Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 1, 9-11. [Spaltenumbruch]
in der Kirche, welche von einander weit entfernetsind, aber doch einander auf mancherley Art, sonderlich durch Brief-Wechsel, sind bekannt worden. V. 9-11. Derohalben auch wir von dem Tage Anmerckungen. 1. Diese Gebets- und Wunsches-Worte zeigen einen sehr vollen und dabey recht innigen Liebes-Afsect bey Paulo an: als nach welchem er die nachdrücklichsten Worte zusammen setzet, um denselben den Colossern recht zu erkennen zu geben. Wozu denn auch der folgende Context gehöret, souderlich der drey nechsten Verse. 2. Da der Apostel sein Hertz recht aus- schüttet, und zwar solcher gestalt, wie er sein Gebet für die Colosser eingerichtet habe, so kan man daraus erkennen, was der Haupt-Jnnhalt seines Gebets auch sonst für die Gläubigen ge- wesen sey, und wie man sein Gebet noch heute zu Tage für andere wahre Kinder GOttes zu ver- richten, und was man ihnen von GOtt sonder- lich zu erbitten habe. Man hat hiebey sonder- lich zu conferiren den gedoppelten parallel-Ort aus dem Briefe an die Ephesier c. 1, 15. u. f. 3, 13. u. f. 3. Uberhaupt gehet das Gebet auf den Wachsthum und auf die Beharrung im Gu- ten. Daraus man erkennen kan, wie hochnö- thig beydes sey. Denn funde der Apostel dieses bey den Colossern, nach einem so herrlichen An- fange und so getreuen Fortgange, noch nöthig; wie solten denn die, welche sich mit ihnen schwer- lich vergleichen können, des Wachsthums und dazu mehrer Stärckung nicht nöthig haben? dergleichen auch aus den für die Ephesier, (wel- che noch länger, als die Colosser in den Wegen GOttes gewandelt hatten) gethanen Gebeten zu schliessen ist. Es muß demnach niemand nach einem guten Anfange sicher seyn. Wer da hat, und es recht anleget, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe. Matth. 13, 12. 25, 29. 4. Da die Seele sonderlich aus den beyden Haupt-Kräften, Verstand und Willen, be- stehet, so läst sich gar füglich alles, was diese drey Verse in sich halten, dahin richten: wie nemlich der Wachsthum darinnen geschehen, und der Mensch also zu immer mehrerm Lichte u. Rech- te kommen soll. 5. Vom Wachsthum am Lichte des Verstandes gebrauchet der Apostel drey Wor- te, Erkäntniß, Weisheit, Verständniß: da denn immer eines das andere erläutert. Das [Spaltenumbruch] Wort Erkäntniß wiederhohlet er v. 15. und will, daß sie damit immer mehr sollen erfüllet werden, und daran wachsen. Geistlich aber nennet er die Weisheit und das Verständniß, weil es übernatürlich war, aus der Salbung des Heiligen Geistes kam, und auch auf geistliche Dinge ging. Das, was da solte erkannt wer- den, war der Wille GOttes. Wodurch er den gantzen Rath GOttes von unserer Seligkeit verstehet. 6. Es ist demnach viel daran gelegen, daß ein Mensch zu einer immer mehrern Aufklärung des Verstandes in göttlichen Dingen komme. Denn da GOtt das Licht wesentlich ist, und der Mensch nach seinem Bilde ist erschaffen wor- den, so ist leichtlich zu erachten, daß das Eben- bild GOttes zum Theil auch mit in der heilsa- men Erkäntniß GOttes bestehe. Nur muß sie, wenn sie rechter Art seyn soll, geistlich und lebendig seyn. 7. Wie sehr der Glaube von der Leicht- glaubigkeit unterschieden sey, kan man auch daraus erkennen, daß wir bey dem Glauben auf einen immer mehrern Wachsthum in der Erkänt- niß geführet werden, dadurch der Glaube auch selbst zunimmt. Ja was ist der Glaube anders als ein göttliches Licht im Verstande, und ein göttliches Leben im Willen. 8. Was nun den Wachsthum am Wil- len betrifft, so finden wir davon im vorherstehen- den Texte folgende Stücke: a. Principium, die Quelle, woher alle Stär- ckung entstehen soll: diese ist die Kraft der göttlichen Herrlichkeit. Jn GOtt sind alle seine wesentliche Eigenschaften doxa, ei- ne Herrlichkeit. Gleichwie nun, wenn uns GOtt erleuchtet, er in uns wircket nach der Herrlichkeit seiner Weisheit, also wir- cket er in uns nach der Herrlichkeit seiner Kraft, oder, welches einerley ist, nach der Kraft seiner Herrlichkeit, oder nach seiner recht herrlichen, das ist, recht mächtigen Kraft, wenn er uns am Willen mit geistlichen Kräf- ten ausrüstet. Paulus zeiget demnach damit an, wie daß wir von Natur zu allem geistli- chen Guten gantz unvermögend sind, und al- les aus der Gnaden-Kraft GOTTes haben müssen. b. Die Stärckung selbst: welche bezeichnet wird mit den Worten: gestärcket werdet mit aller Kraft, da die Griechischen Worte sehr nachdrücklich sind en pase dunamei dunamou menoi. Welches der Apostel Eph. 3, 16. also ausdrucket: daß er euch Kraft gebe, nach dem Reichthum seiner Herrlichkeit starck zu werden, durch den Heiligen Geist, an dem inwendigen Menschen, und Chri- stum zu wohnen durch den Glauben in enren Hertzen. Und c. 6, 10. Zuletzt, meine Brüder, seyd starck in dem HErrn, und in der Macht seiner Stär- cke! Ziehet an den Harnisch GOTTes u. s. w. c. Der Beweis solcher empfangenen gött- lichen Kraft und Stärcke: welcher sich her-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, 9-11. [Spaltenumbruch]
in der Kirche, welche von einander weit entfernetſind, aber doch einander auf mancherley Art, ſonderlich durch Brief-Wechſel, ſind bekannt worden. V. 9-11. Derohalben auch wir von dem Tage Anmerckungen. 1. Dieſe Gebets- und Wunſches-Worte zeigen einen ſehr vollen und dabey recht innigen Liebes-Afſect bey Paulo an: als nach welchem er die nachdruͤcklichſten Worte zuſammen ſetzet, um denſelben den Coloſſern recht zu erkennen zu geben. Wozu denn auch der folgende Context gehoͤret, ſouderlich der drey nechſten Verſe. 2. Da der Apoſtel ſein Hertz recht aus- ſchuͤttet, und zwar ſolcher geſtalt, wie er ſein Gebet fuͤr die Coloſſer eingerichtet habe, ſo kan man daraus erkennen, was der Haupt-Jnnhalt ſeines Gebets auch ſonſt fuͤr die Glaͤubigen ge- weſen ſey, und wie man ſein Gebet noch heute zu Tage fuͤr andere wahre Kinder GOttes zu ver- richten, und was man ihnen von GOtt ſonder- lich zu erbitten habe. Man hat hiebey ſonder- lich zu conferiren den gedoppelten parallel-Ort aus dem Briefe an die Epheſier c. 1, 15. u. f. 3, 13. u. f. 3. Uberhaupt gehet das Gebet auf den Wachsthum und auf die Beharrung im Gu- ten. Daraus man erkennen kan, wie hochnoͤ- thig beydes ſey. Denn funde der Apoſtel dieſes bey den Coloſſern, nach einem ſo herrlichen An- fange und ſo getreuen Fortgange, noch noͤthig; wie ſolten denn die, welche ſich mit ihnen ſchwer- lich vergleichen koͤnnen, des Wachsthums und dazu mehrer Staͤrckung nicht noͤthig haben? dergleichen auch aus den fuͤr die Epheſier, (wel- che noch laͤnger, als die Coloſſer in den Wegen GOttes gewandelt hatten) gethanen Gebeten zu ſchlieſſen iſt. Es muß demnach niemand nach einem guten Anfange ſicher ſeyn. Wer da hat, und es recht anleget, dem wird gegeben, daß er die Fuͤlle habe. Matth. 13, 12. 25, 29. 4. Da die Seele ſonderlich aus den beyden Haupt-Kraͤften, Verſtand und Willen, be- ſtehet, ſo laͤſt ſich gar fuͤglich alles, was dieſe drey Verſe in ſich halten, dahin richten: wie nemlich der Wachsthum darinnen geſchehen, und der Menſch alſo zu immer mehrerm Lichte u. Rech- te kommen ſoll. 5. Vom Wachsthum am Lichte des Verſtandes gebrauchet der Apoſtel drey Wor- te, Erkaͤntniß, Weisheit, Verſtaͤndniß: da denn immer eines das andere erlaͤutert. Das [Spaltenumbruch] Wort Erkaͤntniß wiederhohlet er v. 15. und will, daß ſie damit immer mehr ſollen erfuͤllet werden, und daran wachſen. Geiſtlich aber nennet er die Weisheit und das Verſtaͤndniß, weil es uͤbernatuͤrlich war, aus der Salbung des Heiligen Geiſtes kam, und auch auf geiſtliche Dinge ging. Das, was da ſolte erkannt wer- den, war der Wille GOttes. Wodurch er den gantzen Rath GOttes von unſerer Seligkeit verſtehet. 6. Es iſt demnach viel daran gelegen, daß ein Menſch zu einer immer mehrern Aufklaͤrung des Verſtandes in goͤttlichen Dingen komme. Denn da GOtt das Licht weſentlich iſt, und der Menſch nach ſeinem Bilde iſt erſchaffen wor- den, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß das Eben- bild GOttes zum Theil auch mit in der heilſa- men Erkaͤntniß GOttes beſtehe. Nur muß ſie, wenn ſie rechter Art ſeyn ſoll, geiſtlich und lebendig ſeyn. 7. Wie ſehr der Glaube von der Leicht- glaubigkeit unterſchieden ſey, kan man auch daraus erkennen, daß wir bey dem Glauben auf einen immer mehrern Wachsthum in der Erkaͤnt- niß gefuͤhret werden, dadurch der Glaube auch ſelbſt zunimmt. Ja was iſt der Glaube anders als ein goͤttliches Licht im Verſtande, und ein goͤttliches Leben im Willen. 8. Was nun den Wachsthum am Wil- len betrifft, ſo finden wir davon im vorherſtehen- den Texte folgende Stuͤcke: a. Principium, die Quelle, woher alle Staͤr- ckung entſtehen ſoll: dieſe iſt die Kraft der goͤttlichen Herrlichkeit. Jn GOtt ſind alle ſeine weſentliche Eigenſchaften δόξα, ei- ne Herrlichkeit. Gleichwie nun, wenn uns GOtt erleuchtet, er in uns wircket nach der Herrlichkeit ſeiner Weisheit, alſo wir- cket er in uns nach der Herrlichkeit ſeiner Kraft, oder, welches einerley iſt, nach der Kraft ſeiner Herrlichkeit, oder nach ſeiner recht herrlichen, das iſt, recht maͤchtigen Kraft, wenn er uns am Willen mit geiſtlichen Kraͤf- ten ausruͤſtet. Paulus zeiget demnach damit an, wie daß wir von Natur zu allem geiſtli- chen Guten gantz unvermoͤgend ſind, und al- les aus der Gnaden-Kraft GOTTes haben muͤſſen. b. Die Staͤrckung ſelbſt: welche bezeichnet wird mit den Worten: geſtaͤrcket werdet mit aller Kraft, da die Griechiſchen Worte ſehr nachdruͤcklich ſind ἐν πάσῃ δυνάμει δυναμού μενοι. Welches der Apoſtel Eph. 3, 16. alſo ausdrucket: daß er euch Kraft gebe, nach dem Reichthum ſeiner Herrlichkeit ſtarck zu werden, durch den Heiligen Geiſt, an dem inwendigen Menſchen, und Chri- ſtum zu wohnen durch den Glauben in enren Hertzen. Und c. 6, 10. Zuletzt, meine Bruͤder, ſeyd ſtarck in dem HErrn, und in der Macht ſeiner Staͤr- cke! Ziehet an den Harniſch GOTTes u. ſ. w. c. Der Beweis ſolcher empfangenen goͤtt- lichen Kraft und Staͤrcke: welcher ſich her-
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 1, 9-11.
in der Kirche, welche von einander weit entfernet
ſind, aber doch einander auf mancherley Art,
ſonderlich durch Brief-Wechſel, ſind bekannt
worden.
V. 9-11.
Derohalben auch wir von dem Tage
an, da wirs gehoͤret haben, hoͤren wir nicht
auf fuͤr euch zu beten und zu bitten, daß
ihr erfuͤllet werdet mit Erkaͤntniß ſeines
Willens, in allerley geiſtlicher Weisheit
und Verſtand: daß ihr wandelt wuͤrdig-
lich dem HErrn zu allem Gefallen, und
fruchtbar ſeyd in allem gutem Werck, und
wachſet in der Erkaͤntniß GOttes, und
geſtaͤrcket werdet mit aller Kraft nach ſei-
ner herrlichen Macht, in aller Geduld und
Langmuͤthigkeit mit Freuden.
Anmerckungen.
1. Dieſe Gebets- und Wunſches-Worte
zeigen einen ſehr vollen und dabey recht innigen
Liebes-Afſect bey Paulo an: als nach welchem
er die nachdruͤcklichſten Worte zuſammen ſetzet,
um denſelben den Coloſſern recht zu erkennen zu
geben. Wozu denn auch der folgende Context
gehoͤret, ſouderlich der drey nechſten Verſe.
2. Da der Apoſtel ſein Hertz recht aus-
ſchuͤttet, und zwar ſolcher geſtalt, wie er ſein
Gebet fuͤr die Coloſſer eingerichtet habe, ſo kan
man daraus erkennen, was der Haupt-Jnnhalt
ſeines Gebets auch ſonſt fuͤr die Glaͤubigen ge-
weſen ſey, und wie man ſein Gebet noch heute zu
Tage fuͤr andere wahre Kinder GOttes zu ver-
richten, und was man ihnen von GOtt ſonder-
lich zu erbitten habe. Man hat hiebey ſonder-
lich zu conferiren den gedoppelten parallel-Ort
aus dem Briefe an die Epheſier c. 1, 15. u. f. 3,
13. u. f.
3. Uberhaupt gehet das Gebet auf den
Wachsthum und auf die Beharrung im Gu-
ten. Daraus man erkennen kan, wie hochnoͤ-
thig beydes ſey. Denn funde der Apoſtel dieſes
bey den Coloſſern, nach einem ſo herrlichen An-
fange und ſo getreuen Fortgange, noch noͤthig;
wie ſolten denn die, welche ſich mit ihnen ſchwer-
lich vergleichen koͤnnen, des Wachsthums und
dazu mehrer Staͤrckung nicht noͤthig haben?
dergleichen auch aus den fuͤr die Epheſier, (wel-
che noch laͤnger, als die Coloſſer in den Wegen
GOttes gewandelt hatten) gethanen Gebeten
zu ſchlieſſen iſt. Es muß demnach niemand
nach einem guten Anfange ſicher ſeyn. Wer
da hat, und es recht anleget, dem wird gegeben,
daß er die Fuͤlle habe. Matth. 13, 12. 25, 29.
4. Da die Seele ſonderlich aus den beyden
Haupt-Kraͤften, Verſtand und Willen, be-
ſtehet, ſo laͤſt ſich gar fuͤglich alles, was dieſe drey
Verſe in ſich halten, dahin richten: wie nemlich
der Wachsthum darinnen geſchehen, und der
Menſch alſo zu immer mehrerm Lichte u. Rech-
te kommen ſoll.
5. Vom Wachsthum am Lichte des
Verſtandes gebrauchet der Apoſtel drey Wor-
te, Erkaͤntniß, Weisheit, Verſtaͤndniß:
da denn immer eines das andere erlaͤutert. Das
Wort Erkaͤntniß wiederhohlet er v. 15. und
will, daß ſie damit immer mehr ſollen erfuͤllet
werden, und daran wachſen. Geiſtlich aber
nennet er die Weisheit und das Verſtaͤndniß,
weil es uͤbernatuͤrlich war, aus der Salbung des
Heiligen Geiſtes kam, und auch auf geiſtliche
Dinge ging. Das, was da ſolte erkannt wer-
den, war der Wille GOttes. Wodurch er
den gantzen Rath GOttes von unſerer Seligkeit
verſtehet.
6. Es iſt demnach viel daran gelegen, daß
ein Menſch zu einer immer mehrern Aufklaͤrung
des Verſtandes in goͤttlichen Dingen komme.
Denn da GOtt das Licht weſentlich iſt, und
der Menſch nach ſeinem Bilde iſt erſchaffen wor-
den, ſo iſt leichtlich zu erachten, daß das Eben-
bild GOttes zum Theil auch mit in der heilſa-
men Erkaͤntniß GOttes beſtehe. Nur muß
ſie, wenn ſie rechter Art ſeyn ſoll, geiſtlich und
lebendig ſeyn.
7. Wie ſehr der Glaube von der Leicht-
glaubigkeit unterſchieden ſey, kan man auch
daraus erkennen, daß wir bey dem Glauben auf
einen immer mehrern Wachsthum in der Erkaͤnt-
niß gefuͤhret werden, dadurch der Glaube auch
ſelbſt zunimmt. Ja was iſt der Glaube anders
als ein goͤttliches Licht im Verſtande, und ein
goͤttliches Leben im Willen.
8. Was nun den Wachsthum am Wil-
len betrifft, ſo finden wir davon im vorherſtehen-
den Texte folgende Stuͤcke:
a. Principium, die Quelle, woher alle Staͤr-
ckung entſtehen ſoll: dieſe iſt die Kraft der
goͤttlichen Herrlichkeit. Jn GOtt ſind
alle ſeine weſentliche Eigenſchaften δόξα, ei-
ne Herrlichkeit. Gleichwie nun, wenn
uns GOtt erleuchtet, er in uns wircket nach
der Herrlichkeit ſeiner Weisheit, alſo wir-
cket er in uns nach der Herrlichkeit ſeiner
Kraft, oder, welches einerley iſt, nach der
Kraft ſeiner Herrlichkeit, oder nach ſeiner recht
herrlichen, das iſt, recht maͤchtigen Kraft,
wenn er uns am Willen mit geiſtlichen Kraͤf-
ten ausruͤſtet. Paulus zeiget demnach damit
an, wie daß wir von Natur zu allem geiſtli-
chen Guten gantz unvermoͤgend ſind, und al-
les aus der Gnaden-Kraft GOTTes haben
muͤſſen.
b. Die Staͤrckung ſelbſt: welche bezeichnet
wird mit den Worten: geſtaͤrcket werdet mit
aller Kraft, da die Griechiſchen Worte ſehr
nachdruͤcklich ſind ἐν πάσῃ δυνάμει δυναμού
μενοι. Welches der Apoſtel Eph. 3, 16. alſo
ausdrucket: daß er euch Kraft gebe, nach
dem Reichthum ſeiner Herrlichkeit ſtarck
zu werden, durch den Heiligen Geiſt, an
dem inwendigen Menſchen, und Chri-
ſtum zu wohnen durch den Glauben in
enren Hertzen. Und c. 6, 10. Zuletzt,
meine Bruͤder, ſeyd ſtarck in dem
HErrn, und in der Macht ſeiner Staͤr-
cke! Ziehet an den Harniſch GOTTes
u. ſ. w.
c. Der Beweis ſolcher empfangenen goͤtt-
lichen Kraft und Staͤrcke: welcher ſich
her-
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