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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 23-26.
[Spaltenumbruch] ehe Losmachung nicht geschehen kan, oder muß,
durch die blosse Gewalt, sondern, nach dem
Recht vor Gericht, durch ein Löse-Geld; so
heißt das von dem Worte luo herstammende
Wort lutron ein Löse-Geld, eine Ranzion,
und lutroo, apolutroo, heißt ein Löse-Held
vor Gericht zahlen und also ranzioniren, apo-
lutrosis, eine solche Erlösung, die nicht mit
Gewalt zum Nachtheil der Gerechtigkeit, son-
dern nach dem Rechte, da diesem ein Genügen
gethan, geschehen ist. Und wo eine solche Er-
lösung vor Gericht für einen gefangenen Delin-
quent
en gebracht und angenommen ist, da fol-
get die lusis, die Losmachung mit der Frey-
heit
von sich selbsten: sintemal kein Richter ei-
nen ranzionirten Gefangnen im Gefängniß lie-
gen läßt, sondern ihn, vermöge der Ranzion,
auf freyen Fuß stellet.
7. Also aber verhält es sich noch vielmehr
im Geschäfte unserer Seligkeit. Denn da wir
nach der richterlichen Gerechtigkeit GOTTes
unter der Sünde, unter dem Fluche des Gese-
tzes, und unter der Gewalt des Satans in dem
geistlichen Tode zum ewigen Tode gefangen la-
gen, hat uns der Sohn GOttes nicht wollen
los machen per viam facti & potentiae, durch sei-
ne blosse Allmacht und Gewalt; sintemal die-
se der Gerechtigkeit GOttes, die ja seine eigne
mit ist, Eintrag gethan hätte; sondern per
viam juris,
durch den Weg des Rechts, also daß
er ein Löse-Geld im göttlichen Gerichte für
uns darlegte, und also damit der richterlichen
Gerechtigkeit GOTTES ein Genügen thäte.
Welche apolutrosis Erlösung denn von sich
selbst die lusin, & liberationem, die Auflösung
der Sünden-Banden und Befreyung mit sich
führet, und den Menschen zur wahren Freyheit
bringet: nemlich in der Ordnung der wahren
Hertzens-Bekehrung; als ohne welche nie-
mand vor dem Gerichte GOttes sich mit seinem
Gewissen stellen, vielweniger der Zurechnung
des Löse-Gelds theilhaftig, oder gerechtfertiget
werden kan. Zwar ist der Sohn GOttes frey-
lich auch dazu erschienen, ina luse ta erga tou
diabolou, daß er die Wercke des Teufels,
die Sünden, auch in uns, zerstöre, und uns
also von den Stricken des Satans, womit wir
von Natur zu seinem Willen gefangen gehalten
werden, 2 Tim. 2, 16. los mache, 1 Joh. 3, 8.
aber doch nicht anders, als in der Ordnung der
gedachten Erlösung und Ranzion; als auf wel-
che uns auch Johannes im Contexte selbst füh-
ret v. 5. c. 1, 7. 2, 1. 2. Siehe auch Matth. 20,
28. Joh. 1, 29. 26. Gal. 3, 13. 4, 5. Eph. 1, 7.
1 Tim. 2, 6. 1 Pet. 1, 18. 2 Pet. 2, 1. Apoc. 5, 9.
14, 34. item 1 Cor. 6, 20. 7, 13.
8. Da nun dieses der wahre Verstand die-
ses Orts ist; so irren die Socinianer gar sehr,
wenn sie zur Verleugnung der Satisfaction Chri-
sti sich auf die Gnade GOttes beziehen, und
sagen, wir würden ja aus lauter Gnade gerecht
und selig, und also nicht aus dem Verdienste
CHristi: sintemal Gnade und Verdienst ein-
ander entgegen stünden; wie Paulus selbst sagt
Rom. 10, 6. Denn wir finden ja in diesem Text
die Gnade und das Verdienst CHristi in keiner
[Spaltenumbruch] Opposition, oder in keinem Gegensatze, sondern
in der genauesten Subordination und Uberein-
stimmung; nach welcher sie in ein sehr weises
und heilsames Temperament zusammen treten,
wie dergleichen zuvorgedachter massen auch wol
vor menschlichen Gerichten geschiehet. Wenn
aber Paulus c. 10, 6. der Gnade das Verdienst
entgegen setzet, redet er nicht von dem Verdien-
ste CHristi, sondern von unserm eigenen; wel-
ches er ausdrücklich das Verdienst der Wer-
cke
nennet.
V. 25. 26.

Welchen GOTT (nicht etwa nur heim-
lich hingestellet, gleichwie die Bundes-Lade mit
ihrem Deckel ins Allerheiligste, dazu niemand,
als der Hohe-Priester kommen konte, hingese-
tzet war; sondern durch seinen Tod am Creutze
öffentlich aller Welt vor Augen geleget, und
also) vorgestellet zu einem Gnaden-Stul,
(davon siehe in den Anmerckungen. Wie soll
aber diese Vorstellung bey uns zur Application
kommen? also daß er angenommen werde)
durch den Glauben in seinem Blute (dar-
inn, oder in dem Leiden und Sterben, dabey
das Blutvergiessen geschehen ist, zum Gnaden-
Thron vorgestellet worden.) Damit er die
Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete,

(oder vielmehr zum Beweis seiner richterlichen
Gerechtigkeit: nemlich daß dieser durch die im
Geschäfte der Seligkeit sich hervorthuende gros-
se Gnade nichts zum Nachtheil geschehen sey:
wie da geschehen seyn würde, wofern GOTT,
als Richter, die Menschen ohne alle seiner Ge-
rechtigkeit zukommenden Genugthuung, zu
Gnaden würde angenommen haben. Da er
aber seines eignen Sohnes Versöhnungs-Tod
ins Mittel treten lassen, so hat er damit bewie-
sen, daß die Gerechtigkeit durch diese Gnade
nicht aufgehoben worden, sondern ihr durch den
Mittler ein Genügen geschehen.) in dem, daß
er Sünde vergiebt, welche bisher geblie-
ben war unter göttlicher Geduld.
(Gr.
wegen oder zu der Vergebung der Sünden, wel-
che unter göttlicher Geduld vorher geschehen wa-
ren: d. i. GOTT hat seinen Sohn zum Gna-
den-Stul vorgestellet wegen oder zur Vergebung
der Sünden, welche bereits im Alten Testa-
mente unter göttlicher Geduld begangen worden
waren. Denn weil es unmüglich war, daß
der Ochsen, der Böcke und der Lämmer Blut
an sich selbst die Vergebung der Sünden zu we-
ge bringen konte; und doch dabey eine Verge-
bung statt gefunden hatte, nemlich in Ansehung
des vollkommenen Versöhn-Opfers CHristi,
welches dadurch vorgebildet war: so muste, um
in der That zu zeigen, woher die Opfer des Al-
ten Testaments ihre Kraft gehabt zur Verge-
bung der damals begangenen Sünden, zu seiner
Zeit das rechte Versöhn-Opfer im Gegenbilde
dargestellet werden,) v. 26. Auf daß er zu
diesen
(jenen alt-testamentischen entgegen ge-
setzten) Zeiten darböthe die Gerechtigkeit,
die vor ihm gilt,
(seine uns durch Christum
erworbene Gerechtigkeit) auf daß er gerecht
sey
(gerecht erkant werde, als der, dessen rich-

terli-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 23-26.
[Spaltenumbruch] ehe Losmachung nicht geſchehen kan, oder muß,
durch die bloſſe Gewalt, ſondern, nach dem
Recht vor Gericht, durch ein Loͤſe-Geld; ſo
heißt das von dem Worte λύω herſtammende
Wort λύτρον ein Loͤſe-Geld, eine Ranzion,
und λυτρόω, ἀπολυτρόω, heißt ein Loͤſe-Held
vor Gericht zahlen und alſo ranzioniren, ἀπο-
λύτρωσις, eine ſolche Erloͤſung, die nicht mit
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dern nach dem Rechte, da dieſem ein Genuͤgen
gethan, geſchehen iſt. Und wo eine ſolche Er-
loͤſung vor Gericht fuͤr einen gefangenen Delin-
quent
en gebracht und angenommen iſt, da fol-
get die λύσις, die Losmachung mit der Frey-
heit
von ſich ſelbſten: ſintemal kein Richter ei-
nen ranzionirten Gefangnen im Gefaͤngniß lie-
gen laͤßt, ſondern ihn, vermoͤge der Ranzion,
auf freyen Fuß ſtellet.
7. Alſo aber verhaͤlt es ſich noch vielmehr
im Geſchaͤfte unſerer Seligkeit. Denn da wir
nach der richterlichen Gerechtigkeit GOTTes
unter der Suͤnde, unter dem Fluche des Geſe-
tzes, und unter der Gewalt des Satans in dem
geiſtlichen Tode zum ewigen Tode gefangen la-
gen, hat uns der Sohn GOttes nicht wollen
los machen per viam facti & potentiæ, durch ſei-
ne bloſſe Allmacht und Gewalt; ſintemal die-
ſe der Gerechtigkeit GOttes, die ja ſeine eigne
mit iſt, Eintrag gethan haͤtte; ſondern per
viam juris,
durch den Weg des Rechts, alſo daß
er ein Loͤſe-Geld im goͤttlichen Gerichte fuͤr
uns darlegte, und alſo damit der richterlichen
Gerechtigkeit GOTTES ein Genuͤgen thaͤte.
Welche ἀπολύτρωσις Erloͤſung denn von ſich
ſelbſt die λύσιν, & liberationem, die Aufloͤſung
der Suͤnden-Banden und Befreyung mit ſich
fuͤhret, und den Menſchen zur wahren Freyheit
bringet: nemlich in der Ordnung der wahren
Hertzens-Bekehrung; als ohne welche nie-
mand vor dem Gerichte GOttes ſich mit ſeinem
Gewiſſen ſtellen, vielweniger der Zurechnung
des Loͤſe-Gelds theilhaftig, oder gerechtfertiget
werden kan. Zwar iſt der Sohn GOttes frey-
lich auch dazu erſchienen, ἵνα λύσῃ τά ἔργα τοῦ
διαβόλου, daß er die Wercke des Teufels,
die Suͤnden, auch in uns, zerſtoͤre, und uns
alſo von den Stricken des Satans, womit wir
von Natur zu ſeinem Willen gefangen gehalten
werden, 2 Tim. 2, 16. los mache, 1 Joh. 3, 8.
aber doch nicht anders, als in der Ordnung der
gedachten Erloͤſung und Ranzion; als auf wel-
che uns auch Johannes im Contexte ſelbſt fuͤh-
ret v. 5. c. 1, 7. 2, 1. 2. Siehe auch Matth. 20,
28. Joh. 1, 29. 26. Gal. 3, 13. 4, 5. Eph. 1, 7.
1 Tim. 2, 6. 1 Pet. 1, 18. 2 Pet. 2, 1. Apoc. 5, 9.
14, 34. item 1 Cor. 6, 20. 7, 13.
8. Da nun dieſes der wahre Verſtand die-
ſes Orts iſt; ſo irren die Socinianer gar ſehr,
wenn ſie zur Verleugnung der Satisfaction Chri-
ſti ſich auf die Gnade GOttes beziehen, und
ſagen, wir wuͤrden ja aus lauter Gnade gerecht
und ſelig, und alſo nicht aus dem Verdienſte
CHriſti: ſintemal Gnade und Verdienſt ein-
ander entgegen ſtuͤnden; wie Paulus ſelbſt ſagt
Rom. 10, 6. Denn wir finden ja in dieſem Text
die Gnade und das Verdienſt CHriſti in keiner
[Spaltenumbruch] Oppoſition, oder in keinem Gegenſatze, ſondern
in der genaueſten Subordination und Uberein-
ſtimmung; nach welcher ſie in ein ſehr weiſes
und heilſames Temperament zuſammen treten,
wie dergleichen zuvorgedachter maſſen auch wol
vor menſchlichen Gerichten geſchiehet. Wenn
aber Paulus c. 10, 6. der Gnade das Verdienſt
entgegen ſetzet, redet er nicht von dem Verdien-
ſte CHriſti, ſondern von unſerm eigenen; wel-
ches er ausdruͤcklich das Verdienſt der Wer-
cke
nennet.
V. 25. 26.

Welchen GOTT (nicht etwa nur heim-
lich hingeſtellet, gleichwie die Bundes-Lade mit
ihrem Deckel ins Allerheiligſte, dazu niemand,
als der Hohe-Prieſter kommen konte, hingeſe-
tzet war; ſondern durch ſeinen Tod am Creutze
oͤffentlich aller Welt vor Augen geleget, und
alſo) vorgeſtellet zu einem Gnaden-Stul,
(davon ſiehe in den Anmerckungen. Wie ſoll
aber dieſe Vorſtellung bey uns zur Application
kommen? alſo daß er angenommen werde)
durch den Glauben in ſeinem Blute (dar-
inn, oder in dem Leiden und Sterben, dabey
das Blutvergieſſen geſchehen iſt, zum Gnaden-
Thron vorgeſtellet worden.) Damit er die
Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete,

(oder vielmehr zum Beweis ſeiner richterlichen
Gerechtigkeit: nemlich daß dieſer durch die im
Geſchaͤfte der Seligkeit ſich hervorthuende groſ-
ſe Gnade nichts zum Nachtheil geſchehen ſey:
wie da geſchehen ſeyn wuͤrde, wofern GOTT,
als Richter, die Menſchen ohne alle ſeiner Ge-
rechtigkeit zukommenden Genugthuung, zu
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aber ſeines eignen Sohnes Verſoͤhnungs-Tod
ins Mittel treten laſſen, ſo hat er damit bewie-
ſen, daß die Gerechtigkeit durch dieſe Gnade
nicht aufgehoben worden, ſondern ihr durch den
Mittler ein Genuͤgen geſchehen.) in dem, daß
er Suͤnde vergiebt, welche bisher geblie-
ben war unter goͤttlicher Geduld.
(Gr.
wegen oder zu der Vergebung der Suͤnden, wel-
che unter goͤttlicher Geduld vorher geſchehen wa-
ren: d. i. GOTT hat ſeinen Sohn zum Gna-
den-Stul vorgeſtellet wegen oder zur Vergebung
der Suͤnden, welche bereits im Alten Teſta-
mente unter goͤttlicher Geduld begangen worden
waren. Denn weil es unmuͤglich war, daß
der Ochſen, der Boͤcke und der Laͤmmer Blut
an ſich ſelbſt die Vergebung der Suͤnden zu we-
ge bringen konte; und doch dabey eine Verge-
bung ſtatt gefunden hatte, nemlich in Anſehung
des vollkommenen Verſoͤhn-Opfers CHriſti,
welches dadurch vorgebildet war: ſo muſte, um
in der That zu zeigen, woher die Opfer des Al-
ten Teſtaments ihre Kraft gehabt zur Verge-
bung der damals begangenen Suͤnden, zu ſeiner
Zeit das rechte Verſoͤhn-Opfer im Gegenbilde
dargeſtellet werden,) v. 26. Auf daß er zu
dieſen
(jenen alt-teſtamentiſchen entgegen ge-
ſetzten) Zeiten darboͤthe die Gerechtigkeit,
die vor ihm gilt,
(ſeine uns durch Chriſtum
erworbene Gerechtigkeit) auf daß er gerecht
ſey
(gerecht erkant werde, als der, deſſen rich-

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[54/0082] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 23-26. ehe Losmachung nicht geſchehen kan, oder muß, durch die bloſſe Gewalt, ſondern, nach dem Recht vor Gericht, durch ein Loͤſe-Geld; ſo heißt das von dem Worte λύω herſtammende Wort λύτρον ein Loͤſe-Geld, eine Ranzion, und λυτρόω, ἀπολυτρόω, heißt ein Loͤſe-Held vor Gericht zahlen und alſo ranzioniren, ἀπο- λύτρωσις, eine ſolche Erloͤſung, die nicht mit Gewalt zum Nachtheil der Gerechtigkeit, ſon- dern nach dem Rechte, da dieſem ein Genuͤgen gethan, geſchehen iſt. Und wo eine ſolche Er- loͤſung vor Gericht fuͤr einen gefangenen Delin- quenten gebracht und angenommen iſt, da fol- get die λύσις, die Losmachung mit der Frey- heit von ſich ſelbſten: ſintemal kein Richter ei- nen ranzionirten Gefangnen im Gefaͤngniß lie- gen laͤßt, ſondern ihn, vermoͤge der Ranzion, auf freyen Fuß ſtellet. 7. Alſo aber verhaͤlt es ſich noch vielmehr im Geſchaͤfte unſerer Seligkeit. Denn da wir nach der richterlichen Gerechtigkeit GOTTes unter der Suͤnde, unter dem Fluche des Geſe- tzes, und unter der Gewalt des Satans in dem geiſtlichen Tode zum ewigen Tode gefangen la- gen, hat uns der Sohn GOttes nicht wollen los machen per viam facti & potentiæ, durch ſei- ne bloſſe Allmacht und Gewalt; ſintemal die- ſe der Gerechtigkeit GOttes, die ja ſeine eigne mit iſt, Eintrag gethan haͤtte; ſondern per viam juris, durch den Weg des Rechts, alſo daß er ein Loͤſe-Geld im goͤttlichen Gerichte fuͤr uns darlegte, und alſo damit der richterlichen Gerechtigkeit GOTTES ein Genuͤgen thaͤte. Welche ἀπολύτρωσις Erloͤſung denn von ſich ſelbſt die λύσιν, & liberationem, die Aufloͤſung der Suͤnden-Banden und Befreyung mit ſich fuͤhret, und den Menſchen zur wahren Freyheit bringet: nemlich in der Ordnung der wahren Hertzens-Bekehrung; als ohne welche nie- mand vor dem Gerichte GOttes ſich mit ſeinem Gewiſſen ſtellen, vielweniger der Zurechnung des Loͤſe-Gelds theilhaftig, oder gerechtfertiget werden kan. Zwar iſt der Sohn GOttes frey- lich auch dazu erſchienen, ἵνα λύσῃ τά ἔργα τοῦ διαβόλου, daß er die Wercke des Teufels, die Suͤnden, auch in uns, zerſtoͤre, und uns alſo von den Stricken des Satans, womit wir von Natur zu ſeinem Willen gefangen gehalten werden, 2 Tim. 2, 16. los mache, 1 Joh. 3, 8. aber doch nicht anders, als in der Ordnung der gedachten Erloͤſung und Ranzion; als auf wel- che uns auch Johannes im Contexte ſelbſt fuͤh- ret v. 5. c. 1, 7. 2, 1. 2. Siehe auch Matth. 20, 28. Joh. 1, 29. 26. Gal. 3, 13. 4, 5. Eph. 1, 7. 1 Tim. 2, 6. 1 Pet. 1, 18. 2 Pet. 2, 1. Apoc. 5, 9. 14, 34. item 1 Cor. 6, 20. 7, 13. 8. Da nun dieſes der wahre Verſtand die- ſes Orts iſt; ſo irren die Socinianer gar ſehr, wenn ſie zur Verleugnung der Satisfaction Chri- ſti ſich auf die Gnade GOttes beziehen, und ſagen, wir wuͤrden ja aus lauter Gnade gerecht und ſelig, und alſo nicht aus dem Verdienſte CHriſti: ſintemal Gnade und Verdienſt ein- ander entgegen ſtuͤnden; wie Paulus ſelbſt ſagt Rom. 10, 6. Denn wir finden ja in dieſem Text die Gnade und das Verdienſt CHriſti in keiner Oppoſition, oder in keinem Gegenſatze, ſondern in der genaueſten Subordination und Uberein- ſtimmung; nach welcher ſie in ein ſehr weiſes und heilſames Temperament zuſammen treten, wie dergleichen zuvorgedachter maſſen auch wol vor menſchlichen Gerichten geſchiehet. Wenn aber Paulus c. 10, 6. der Gnade das Verdienſt entgegen ſetzet, redet er nicht von dem Verdien- ſte CHriſti, ſondern von unſerm eigenen; wel- ches er ausdruͤcklich das Verdienſt der Wer- cke nennet. V. 25. 26. Welchen GOTT (nicht etwa nur heim- lich hingeſtellet, gleichwie die Bundes-Lade mit ihrem Deckel ins Allerheiligſte, dazu niemand, als der Hohe-Prieſter kommen konte, hingeſe- tzet war; ſondern durch ſeinen Tod am Creutze oͤffentlich aller Welt vor Augen geleget, und alſo) vorgeſtellet zu einem Gnaden-Stul, (davon ſiehe in den Anmerckungen. Wie ſoll aber dieſe Vorſtellung bey uns zur Application kommen? alſo daß er angenommen werde) durch den Glauben in ſeinem Blute (dar- inn, oder in dem Leiden und Sterben, dabey das Blutvergieſſen geſchehen iſt, zum Gnaden- Thron vorgeſtellet worden.) Damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete, (oder vielmehr zum Beweis ſeiner richterlichen Gerechtigkeit: nemlich daß dieſer durch die im Geſchaͤfte der Seligkeit ſich hervorthuende groſ- ſe Gnade nichts zum Nachtheil geſchehen ſey: wie da geſchehen ſeyn wuͤrde, wofern GOTT, als Richter, die Menſchen ohne alle ſeiner Ge- rechtigkeit zukommenden Genugthuung, zu Gnaden wuͤrde angenommen haben. Da er aber ſeines eignen Sohnes Verſoͤhnungs-Tod ins Mittel treten laſſen, ſo hat er damit bewie- ſen, daß die Gerechtigkeit durch dieſe Gnade nicht aufgehoben worden, ſondern ihr durch den Mittler ein Genuͤgen geſchehen.) in dem, daß er Suͤnde vergiebt, welche bisher geblie- ben war unter goͤttlicher Geduld. (Gr. wegen oder zu der Vergebung der Suͤnden, wel- che unter goͤttlicher Geduld vorher geſchehen wa- ren: d. i. GOTT hat ſeinen Sohn zum Gna- den-Stul vorgeſtellet wegen oder zur Vergebung der Suͤnden, welche bereits im Alten Teſta- mente unter goͤttlicher Geduld begangen worden waren. Denn weil es unmuͤglich war, daß der Ochſen, der Boͤcke und der Laͤmmer Blut an ſich ſelbſt die Vergebung der Suͤnden zu we- ge bringen konte; und doch dabey eine Verge- bung ſtatt gefunden hatte, nemlich in Anſehung des vollkommenen Verſoͤhn-Opfers CHriſti, welches dadurch vorgebildet war: ſo muſte, um in der That zu zeigen, woher die Opfer des Al- ten Teſtaments ihre Kraft gehabt zur Verge- bung der damals begangenen Suͤnden, zu ſeiner Zeit das rechte Verſoͤhn-Opfer im Gegenbilde dargeſtellet werden,) v. 26. Auf daß er zu dieſen (jenen alt-teſtamentiſchen entgegen ge- ſetzten) Zeiten darboͤthe die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, (ſeine uns durch Chriſtum erworbene Gerechtigkeit) auf daß er gerecht ſey (gerecht erkant werde, als der, deſſen rich- terli-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/82>, abgerufen am 22.11.2024.