Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, 1. 2. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
wurden. Denn in so fern waren es nicht mehrGOttes, sondern Menschen Gebote. Dazu denn ohne das noch manche bloß menschliche Sa- tzungen kamen. Davon unser Heiland Matth. 15, 9. spricht: Vergeblich dienen sie mir, die- weil sie lehren solche Lehre, die nichts denn Menschen-Gebote sind: davon der Context daselbst nachzulesen ist. 3. Für das dritte schreibet der Apostel der falschen Lehre und den Dingen, worauf sie füh- rete, den Schein der Weisheit zu. Da denn durch das Wort logos gar füglich ein solcher Schein verstanden wird, welcher mit hohen und gekünstelten Worten, mit welchen die falschen Lehrer waren emsoateuontes, oder stoltz einher trabeten nach v. 18. gesuchet ward. Denn al- so schmücket sich das Reich der Finsterniß, daß es seine Thorheit zur Weisheit, und seine Laster zu Tugenden machet. 4. Mit den Worten ethelothreskeia gehet der Apostel alhier noch weiter, als vorher v. 18. mit dem Worte threskeia. Denn dort gehet das simplex auf die Verehrung der Engel, hier das compositum auch zugleich auf allen übrigen selbst erwehlten GOttesdienst. Nichts aber ist GOtt in der Bedienung mehr zuwider, als eine eigene Wahl; als dadurch nicht allein der von ihm vorgeschriebene Gottesdienst zurück gesetzet, sondern auch alles, mit Erhebung des Gemüths, auf eigene Verdienste gerichtet wurde. Wir sehen daher, wie nöthig wir bey der Unvollkom- menheit des Lichts der Natur die göttliche Of- [Spaltenumbruch] fenbarung, welche uns die H. Schrift vorhält- zum wahren Gottesdienste gehabt haben; sin- temal wir sonst in eigener Wahl auf die abscheu- lichsten Abwege gerathen würden: wie man noch heut zu Tage an den Heiden siehet, welche die H. Schrift nicht für ihre Regel des Glaubens und des Lebens annehmen. 5. Das Wort Demuth nimmt der Apo- stel alhier auch in einem weitern Verstande, als oben v. 18. denn er verstehet dadurch überhaupt eine solche falsche Gestalt des Christenthums, welche, aus dem Stoltze des Sinnes, in solchen Worten, Geberden und Wercken gesetzet wird, welche einen grossen Schein der Erniedrigung haben: wie man noch heute zu tage bey vielen abergläubischen Wercken der Papisten siehet. 6. Und mit solcher falschen Demuth ist ei- ne solche rauhe und harte Lebens-Art ver- knüpfet gewesen, da man durch zu vieles Fasten und Wachen, vielleicht auch durch zu wenige Klei- dung und Wärme, dem Leibe die Nothdurft versaget hat, und zwar noch dazu mit der Einbil- dung sonderbarer Verdienste. Es sind demnach zwey extrema, des Leibes pflegen zur Geil- heit, welches Paulus verbietet Rom. 13, 14. und dem Leibe die nöthige Pflege entziehen. Welches letztere auch wider das Recht der Na- tur streitet. Darum Paulus Eph. 5, 29. spricht: Niemand (der gedachtem Rechte nachlebet und vernünftig handelt) hat iemals sein eigen Fleisch gehasset, sondern er erneh- ret es und pfleget sein. Das dritte Lapitel/ Darinn der Apostel die vorher abgehandelte und wider die Verführungen gerettete Lehre des Evangelii auf ein heiliges Leben ap- pliciret/ und anzeiget/ wie es dabey zuvorderst aufs innerliche ankom- me/ daß man nach Christo himmlisch gesinnet sey/ alle noch übrige Sün- den immer mehr in sich tödte/ mit Ausziehung des Alten den neuen Menschen anziehe/ in dem Bande der Liebe gegen den Nechsten bleibe/ das Wort Christi reichlich unter sich wohnen lasse/ und alles im Na- men JEsu Christi thue. Dazu denn kommen die beson- dere Pflichten des Haus-Standes. V. 1. 2. [Spaltenumbruch]
SEyd ihr nun mit Christo auf- Anmerckungen. 1. Der Apostel leget bey Einschärfung der Pflichten die evangelische Gnaden-Wohl- thaten, die den Gläubigen durch den Tod und durch die Auferstehung Christi angedeien, zum Grunde. Wie denn das das rechte thei~on, ein [Spaltenumbruch] recht göttlicher character in der Christlichen Sit- ten-Lehre ist, daß man die schuldigen Pflichten aus den Gnaden-Wohlthaten herleitet, und da- mit die übernatürlichen Kräfte anweiset, aus welchen sie können und müssen geleistet werden. 2. Man siehet hieraus auch die rechte ev- angelische Lehr-Art, welche ist, zuvorderst auf die Bekehrung zu GOtt gehen, und diese nebst der Rechtfertigung zum Grunde legen, und die Lei- stung der Pflichten nur von denen, welche dazu tüchtig gemachet sind (welches der Apostel c. 1. und 2. von den Colossern, daß es an ihnen ge- schehen sey, bezeuget) fodert. Wo nicht, so fo- dert man von den Todten und Lahmen, daß sie ge- H h h h h
Cap. 3, 1. 2. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
wurden. Denn in ſo fern waren es nicht mehrGOttes, ſondern Menſchen Gebote. Dazu denn ohne das noch manche bloß menſchliche Sa- tzungen kamen. Davon unſer Heiland Matth. 15, 9. ſpricht: Vergeblich dienen ſie mir, die- weil ſie lehren ſolche Lehre, die nichts denn Menſchen-Gebote ſind: davon der Context daſelbſt nachzuleſen iſt. 3. Fuͤr das dritte ſchreibet der Apoſtel der falſchen Lehre und den Dingen, worauf ſie fuͤh- rete, den Schein der Weisheit zu. Da denn durch das Wort λόγος gar fuͤglich ein ſolcher Schein verſtanden wird, welcher mit hohen und gekuͤnſtelten Worten, mit welchen die falſchen Lehrer waren ἐμσοατεύοντες, oder ſtoltz einher trabeten nach v. 18. geſuchet ward. Denn al- ſo ſchmuͤcket ſich das Reich der Finſterniß, daß es ſeine Thorheit zur Weisheit, und ſeine Laſter zu Tugenden machet. 4. Mit den Worten ἐϑελοϑρησκεία gehet der Apoſtel alhier noch weiter, als vorher v. 18. mit dem Worte ϑρησκεία. Denn dort gehet das ſimplex auf die Verehrung der Engel, hier das compoſitum auch zugleich auf allen uͤbrigen ſelbſt erwehlten GOttesdienſt. Nichts aber iſt GOtt in der Bedienung mehr zuwider, als eine eigene Wahl; als dadurch nicht allein der von ihm vorgeſchriebene Gottesdienſt zuruͤck geſetzet, ſondern auch alles, mit Erhebung des Gemuͤths, auf eigene Verdienſte gerichtet wurde. Wir ſehen daher, wie noͤthig wir bey der Unvollkom- menheit des Lichts der Natur die goͤttliche Of- [Spaltenumbruch] fenbarung, welche uns die H. Schrift vorhaͤlt- zum wahren Gottesdienſte gehabt haben; ſin- temal wir ſonſt in eigener Wahl auf die abſcheu- lichſten Abwege gerathen wuͤrden: wie man noch heut zu Tage an den Heiden ſiehet, welche die H. Schrift nicht fuͤr ihre Regel des Glaubens und des Lebens annehmen. 5. Das Wort Demuth nimmt der Apo- ſtel alhier auch in einem weitern Verſtande, als oben v. 18. denn er verſtehet dadurch uͤberhaupt eine ſolche falſche Geſtalt des Chriſtenthums, welche, aus dem Stoltze des Sinnes, in ſolchen Worten, Geberden und Wercken geſetzet wird, welche einen groſſen Schein der Erniedrigung haben: wie man noch heute zu tage bey vielen aberglaͤubiſchen Wercken der Papiſten ſiehet. 6. Und mit ſolcher falſchen Demuth iſt ei- ne ſolche rauhe und harte Lebens-Art ver- knuͤpfet geweſen, da man durch zu vieles Faſten und Wachen, vielleicht auch durch zu wenige Klei- dung und Waͤrme, dem Leibe die Nothdurft verſaget hat, und zwar noch dazu mit der Einbil- dung ſonderbarer Verdienſte. Es ſind demnach zwey extrema, des Leibes pflegen zur Geil- heit, welches Paulus verbietet Rom. 13, 14. und dem Leibe die noͤthige Pflege entziehen. Welches letztere auch wider das Recht der Na- tur ſtreitet. Darum Paulus Eph. 5, 29. ſpricht: Niemand (der gedachtem Rechte nachlebet und vernuͤnftig handelt) hat iemals ſein eigen Fleiſch gehaſſet, ſondern er erneh- ret es und pfleget ſein. Das dritte Lapitel/ Darinn der Apoſtel die vorher abgehandelte und wider die Verfuͤhrungen gerettete Lehre des Evangelii auf ein heiliges Leben ap- pliciret/ und anzeiget/ wie es dabey zuvorderſt aufs innerliche ankom- me/ daß man nach Chriſto himmliſch geſinnet ſey/ alle noch uͤbrige Suͤn- den immer mehr in ſich toͤdte/ mit Ausziehung des Alten den neuen Menſchen anziehe/ in dem Bande der Liebe gegen den Nechſten bleibe/ das Wort Chriſti reichlich unter ſich wohnen laſſe/ und alles im Na- men JEſu Chriſti thue. Dazu denn kommen die beſon- dere Pflichten des Haus-Standes. V. 1. 2. [Spaltenumbruch]
SEyd ihr nun mit Chriſto auf- Anmerckungen. 1. Der Apoſtel leget bey Einſchaͤrfung der Pflichten die evangeliſche Gnaden-Wohl- thaten, die den Glaͤubigen durch den Tod und durch die Auferſtehung Chriſti angedeien, zum Grunde. Wie denn das das rechte ϑει῀ον, ein [Spaltenumbruch] recht goͤttlicher character in der Chriſtlichen Sit- ten-Lehre iſt, daß man die ſchuldigen Pflichten aus den Gnaden-Wohlthaten herleitet, und da- mit die uͤbernatuͤrlichen Kraͤfte anweiſet, aus welchen ſie koͤnnen und muͤſſen geleiſtet werden. 2. Man ſiehet hieraus auch die rechte ev- angeliſche Lehr-Art, welche iſt, zuvorderſt auf die Bekehrung zu GOtt gehen, und dieſe nebſt der Rechtfertigung zum Grunde legen, und die Lei- ſtung der Pflichten nur von denen, welche dazu tuͤchtig gemachet ſind (welches der Apoſtel c. 1. und 2. von den Coloſſern, daß es an ihnen ge- ſchehen ſey, bezeuget) fodert. Wo nicht, ſo fo- dert man von den Todten und Lahmen, daß ſie ge- H h h h h
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Cap. 3, 1. 2. an die Coloſſer.
wurden. Denn in ſo fern waren es nicht mehr
GOttes, ſondern Menſchen Gebote. Dazu
denn ohne das noch manche bloß menſchliche Sa-
tzungen kamen. Davon unſer Heiland Matth.
15, 9. ſpricht: Vergeblich dienen ſie mir, die-
weil ſie lehren ſolche Lehre, die nichts denn
Menſchen-Gebote ſind: davon der Context
daſelbſt nachzuleſen iſt.
3. Fuͤr das dritte ſchreibet der Apoſtel der
falſchen Lehre und den Dingen, worauf ſie fuͤh-
rete, den Schein der Weisheit zu. Da denn
durch das Wort λόγος gar fuͤglich ein ſolcher
Schein verſtanden wird, welcher mit hohen und
gekuͤnſtelten Worten, mit welchen die falſchen
Lehrer waren ἐμσοατεύοντες, oder ſtoltz einher
trabeten nach v. 18. geſuchet ward. Denn al-
ſo ſchmuͤcket ſich das Reich der Finſterniß, daß
es ſeine Thorheit zur Weisheit, und ſeine Laſter
zu Tugenden machet.
4. Mit den Worten ἐϑελοϑρησκεία gehet
der Apoſtel alhier noch weiter, als vorher v. 18.
mit dem Worte ϑρησκεία. Denn dort gehet
das ſimplex auf die Verehrung der Engel, hier
das compoſitum auch zugleich auf allen uͤbrigen
ſelbſt erwehlten GOttesdienſt. Nichts aber iſt
GOtt in der Bedienung mehr zuwider, als eine
eigene Wahl; als dadurch nicht allein der von
ihm vorgeſchriebene Gottesdienſt zuruͤck geſetzet,
ſondern auch alles, mit Erhebung des Gemuͤths,
auf eigene Verdienſte gerichtet wurde. Wir
ſehen daher, wie noͤthig wir bey der Unvollkom-
menheit des Lichts der Natur die goͤttliche Of-
fenbarung, welche uns die H. Schrift vorhaͤlt-
zum wahren Gottesdienſte gehabt haben; ſin-
temal wir ſonſt in eigener Wahl auf die abſcheu-
lichſten Abwege gerathen wuͤrden: wie man
noch heut zu Tage an den Heiden ſiehet, welche
die H. Schrift nicht fuͤr ihre Regel des Glaubens
und des Lebens annehmen.
5. Das Wort Demuth nimmt der Apo-
ſtel alhier auch in einem weitern Verſtande, als
oben v. 18. denn er verſtehet dadurch uͤberhaupt
eine ſolche falſche Geſtalt des Chriſtenthums,
welche, aus dem Stoltze des Sinnes, in ſolchen
Worten, Geberden und Wercken geſetzet wird,
welche einen groſſen Schein der Erniedrigung
haben: wie man noch heute zu tage bey vielen
aberglaͤubiſchen Wercken der Papiſten ſiehet.
6. Und mit ſolcher falſchen Demuth iſt ei-
ne ſolche rauhe und harte Lebens-Art ver-
knuͤpfet geweſen, da man durch zu vieles Faſten
und Wachen, vielleicht auch durch zu wenige Klei-
dung und Waͤrme, dem Leibe die Nothdurft
verſaget hat, und zwar noch dazu mit der Einbil-
dung ſonderbarer Verdienſte. Es ſind demnach
zwey extrema, des Leibes pflegen zur Geil-
heit, welches Paulus verbietet Rom. 13, 14.
und dem Leibe die noͤthige Pflege entziehen.
Welches letztere auch wider das Recht der Na-
tur ſtreitet. Darum Paulus Eph. 5, 29.
ſpricht: Niemand (der gedachtem Rechte
nachlebet und vernuͤnftig handelt) hat iemals
ſein eigen Fleiſch gehaſſet, ſondern er erneh-
ret es und pfleget ſein.
Das dritte Lapitel/
Darinn der Apoſtel die vorher abgehandelte und wider die
Verfuͤhrungen gerettete Lehre des Evangelii auf ein heiliges Leben ap-
pliciret/ und anzeiget/ wie es dabey zuvorderſt aufs innerliche ankom-
me/ daß man nach Chriſto himmliſch geſinnet ſey/ alle noch uͤbrige Suͤn-
den immer mehr in ſich toͤdte/ mit Ausziehung des Alten den neuen
Menſchen anziehe/ in dem Bande der Liebe gegen den Nechſten bleibe/
das Wort Chriſti reichlich unter ſich wohnen laſſe/ und alles im Na-
men JEſu Chriſti thue. Dazu denn kommen die beſon-
dere Pflichten des Haus-Standes.
V. 1. 2.
SEyd ihr nun mit Chriſto auf-
erſtanden, ſo ſuchet, was
droben iſt, da Chriſtus iſt,
ſitzend zur Rechten GOttes.
Trachtet nach dem, was dro-
ben iſt, und nicht nach dem, was auf Er-
den iſt.
Anmerckungen.
1. Der Apoſtel leget bey Einſchaͤrfung der
Pflichten die evangeliſche Gnaden-Wohl-
thaten, die den Glaͤubigen durch den Tod und
durch die Auferſtehung Chriſti angedeien, zum
Grunde. Wie denn das das rechte ϑει῀ον, ein
recht goͤttlicher character in der Chriſtlichen Sit-
ten-Lehre iſt, daß man die ſchuldigen Pflichten
aus den Gnaden-Wohlthaten herleitet, und da-
mit die uͤbernatuͤrlichen Kraͤfte anweiſet, aus
welchen ſie koͤnnen und muͤſſen geleiſtet werden.
2. Man ſiehet hieraus auch die rechte ev-
angeliſche Lehr-Art, welche iſt, zuvorderſt auf die
Bekehrung zu GOtt gehen, und dieſe nebſt der
Rechtfertigung zum Grunde legen, und die Lei-
ſtung der Pflichten nur von denen, welche dazu
tuͤchtig gemachet ſind (welches der Apoſtel c. 1.
und 2. von den Coloſſern, daß es an ihnen ge-
ſchehen ſey, bezeuget) fodert. Wo nicht, ſo fo-
dert man von den Todten und Lahmen, daß ſie
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