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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, 16. 17.
[Spaltenumbruch] net bin. 2 Cor. 5, 7. spricht Paulus von die-
sem Unterscheide: Wir wandeln im Glauben
und nicht im Schauen.
3. Da es nun eine solche Beschaffenheit
mit der Vollkommenheit hat, so ist dabey ein
gedoppelter Jrrthum zu mercken und zu vermei-
den:
Erstlich der, wenn man nach den principiis
einiger mystischen Scribenten den Wiederge-
bohrnen eine solche Vollkommenheit zuschrei-
bet, daß sie gar ohne Sünde seyn sollen: und
hernach diesen unrichtigen Satz damit schmü-
cket, daß man die Sünde aus ihrer Seele in
ihren Leib setzet; und damit den Jrrthum ver-
doppelt, und dadurch eine Verleitung zu
mancher Sünde giebet, daß man statuiret,
diß und das sey nur nach dem äussern, nicht
aber nach dem innern Menschen, geschehen.
Hernach der, da man den Namen der Voll-
kommenheit nicht einmal leiden will, sondern
einem dabey so gleich eines grossen Jrrthums
beschuldiget, und auch die richtige Sache
selbst, nemlich den Beweis der Christlichen
Vollkommenheit, oder des rechtschafnen und
ernstlichen Christenthums, für unerträglich
hält, und es unter gehäßigen Namen un-
gütig beurtheilet: wie von fleischlich gesinne-
ten Lehrern zu geschehen pfleget. Dazu denn
der Jrrthum vieler andern unbekehrten Leute
kömmt, welche, wenn sie auch nur zum ersten
Anfange des thätigen Christenthums ermah-
net werden, gleich pflegen fertig zu seyn mit
der Entschuldigung, man könte doch in diesem
Leben zu keiner Vollkommenheit kommen.
4. Es ist wohl zu mercken, daß der Apo-
stel die Vollkommenheit alhier von denen,
welche anders gesinnet, das ist, gleichsam
noch junge Milch-Kinder sind, und daher man-
ches weder recht einsehen, noch zur männlichen
Kraft und Ubung bringen, unterscheidet. Und
durch diesen Unterscheid bekömmt dieser Text ein
mehrers Licht. Denn nach diesem Verstande
sind die Worte: ei ti eteros phronei~te, nicht zu
übersetzen durch solt ihr sonst etwas halten,
sondern so ihr anders gesinnet seyd, oder von
anderer Meynung seyd; wodurch denn die
Schwächern verstanden werden. Welche er
aber auf GOtt weiset, daß ihnen GOtt touto,
eben dasselbe, darauf sie der Apostel geführet hat-
te, und darinnen er mit den Vollkommenen eins
war, schon würde auch zu erkennen geben,
nemlich durch sein Wort, nach mehrer Uberle-
gung und Erfahrung. Daß man also das Wort
apokalupsei alhier von einer unmittelbaren Of-
fenbarung nicht verstehen darf.
5. Die Infinitivi, stoikhei~n, phronei~n, stehen
nach dem Atticismo an statt der Imperativorum:
und siehet der Apostel mit diesen Worten wider
zurück auf die teleious, die Vollkommenen, und
will er damit so viel sagen, daß diese darinnen,
wozu sie bereits mit Paulo gelanget wären, ein-
hellig verbleiben, und nach solcher erkannten
Wahrheit, als nach einer unfehlbaren Regel,
einmüthig und beständig einhergehen solten.
[Spaltenumbruch]
V. 17.

Folget mir, lieben Brüder, und sehet
auf die, die also wandeln, wie ihr uns

(mich und Timotheum) habet zum Für-
bilde.

Anmerckungen.
1. Es ist allerdinge nöthig, daß ein Lehrer
seiner Gemeine ein Fürbild sey, wie in reiner
und gesunder Lehre, also auch mit einem heiligen
Wandel; ja nicht allein er, sondern auch die
Seinigen. Denn es ist nicht zu sagen, wie sehr
ein böses Exempel des Lehrers und der Seini-
gen zur Nachfolge und zur rechten Besteifung
im bösen einreisset, und wie sehr dadurch die
Lehre selbst bey den Zuhörern entkräftet wird.
Es pfleget dazu auch ohne das bey einem unhei-
ligen Leben ein sehr unlauterer, theils auch ein
recht kaltsinniger Vortrag zu seyn. Denn da
der herrschende fleischliche Sinn ein unfehlba-
res Zeichen ist von dem geistlichen Tode eines
Lehrers, so ist es auch ein Erweis von seiner geist-
lichen Blindheit und von dem Mangel der geist-
lichen Erfahrung. Daher denn der Vortrag
selbst bey mancher buchstäblichen Richtigkeit in
vielen Stücken unrichtig wird, also, daß dem
irrdischen Welt-Sinne oft das Wort geredet,
und was in einem Theil der Predigt gebauet
worden, im andern wieder niedergerissen
wird.
2. Was ein Lehrer überhaupt von seinem
gantzen Leben zu beobachten hat, darauf hat er
sonderlich in Gesellschaft sorgfältig zu sehen.
Er wird sich zwar, wenn er rechtschaffen ist, wohl
zu hüten wissen, daß er nicht in eitele Gesellschaf-
ten gehe: wenn er aber gewisser nicht wol um-
gänglicher Umstände wegen darunter kömmt; so
wird er sich wol auf seiner Hut halten, und, so
viel immer möglich, ein Saltz darinnen seyn, und
nicht allein an keinen eitelen und sündlichen Re-
den Theil nehmen, sondern sie auch zurück zu hal-
ten, und hingegen die Anwesende zu erbauen su-
chen; und, wo sich dieses nicht will thun lassen,
bald seinen Abschied von ihnen nehmen, und
ihnen damit einen guten Eindruck zur Bestrafung
in ihrem Gewissen hinterlassen.
3. Daß man die Wahrheit von sich selbst
in aller Einfalt ohne eigenen Ruhm bezeugen kön-
ne, siehet man alhier an Pauli Exempel, da er
schreibet: Folget mir, lieben Brüder u. s. w.
Es wird doch aber selten nöthig seyn, daß man
eine solche Bekäntniß von sich selbst mit Wor-
ten ablege: sondern es wird gemeiniglich hin-
länglich seyn, wenn das Leben selbst redet und
zeuget. Darauf man demnach so viel mehr zu
sehen hat, so viel schwerere Schuld man durch
Aergernisse über sich ziehet. Matth. 17, 5. 6.
Nicht ärgern ist zwar gut: aber erbauen noch
viel besser.
4. Die Philipper wusten wohl, daß Pau-
lus dem Exempel Christi folgete, als auf dessen
Gemeinschaft er sich vorher mit aller Wahrheit
bezogen hatte. Und dieses thut er bey der ge-
forderten Nachfolge seines Exempels 1 Cor. 11, 1.
mit
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, 16. 17.
[Spaltenumbruch] net bin. 2 Cor. 5, 7. ſpricht Paulus von die-
ſem Unterſcheide: Wir wandeln im Glauben
und nicht im Schauen.
3. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit
mit der Vollkommenheit hat, ſo iſt dabey ein
gedoppelter Jrrthum zu mercken und zu vermei-
den:
Erſtlich der, wenn man nach den principiis
einiger myſtiſchen Scribenten den Wiederge-
bohrnen eine ſolche Vollkommenheit zuſchrei-
bet, daß ſie gar ohne Suͤnde ſeyn ſollen: und
hernach dieſen unrichtigen Satz damit ſchmuͤ-
cket, daß man die Suͤnde aus ihrer Seele in
ihren Leib ſetzet; und damit den Jrrthum ver-
doppelt, und dadurch eine Verleitung zu
mancher Suͤnde giebet, daß man ſtatuiret,
diß und das ſey nur nach dem aͤuſſern, nicht
aber nach dem innern Menſchen, geſchehen.
Hernach der, da man den Namen der Voll-
kommenheit nicht einmal leiden will, ſondern
einem dabey ſo gleich eines groſſen Jrrthums
beſchuldiget, und auch die richtige Sache
ſelbſt, nemlich den Beweis der Chriſtlichen
Vollkommenheit, oder des rechtſchafnen und
ernſtlichen Chriſtenthums, fuͤr unertraͤglich
haͤlt, und es unter gehaͤßigen Namen un-
guͤtig beurtheilet: wie von fleiſchlich geſinne-
ten Lehrern zu geſchehen pfleget. Dazu denn
der Jrrthum vieler andern unbekehrten Leute
koͤmmt, welche, wenn ſie auch nur zum erſten
Anfange des thaͤtigen Chriſtenthums ermah-
net werden, gleich pflegen fertig zu ſeyn mit
der Entſchuldigung, man koͤnte doch in dieſem
Leben zu keiner Vollkommenheit kommen.
4. Es iſt wohl zu mercken, daß der Apo-
ſtel die Vollkommenheit alhier von denen,
welche anders geſinnet, das iſt, gleichſam
noch junge Milch-Kinder ſind, und daher man-
ches weder recht einſehen, noch zur maͤnnlichen
Kraft und Ubung bringen, unterſcheidet. Und
durch dieſen Unterſcheid bekoͤmmt dieſer Text ein
mehrers Licht. Denn nach dieſem Verſtande
ſind die Worte: εἴ τι ἑτέρως φρονει῀τε, nicht zu
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ſondern ſo ihr anders geſinnet ſeyd, oder von
anderer Meynung ſeyd; wodurch denn die
Schwaͤchern verſtanden werden. Welche er
aber auf GOtt weiſet, daß ihnen GOtt τοῦτο,
eben daſſelbe, darauf ſie der Apoſtel gefuͤhret hat-
te, und darinnen er mit den Vollkommenen eins
war, ſchon wuͤrde auch zu erkennen geben,
nemlich durch ſein Wort, nach mehrer Uberle-
gung und Erfahrung. Daß man alſo das Wort
ἀποκαλύψει alhier von einer unmittelbaren Of-
fenbarung nicht verſtehen darf.
5. Die Infinitivi, στοιχει῀ν, φρονει῀ν, ſtehen
nach dem Atticiſmo an ſtatt der Imperativorum:
und ſiehet der Apoſtel mit dieſen Worten wider
zuruͤck auf die τελείους, die Vollkommenen, und
will er damit ſo viel ſagen, daß dieſe darinnen,
wozu ſie bereits mit Paulo gelanget waͤren, ein-
hellig verbleiben, und nach ſolcher erkannten
Wahrheit, als nach einer unfehlbaren Regel,
einmuͤthig und beſtaͤndig einhergehen ſolten.
[Spaltenumbruch]
V. 17.

Folget mir, lieben Bruͤder, und ſehet
auf die, die alſo wandeln, wie ihr uns

(mich und Timotheum) habet zum Fuͤr-
bilde.

Anmerckungen.
1. Es iſt allerdinge noͤthig, daß ein Lehrer
ſeiner Gemeine ein Fuͤrbild ſey, wie in reiner
und geſunder Lehre, alſo auch mit einem heiligen
Wandel; ja nicht allein er, ſondern auch die
Seinigen. Denn es iſt nicht zu ſagen, wie ſehr
ein boͤſes Exempel des Lehrers und der Seini-
gen zur Nachfolge und zur rechten Beſteifung
im boͤſen einreiſſet, und wie ſehr dadurch die
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Es pfleget dazu auch ohne das bey einem unhei-
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recht kaltſinniger Vortrag zu ſeyn. Denn da
der herrſchende fleiſchliche Sinn ein unfehlba-
res Zeichen iſt von dem geiſtlichen Tode eines
Lehrers, ſo iſt es auch ein Erweis von ſeiner geiſt-
lichen Blindheit und von dem Mangel der geiſt-
lichen Erfahrung. Daher denn der Vortrag
ſelbſt bey mancher buchſtaͤblichen Richtigkeit in
vielen Stuͤcken unrichtig wird, alſo, daß dem
irrdiſchen Welt-Sinne oft das Wort geredet,
und was in einem Theil der Predigt gebauet
worden, im andern wieder niedergeriſſen
wird.
2. Was ein Lehrer uͤberhaupt von ſeinem
gantzen Leben zu beobachten hat, darauf hat er
ſonderlich in Geſellſchaft ſorgfaͤltig zu ſehen.
Er wird ſich zwar, wenn er rechtſchaffen iſt, wohl
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den Theil nehmen, ſondern ſie auch zuruͤck zu hal-
ten, und hingegen die Anweſende zu erbauen ſu-
chen; und, wo ſich dieſes nicht will thun laſſen,
bald ſeinen Abſchied von ihnen nehmen, und
ihnen damit einen guten Eindruck zur Beſtrafung
in ihrem Gewiſſen hinterlaſſen.
3. Daß man die Wahrheit von ſich ſelbſt
in aller Einfalt ohne eigenen Ruhm bezeugen koͤn-
ne, ſiehet man alhier an Pauli Exempel, da er
ſchreibet: Folget mir, lieben Bruͤder u. ſ. w.
Es wird doch aber ſelten noͤthig ſeyn, daß man
eine ſolche Bekaͤntniß von ſich ſelbſt mit Wor-
ten ablege: ſondern es wird gemeiniglich hin-
laͤnglich ſeyn, wenn das Leben ſelbſt redet und
zeuget. Darauf man demnach ſo viel mehr zu
ſehen hat, ſo viel ſchwerere Schuld man durch
Aergerniſſe uͤber ſich ziehet. Matth. 17, 5. 6.
Nicht aͤrgern iſt zwar gut: aber erbauen noch
viel beſſer.
4. Die Philipper wuſten wohl, daß Pau-
lus dem Exempel Chriſti folgete, als auf deſſen
Gemeinſchaft er ſich vorher mit aller Wahrheit
bezogen hatte. Und dieſes thut er bey der ge-
forderten Nachfolge ſeines Exempels 1 Cor. 11, 1.
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[726/0754] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, 16. 17. net bin. 2 Cor. 5, 7. ſpricht Paulus von die- ſem Unterſcheide: Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. 3. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit mit der Vollkommenheit hat, ſo iſt dabey ein gedoppelter Jrrthum zu mercken und zu vermei- den: Erſtlich der, wenn man nach den principiis einiger myſtiſchen Scribenten den Wiederge- bohrnen eine ſolche Vollkommenheit zuſchrei- bet, daß ſie gar ohne Suͤnde ſeyn ſollen: und hernach dieſen unrichtigen Satz damit ſchmuͤ- cket, daß man die Suͤnde aus ihrer Seele in ihren Leib ſetzet; und damit den Jrrthum ver- doppelt, und dadurch eine Verleitung zu mancher Suͤnde giebet, daß man ſtatuiret, diß und das ſey nur nach dem aͤuſſern, nicht aber nach dem innern Menſchen, geſchehen. Hernach der, da man den Namen der Voll- kommenheit nicht einmal leiden will, ſondern einem dabey ſo gleich eines groſſen Jrrthums beſchuldiget, und auch die richtige Sache ſelbſt, nemlich den Beweis der Chriſtlichen Vollkommenheit, oder des rechtſchafnen und ernſtlichen Chriſtenthums, fuͤr unertraͤglich haͤlt, und es unter gehaͤßigen Namen un- guͤtig beurtheilet: wie von fleiſchlich geſinne- ten Lehrern zu geſchehen pfleget. Dazu denn der Jrrthum vieler andern unbekehrten Leute koͤmmt, welche, wenn ſie auch nur zum erſten Anfange des thaͤtigen Chriſtenthums ermah- net werden, gleich pflegen fertig zu ſeyn mit der Entſchuldigung, man koͤnte doch in dieſem Leben zu keiner Vollkommenheit kommen. 4. Es iſt wohl zu mercken, daß der Apo- ſtel die Vollkommenheit alhier von denen, welche anders geſinnet, das iſt, gleichſam noch junge Milch-Kinder ſind, und daher man- ches weder recht einſehen, noch zur maͤnnlichen Kraft und Ubung bringen, unterſcheidet. Und durch dieſen Unterſcheid bekoͤmmt dieſer Text ein mehrers Licht. Denn nach dieſem Verſtande ſind die Worte: εἴ τι ἑτέρως φρονει῀τε, nicht zu uͤberſetzen durch ſolt ihr ſonſt etwas halten, ſondern ſo ihr anders geſinnet ſeyd, oder von anderer Meynung ſeyd; wodurch denn die Schwaͤchern verſtanden werden. Welche er aber auf GOtt weiſet, daß ihnen GOtt τοῦτο, eben daſſelbe, darauf ſie der Apoſtel gefuͤhret hat- te, und darinnen er mit den Vollkommenen eins war, ſchon wuͤrde auch zu erkennen geben, nemlich durch ſein Wort, nach mehrer Uberle- gung und Erfahrung. Daß man alſo das Wort ἀποκαλύψει alhier von einer unmittelbaren Of- fenbarung nicht verſtehen darf. 5. Die Infinitivi, στοιχει῀ν, φρονει῀ν, ſtehen nach dem Atticiſmo an ſtatt der Imperativorum: und ſiehet der Apoſtel mit dieſen Worten wider zuruͤck auf die τελείους, die Vollkommenen, und will er damit ſo viel ſagen, daß dieſe darinnen, wozu ſie bereits mit Paulo gelanget waͤren, ein- hellig verbleiben, und nach ſolcher erkannten Wahrheit, als nach einer unfehlbaren Regel, einmuͤthig und beſtaͤndig einhergehen ſolten. V. 17. Folget mir, lieben Bruͤder, und ſehet auf die, die alſo wandeln, wie ihr uns (mich und Timotheum) habet zum Fuͤr- bilde. Anmerckungen. 1. Es iſt allerdinge noͤthig, daß ein Lehrer ſeiner Gemeine ein Fuͤrbild ſey, wie in reiner und geſunder Lehre, alſo auch mit einem heiligen Wandel; ja nicht allein er, ſondern auch die Seinigen. Denn es iſt nicht zu ſagen, wie ſehr ein boͤſes Exempel des Lehrers und der Seini- gen zur Nachfolge und zur rechten Beſteifung im boͤſen einreiſſet, und wie ſehr dadurch die Lehre ſelbſt bey den Zuhoͤrern entkraͤftet wird. Es pfleget dazu auch ohne das bey einem unhei- ligen Leben ein ſehr unlauterer, theils auch ein recht kaltſinniger Vortrag zu ſeyn. Denn da der herrſchende fleiſchliche Sinn ein unfehlba- res Zeichen iſt von dem geiſtlichen Tode eines Lehrers, ſo iſt es auch ein Erweis von ſeiner geiſt- lichen Blindheit und von dem Mangel der geiſt- lichen Erfahrung. Daher denn der Vortrag ſelbſt bey mancher buchſtaͤblichen Richtigkeit in vielen Stuͤcken unrichtig wird, alſo, daß dem irrdiſchen Welt-Sinne oft das Wort geredet, und was in einem Theil der Predigt gebauet worden, im andern wieder niedergeriſſen wird. 2. Was ein Lehrer uͤberhaupt von ſeinem gantzen Leben zu beobachten hat, darauf hat er ſonderlich in Geſellſchaft ſorgfaͤltig zu ſehen. Er wird ſich zwar, wenn er rechtſchaffen iſt, wohl zu huͤten wiſſen, daß er nicht in eitele Geſellſchaf- ten gehe: wenn er aber gewiſſer nicht wol um- gaͤnglicher Umſtaͤnde wegen darunter koͤmmt; ſo wird er ſich wol auf ſeiner Hut halten, und, ſo viel immer moͤglich, ein Saltz darinnen ſeyn, und nicht allein an keinen eitelen und ſuͤndlichen Re- den Theil nehmen, ſondern ſie auch zuruͤck zu hal- ten, und hingegen die Anweſende zu erbauen ſu- chen; und, wo ſich dieſes nicht will thun laſſen, bald ſeinen Abſchied von ihnen nehmen, und ihnen damit einen guten Eindruck zur Beſtrafung in ihrem Gewiſſen hinterlaſſen. 3. Daß man die Wahrheit von ſich ſelbſt in aller Einfalt ohne eigenen Ruhm bezeugen koͤn- ne, ſiehet man alhier an Pauli Exempel, da er ſchreibet: Folget mir, lieben Bruͤder u. ſ. w. Es wird doch aber ſelten noͤthig ſeyn, daß man eine ſolche Bekaͤntniß von ſich ſelbſt mit Wor- ten ablege: ſondern es wird gemeiniglich hin- laͤnglich ſeyn, wenn das Leben ſelbſt redet und zeuget. Darauf man demnach ſo viel mehr zu ſehen hat, ſo viel ſchwerere Schuld man durch Aergerniſſe uͤber ſich ziehet. Matth. 17, 5. 6. Nicht aͤrgern iſt zwar gut: aber erbauen noch viel beſſer. 4. Die Philipper wuſten wohl, daß Pau- lus dem Exempel Chriſti folgete, als auf deſſen Gemeinſchaft er ſich vorher mit aller Wahrheit bezogen hatte. Und dieſes thut er bey der ge- forderten Nachfolge ſeines Exempels 1 Cor. 11, 1. mit

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/754>, abgerufen am 24.11.2024.