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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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C. 4. v. 1. 2. 3. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] terkeit abfallen und den verführischen Lehren
anhangen. Die Verführer sind die verführi-
schen Geister, welche die didaskalias daimo-
nion, die abgöttischen Lehren aufbringen. Und
nach diesem Verstande stehet das Wort daimo-
nion nicht subjective und effective, daß die
Lehren von ihnen herrühren; sondern objecti-
ve,
daß die Lehren auf sie gehen. Von den
Verführern aber und Verführten sehe man
sonderlich in dem Parallel-Orte 2 Thess. 2, 9.
u. f. da es heißt, wie die Zukunft des Antichrists
würde seyn nach der Wirckung des Satans mit
allerhand lügenhaften Kräften, und Zeichen
und Wundern, und mit allerley Verführung
zur Ungerechtigkeit, unter denen, die verlohren
werden, dafür, daß sie die Liebe zur Wahrheit
nicht haben angenommen, daß sie selig wür-
den. u. s. w.

V. 2.

Durch die, so in Gleißnerey (Heuche-
ley, da sie als übertünchte Gräber schon von
aussen gleissen, und durch das scheinbare Blend-
Werck ertichteter Wunder von ihren daemo-
niis,
oder canonisirten Heiligen und ihren Re-
liqui
en, und des äusserlichen ceremoniels und
Gepränges bey dem öffentlichen GOttes-Dien-
ste) Lugenredner sind (also nicht im blossen
Jrrthum stehen, sondern recht vorsetzlich und
betrüglich die Leute hinter das Licht führen) und
(daher) Brandmahl in ihrem Gewissen ha-
ben
(ein so empfindliches Gefühle von dem
durch solche vorsetzliche Heucheley und Betrug
aus gerechtem Gerichte GOttes verunruhigen-
den Gewissen, als ein Ubelthäter durch Brand-
Marcke am Fleische seines Leibes empfindet:
das hat er, bis er gar darüber fühllos wird.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderst ist alhier im Griechischen die
Verbindung dieses Verses mit dem vorherge-
henden wohl zu mercken. Denn der Genitivus
pheuoologon beziehet sich auf das vorhergehen-
de Wort didasklias, Lehren, und ist die Rede
von solchen didaskaliais daimonion, oder Lehren
von Verehrung der Heiligen, die da sind en
upokrisei pseudologon, solcher verführischen Leu-
te, welche durch Gleißnerey Lügen-redner sind,
und eben hiedurch, da sie den Leuten unter so vie-
lem guten Schein ein solches Blend-Werck ma-
chen, sonderlich in ertichteten Wundern, sie zu
solcher Abgötterey der Anbetung verleiten. Es
ist demnach so viel, als stünde vor diesen Worten
tais ou"sais, nemlich didaskaliais, den Lehren;
welche Worte doch aber gar wohl ohne Nach-
theil des sensus haben können ausgelassen wer-
den. Es lassen sich die ersten Worte dieses
Verses auch mit dem vorhergehenden prose-
khontes verbinden, also daß angezeiget werde,
wodurch prosekhein, das Anhangen an den ab-
göttischen Lehren zuwege gebracht sey, nemlich
durch solche Leute, welche durch Gleißnerey Lü-
genredner sind. Auf beyderley Art der Con-
struction
siehet man, daß dadurch die Verfüh-
rer von den Verführten, die den so argen Leh-
ren anhangen, unterschieden werden.

[Spaltenumbruch]

2. Da nun in keiner Kirche die Gleißnerey
und das äusserliche mehr als levitische Gepränge
bey dem öffentlichen Gottesdienste und auch sonst,
nebst der Lügen-Redner-Kunst zu einer so gantz
offenbaren und besondern Form kommen, als in
der papistischen, also daß manche gute Seelen in
derselben selbst einen Greuel daran haben; so sie-
het man wohl, wohin diese Apostolische Weissa-
gung sonderlich gegangen sey.

3. Die Redens-Art, ein Brandmahl
im Gewissen haben,
ist hergenommen von sol-
chen infamen Ubelthätern, welchen man aus
Strafe zur Bezeichnung ihrer Ubelthaten durch
ein Brenneisen zu ihrer öffentlichen Schande ge-
wisse Mahle am Leibe, sonderlich an der Stirne
tief durch die Haut einbrannte. Welches denn
nicht ohne schmertzliche Empfindung abging, bis
die gebrannte Stelle endlich ihr Leben verlor, oder
hart und fühllos ward. Dieses appliciret
nun der Apostel auf das Gewissen, und zeiget da-
mit an, daß solche Lügenredner recht greuliche
und schändliche Ubelthäter sind, und daß sie bey
der durch die Gleißnerey gesuchten Verbergung
und Schmückung ihrer Ubelthaten vor Menschen,
dennoch vor GOtt ein Brandmahl im Gewissen
hätten, welches sie zwar wohl fühleten, aber dar-
über endlich fühllos würden. Des Gefühles wegen
nennet Paulus dergleichen Leute Tit. 3, 10. au-
tokatakritous, die sich selbst verdammen: und
von der endlich zugezogenen Fühllosigkeit apel-
gekotas Eph. 4, 19. und wird ihnen daher poro-
sis, die Verhärtung, oder Verstockung zuge-
schrieben V. 18.

V. 3.

Und verbieten ehelich zu werden
(obgleich nicht allen ohne Unterscheid, doch ge-
wissen Personen, ja gantzen Orden von Lehrern
und Kirchen-Dienern) und (gebieten) zu mei-
den die Speisen, die GOTT geschaffen
hat zu nehmen mit Dancksagung den
Gläubigen und denen die die Wahrheit
erkennen.

Anmerckungen.

1. Glauben und die Wahrheit erken-
nen,
gehet also auf eines, daß eines das andere
erläutert. Denn gleichwie der Glaube nicht al-
lein ein göttliches Leben, sondern auch ein gött-
liches Licht in der Seele ist; und daher in der se-
ligmachenden Erkentniß bestehet; und ohne diese
nur eine Leichtglaubigkeit seyn würde: also ist es
auch der wahren Erkentniß Eigenschaft, daß sie
gläubig ist, und ohne Glauben keine Erkentniß
rechter Art, sondern nur eine bloß buchstäbliche
aus bloß natürlichen Kräften erlangte Wissen-
schaft ist.

2. GOtt lässet zwar seine Sonne aufgehen
über Böse und Gute, und lässet regnen über Ge-
rechte und Ungerechte Matth. 5, 45. eigentlich
aber haben doch nur die Gläubigen das Recht
zum freyen und gottwohlgefälligen Genuß der
Creaturen GOttes, als welche dieselbe auch recht
gebrauchen: da bey andern alles nur im Miß-
brauche geführet wird, indessen ihnen doch zur
Handleitung zu GOtt dienen soll und kan.

3. Das

C. 4. v. 1. 2. 3. an den Timotheum.
[Spaltenumbruch] terkeit abfallen und den verfuͤhriſchen Lehren
anhangen. Die Verfuͤhrer ſind die verfuͤhri-
ſchen Geiſter, welche die διδασκαλίας δαιμο-
νίων, die abgoͤttiſchen Lehren aufbringen. Und
nach dieſem Verſtande ſtehet das Wort δαιμο-
νίων nicht ſubjective und effective, daß die
Lehren von ihnen herruͤhren; ſondern objecti-
ve,
daß die Lehren auf ſie gehen. Von den
Verfuͤhrern aber und Verfuͤhrten ſehe man
ſonderlich in dem Parallel-Orte 2 Theſſ. 2, 9.
u. f. da es heißt, wie die Zukunft des Antichriſts
wuͤrde ſeyn nach der Wirckung des Satans mit
allerhand luͤgenhaften Kraͤften, und Zeichen
und Wundern, und mit allerley Verfuͤhrung
zur Ungerechtigkeit, unter denen, die verlohren
werden, dafuͤr, daß ſie die Liebe zur Wahrheit
nicht haben angenommen, daß ſie ſelig wuͤr-
den. u. ſ. w.

V. 2.

Durch die, ſo in Gleißnerey (Heuche-
ley, da ſie als uͤbertuͤnchte Graͤber ſchon von
auſſen gleiſſen, und durch das ſcheinbare Blend-
Werck ertichteter Wunder von ihren dæmo-
niis,
oder canoniſirten Heiligen und ihren Re-
liqui
en, und des aͤuſſerlichen ceremoniels und
Gepraͤnges bey dem oͤffentlichen GOttes-Dien-
ſte) Lůgenredner ſind (alſo nicht im bloſſen
Jrrthum ſtehen, ſondern recht vorſetzlich und
betruͤglich die Leute hinter das Licht fuͤhren) und
(daher) Brandmahl in ihrem Gewiſſen ha-
ben
(ein ſo empfindliches Gefuͤhle von dem
durch ſolche vorſetzliche Heucheley und Betrug
aus gerechtem Gerichte GOttes verunruhigen-
den Gewiſſen, als ein Ubelthaͤter durch Brand-
Marcke am Fleiſche ſeines Leibes empfindet:
das hat er, bis er gar daruͤber fuͤhllos wird.)

Anmerckungen.

1. Zuvorderſt iſt alhier im Griechiſchen die
Verbindung dieſes Verſes mit dem vorherge-
henden wohl zu mercken. Denn der Genitivus
ϕευὸολόγων beziehet ſich auf das vorhergehen-
de Wort διδασκλίας, Lehren, und iſt die Rede
von ſolchen διδασκαλίαις δαιμονίων, oder Lehren
von Verehrung der Heiligen, die da ſind ἐν
ὑποκρίσει ψευδολόγων, ſolcher verfuͤhriſchen Leu-
te, welche durch Gleißnerey Luͤgen-redner ſind,
und eben hiedurch, da ſie den Leuten unter ſo vie-
lem guten Schein ein ſolches Blend-Werck ma-
chen, ſonderlich in ertichteten Wundern, ſie zu
ſolcher Abgoͤtterey der Anbetung verleiten. Es
iſt demnach ſo viel, als ſtuͤnde vor dieſen Worten
ταῖς ου῎σαις, nemlich διδασκαλίαις, den Lehren;
welche Worte doch aber gar wohl ohne Nach-
theil des ſenſus haben koͤnnen ausgelaſſen wer-
den. Es laſſen ſich die erſten Worte dieſes
Verſes auch mit dem vorhergehenden προσέ-
χοντες verbinden, alſo daß angezeiget werde,
wodurch προσέχειν, das Anhangen an den ab-
goͤttiſchen Lehren zuwege gebracht ſey, nemlich
durch ſolche Leute, welche durch Gleißnerey Luͤ-
genredner ſind. Auf beyderley Art der Con-
ſtruction
ſiehet man, daß dadurch die Verfuͤh-
rer von den Verfuͤhrten, die den ſo argen Leh-
ren anhangen, unterſchieden werden.

[Spaltenumbruch]

2. Da nun in keiner Kirche die Gleißnerey
und das aͤuſſerliche mehr als levitiſche Gepraͤnge
bey dem oͤffentlichen Gottesdienſte und auch ſonſt,
nebſt der Luͤgen-Redner-Kunſt zu einer ſo gantz
offenbaren und beſondern Form kommen, als in
der papiſtiſchen, alſo daß manche gute Seelen in
derſelben ſelbſt einen Greuel daran haben; ſo ſie-
het man wohl, wohin dieſe Apoſtoliſche Weiſſa-
gung ſonderlich gegangen ſey.

3. Die Redens-Art, ein Brandmahl
im Gewiſſen haben,
iſt hergenommen von ſol-
chen infamen Ubelthaͤtern, welchen man aus
Strafe zur Bezeichnung ihrer Ubelthaten durch
ein Brenneiſen zu ihrer oͤffentlichen Schande ge-
wiſſe Mahle am Leibe, ſonderlich an der Stirne
tief durch die Haut einbrannte. Welches denn
nicht ohne ſchmertzliche Empfindung abging, bis
die gebrannte Stelle endlich ihr Leben verlor, oder
hart und fuͤhllos ward. Dieſes appliciret
nun der Apoſtel auf das Gewiſſen, und zeiget da-
mit an, daß ſolche Luͤgenredner recht greuliche
und ſchaͤndliche Ubelthaͤter ſind, und daß ſie bey
der durch die Gleißnerey geſuchten Verbergung
und Schmuͤckung ihrer Ubelthaten vor Menſchen,
dennoch vor GOtt ein Brandmahl im Gewiſſen
haͤtten, welches ſie zwar wohl fuͤhleten, aber dar-
uͤber endlich fuͤhllos wuͤrden. Des Gefuͤhles wegen
nennet Paulus dergleichen Leute Tit. 3, 10. ἀυ-
τοκατακρίτους, die ſich ſelbſt verdammen: und
von der endlich zugezogenen Fuͤhlloſigkeit ἀπηλ-
γηκότας Eph. 4, 19. und wird ihnen daher πώρω-
σις, die Verhaͤrtung, oder Verſtockung zuge-
ſchrieben V. 18.

V. 3.

Und verbieten ehelich zu werden
(obgleich nicht allen ohne Unterſcheid, doch ge-
wiſſen Perſonen, ja gantzen Orden von Lehrern
und Kirchen-Dienern) und (gebieten) zu mei-
den die Speiſen, die GOTT geſchaffen
hat zu nehmen mit Danckſagung den
Glaͤubigen und denen die die Wahrheit
erkennen.

Anmerckungen.

1. Glauben und die Wahrheit erken-
nen,
gehet alſo auf eines, daß eines das andere
erlaͤutert. Denn gleichwie der Glaube nicht al-
lein ein goͤttliches Leben, ſondern auch ein goͤtt-
liches Licht in der Seele iſt; und daher in der ſe-
ligmachenden Erkentniß beſtehet; und ohne dieſe
nur eine Leichtglaubigkeit ſeyn wuͤrde: alſo iſt es
auch der wahren Erkentniß Eigenſchaft, daß ſie
glaͤubig iſt, und ohne Glauben keine Erkentniß
rechter Art, ſondern nur eine bloß buchſtaͤbliche
aus bloß natuͤrlichen Kraͤften erlangte Wiſſen-
ſchaft iſt.

2. GOtt laͤſſet zwar ſeine Sonne aufgehen
uͤber Boͤſe und Gute, und laͤſſet regnen uͤber Ge-
rechte und Ungerechte Matth. 5, 45. eigentlich
aber haben doch nur die Glaͤubigen das Recht
zum freyen und gottwohlgefaͤlligen Genuß der
Creaturen GOttes, als welche dieſelbe auch recht
gebrauchen: da bey andern alles nur im Miß-
brauche gefuͤhret wird, indeſſen ihnen doch zur
Handleitung zu GOtt dienen ſoll und kan.

3. Das
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[119/0121] C. 4. v. 1. 2. 3. an den Timotheum. terkeit abfallen und den verfuͤhriſchen Lehren anhangen. Die Verfuͤhrer ſind die verfuͤhri- ſchen Geiſter, welche die διδασκαλίας δαιμο- νίων, die abgoͤttiſchen Lehren aufbringen. Und nach dieſem Verſtande ſtehet das Wort δαιμο- νίων nicht ſubjective und effective, daß die Lehren von ihnen herruͤhren; ſondern objecti- ve, daß die Lehren auf ſie gehen. Von den Verfuͤhrern aber und Verfuͤhrten ſehe man ſonderlich in dem Parallel-Orte 2 Theſſ. 2, 9. u. f. da es heißt, wie die Zukunft des Antichriſts wuͤrde ſeyn nach der Wirckung des Satans mit allerhand luͤgenhaften Kraͤften, und Zeichen und Wundern, und mit allerley Verfuͤhrung zur Ungerechtigkeit, unter denen, die verlohren werden, dafuͤr, daß ſie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß ſie ſelig wuͤr- den. u. ſ. w. V. 2. Durch die, ſo in Gleißnerey (Heuche- ley, da ſie als uͤbertuͤnchte Graͤber ſchon von auſſen gleiſſen, und durch das ſcheinbare Blend- Werck ertichteter Wunder von ihren dæmo- niis, oder canoniſirten Heiligen und ihren Re- liquien, und des aͤuſſerlichen ceremoniels und Gepraͤnges bey dem oͤffentlichen GOttes-Dien- ſte) Lůgenredner ſind (alſo nicht im bloſſen Jrrthum ſtehen, ſondern recht vorſetzlich und betruͤglich die Leute hinter das Licht fuͤhren) und (daher) Brandmahl in ihrem Gewiſſen ha- ben (ein ſo empfindliches Gefuͤhle von dem durch ſolche vorſetzliche Heucheley und Betrug aus gerechtem Gerichte GOttes verunruhigen- den Gewiſſen, als ein Ubelthaͤter durch Brand- Marcke am Fleiſche ſeines Leibes empfindet: das hat er, bis er gar daruͤber fuͤhllos wird.) Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhier im Griechiſchen die Verbindung dieſes Verſes mit dem vorherge- henden wohl zu mercken. Denn der Genitivus ϕευὸολόγων beziehet ſich auf das vorhergehen- de Wort διδασκλίας, Lehren, und iſt die Rede von ſolchen διδασκαλίαις δαιμονίων, oder Lehren von Verehrung der Heiligen, die da ſind ἐν ὑποκρίσει ψευδολόγων, ſolcher verfuͤhriſchen Leu- te, welche durch Gleißnerey Luͤgen-redner ſind, und eben hiedurch, da ſie den Leuten unter ſo vie- lem guten Schein ein ſolches Blend-Werck ma- chen, ſonderlich in ertichteten Wundern, ſie zu ſolcher Abgoͤtterey der Anbetung verleiten. Es iſt demnach ſo viel, als ſtuͤnde vor dieſen Worten ταῖς ου῎σαις, nemlich διδασκαλίαις, den Lehren; welche Worte doch aber gar wohl ohne Nach- theil des ſenſus haben koͤnnen ausgelaſſen wer- den. Es laſſen ſich die erſten Worte dieſes Verſes auch mit dem vorhergehenden προσέ- χοντες verbinden, alſo daß angezeiget werde, wodurch προσέχειν, das Anhangen an den ab- goͤttiſchen Lehren zuwege gebracht ſey, nemlich durch ſolche Leute, welche durch Gleißnerey Luͤ- genredner ſind. Auf beyderley Art der Con- ſtruction ſiehet man, daß dadurch die Verfuͤh- rer von den Verfuͤhrten, die den ſo argen Leh- ren anhangen, unterſchieden werden. 2. Da nun in keiner Kirche die Gleißnerey und das aͤuſſerliche mehr als levitiſche Gepraͤnge bey dem oͤffentlichen Gottesdienſte und auch ſonſt, nebſt der Luͤgen-Redner-Kunſt zu einer ſo gantz offenbaren und beſondern Form kommen, als in der papiſtiſchen, alſo daß manche gute Seelen in derſelben ſelbſt einen Greuel daran haben; ſo ſie- het man wohl, wohin dieſe Apoſtoliſche Weiſſa- gung ſonderlich gegangen ſey. 3. Die Redens-Art, ein Brandmahl im Gewiſſen haben, iſt hergenommen von ſol- chen infamen Ubelthaͤtern, welchen man aus Strafe zur Bezeichnung ihrer Ubelthaten durch ein Brenneiſen zu ihrer oͤffentlichen Schande ge- wiſſe Mahle am Leibe, ſonderlich an der Stirne tief durch die Haut einbrannte. Welches denn nicht ohne ſchmertzliche Empfindung abging, bis die gebrannte Stelle endlich ihr Leben verlor, oder hart und fuͤhllos ward. Dieſes appliciret nun der Apoſtel auf das Gewiſſen, und zeiget da- mit an, daß ſolche Luͤgenredner recht greuliche und ſchaͤndliche Ubelthaͤter ſind, und daß ſie bey der durch die Gleißnerey geſuchten Verbergung und Schmuͤckung ihrer Ubelthaten vor Menſchen, dennoch vor GOtt ein Brandmahl im Gewiſſen haͤtten, welches ſie zwar wohl fuͤhleten, aber dar- uͤber endlich fuͤhllos wuͤrden. Des Gefuͤhles wegen nennet Paulus dergleichen Leute Tit. 3, 10. ἀυ- τοκατακρίτους, die ſich ſelbſt verdammen: und von der endlich zugezogenen Fuͤhlloſigkeit ἀπηλ- γηκότας Eph. 4, 19. und wird ihnen daher πώρω- σις, die Verhaͤrtung, oder Verſtockung zuge- ſchrieben V. 18. V. 3. Und verbieten ehelich zu werden (obgleich nicht allen ohne Unterſcheid, doch ge- wiſſen Perſonen, ja gantzen Orden von Lehrern und Kirchen-Dienern) und (gebieten) zu mei- den die Speiſen, die GOTT geſchaffen hat zu nehmen mit Danckſagung den Glaͤubigen und denen die die Wahrheit erkennen. Anmerckungen. 1. Glauben und die Wahrheit erken- nen, gehet alſo auf eines, daß eines das andere erlaͤutert. Denn gleichwie der Glaube nicht al- lein ein goͤttliches Leben, ſondern auch ein goͤtt- liches Licht in der Seele iſt; und daher in der ſe- ligmachenden Erkentniß beſtehet; und ohne dieſe nur eine Leichtglaubigkeit ſeyn wuͤrde: alſo iſt es auch der wahren Erkentniß Eigenſchaft, daß ſie glaͤubig iſt, und ohne Glauben keine Erkentniß rechter Art, ſondern nur eine bloß buchſtaͤbliche aus bloß natuͤrlichen Kraͤften erlangte Wiſſen- ſchaft iſt. 2. GOtt laͤſſet zwar ſeine Sonne aufgehen uͤber Boͤſe und Gute, und laͤſſet regnen uͤber Ge- rechte und Ungerechte Matth. 5, 45. eigentlich aber haben doch nur die Glaͤubigen das Recht zum freyen und gottwohlgefaͤlligen Genuß der Creaturen GOttes, als welche dieſelbe auch recht gebrauchen: da bey andern alles nur im Miß- brauche gefuͤhret wird, indeſſen ihnen doch zur Handleitung zu GOtt dienen ſoll und kan. 3. Das

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/121>, abgerufen am 23.11.2024.