Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 2, v. 6-11. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
nicht die göttliche Natur selbst, sondern die gött-liche Kraft, Majestät und Herrlichkeit ist, wo- durch sie sich erweiset: so hat die Knechts-Ge- stalt auch zwar die wahre menschliche Natur zum Grunde, aber sie ist es nicht selbst, sondern es ist deroselben zum Mittler-Amte sich schickende Niedrigkeit: welche Niedrigkeit noch mehr er- läutert wird durch die Worte: er ward gleich- wie ein ander Mensch, und an Geberden als ein anderer Mensch erfunden. Denn gleichwie dem Sohne GOttes dieses gemeine menschliche schema, Leben und Betragen nöthig war zum Mittler-Amte: also würde sich der völ- lige und beständige Gebrauch der göttlichen Ge- stalt oder Herrlichkeit dazu nicht geschicket ha- ben; sintemal er auf solche Art sich im gantzen Leben so herrlich und noch herrlicher würde ha- ben erweisen müssen, als er sich in der Verklä- rung auf dem Berge erwiesen hatte: da er denn aber nicht hätte können leiden, sterben und das Werck der Erlösung verrichten. 9. Und auf solche niedrige Knechts-Ge- stalt gehet denn zu mehrer Erläuterung das eta- peinosen eauton, er erniedrigte sich selbst. Es ist demnach die tapeinosis nicht eben so viel, als die kenosis. Denn die tapeinosis, Ernie- drigung, zeiget den äusserlichen niedrigen Stand an, dazu die innerliche kenosis, Ausleerung, oder Begebung des völligen Gebrauchs der gött- lichen Herrlichkeit sich schicken muste und nöthig war. Und also ist in diesem gantze Texte eigent- lich die Rede nicht von der Zukunft CHristi ins Fleisch, und von der Menschwerdung; sondern von dem, wie sich CHristus nach derselben bey seinem Mittler-Amte mit dem Gebrauche der ihm beywohnenden Fülle der göttlichen Herrlich- keit verhalten habe: nemlich also, daß er allen seinen Gliedern damit das allervollkommneste Exempel der Verläugnung, wie dieselbe zu ande- rer ihrem Besten gerichtet seyn müsse, gegeben habe. 10. Damit nun dieses Exempel der Selbst- Verläugnung und Erniedrigung so viel mehrere Erweckung zur Nachfolge machen möchte, so ge- dencket der Apostel dabey auch des äussersten Grads, welcher im Tode, ja in dem schmählich- sten Tode am Creutze bestanden ist. Da denn mit den Worten: er ward gehorsam, zu der niedrigen Knechts-Gestalt auch die knechtliche Pflicht im Gehorsam gesetzet wird. Daß der Meßias auch sonst bey den Propheten ein Knecht, der Knecht des HErrn genennet wird, ist bekant. Man sehe Jes. 42, 1. 19. 43, 10. c. 53, 7. u. s. w. Es wird damit auf das Mittler-Amt CHristi gesehen, wie er sich zu al- lem Gehorsam dahin gegeben, und, ob er gleich ein HERR des Gesetzes war, sich doch unter das Gesetz, als ein Selbst-Schuldner, gethan, um durch desselben Erfüllung uns von dessen Fluche zu erlösen, und uns die wahre Freyheit zu erwer- ben. Gal. 4, 4. 5. Daher Paulus Hebr. 5, 8. spricht: Wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch an dem, das er lidte, Gehorsam ge- lernet. 11. Ob nun gleich dieser Gehorsam alhier nach dem äussersten Grad der Erniedrigung, in der [Spaltenumbruch] Dahingebung in den Creutzes-Tod gesetzet und also sonderlich von dem Leiden CHristi bezeichnet wird; so hat er doch nicht allein im Leiden, son- dern auch im Thun, und also in der allervoll- kommnesten Erfüllung des Gesetzes bestanden, welche auch mit der allervollkommnesten Liebe gegen GOTT und die Menschen mitten in den Leiden selbst statt gefunden hat. Von welchem thätigen und leidenden Gehorsam Paulus Rom. 5, 19. spricht, daß wir dadurch gerecht wer- den. V. 9. 10. 11. Darum hat ihn auch GOTT erhöhet, Anmerckungen. 1. Von dem Stande der Erniedrigung kömmt der Apostel billig auf den Stand der Erhöhung: davon alhier vier Stücke zu mer- cken sind: erstlich die Consecution, wie die Erhö- hung auf die Erniedrigung erfolget sey: her- nach worinnen sie bestanden: und denn zu wei- chem Zwecke sie geschehen: und nicht weniger auch der Ort Jes. 45. woraus dieser Text größten Theils genommen ist. 2. Was den Erfolg betrifft, so ist der- selbe angezeiget durch das Wörtlein dio, darum, und lieget der Grund davon in der Gültigkeit der Erniedrigung, daß nemlich dadurch, und son- derlich durch den Versöhnungs-Tod am Creutze, das Werck der Erlösung dergestalt vollbracht sey, daß, nachdem der Bürge erwürget worden, und er sich selbst zum Löse-Geld dahin gegeben hatte, die Schuld des menschlichen Geschlechts damit abgethan und der richterlichen Gerechtigkeit ein Genüge geschehen war. Daher erforderte es nicht allein die Liebe, sondern auch die Gerech- tigkeit GOttes, daß, da der Tod schon an sich selbst mit dem geleisteten übrigen Gehorsam zur Genugthuung hinlänglich war, und daher der Bürge im Tode der längern und ewigen Daue- rung nicht durfte und konte behalten werden, er nach der Erniedrigung erhöhet und durch die Er- höhung die Gültigkeit und Kraft der Erniedri- gung, und sonderlich darin des Versöhnungs- Todes, zur gläubigen Application bezeuget würde. 3. Nun ist zwar unser Heiland, als wahrer GOTT, durch seine eigene göttliche Kraft auf- erstanden, gen Himmel gefahren und hat sich zur Rechten GOttes gesetzet: wie er denn daher spricht Joh. 2, 19. Brechet diesen Tempel (meines Leibes) und am dritten Tage will ich ihn aufrichten (von den Todten auferste- hen v. 21. 22.) Und c. 10, 18. Jch habe Macht das Leben zu lassen und wieder zu nehmen. Ferner c. 20, 17. Jch fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem GOtt U u u u 3
Cap. 2, v. 6-11. an die Philipper. [Spaltenumbruch]
nicht die goͤttliche Natur ſelbſt, ſondern die goͤtt-liche Kraft, Majeſtaͤt und Herrlichkeit iſt, wo- durch ſie ſich erweiſet: ſo hat die Knechts-Ge- ſtalt auch zwar die wahre menſchliche Natur zum Grunde, aber ſie iſt es nicht ſelbſt, ſondern es iſt deroſelben zum Mittler-Amte ſich ſchickende Niedrigkeit: welche Niedrigkeit noch mehr er- laͤutert wird durch die Worte: er ward gleich- wie ein ander Menſch, und an Geberden als ein anderer Menſch erfunden. Denn gleichwie dem Sohne GOttes dieſes gemeine menſchliche ſchema, Leben und Betragen noͤthig war zum Mittler-Amte: alſo wuͤrde ſich der voͤl- lige und beſtaͤndige Gebrauch der goͤttlichen Ge- ſtalt oder Herrlichkeit dazu nicht geſchicket ha- ben; ſintemal er auf ſolche Art ſich im gantzen Leben ſo herrlich und noch herrlicher wuͤrde ha- ben erweiſen muͤſſen, als er ſich in der Verklaͤ- rung auf dem Berge erwieſen hatte: da er denn aber nicht haͤtte koͤnnen leiden, ſterben und das Werck der Erloͤſung verrichten. 9. Und auf ſolche niedrige Knechts-Ge- ſtalt gehet denn zu mehrer Erlaͤuterung das ἐτα- πείνωσεν ἑαυτὸν, er erniedrigte ſich ſelbſt. Es iſt demnach die ταπείνωσις nicht eben ſo viel, als die κένωσις. Denn die ταπείνωσις, Ernie- drigung, zeiget den aͤuſſerlichen niedrigen Stand an, dazu die innerliche κένωσις, Ausleerung, oder Begebung des voͤlligen Gebrauchs der goͤtt- lichen Herrlichkeit ſich ſchicken muſte und noͤthig war. Und alſo iſt in dieſem gantze Texte eigent- lich die Rede nicht von der Zukunft CHriſti ins Fleiſch, und von der Menſchwerdung; ſondern von dem, wie ſich CHriſtus nach derſelben bey ſeinem Mittler-Amte mit dem Gebrauche der ihm beywohnenden Fuͤlle der goͤttlichen Herrlich- keit verhalten habe: nemlich alſo, daß er allen ſeinen Gliedern damit das allervollkommneſte Exempel der Verlaͤugnung, wie dieſelbe zu ande- rer ihrem Beſten gerichtet ſeyn muͤſſe, gegeben habe. 10. Damit nun dieſes Exempel der Selbſt- Verlaͤugnung und Erniedrigung ſo viel mehrere Erweckung zur Nachfolge machen moͤchte, ſo ge- dencket der Apoſtel dabey auch des aͤuſſerſten Grads, welcher im Tode, ja in dem ſchmaͤhlich- ſten Tode am Creutze beſtanden iſt. Da denn mit den Worten: er ward gehorſam, zu der niedrigen Knechts-Geſtalt auch die knechtliche Pflicht im Gehorſam geſetzet wird. Daß der Meßias auch ſonſt bey den Propheten ein Knecht, der Knecht des HErrn genennet wird, iſt bekant. Man ſehe Jeſ. 42, 1. 19. 43, 10. c. 53, 7. u. ſ. w. Es wird damit auf das Mittler-Amt CHriſti geſehen, wie er ſich zu al- lem Gehorſam dahin gegeben, und, ob er gleich ein HERR des Geſetzes war, ſich doch unter das Geſetz, als ein Selbſt-Schuldner, gethan, um durch deſſelben Erfuͤllung uns von deſſen Fluche zu erloͤſen, und uns die wahre Freyheit zu erwer- ben. Gal. 4, 4. 5. Daher Paulus Hebr. 5, 8. ſpricht: Wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch an dem, das er lidte, Gehorſam ge- lernet. 11. Ob nun gleich dieſer Gehorſam alhier nach dem aͤuſſerſten Grad der Erniedrigung, in der [Spaltenumbruch] Dahingebung in den Creutzes-Tod geſetzet und alſo ſonderlich von dem Leiden CHriſti bezeichnet wird; ſo hat er doch nicht allein im Leiden, ſon- dern auch im Thun, und alſo in der allervoll- kommneſten Erfuͤllung des Geſetzes beſtanden, welche auch mit der allervollkommneſten Liebe gegen GOTT und die Menſchen mitten in den Leiden ſelbſt ſtatt gefunden hat. Von welchem thaͤtigen und leidenden Gehorſam Paulus Rom. 5, 19. ſpricht, daß wir dadurch gerecht wer- den. V. 9. 10. 11. Darum hat ihn auch GOTT erhoͤhet, Anmerckungen. 1. Von dem Stande der Erniedrigung koͤmmt der Apoſtel billig auf den Stand der Erhoͤhung: davon alhier vier Stuͤcke zu mer- cken ſind: erſtlich die Conſecution, wie die Erhoͤ- hung auf die Erniedrigung erfolget ſey: her- nach worinnen ſie beſtanden: und denn zu wei- chem Zwecke ſie geſchehen: und nicht weniger auch der Ort Jeſ. 45. woraus dieſer Text groͤßten Theils genommen iſt. 2. Was den Erfolg betrifft, ſo iſt der- ſelbe angezeiget durch das Woͤrtlein διὸ, darum, und lieget der Grund davon in der Guͤltigkeit der Erniedrigung, daß nemlich dadurch, und ſon- derlich durch den Verſoͤhnungs-Tod am Creutze, das Werck der Erloͤſung dergeſtalt vollbracht ſey, daß, nachdem der Buͤrge erwuͤrget worden, und er ſich ſelbſt zum Loͤſe-Geld dahin gegeben hatte, die Schuld des menſchlichen Geſchlechts damit abgethan und der richterlichen Gerechtigkeit ein Genuͤge geſchehen war. Daher erforderte es nicht allein die Liebe, ſondern auch die Gerech- tigkeit GOttes, daß, da der Tod ſchon an ſich ſelbſt mit dem geleiſteten uͤbrigen Gehorſam zur Genugthuung hinlaͤnglich war, und daher der Buͤrge im Tode der laͤngern und ewigen Daue- rung nicht durfte und konte behalten werden, er nach der Erniedrigung erhoͤhet und durch die Er- hoͤhung die Guͤltigkeit und Kraft der Erniedri- gung, und ſonderlich darin des Verſoͤhnungs- Todes, zur glaͤubigen Application bezeuget wuͤrde. 3. Nun iſt zwar unſer Heiland, als wahrer GOTT, durch ſeine eigene goͤttliche Kraft auf- erſtanden, gen Himmel gefahren und hat ſich zur Rechten GOttes geſetzet: wie er denn daher ſpricht Joh. 2, 19. Brechet dieſen Tempel (meines Leibes) und am dritten Tage will ich ihn aufrichten (von den Todten auferſte- hen v. 21. 22.) Und c. 10, 18. Jch habe Macht das Leben zu laſſen und wieder zu nehmen. Ferner c. 20, 17. Jch fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem GOtt U u u u 3
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Cap. 2, v. 6-11. an die Philipper.
nicht die goͤttliche Natur ſelbſt, ſondern die goͤtt-
liche Kraft, Majeſtaͤt und Herrlichkeit iſt, wo-
durch ſie ſich erweiſet: ſo hat die Knechts-Ge-
ſtalt auch zwar die wahre menſchliche Natur
zum Grunde, aber ſie iſt es nicht ſelbſt, ſondern
es iſt deroſelben zum Mittler-Amte ſich ſchickende
Niedrigkeit: welche Niedrigkeit noch mehr er-
laͤutert wird durch die Worte: er ward gleich-
wie ein ander Menſch, und an Geberden
als ein anderer Menſch erfunden. Denn
gleichwie dem Sohne GOttes dieſes gemeine
menſchliche ſchema, Leben und Betragen noͤthig
war zum Mittler-Amte: alſo wuͤrde ſich der voͤl-
lige und beſtaͤndige Gebrauch der goͤttlichen Ge-
ſtalt oder Herrlichkeit dazu nicht geſchicket ha-
ben; ſintemal er auf ſolche Art ſich im gantzen
Leben ſo herrlich und noch herrlicher wuͤrde ha-
ben erweiſen muͤſſen, als er ſich in der Verklaͤ-
rung auf dem Berge erwieſen hatte: da er denn
aber nicht haͤtte koͤnnen leiden, ſterben und das
Werck der Erloͤſung verrichten.
9. Und auf ſolche niedrige Knechts-Ge-
ſtalt gehet denn zu mehrer Erlaͤuterung das ἐτα-
πείνωσεν ἑαυτὸν, er erniedrigte ſich ſelbſt.
Es iſt demnach die ταπείνωσις nicht eben ſo viel,
als die κένωσις. Denn die ταπείνωσις, Ernie-
drigung, zeiget den aͤuſſerlichen niedrigen Stand
an, dazu die innerliche κένωσις, Ausleerung,
oder Begebung des voͤlligen Gebrauchs der goͤtt-
lichen Herrlichkeit ſich ſchicken muſte und noͤthig
war. Und alſo iſt in dieſem gantze Texte eigent-
lich die Rede nicht von der Zukunft CHriſti ins
Fleiſch, und von der Menſchwerdung; ſondern
von dem, wie ſich CHriſtus nach derſelben bey
ſeinem Mittler-Amte mit dem Gebrauche der
ihm beywohnenden Fuͤlle der goͤttlichen Herrlich-
keit verhalten habe: nemlich alſo, daß er allen
ſeinen Gliedern damit das allervollkommneſte
Exempel der Verlaͤugnung, wie dieſelbe zu ande-
rer ihrem Beſten gerichtet ſeyn muͤſſe, gegeben
habe.
10. Damit nun dieſes Exempel der Selbſt-
Verlaͤugnung und Erniedrigung ſo viel mehrere
Erweckung zur Nachfolge machen moͤchte, ſo ge-
dencket der Apoſtel dabey auch des aͤuſſerſten
Grads, welcher im Tode, ja in dem ſchmaͤhlich-
ſten Tode am Creutze beſtanden iſt. Da denn
mit den Worten: er ward gehorſam, zu der
niedrigen Knechts-Geſtalt auch die knechtliche
Pflicht im Gehorſam geſetzet wird. Daß der
Meßias auch ſonſt bey den Propheten ein
Knecht, der Knecht des HErrn genennet
wird, iſt bekant. Man ſehe Jeſ. 42, 1. 19. 43,
10. c. 53, 7. u. ſ. w. Es wird damit auf das
Mittler-Amt CHriſti geſehen, wie er ſich zu al-
lem Gehorſam dahin gegeben, und, ob er gleich
ein HERR des Geſetzes war, ſich doch unter das
Geſetz, als ein Selbſt-Schuldner, gethan, um
durch deſſelben Erfuͤllung uns von deſſen Fluche
zu erloͤſen, und uns die wahre Freyheit zu erwer-
ben. Gal. 4, 4. 5. Daher Paulus Hebr. 5, 8.
ſpricht: Wiewol er GOttes Sohn war, hat
er doch an dem, das er lidte, Gehorſam ge-
lernet.
11. Ob nun gleich dieſer Gehorſam alhier
nach dem aͤuſſerſten Grad der Erniedrigung, in der
Dahingebung in den Creutzes-Tod geſetzet und
alſo ſonderlich von dem Leiden CHriſti bezeichnet
wird; ſo hat er doch nicht allein im Leiden, ſon-
dern auch im Thun, und alſo in der allervoll-
kommneſten Erfuͤllung des Geſetzes beſtanden,
welche auch mit der allervollkommneſten Liebe
gegen GOTT und die Menſchen mitten in den
Leiden ſelbſt ſtatt gefunden hat. Von welchem
thaͤtigen und leidenden Gehorſam Paulus Rom.
5, 19. ſpricht, daß wir dadurch gerecht wer-
den.
V. 9. 10. 11.
Darum hat ihn auch GOTT erhoͤhet,
und hat ihm einen Namen gegeben, der
uͤber alle Namen iſt: V. 10. Daß in dem
Namen JESU ſich beugen ſollen alle
derer Knie, die im Himmel, und auf Er-
den und unter der Erden ſind, V. 11. und
alle Zungen bekennen ſollen, daß JEſus
CHriſtus der HERR ſey, zur Ehre GOt-
tes des Vaters.
Anmerckungen.
1. Von dem Stande der Erniedrigung
koͤmmt der Apoſtel billig auf den Stand der
Erhoͤhung: davon alhier vier Stuͤcke zu mer-
cken ſind: erſtlich die Conſecution, wie die Erhoͤ-
hung auf die Erniedrigung erfolget ſey: her-
nach worinnen ſie beſtanden: und denn zu wei-
chem Zwecke ſie geſchehen: und nicht weniger
auch der Ort Jeſ. 45. woraus dieſer Text groͤßten
Theils genommen iſt.
2. Was den Erfolg betrifft, ſo iſt der-
ſelbe angezeiget durch das Woͤrtlein διὸ, darum,
und lieget der Grund davon in der Guͤltigkeit der
Erniedrigung, daß nemlich dadurch, und ſon-
derlich durch den Verſoͤhnungs-Tod am Creutze,
das Werck der Erloͤſung dergeſtalt vollbracht ſey,
daß, nachdem der Buͤrge erwuͤrget worden, und
er ſich ſelbſt zum Loͤſe-Geld dahin gegeben hatte,
die Schuld des menſchlichen Geſchlechts damit
abgethan und der richterlichen Gerechtigkeit ein
Genuͤge geſchehen war. Daher erforderte es
nicht allein die Liebe, ſondern auch die Gerech-
tigkeit GOttes, daß, da der Tod ſchon an ſich
ſelbſt mit dem geleiſteten uͤbrigen Gehorſam zur
Genugthuung hinlaͤnglich war, und daher der
Buͤrge im Tode der laͤngern und ewigen Daue-
rung nicht durfte und konte behalten werden, er
nach der Erniedrigung erhoͤhet und durch die Er-
hoͤhung die Guͤltigkeit und Kraft der Erniedri-
gung, und ſonderlich darin des Verſoͤhnungs-
Todes, zur glaͤubigen Application bezeuget
wuͤrde.
3. Nun iſt zwar unſer Heiland, als wahrer
GOTT, durch ſeine eigene goͤttliche Kraft auf-
erſtanden, gen Himmel gefahren und hat ſich zur
Rechten GOttes geſetzet: wie er denn daher
ſpricht Joh. 2, 19. Brechet dieſen Tempel
(meines Leibes) und am dritten Tage will
ich ihn aufrichten (von den Todten auferſte-
hen v. 21. 22.) Und c. 10, 18. Jch habe Macht
das Leben zu laſſen und wieder zu nehmen.
Ferner c. 20, 17. Jch fahre auf zu meinem
Vater und zu eurem Vater, zu meinem
GOtt
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