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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, 13. 14.
[Spaltenumbruch] ist, seyd auch ihr heilig in allem eurem
Wandel. Denn es stehet geschrieben:
ihr solt heilig seyn, denn ich bin heilig.
Und sintemal ihr den zum Vater anrufet,
der ohne Ansehen der Person richtet, nach
eines ieglichen Werck, so führet euren
Wandel, so lange ihr hie seyd, mit Furch-
ten.
Und daß eine so heilige Furcht, da man
vor der Majestät GOttes in Betrachtung seiner
grossen Unwürdigkeit und Unreinigkeit gleich-
sam zittert, gar wohl mit der Freude, und also
auch mit dem kindlichen Vertrauen bestehen
könne, das zeiget David gar nachdrücklich an,
wenn er Ps. 2, 11. beydes zusammen setzet, und
spricht: Dienet dem HErrn mit Furcht,
und freuet euch mit Zittern. Küsset den
Sohn, daß er nicht zürne
u. f. So ist auch
wohl zu mercken, daß Paulus vorher Christum
nach seiner grossen Majestät, darinnen er soll
demüthigst verehret werden, vorgestellet hatte.
V. 13.

Denn GOtt ists, der in euch wircket,
beyde das Wollen und das Thun, nach
seinem Wohlgefallen.

Anmerckungen.
1. Zuvorderst ist alhier die Verbindung
dieses Verses mit dem vorhergehenden zu mer-
cken. Die Ermahnung war, daß die Philip-
per solten ihre Seligkeit schaffen mit Furcht
und Zittern:
dazu nimmt er den Bewegungs-
Grund her von der Wirckung GOttes in ih-
nen. Damit er so viel sagen will, man habe es
im Wercke seiner Seligkeit nicht eigentlich mit
ihme, Paulo, sondern mit GOtt zu thun: und
da es GOtt nicht an sich ermangeln lasse, kräf-
tigst in ihnen zu wircken, so sey es auch ihre
Schuldigkeit auf ihrer Seite ihrer selbst mit fer-
nerer würdigen Annehmung und getreuen An-
wendung der göttlichen Gnade wohl wahrzuneh-
men; da es sonst, wo sie ihr Heil selbst versäu-
meten, so viel schwerere Verantwortung brin-
gen würde, so viel mehr einem GOtt mit seiner
Gnade zu statten komme. Thut man es doch
bey einem grossen HErrn, daß, ie grösser seine
Gnade gegen einen ist, ie mehr Furcht und
Sorgfalt hat man billig, daß man sie nicht wo-
durch verlieren möge.
2. Da nicht allein das Thun, sondern
auch das Wollen von GOtt kömmt, so sehen
wir, wie es um die Kräfte des freyen Willens in
geistlichen Dingen bey dem Menschen stehe:
nemlich, daß er gar nichts davon habe. Denn
ob gleich der Mensch den freyen Willen hat,
so fern er zum Wesen seiner Seelen gehöret: so
hat derselbe doch durch den Sünden-Fall alle
seine geistliche Kräfte verlohren: von welchen al-
hier die Rede ist. Dieser Verlust giebt ihm
aber so viel wenigere Entschuldigung bey seinem
unbekehrten Sinne, ie mehr ihm GOtt mit sei-
ner Gnade entgegen gehet, und ihm, was er nicht
hat, schencket.
3. Es kömmt bey dem Christenthum nicht
allein und fürnehmlich an auf suasionem mora-
lem,
auf eine solche Vorstellung, welche durch
[Spaltenumbruch] allerhand Bewegungs-Gründe an des Men-
schen Verstand zur Uberzeugung gebracht wird;
wie leider viele, wo nicht allemal der Lehre, doch
der würcklichen That nach, dafür halten; daher
aber weder selbst zum rechtschafnen Wesen des
Christenthums kommen, noch andere dazu brin-
gen. Denn ob gleich solche Vorstellungen al-
lerdinge nöthig sind: so ist doch die Anpreisung
und wirckliche Annehmung der Gnaden-Kräfte
GOttes noch nöthiger. Was hülfe es einem
Krancken, wenn ich ihm gleich die Gesundheit
noch so schön beschriebe, und ih[m] gleich noch so
nachdrücklich vorhielte, wie nöthig, löblich und
nützlich es sey, seinen äusserl[i]chen Berufs-Wer-
cken getreulich obzuliegen, und ihn davon über-
zeuge: ihn aber auf keine zur Genesung dienliche
und wircklich einzunehmende und in der Ord-
nung einer gehörigen Diaet wohl zu gebrauchen-
de Mittel weise, oder der Krancke solche nicht
annimmt? Es ist demnach die gratia docens
und illumin[u]s, die uns durch Lehre unterrich-
tende, überzeugende und erleuchtende Gnade
auch melicinalis, das ist, von der Beschaffenheit,
daß sie, wenn wir ihr nicht widerstreben, in uns
also eindringet, daß sie in uns die herrschende
Sünde, und dabey sonderlich den Unglauben,
angreiffet, überwindet, den bösen Sinn und
Willen des Fleisches bricht, den Grund des
Hertzens ändert, den Glauben, als das geistli-
che Leben anzündet, und dabey mit nöthigen
Kräften zur geistlichen Gesundheit und mit Lust
zum geistlichen Wandel ausrüstet, und also ma-
chet, daß man nicht allein könne, sondern gerne
wolle gottselig leben, und es auch wircklich thue.
Welches der Apostel alhier nennet, daß GOtt
in uns das Wollen und das Thun wircke
nach seinem Wohlgefallen.
Läßt man es
zu dieser Wirckung nicht kommen, und bleibet
man im gantzen Leben unter dieser Wirckung
mit gehöriger Wahrnehmung seiner selbst und
mit getreuer Folgsamkeit nicht stehen, so kömmt
man auch nimmermehr zum rechten Stande der
Gnaden und zur wahren Erleuchtung, oder man
verlieret wieder, was man gehabt hat. Dage-
gen des Apostels gantzer Brief, und darinnen
insonderheit diese Erinnerung gerichtet ist.
4. Das Wohlgefallen GOttes ist gegrün-
det in Christo, seinem Sohne, als von dem er
Matth. 3, 17. 17, 5. spricht: Dis ist mein lie-
ber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Da nun die Erlösung Christi allgemein ist, oder
ohne alle Ausnahme auf alle gehet; so ist auch
das Wohlgefallen GOttes dahin gerichtet, daß
die Erlösung allen angedeien möge: wie er denn
will, daß allen Menschen geholfen werde,
und sie zur Erkäntniß der Wahrheit kom-
men.
1 Tim. 2, 4. Welches gemeine Wohlge-
fallen bey den Philippern in der Ordnung des
Heils zu einer besondern Zueignung gekom-
men, und daher so viel hertzlicher und gesegneter
war.
V. 14. 15.

Thut alles ohne Murmelung und oh-
ne Zweifel: auf daß ihr seyd ohne Tadel

und
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, 13. 14.
[Spaltenumbruch] iſt, ſeyd auch ihr heilig in allem eurem
Wandel. Denn es ſtehet geſchrieben:
ihr ſolt heilig ſeyn, denn ich bin heilig.
Und ſintemal ihr den zum Vater anrufet,
der ohne Anſehen der Perſon richtet, nach
eines ieglichen Werck, ſo fuͤhret euren
Wandel, ſo lange ihr hie ſeyd, mit Furch-
ten.
Und daß eine ſo heilige Furcht, da man
vor der Majeſtaͤt GOttes in Betrachtung ſeiner
groſſen Unwuͤrdigkeit und Unreinigkeit gleich-
ſam zittert, gar wohl mit der Freude, und alſo
auch mit dem kindlichen Vertrauen beſtehen
koͤnne, das zeiget David gar nachdruͤcklich an,
wenn er Pſ. 2, 11. beydes zuſammen ſetzet, und
ſpricht: Dienet dem HErrn mit Furcht,
und freuet euch mit Zittern. Kuͤſſet den
Sohn, daß er nicht zuͤrne
u. f. So iſt auch
wohl zu mercken, daß Paulus vorher Chriſtum
nach ſeiner groſſen Majeſtaͤt, darinnen er ſoll
demuͤthigſt verehret werden, vorgeſtellet hatte.
V. 13.

Denn GOtt iſts, der in euch wircket,
beyde das Wollen und das Thun, nach
ſeinem Wohlgefallen.

Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung
dieſes Verſes mit dem vorhergehenden zu mer-
cken. Die Ermahnung war, daß die Philip-
per ſolten ihre Seligkeit ſchaffen mit Furcht
und Zittern:
dazu nimmt er den Bewegungs-
Grund her von der Wirckung GOttes in ih-
nen. Damit er ſo viel ſagen will, man habe es
im Wercke ſeiner Seligkeit nicht eigentlich mit
ihme, Paulo, ſondern mit GOtt zu thun: und
da es GOtt nicht an ſich ermangeln laſſe, kraͤf-
tigſt in ihnen zu wircken, ſo ſey es auch ihre
Schuldigkeit auf ihrer Seite ihrer ſelbſt mit fer-
nerer wuͤrdigen Annehmung und getreuen An-
wendung der goͤttlichen Gnade wohl wahrzuneh-
men; da es ſonſt, wo ſie ihr Heil ſelbſt verſaͤu-
meten, ſo viel ſchwerere Verantwortung brin-
gen wuͤrde, ſo viel mehr einem GOtt mit ſeiner
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bey einem groſſen HErrn, daß, ie groͤſſer ſeine
Gnade gegen einen iſt, ie mehr Furcht und
Sorgfalt hat man billig, daß man ſie nicht wo-
durch verlieren moͤge.
2. Da nicht allein das Thun, ſondern
auch das Wollen von GOtt koͤmmt, ſo ſehen
wir, wie es um die Kraͤfte des freyen Willens in
geiſtlichen Dingen bey dem Menſchen ſtehe:
nemlich, daß er gar nichts davon habe. Denn
ob gleich der Menſch den freyen Willen hat,
ſo fern er zum Weſen ſeiner Seelen gehoͤret: ſo
hat derſelbe doch durch den Suͤnden-Fall alle
ſeine geiſtliche Kraͤfte verlohren: von welchen al-
hier die Rede iſt. Dieſer Verluſt giebt ihm
aber ſo viel wenigere Entſchuldigung bey ſeinem
unbekehrten Sinne, ie mehr ihm GOtt mit ſei-
ner Gnade entgegen gehet, und ihm, was er nicht
hat, ſchencket.
3. Es koͤmmt bey dem Chriſtenthum nicht
allein und fuͤrnehmlich an auf ſuaſionem mora-
lem,
auf eine ſolche Vorſtellung, welche durch
[Spaltenumbruch] allerhand Bewegungs-Gruͤnde an des Men-
ſchen Verſtand zur Uberzeugung gebracht wird;
wie leider viele, wo nicht allemal der Lehre, doch
der wuͤrcklichen That nach, dafuͤr halten; daher
aber weder ſelbſt zum rechtſchafnen Weſen des
Chriſtenthums kommen, noch andere dazu brin-
gen. Denn ob gleich ſolche Vorſtellungen al-
lerdinge noͤthig ſind: ſo iſt doch die Anpreiſung
und wirckliche Annehmung der Gnaden-Kraͤfte
GOttes noch noͤthiger. Was huͤlfe es einem
Krancken, wenn ich ihm gleich die Geſundheit
noch ſo ſchoͤn beſchriebe, und ih[m] gleich noch ſo
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nuͤtzlich es ſey, ſeinen aͤuſſerl[i]chen Berufs-Wer-
cken getreulich obzuliegen, und ihn davon uͤber-
zeuge: ihn aber auf keine zur Geneſung dienliche
und wircklich einzunehmende und in der Ord-
nung einer gehoͤrigen Diæt wohl zu gebrauchen-
de Mittel weiſe, oder der Krancke ſolche nicht
annimmt? Es iſt demnach die gratia docens
und illumin[u]s, die uns durch Lehre unterrich-
tende, uͤberzeugende und erleuchtende Gnade
auch melicinalis, das iſt, von der Beſchaffenheit,
daß ſie, wenn wir ihr nicht widerſtreben, in uns
alſo eindringet, daß ſie in uns die herrſchende
Suͤnde, und dabey ſonderlich den Unglauben,
angreiffet, uͤberwindet, den boͤſen Sinn und
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che Leben anzuͤndet, und dabey mit noͤthigen
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chet, daß man nicht allein koͤnne, ſondern gerne
wolle gottſelig leben, und es auch wircklich thue.
Welches der Apoſtel alhier nennet, daß GOtt
in uns das Wollen und das Thun wircke
nach ſeinem Wohlgefallen.
Laͤßt man es
zu dieſer Wirckung nicht kommen, und bleibet
man im gantzen Leben unter dieſer Wirckung
mit gehoͤriger Wahrnehmung ſeiner ſelbſt und
mit getreuer Folgſamkeit nicht ſtehen, ſo koͤmmt
man auch nimmermehr zum rechten Stande der
Gnaden und zur wahren Erleuchtung, oder man
verlieret wieder, was man gehabt hat. Dage-
gen des Apoſtels gantzer Brief, und darinnen
inſonderheit dieſe Erinnerung gerichtet iſt.
4. Das Wohlgefallen GOttes iſt gegruͤn-
det in Chriſto, ſeinem Sohne, als von dem er
Matth. 3, 17. 17, 5. ſpricht: Dis iſt mein lie-
ber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Da nun die Erloͤſung Chriſti allgemein iſt, oder
ohne alle Ausnahme auf alle gehet; ſo iſt auch
das Wohlgefallen GOttes dahin gerichtet, daß
die Erloͤſung allen angedeien moͤge: wie er denn
will, daß allen Menſchen geholfen werde,
und ſie zur Erkaͤntniß der Wahrheit kom-
men.
1 Tim. 2, 4. Welches gemeine Wohlge-
fallen bey den Philippern in der Ordnung des
Heils zu einer beſondern Zueignung gekom-
men, und daher ſo viel hertzlicher und geſegneter
war.
V. 14. 15.

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ne Zweifel: auf daß ihr ſeyd ohne Tadel

und
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[712/0740] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, 13. 14. iſt, ſeyd auch ihr heilig in allem eurem Wandel. Denn es ſtehet geſchrieben: ihr ſolt heilig ſeyn, denn ich bin heilig. Und ſintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Anſehen der Perſon richtet, nach eines ieglichen Werck, ſo fuͤhret euren Wandel, ſo lange ihr hie ſeyd, mit Furch- ten. Und daß eine ſo heilige Furcht, da man vor der Majeſtaͤt GOttes in Betrachtung ſeiner groſſen Unwuͤrdigkeit und Unreinigkeit gleich- ſam zittert, gar wohl mit der Freude, und alſo auch mit dem kindlichen Vertrauen beſtehen koͤnne, das zeiget David gar nachdruͤcklich an, wenn er Pſ. 2, 11. beydes zuſammen ſetzet, und ſpricht: Dienet dem HErrn mit Furcht, und freuet euch mit Zittern. Kuͤſſet den Sohn, daß er nicht zuͤrne u. f. So iſt auch wohl zu mercken, daß Paulus vorher Chriſtum nach ſeiner groſſen Majeſtaͤt, darinnen er ſoll demuͤthigſt verehret werden, vorgeſtellet hatte. V. 13. Denn GOtt iſts, der in euch wircket, beyde das Wollen und das Thun, nach ſeinem Wohlgefallen. Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt alhier die Verbindung dieſes Verſes mit dem vorhergehenden zu mer- cken. Die Ermahnung war, daß die Philip- per ſolten ihre Seligkeit ſchaffen mit Furcht und Zittern: dazu nimmt er den Bewegungs- Grund her von der Wirckung GOttes in ih- nen. Damit er ſo viel ſagen will, man habe es im Wercke ſeiner Seligkeit nicht eigentlich mit ihme, Paulo, ſondern mit GOtt zu thun: und da es GOtt nicht an ſich ermangeln laſſe, kraͤf- tigſt in ihnen zu wircken, ſo ſey es auch ihre Schuldigkeit auf ihrer Seite ihrer ſelbſt mit fer- nerer wuͤrdigen Annehmung und getreuen An- wendung der goͤttlichen Gnade wohl wahrzuneh- men; da es ſonſt, wo ſie ihr Heil ſelbſt verſaͤu- meten, ſo viel ſchwerere Verantwortung brin- gen wuͤrde, ſo viel mehr einem GOtt mit ſeiner Gnade zu ſtatten komme. Thut man es doch bey einem groſſen HErrn, daß, ie groͤſſer ſeine Gnade gegen einen iſt, ie mehr Furcht und Sorgfalt hat man billig, daß man ſie nicht wo- durch verlieren moͤge. 2. Da nicht allein das Thun, ſondern auch das Wollen von GOtt koͤmmt, ſo ſehen wir, wie es um die Kraͤfte des freyen Willens in geiſtlichen Dingen bey dem Menſchen ſtehe: nemlich, daß er gar nichts davon habe. Denn ob gleich der Menſch den freyen Willen hat, ſo fern er zum Weſen ſeiner Seelen gehoͤret: ſo hat derſelbe doch durch den Suͤnden-Fall alle ſeine geiſtliche Kraͤfte verlohren: von welchen al- hier die Rede iſt. Dieſer Verluſt giebt ihm aber ſo viel wenigere Entſchuldigung bey ſeinem unbekehrten Sinne, ie mehr ihm GOtt mit ſei- ner Gnade entgegen gehet, und ihm, was er nicht hat, ſchencket. 3. Es koͤmmt bey dem Chriſtenthum nicht allein und fuͤrnehmlich an auf ſuaſionem mora- lem, auf eine ſolche Vorſtellung, welche durch allerhand Bewegungs-Gruͤnde an des Men- ſchen Verſtand zur Uberzeugung gebracht wird; wie leider viele, wo nicht allemal der Lehre, doch der wuͤrcklichen That nach, dafuͤr halten; daher aber weder ſelbſt zum rechtſchafnen Weſen des Chriſtenthums kommen, noch andere dazu brin- gen. Denn ob gleich ſolche Vorſtellungen al- lerdinge noͤthig ſind: ſo iſt doch die Anpreiſung und wirckliche Annehmung der Gnaden-Kraͤfte GOttes noch noͤthiger. Was huͤlfe es einem Krancken, wenn ich ihm gleich die Geſundheit noch ſo ſchoͤn beſchriebe, und ihm gleich noch ſo nachdruͤcklich vorhielte, wie noͤthig, loͤblich und nuͤtzlich es ſey, ſeinen aͤuſſerlichen Berufs-Wer- cken getreulich obzuliegen, und ihn davon uͤber- zeuge: ihn aber auf keine zur Geneſung dienliche und wircklich einzunehmende und in der Ord- nung einer gehoͤrigen Diæt wohl zu gebrauchen- de Mittel weiſe, oder der Krancke ſolche nicht annimmt? Es iſt demnach die gratia docens und illuminus, die uns durch Lehre unterrich- tende, uͤberzeugende und erleuchtende Gnade auch melicinalis, das iſt, von der Beſchaffenheit, daß ſie, wenn wir ihr nicht widerſtreben, in uns alſo eindringet, daß ſie in uns die herrſchende Suͤnde, und dabey ſonderlich den Unglauben, angreiffet, uͤberwindet, den boͤſen Sinn und Willen des Fleiſches bricht, den Grund des Hertzens aͤndert, den Glauben, als das geiſtli- che Leben anzuͤndet, und dabey mit noͤthigen Kraͤften zur geiſtlichen Geſundheit und mit Luſt zum geiſtlichen Wandel ausruͤſtet, und alſo ma- chet, daß man nicht allein koͤnne, ſondern gerne wolle gottſelig leben, und es auch wircklich thue. Welches der Apoſtel alhier nennet, daß GOtt in uns das Wollen und das Thun wircke nach ſeinem Wohlgefallen. Laͤßt man es zu dieſer Wirckung nicht kommen, und bleibet man im gantzen Leben unter dieſer Wirckung mit gehoͤriger Wahrnehmung ſeiner ſelbſt und mit getreuer Folgſamkeit nicht ſtehen, ſo koͤmmt man auch nimmermehr zum rechten Stande der Gnaden und zur wahren Erleuchtung, oder man verlieret wieder, was man gehabt hat. Dage- gen des Apoſtels gantzer Brief, und darinnen inſonderheit dieſe Erinnerung gerichtet iſt. 4. Das Wohlgefallen GOttes iſt gegruͤn- det in Chriſto, ſeinem Sohne, als von dem er Matth. 3, 17. 17, 5. ſpricht: Dis iſt mein lie- ber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Da nun die Erloͤſung Chriſti allgemein iſt, oder ohne alle Ausnahme auf alle gehet; ſo iſt auch das Wohlgefallen GOttes dahin gerichtet, daß die Erloͤſung allen angedeien moͤge: wie er denn will, daß allen Menſchen geholfen werde, und ſie zur Erkaͤntniß der Wahrheit kom- men. 1 Tim. 2, 4. Welches gemeine Wohlge- fallen bey den Philippern in der Ordnung des Heils zu einer beſondern Zueignung gekom- men, und daher ſo viel hertzlicher und geſegneter war. V. 14. 15. Thut alles ohne Murmelung und oh- ne Zweifel: auf daß ihr ſeyd ohne Tadel und

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/740>, abgerufen am 24.11.2024.