach welchem es ihm gar nicht ans Hertz kommet und von Her- tzen gehet, von GOtt und goͤttlichen Dingen mit ihnen erbaulich zu reden, und ſie um das Heyl ihrer Seelen zu befragen, vielmehr ein- ſchlaͤfert, wo nicht auf allerhand Art ſelbſt aͤr- gert.
4. Gleichwie nun eines ohne das andere nicht ſeyn kan: ſo iſt in ſolcher noͤthigen Zuſam- menfuͤgung auch dieſe Ordnung wohl zu mer- cken, daß das acht haben auf ſich ſelbſt, und das ſich ſelbſt ſelig machen voran ſtehet, und den erſten Platz auch nothwendig haben muß. Denn wie logice das Subjectum vor dem Præ- dicato ſtehet: ſo muß ja ein Lehrer wenn er ſoll zum Amte gebrauchet werden, zuvorderſt ſeiner Perſon nach dazu tuͤchtig und wuͤrdig ſeyn. So muß auch aller wahrer Trieb, daß man dem Am- te ein Genuͤgen thun wolle, daher kommen, daß man ſein gereinigtes gutes Gewiſſen nicht wolle verletzen, und ſeine eigene Seligkeit daruͤber verſaͤumen. Wo aber nun kein gutes Ge- wiſſen iſt, (als welches bey keinem Unbekehr- ten ſtatt findet,) noch die eigne Seligkeit beſor- get wird, woher ſoll denn der Trieb kommen, dem Amte an den Seelen ein Genuͤgen zu thun? Und woher ſollen die Kraͤfte genommen werden? Was man disfalls von einer beſondern Amts- Gnade unbekehrter Lehrer tichtet, davon fin- det ſich weder in Pauli Paſtoral-Briefen, noch ſonſten in der heiligen Schrift die geringſte Spur.
5. Paulus ſchaͤrfet die genaue Verbin- dung und die Ordnung dieſer beyden Stuͤcke, wie hier dem Timotheo, alſo auch den uͤbrigen nach Mileto berufenen Aelteſten von Epheſus gar ſorgfaͤltig ein, wenn er Ap. Geſch. 20, 28. ſpricht: So habet nun acht auf euch ſelbſt, und auf die gantze Heerde. Um welcher Ordnung willen in den gedachten Paſtoral- Briefen Paulus ſo ſehr auf die Eigenſchaften und Pflichten der Lehrer gegen ſich ſelbſt drin- get.
6. Es flieſſet aus dieſer Ordnung auch die- ſes, daß keiner beſſer auf die Lehre und wahre Orthodoxie bey andern haͤlt, als der dabey zuvorderſt ſeines eigenen Heyls recht wahrnimt: und daß hingegen diejenigen, welche ihr eigenes Heyl ſo liederlich verſaͤumen, ſich vergeblich der Orthodoxie ruͤhmen, dieſelbe auch gemeinig- lich gar ſchlecht bewahren, ſondern mit dem Worte GOttes eine rechte Kraͤmerey treiben, nicht aber reden in Lauterkeit, als aus GOtt und vor GOTT in Chriſto JEſu. 2 Cor. 3, 17. und mit Beweiſung des Geiſtes und der Kraft. 1 Cor. 2, 4.
Das
Q 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0127"n="125"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Cap. 4. v. 16. an den Timotheum.</hi></fw><lb/><cb/>
(das dir erworbene Heyl zur gaͤntzlichen Vollen-<lb/>
dung <hirendition="#aq">applicir</hi>en,) <hirendition="#fr">und die dich hoͤren</hi> (in<lb/>ſo fern ſie dir zum Glauben und allem uͤbrigen<lb/>
rechtſchafnen Weſen getreulich und beſtaͤndig<lb/>
folgen: bey denen wirſt du ein geſegnetes<lb/>
Werckzeug ſeyn zur Beforderung ihrer Selig-<lb/>
keit.)</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Anmerckungen.</hi></head><lb/><p>1. Es iſt dem Lehr-Amte eine groſſe <hirendition="#fr">geiſt-<lb/>
liche Wuͤrde,</hi> daß unſer Heyland das, was er,<lb/>
als der rechte Urheber aus ſeiner eigen Wirckung<lb/>
thut, auch ſeinen Dienern beyleget, in ſofern er<lb/>ſie zu geſegneten Werckzeugen gebrauchet. Wel-<lb/>
ches einem das Lehr-Amt recht lieb und werth<lb/>
machen ſoll. Es kan aber auch ein ieder Chriſt<lb/>
in einem beſondern Umgange ein Werckzeug zur<lb/>
Seligkeit eines andern werden, wenn er an ihn<lb/>
mit Lehr und Leben arbeitet, wie er ſchuldig iſt,<lb/>
nach 1 Theſſ. 5, 11. 14.</p><lb/><p>2. Es iſt aber die <hirendition="#fr">Ordnung</hi> wohl zu beo-<lb/>
bachten, welche Paulus in dieſen Worten von<lb/>
der Achthabung und Seligmachung des Lehrers<lb/>
und der Zuhoͤrer machet. Denn da verbindet er<lb/>
nicht allein eines mit dem andern aufs genaue-<lb/>ſte, ſondern auch er ſetzet den Lehrer voran, und<lb/>ſpricht: habe acht <hirendition="#fr">auf dich ſelbſt</hi> und <hirendition="#fr">auf die<lb/>
Lehre,</hi> oder dein Amt. Und denn; was die<lb/>
Frucht betrift: du wirſt <hirendition="#fr">dich,</hi> und <hirendition="#fr">die dich<lb/>
hoͤren,</hi>ſelig machen.</p><lb/><p>3. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß eines oh-<lb/>
ne das andere nicht ſeyn kan. Denn wer auf<lb/>ſich ſelbſt nicht acht hat und ſich ſelbſt ſelig ma-<lb/>
chet, der wird noch vielweniger auf die Gemei-<lb/>
ne acht haben, wie zu ihrer Seligkeit noͤthig iſt:<lb/>ſintemal dis letztere viel ſchwerer iſt, als das er-<lb/>ſte. Darum auch alhier gilt, was Paulus ſagt c. 3.<lb/>
v. 5. <hirendition="#fr">So iemand ſeinem eigenen Hauſe</hi> (ſich<lb/>ſelbſt, welches noch weniger iſt, als ſeinem Hau-<lb/>ſe) <hirendition="#fr">nicht wohl verſtehet, wie wird er die<lb/>
Gemeine GOttes verſorgen?</hi> Und wer hin-<lb/>
gegen anf ſein Amt und Zuhoͤrer nicht acht hat,<lb/>
der verſaͤumet auch ſeine eigene Seligkeit; ja<lb/>
er ziehet eine vielfache Verdammniß uͤber ſich.<lb/>
Erſtlich damit, daß er damit ſein eigenes Heyl<lb/>
verſaͤumet, in dem er durch Verſaͤumniß der<lb/>
Zuhoͤrer wider ſein Gewiſſen handelt, und da-<lb/>
mit ſeinen unbekehrten Sinn an den Tag leget:<lb/>
Und denn auch, daß er ſchuldig wird an der Ver-<lb/>
damniß ſo vieler Zuhoͤrer. Es kan demnach<lb/>
unmoͤglich eines ohne das andere ſeyn. Dabey<lb/>
doch aber von dem Amte dieſes zur Ausnahme<lb/>
zu mercken iſt, daß gleichwol die heilige Sacra-<lb/>
mente bey dem Dienſte eines ſolchen Lehrers an<lb/>ſich ſelbſt in ihrer <hirendition="#aq">Integrit</hi>aͤt und Kraft bleiben,<lb/>
und ſo fern er das Wort GOttes, und nach<lb/>
demſelben den Rath GOttes in ſeiner buchſtaͤb-<lb/>
lichen Richtigkeit vortraͤget, ſolcher Vortrag<lb/>
auch ſeinen Segen haben koͤnne; ob es wohl<lb/>
nicht leichtlich geſchehen wird, daß ein noch un-<lb/>
bekehrter Lehrer denſelben gantz und in aller Lau-<lb/>
terkeit vorſtellet, und auf den unterſchiedenen<lb/><cb/>
Zuſtand der Seelen recht <hirendition="#aq">applicir</hi>et. Denn<lb/>
es fehlet ihm an der glaͤubigen und lautern Er-<lb/>
kenntniß; geſchweige daß er die geiſtliche und uͤ-<lb/>
bernatuͤrliche Treue und Tuͤchtigkeit haben ſolte,<lb/>ſeine Zuhoͤrer bey Gelegenheit auch in beſonderm<lb/>
Umgange zu erbauen. Dagegen er ſie mit ſei-<lb/>
nem eigenen todten Weſen, nach welchem es<lb/>
ihm gar nicht ans Hertz kommet und von Her-<lb/>
tzen gehet, von GOtt und goͤttlichen Dingen<lb/>
mit ihnen erbaulich zu reden, und ſie um das<lb/>
Heyl ihrer Seelen zu befragen, vielmehr ein-<lb/>ſchlaͤfert, wo nicht auf allerhand Art ſelbſt aͤr-<lb/>
gert.</p><lb/><p>4. Gleichwie nun eines ohne das andere<lb/>
nicht ſeyn kan: ſo iſt in ſolcher noͤthigen Zuſam-<lb/>
menfuͤgung auch dieſe Ordnung wohl zu mer-<lb/>
cken, daß das <hirendition="#fr">acht haben auf ſich ſelbſt,</hi> und<lb/>
das <hirendition="#fr">ſich ſelbſt ſelig machen</hi> voran ſtehet, und<lb/>
den erſten Platz auch nothwendig haben muß.<lb/>
Denn wie <hirendition="#aq">logice</hi> das <hirendition="#aq">Subjectum</hi> vor dem <hirendition="#aq">Præ-<lb/>
dicato</hi>ſtehet: ſo muß ja ein Lehrer wenn er ſoll<lb/>
zum Amte gebrauchet werden, zuvorderſt ſeiner<lb/>
Perſon nach dazu tuͤchtig und wuͤrdig ſeyn. So<lb/>
muß auch aller wahrer Trieb, daß man dem Am-<lb/>
te ein Genuͤgen thun wolle, daher kommen, daß<lb/>
man ſein gereinigtes gutes Gewiſſen nicht wolle<lb/>
verletzen, und ſeine eigene Seligkeit daruͤber<lb/>
verſaͤumen. Wo aber nun kein gutes Ge-<lb/>
wiſſen iſt, (als welches bey keinem Unbekehr-<lb/>
ten ſtatt findet,) noch die eigne Seligkeit beſor-<lb/>
get wird, woher ſoll denn der Trieb kommen,<lb/>
dem Amte an den Seelen ein Genuͤgen zu thun?<lb/>
Und woher ſollen die Kraͤfte genommen werden?<lb/>
Was man disfalls von einer beſondern <hirendition="#fr">Amts-<lb/>
Gnade</hi> unbekehrter Lehrer tichtet, davon fin-<lb/>
det ſich weder in Pauli <hirendition="#aq">Paſtoral-</hi>Briefen, noch<lb/>ſonſten in der heiligen Schrift die geringſte<lb/>
Spur.</p><lb/><p>5. Paulus ſchaͤrfet die genaue Verbin-<lb/>
dung und die Ordnung dieſer beyden Stuͤcke,<lb/>
wie hier dem Timotheo, alſo auch den uͤbrigen<lb/>
nach Mileto berufenen Aelteſten von Epheſus<lb/>
gar ſorgfaͤltig ein, wenn er Ap. Geſch. 20, 28.<lb/>ſpricht: <hirendition="#fr">So habet nun acht auf euch ſelbſt,<lb/>
und auf die gantze Heerde.</hi> Um welcher<lb/>
Ordnung willen in den gedachten <hirendition="#aq">Paſtoral-</hi><lb/>
Briefen Paulus ſo ſehr auf die Eigenſchaften<lb/>
und Pflichten der Lehrer gegen ſich ſelbſt drin-<lb/>
get.</p><lb/><p>6. Es flieſſet aus dieſer Ordnung auch die-<lb/>ſes, daß keiner beſſer auf die Lehre und wahre<lb/><hirendition="#aq">Orthodoxi</hi>e bey andern haͤlt, als der dabey<lb/>
zuvorderſt ſeines eigenen Heyls recht wahrnimt:<lb/>
und daß hingegen diejenigen, welche ihr eigenes<lb/>
Heyl ſo liederlich verſaͤumen, ſich vergeblich der<lb/><hirendition="#aq">Orthodoxi</hi>e ruͤhmen, dieſelbe auch gemeinig-<lb/>
lich gar ſchlecht bewahren, ſondern mit dem<lb/>
Worte GOttes eine rechte Kraͤmerey treiben,<lb/>
nicht aber reden in Lauterkeit, als aus GOtt<lb/>
und vor GOTT in Chriſto JEſu. 2 Cor. 3, 17.<lb/>
und mit Beweiſung des Geiſtes und der Kraft.<lb/>
1 Cor. 2, 4.</p></div></div></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 3</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Das</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[125/0127]
Cap. 4. v. 16. an den Timotheum.
(das dir erworbene Heyl zur gaͤntzlichen Vollen-
dung appliciren,) und die dich hoͤren (in
ſo fern ſie dir zum Glauben und allem uͤbrigen
rechtſchafnen Weſen getreulich und beſtaͤndig
folgen: bey denen wirſt du ein geſegnetes
Werckzeug ſeyn zur Beforderung ihrer Selig-
keit.)
Anmerckungen.
1. Es iſt dem Lehr-Amte eine groſſe geiſt-
liche Wuͤrde, daß unſer Heyland das, was er,
als der rechte Urheber aus ſeiner eigen Wirckung
thut, auch ſeinen Dienern beyleget, in ſofern er
ſie zu geſegneten Werckzeugen gebrauchet. Wel-
ches einem das Lehr-Amt recht lieb und werth
machen ſoll. Es kan aber auch ein ieder Chriſt
in einem beſondern Umgange ein Werckzeug zur
Seligkeit eines andern werden, wenn er an ihn
mit Lehr und Leben arbeitet, wie er ſchuldig iſt,
nach 1 Theſſ. 5, 11. 14.
2. Es iſt aber die Ordnung wohl zu beo-
bachten, welche Paulus in dieſen Worten von
der Achthabung und Seligmachung des Lehrers
und der Zuhoͤrer machet. Denn da verbindet er
nicht allein eines mit dem andern aufs genaue-
ſte, ſondern auch er ſetzet den Lehrer voran, und
ſpricht: habe acht auf dich ſelbſt und auf die
Lehre, oder dein Amt. Und denn; was die
Frucht betrift: du wirſt dich, und die dich
hoͤren, ſelig machen.
3. Zuvorderſt iſt zu mercken, daß eines oh-
ne das andere nicht ſeyn kan. Denn wer auf
ſich ſelbſt nicht acht hat und ſich ſelbſt ſelig ma-
chet, der wird noch vielweniger auf die Gemei-
ne acht haben, wie zu ihrer Seligkeit noͤthig iſt:
ſintemal dis letztere viel ſchwerer iſt, als das er-
ſte. Darum auch alhier gilt, was Paulus ſagt c. 3.
v. 5. So iemand ſeinem eigenen Hauſe (ſich
ſelbſt, welches noch weniger iſt, als ſeinem Hau-
ſe) nicht wohl verſtehet, wie wird er die
Gemeine GOttes verſorgen? Und wer hin-
gegen anf ſein Amt und Zuhoͤrer nicht acht hat,
der verſaͤumet auch ſeine eigene Seligkeit; ja
er ziehet eine vielfache Verdammniß uͤber ſich.
Erſtlich damit, daß er damit ſein eigenes Heyl
verſaͤumet, in dem er durch Verſaͤumniß der
Zuhoͤrer wider ſein Gewiſſen handelt, und da-
mit ſeinen unbekehrten Sinn an den Tag leget:
Und denn auch, daß er ſchuldig wird an der Ver-
damniß ſo vieler Zuhoͤrer. Es kan demnach
unmoͤglich eines ohne das andere ſeyn. Dabey
doch aber von dem Amte dieſes zur Ausnahme
zu mercken iſt, daß gleichwol die heilige Sacra-
mente bey dem Dienſte eines ſolchen Lehrers an
ſich ſelbſt in ihrer Integritaͤt und Kraft bleiben,
und ſo fern er das Wort GOttes, und nach
demſelben den Rath GOttes in ſeiner buchſtaͤb-
lichen Richtigkeit vortraͤget, ſolcher Vortrag
auch ſeinen Segen haben koͤnne; ob es wohl
nicht leichtlich geſchehen wird, daß ein noch un-
bekehrter Lehrer denſelben gantz und in aller Lau-
terkeit vorſtellet, und auf den unterſchiedenen
Zuſtand der Seelen recht appliciret. Denn
es fehlet ihm an der glaͤubigen und lautern Er-
kenntniß; geſchweige daß er die geiſtliche und uͤ-
bernatuͤrliche Treue und Tuͤchtigkeit haben ſolte,
ſeine Zuhoͤrer bey Gelegenheit auch in beſonderm
Umgange zu erbauen. Dagegen er ſie mit ſei-
nem eigenen todten Weſen, nach welchem es
ihm gar nicht ans Hertz kommet und von Her-
tzen gehet, von GOtt und goͤttlichen Dingen
mit ihnen erbaulich zu reden, und ſie um das
Heyl ihrer Seelen zu befragen, vielmehr ein-
ſchlaͤfert, wo nicht auf allerhand Art ſelbſt aͤr-
gert.
4. Gleichwie nun eines ohne das andere
nicht ſeyn kan: ſo iſt in ſolcher noͤthigen Zuſam-
menfuͤgung auch dieſe Ordnung wohl zu mer-
cken, daß das acht haben auf ſich ſelbſt, und
das ſich ſelbſt ſelig machen voran ſtehet, und
den erſten Platz auch nothwendig haben muß.
Denn wie logice das Subjectum vor dem Præ-
dicato ſtehet: ſo muß ja ein Lehrer wenn er ſoll
zum Amte gebrauchet werden, zuvorderſt ſeiner
Perſon nach dazu tuͤchtig und wuͤrdig ſeyn. So
muß auch aller wahrer Trieb, daß man dem Am-
te ein Genuͤgen thun wolle, daher kommen, daß
man ſein gereinigtes gutes Gewiſſen nicht wolle
verletzen, und ſeine eigene Seligkeit daruͤber
verſaͤumen. Wo aber nun kein gutes Ge-
wiſſen iſt, (als welches bey keinem Unbekehr-
ten ſtatt findet,) noch die eigne Seligkeit beſor-
get wird, woher ſoll denn der Trieb kommen,
dem Amte an den Seelen ein Genuͤgen zu thun?
Und woher ſollen die Kraͤfte genommen werden?
Was man disfalls von einer beſondern Amts-
Gnade unbekehrter Lehrer tichtet, davon fin-
det ſich weder in Pauli Paſtoral-Briefen, noch
ſonſten in der heiligen Schrift die geringſte
Spur.
5. Paulus ſchaͤrfet die genaue Verbin-
dung und die Ordnung dieſer beyden Stuͤcke,
wie hier dem Timotheo, alſo auch den uͤbrigen
nach Mileto berufenen Aelteſten von Epheſus
gar ſorgfaͤltig ein, wenn er Ap. Geſch. 20, 28.
ſpricht: So habet nun acht auf euch ſelbſt,
und auf die gantze Heerde. Um welcher
Ordnung willen in den gedachten Paſtoral-
Briefen Paulus ſo ſehr auf die Eigenſchaften
und Pflichten der Lehrer gegen ſich ſelbſt drin-
get.
6. Es flieſſet aus dieſer Ordnung auch die-
ſes, daß keiner beſſer auf die Lehre und wahre
Orthodoxie bey andern haͤlt, als der dabey
zuvorderſt ſeines eigenen Heyls recht wahrnimt:
und daß hingegen diejenigen, welche ihr eigenes
Heyl ſo liederlich verſaͤumen, ſich vergeblich der
Orthodoxie ruͤhmen, dieſelbe auch gemeinig-
lich gar ſchlecht bewahren, ſondern mit dem
Worte GOttes eine rechte Kraͤmerey treiben,
nicht aber reden in Lauterkeit, als aus GOtt
und vor GOTT in Chriſto JEſu. 2 Cor. 3, 17.
und mit Beweiſung des Geiſtes und der Kraft.
1 Cor. 2, 4.
Das
Q 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/127>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.