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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 2. v. 4.
[Spaltenumbruch] dazu zu erwecken, daß sie für alle, sonderlich
noch unbekehrte Menschen, und darunter für
die Könige und alle übrige hohe Obrigkeitliche
Personen und für ihre Bekehrung zu Chri-
sto, ernstlich beten solten. Wären nun aber
durch alle Menschen, welche GOtt wolte se-
lig werden lassen, die allerwenigsten zu verste-
hen, so hätten ja auch der Heilige Geist in Pau-
lo, und Paulus selbst diesen Verstand davon
haben, auch die ersten Christen denselben dar-
aus so fort erkennen müssen. Stehet nun sol-
ches zum Grunde, wie hätte doch Paulus im-
mer mehr durch den Trieb des Heiligen Gei-
stes, als des Geistes der Wahrheit, das Wort
alle davon gebrauchen würden? und wie hätte
er bey solchem Verstande den Christen einen
wahren Antrieb für alle Menschen zu beten
geben wollen und können? und was hätten
jene daher für ein Vertrauen schöpfen können,
daß ihr Gebet GOtt angenehm sey, und zum
wenigsten an vielen, wie es der Erfolg erwie-
sen, werde erhöret werden? darum gleichwie
in dem anbefohlnen Gebete für alle Men-
schen ohne Zweifel alle Menschen in der
Weite und Breite zu verstehen sind: also
kan das Wort auch alhie unmöglich anders
verstanden werden; da sich das letztere auf
das erstere beziehet, und ein Argument an
die Hand gegeben wird, warum man für alle
zu ihrer Seligkeit beten soll, nemlich weil
GOtt wolle, daß alle sollen selig werden.
d. Die Parallel-Oerter z. E. Ezech. 3, 17.
u. s. w. 18, 21. u. s. w. Matth. 23, 37. Luc. 19,
41. u. w. Joh. 3, 16. Röm. 5, 18. 2 Petr. 2, 2.
3, 19. 1 Joh. 2, 1. 2. und noch viel andere mehr:
welche von der universalen Liebe GOttes in
Christo, dem allgemeinen Erlöser, so klar und
deutlich sind, als immermehr etwas seyn kan.
Ob nun gleich einige wenige und dunckele
Oerter sich finden, worinnen die Liebe GOt-
tes mit dem Verdienste Christi nur auf wenige
zu gehen scheinet: so ist es ja auch selbst der ge-
sunden, und sonderlich der erleuchteten, Ver-
nunft gemäß, daß man nicht die vielen und
klaren Schrift-Stellen, welche einem noch da-
zu eine dem göttlichen Wesen anständige Idee
von GOtt geben, nach den wenigen und dun-
ckelen und ihrem ersten Laute nach mit der
vollkommenen Idee von GOtt nicht überein-
kommenden Stellen verstehe und erkläre, son-
dern vielmehr umgekehret, diese nach jenen:
zumal da, wenn man sie in ihrem Contexte
eigentlich ansieht, sich dabey die Dunckelheit
mit aller Schwerigkeit verlieret.
c. Die Liebe der Widergebornen in ihrer
Fürbitte für alle Menschen.
Hier setze
ich ausser allem Zweifel, daß sie eine Univer-
sal-
Liebe gegen alle Menschen, auch gegen ihre
Feinde haben, und nichts mehr wünschen, als
daß sie mit ihnen möchten selig werden. Die-
se Liebe aber haben sie nicht von sich selbst, son-
dern von GOtt. Hat nun aber GOtt diese
Liebe in ihnen gewircket, so muß sie vielmehr
GOtt selbst haben: sintemal sonst der Effect
bey dem Menschen vollkommner wäre, als die
[Spaltenumbruch] Caussa, oder GOTT selbst. Ja wenn der
Mensch solche allgemeine Liebe auch gleich von
sich selbst hätte; so müste man doch auch
daraus den Schluß machen, daß sie sich noch
vielmehr, und auf eine unendliche Weise bey
GOTT finde. Können wir nun gleich der
Erfahrung nach nicht sagen, was GOtt an allen
Seelen aller Menschen in allen Nationen
thut; so kan uns dieses so viel weniger entge-
gen stehen, so viel unmöglicher es uns ist, den
gantzen Erdboden zu überschauen und zu
erkennen, was auch im Verborgenen vorgehet,
und so viel weniger uns GOtt das, was ihm
allein zukömmt, nemlich die Aufsicht und die
Regierung über alles, anvertrauet hat.
Darum allein nöthig ist, daß man bey dem in
seinem Worte, geoffenbareten allgemeinen
gnädigen Willen beruhe, und das, was man
von Gnaden-Mitteln hat, oder doch haben
kan, getreulich gebrauche, alles übrige aber
GOTT und der zukünftigen völligen
Erkentniß überlasse, wenn das Stückwerck
wird aufhören.

3. Es ist nun auch die Ordnung zu erwegen,
in welcher GOttes ernstlicher Wille auf aller
Menschen Seligkeit gerichtet ist. Diese ist
angezeiget mit diesen Worten: und zur Er-
kentniß der Wahrheit kommen.
Da denn
zu mercken ist die Wahrheit, derselben Er-
kentniß,
und wie man dazu komme.

a. Die Wahrheit ist der gantze Rath GOttes
von unserer Seligkeit Luc. 7, 30. Apost. Gesch.
20, 27. Eph. 1, 11. und darinnen sonderlich
das Evangelium von Christo, als das Wort
der Wahrheit
Jac. 1, 18. ja Christus selbst,
als die wesentliche selbständige Wahrheit
Joh. 14, 6. welcher Gnade und Wahrheit
ans Licht gebracht hat, und selbst ist voller
Gnade und Wahrheit. Joh. 1, 14. 16. 17.
2 Tim. 1, 10. Eph. 4, 21. und zwar solcher
Wahrheit, und Realität, welche allem Levi-
tischen Schattenwercke entgegen gesetzet ist.
b. Die Erkentniß der Wahrheit ist eigentlich
der wahre Glaube an Christum nach dem
Evangelio Marc. 16, 16. Röm. 1, 16. 2 Thess.
2, 13. Welcher Glaube, weil er nicht allein ein
göttliches Leben sondern auch ein göttliches
Licht in der Seele ist, auch sonst mit dem Na-
men der Erkentniß ausgedrucket wird. Hiob
19, 25. Jes. 53, 11. Joh. 17, 3. 1 Pet. 1, 2. 3. 2, 20.
c. Zur Erkentniß der Wahrheit kommen, ist
zum Glauben kommen: welches geschiehet in
der Ordnung wahrer Bekehrung, da wir aus
dem geistlichen Tode ins geistliche Le-
ben versetzet werden
1 Joh. 3, 14. da wir
von der Finsterniß zum Lichte, und
von der Gewalt des Satans zu GOtt
bekehret werden
Apost. Gesch. 26, 18. wel-
ches kommen zur Erkentniß der Wahrheit, so
von Seiten des Menschen gesaget wird, auf
Seiten GOttes das bringen, und also die
kräftige Wirckung des auf die Seligkeit aller
Menschen gerichteten ernstlichen Willens
GOttes zum Grunde hat.

4. Aus dieser bisherigen Erläuterung des

vor-
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 2. v. 4.
[Spaltenumbruch] dazu zu erwecken, daß ſie fuͤr alle, ſonderlich
noch unbekehrte Menſchen, und darunter fuͤr
die Koͤnige und alle uͤbrige hohe Obrigkeitliche
Perſonen und fuͤr ihre Bekehrung zu Chri-
ſto, ernſtlich beten ſolten. Waͤren nun aber
durch alle Menſchen, welche GOtt wolte ſe-
lig werden laſſen, die allerwenigſten zu verſte-
hen, ſo haͤtten ja auch der Heilige Geiſt in Pau-
lo, und Paulus ſelbſt dieſen Verſtand davon
haben, auch die erſten Chriſten denſelben dar-
aus ſo fort erkennen muͤſſen. Stehet nun ſol-
ches zum Grunde, wie haͤtte doch Paulus im-
mer mehr durch den Trieb des Heiligen Gei-
ſtes, als des Geiſtes der Wahrheit, das Wort
alle davon gebrauchen wuͤrden? und wie haͤtte
er bey ſolchem Verſtande den Chriſten einen
wahren Antrieb fuͤr alle Menſchen zu beten
geben wollen und koͤnnen? und was haͤtten
jene daher fuͤr ein Vertrauen ſchoͤpfen koͤnnen,
daß ihr Gebet GOtt angenehm ſey, und zum
wenigſten an vielen, wie es der Erfolg erwie-
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in dem anbefohlnen Gebete fuͤr alle Men-
ſchen ohne Zweifel alle Menſchen in der
Weite und Breite zu verſtehen ſind: alſo
kan das Wort auch alhie unmoͤglich anders
verſtanden werden; da ſich das letztere auf
das erſtere beziehet, und ein Argument an
die Hand gegeben wird, warum man fuͤr alle
zu ihrer Seligkeit beten ſoll, nemlich weil
GOtt wolle, daß alle ſollen ſelig werden.
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u. ſ. w. 18, 21. u. ſ. w. Matth. 23, 37. Luc. 19,
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welche von der univerſalen Liebe GOttes in
Chriſto, dem allgemeinen Erloͤſer, ſo klar und
deutlich ſind, als immermehr etwas ſeyn kan.
Ob nun gleich einige wenige und dunckele
Oerter ſich finden, worinnen die Liebe GOt-
tes mit dem Verdienſte Chriſti nur auf wenige
zu gehen ſcheinet: ſo iſt es ja auch ſelbſt der ge-
ſunden, und ſonderlich der erleuchteten, Ver-
nunft gemaͤß, daß man nicht die vielen und
klaren Schrift-Stellen, welche einem noch da-
zu eine dem goͤttlichen Weſen anſtaͤndige Idee
von GOtt geben, nach den wenigen und dun-
ckelen und ihrem erſten Laute nach mit der
vollkommenen Idee von GOtt nicht uͤberein-
kommenden Stellen verſtehe und erklaͤre, ſon-
dern vielmehr umgekehret, dieſe nach jenen:
zumal da, wenn man ſie in ihrem Contexte
eigentlich anſieht, ſich dabey die Dunckelheit
mit aller Schwerigkeit verlieret.
c. Die Liebe der Widergebornen in ihrer
Fuͤrbitte fuͤr alle Menſchen.
Hier ſetze
ich auſſer allem Zweifel, daß ſie eine Univer-
ſal-
Liebe gegen alle Menſchen, auch gegen ihre
Feinde haben, und nichts mehr wuͤnſchen, als
daß ſie mit ihnen moͤchten ſelig werden. Die-
ſe Liebe aber haben ſie nicht von ſich ſelbſt, ſon-
dern von GOtt. Hat nun aber GOtt dieſe
Liebe in ihnen gewircket, ſo muß ſie vielmehr
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[Spaltenumbruch] Cauſſa, oder GOTT ſelbſt. Ja wenn der
Menſch ſolche allgemeine Liebe auch gleich von
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vielmehr, und auf eine unendliche Weiſe bey
GOTT finde. Koͤnnen wir nun gleich der
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gantzen Erdboden zu uͤberſchauen und zu
erkennen, was auch im Verborgenen vorgehet,
und ſo viel weniger uns GOtt das, was ihm
allein zukoͤmmt, nemlich die Aufſicht und die
Regierung uͤber alles, anvertrauet hat.
Darum allein noͤthig iſt, daß man bey dem in
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gnaͤdigen Willen beruhe, und das, was man
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kan, getreulich gebrauche, alles uͤbrige aber
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3. Es iſt nun auch die Ordnung zu erwegen,
in welcher GOttes ernſtlicher Wille auf aller
Menſchen Seligkeit gerichtet iſt. Dieſe iſt
angezeiget mit dieſen Worten: und zur Er-
kentniß der Wahrheit kommen.
Da denn
zu mercken iſt die Wahrheit, derſelben Er-
kentniß,
und wie man dazu komme.

a. Die Wahrheit iſt der gantze Rath GOttes
von unſerer Seligkeit Luc. 7, 30. Apoſt. Geſch.
20, 27. Eph. 1, 11. und darinnen ſonderlich
das Evangelium von Chriſto, als das Wort
der Wahrheit
Jac. 1, 18. ja Chriſtus ſelbſt,
als die weſentliche ſelbſtaͤndige Wahrheit
Joh. 14, 6. welcher Gnade und Wahrheit
ans Licht gebracht hat, und ſelbſt iſt voller
Gnade und Wahrheit. Joh. 1, 14. 16. 17.
2 Tim. 1, 10. Eph. 4, 21. und zwar ſolcher
Wahrheit, und Realitaͤt, welche allem Levi-
tiſchen Schattenwercke entgegen geſetzet iſt.
b. Die Erkentniß der Wahrheit iſt eigentlich
der wahre Glaube an Chriſtum nach dem
Evangelio Marc. 16, 16. Roͤm. 1, 16. 2 Theſſ.
2, 13. Welcher Glaube, weil er nicht allein ein
goͤttliches Leben ſondern auch ein goͤttliches
Licht in der Seele iſt, auch ſonſt mit dem Na-
men der Erkentniß ausgedrucket wird. Hiob
19, 25. Jeſ. 53, 11. Joh. 17, 3. 1 Pet. 1, 2. 3. 2, 20.
c. Zur Erkentniß der Wahrheit kommen, iſt
zum Glauben kommen: welches geſchiehet in
der Ordnung wahrer Bekehrung, da wir aus
dem geiſtlichen Tode ins geiſtliche Le-
ben verſetzet werden
1 Joh. 3, 14. da wir
von der Finſterniß zum Lichte, und
von der Gewalt des Satans zu GOtt
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Apoſt. Geſch. 26, 18. wel-
ches kommen zur Erkentniß der Wahrheit, ſo
von Seiten des Menſchen geſaget wird, auf
Seiten GOttes das bringen, und alſo die
kraͤftige Wirckung des auf die Seligkeit aller
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[98/0100] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 2. v. 4. dazu zu erwecken, daß ſie fuͤr alle, ſonderlich noch unbekehrte Menſchen, und darunter fuͤr die Koͤnige und alle uͤbrige hohe Obrigkeitliche Perſonen und fuͤr ihre Bekehrung zu Chri- ſto, ernſtlich beten ſolten. Waͤren nun aber durch alle Menſchen, welche GOtt wolte ſe- lig werden laſſen, die allerwenigſten zu verſte- hen, ſo haͤtten ja auch der Heilige Geiſt in Pau- lo, und Paulus ſelbſt dieſen Verſtand davon haben, auch die erſten Chriſten denſelben dar- aus ſo fort erkennen muͤſſen. Stehet nun ſol- ches zum Grunde, wie haͤtte doch Paulus im- mer mehr durch den Trieb des Heiligen Gei- ſtes, als des Geiſtes der Wahrheit, das Wort alle davon gebrauchen wuͤrden? und wie haͤtte er bey ſolchem Verſtande den Chriſten einen wahren Antrieb fuͤr alle Menſchen zu beten geben wollen und koͤnnen? und was haͤtten jene daher fuͤr ein Vertrauen ſchoͤpfen koͤnnen, daß ihr Gebet GOtt angenehm ſey, und zum wenigſten an vielen, wie es der Erfolg erwie- ſen, werde erhoͤret werden? darum gleichwie in dem anbefohlnen Gebete fuͤr alle Men- ſchen ohne Zweifel alle Menſchen in der Weite und Breite zu verſtehen ſind: alſo kan das Wort auch alhie unmoͤglich anders verſtanden werden; da ſich das letztere auf das erſtere beziehet, und ein Argument an die Hand gegeben wird, warum man fuͤr alle zu ihrer Seligkeit beten ſoll, nemlich weil GOtt wolle, daß alle ſollen ſelig werden. d. Die Parallel-Oerter z. E. Ezech. 3, 17. u. ſ. w. 18, 21. u. ſ. w. Matth. 23, 37. Luc. 19, 41. u. w. Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 18. 2 Petr. 2, 2. 3, 19. 1 Joh. 2, 1. 2. und noch viel andere mehr: welche von der univerſalen Liebe GOttes in Chriſto, dem allgemeinen Erloͤſer, ſo klar und deutlich ſind, als immermehr etwas ſeyn kan. Ob nun gleich einige wenige und dunckele Oerter ſich finden, worinnen die Liebe GOt- tes mit dem Verdienſte Chriſti nur auf wenige zu gehen ſcheinet: ſo iſt es ja auch ſelbſt der ge- ſunden, und ſonderlich der erleuchteten, Ver- nunft gemaͤß, daß man nicht die vielen und klaren Schrift-Stellen, welche einem noch da- zu eine dem goͤttlichen Weſen anſtaͤndige Idee von GOtt geben, nach den wenigen und dun- ckelen und ihrem erſten Laute nach mit der vollkommenen Idee von GOtt nicht uͤberein- kommenden Stellen verſtehe und erklaͤre, ſon- dern vielmehr umgekehret, dieſe nach jenen: zumal da, wenn man ſie in ihrem Contexte eigentlich anſieht, ſich dabey die Dunckelheit mit aller Schwerigkeit verlieret. c. Die Liebe der Widergebornen in ihrer Fuͤrbitte fuͤr alle Menſchen. Hier ſetze ich auſſer allem Zweifel, daß ſie eine Univer- ſal-Liebe gegen alle Menſchen, auch gegen ihre Feinde haben, und nichts mehr wuͤnſchen, als daß ſie mit ihnen moͤchten ſelig werden. Die- ſe Liebe aber haben ſie nicht von ſich ſelbſt, ſon- dern von GOtt. Hat nun aber GOtt dieſe Liebe in ihnen gewircket, ſo muß ſie vielmehr GOtt ſelbſt haben: ſintemal ſonſt der Effect bey dem Menſchen vollkommner waͤre, als die Cauſſa, oder GOTT ſelbſt. Ja wenn der Menſch ſolche allgemeine Liebe auch gleich von ſich ſelbſt haͤtte; ſo muͤſte man doch auch daraus den Schluß machen, daß ſie ſich noch vielmehr, und auf eine unendliche Weiſe bey GOTT finde. Koͤnnen wir nun gleich der Erfahrung nach nicht ſagen, was GOtt an allen Seelen aller Menſchen in allen Nationen thut; ſo kan uns dieſes ſo viel weniger entge- gen ſtehen, ſo viel unmoͤglicher es uns iſt, den gantzen Erdboden zu uͤberſchauen und zu erkennen, was auch im Verborgenen vorgehet, und ſo viel weniger uns GOtt das, was ihm allein zukoͤmmt, nemlich die Aufſicht und die Regierung uͤber alles, anvertrauet hat. Darum allein noͤthig iſt, daß man bey dem in ſeinem Worte, geoffenbareten allgemeinen gnaͤdigen Willen beruhe, und das, was man von Gnaden-Mitteln hat, oder doch haben kan, getreulich gebrauche, alles uͤbrige aber GOTT und der zukuͤnftigen voͤlligen Erkentniß uͤberlaſſe, wenn das Stuͤckwerck wird aufhoͤren. 3. Es iſt nun auch die Ordnung zu erwegen, in welcher GOttes ernſtlicher Wille auf aller Menſchen Seligkeit gerichtet iſt. Dieſe iſt angezeiget mit dieſen Worten: und zur Er- kentniß der Wahrheit kommen. Da denn zu mercken iſt die Wahrheit, derſelben Er- kentniß, und wie man dazu komme. a. Die Wahrheit iſt der gantze Rath GOttes von unſerer Seligkeit Luc. 7, 30. Apoſt. Geſch. 20, 27. Eph. 1, 11. und darinnen ſonderlich das Evangelium von Chriſto, als das Wort der Wahrheit Jac. 1, 18. ja Chriſtus ſelbſt, als die weſentliche ſelbſtaͤndige Wahrheit Joh. 14, 6. welcher Gnade und Wahrheit ans Licht gebracht hat, und ſelbſt iſt voller Gnade und Wahrheit. Joh. 1, 14. 16. 17. 2 Tim. 1, 10. Eph. 4, 21. und zwar ſolcher Wahrheit, und Realitaͤt, welche allem Levi- tiſchen Schattenwercke entgegen geſetzet iſt. b. Die Erkentniß der Wahrheit iſt eigentlich der wahre Glaube an Chriſtum nach dem Evangelio Marc. 16, 16. Roͤm. 1, 16. 2 Theſſ. 2, 13. Welcher Glaube, weil er nicht allein ein goͤttliches Leben ſondern auch ein goͤttliches Licht in der Seele iſt, auch ſonſt mit dem Na- men der Erkentniß ausgedrucket wird. Hiob 19, 25. Jeſ. 53, 11. Joh. 17, 3. 1 Pet. 1, 2. 3. 2, 20. c. Zur Erkentniß der Wahrheit kommen, iſt zum Glauben kommen: welches geſchiehet in der Ordnung wahrer Bekehrung, da wir aus dem geiſtlichen Tode ins geiſtliche Le- ben verſetzet werden 1 Joh. 3, 14. da wir von der Finſterniß zum Lichte, und von der Gewalt des Satans zu GOtt bekehret werden Apoſt. Geſch. 26, 18. wel- ches kommen zur Erkentniß der Wahrheit, ſo von Seiten des Menſchen geſaget wird, auf Seiten GOttes das bringen, und alſo die kraͤftige Wirckung des auf die Seligkeit aller Menſchen gerichteten ernſtlichen Willens GOttes zum Grunde hat. 4. Aus dieſer bisherigen Erlaͤuterung des vor-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/100>, abgerufen am 23.11.2024.