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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 3, 18. 19. an die Epheser.
[Spaltenumbruch] vorgestellet hat: also fähret er im folgenden da-
mit fort, und spricht von einer Breite, Länge,
Tiefe
und Höhe: als welches solche Redens-
Arten sind, die da sonderlich zu der architectur
gehören.
3. Und da der Apostel von der Liebe Got-
tes
redet, und auf die Oeconomie des neuen Te-
staments siehet, wie GOtt darinnen vermöge
seiner Liebe das Werck der Erlösung durch Chri-
stum ausgeführet habe und zur würcklichen Ap-
plication
durch die berufende Gnade bringe: so
verstehen wir durch die Breite billig die Allge-
meinheit
der Liebe GOttes in Christo, wie sie
über das gantze menschliche Geschlecht gehet;
durch die Länge ihre Unendlichkeit, wie sie
weder Anfang noch Ende habe, sondern von E-
wigkeit her sey, und in alle Ewigkeit sich erstre-
cke; durch die Tiefe und Höhe derselben uner-
meßliche und unbegreifliche Grösse, nach wel-
cher sie gantz Geheimniß-voll ist. Denn was
der Apostel Rom. 11, 33. von den Wegen und
sonderlich von den Gerichten GOttes saget:
O welch eine Tiefe? u. s. f. das gilt alhier
sonderlich von der Oeconomie des Heils in
Christo.
4. Es ist demnach aus dem Context offen-
bar, daß der Apostel durch die Liebe, worin
wir sollen gewurtzelt und gegründet werden, die
Liebe verstehet, welche GOtt zu uns träget,
und in Christo gegen uns geoffenbaret hat und
wircklich erweiset. Zwar gedencket er vorher
des Glaubens, dadurch Christus in unserm
Hertzen wohne; daß es also das Ansehen haben
könte, als rede er darauf von unserer Liebe ge-
gen GOtt, dadurch sich der Glaube thätig er-
weiset: allein, ob dieses gleich an sich wahr ge-
nug ist; so ist doch unsere Liebe gegen GOtt sehr
mangelhaftig und unvollkommen, und würde
uns keinen unumstöslichen Grund geben kön-
nen, sonderlich in Anfechtungen und bey dem
Gefühl der Armuth des Geistes; da man seiner
Liebe gegen GOtt, ob sie gleich wahrhaftig da
ist, dennoch wenig in sich erkennet. Wenn man
sich aber hingegen die Breite, Länge, Tiefe und
Höhe der unverdienten Liebe GOttes in Christo
gegen uns vorstellet, so hat man daran allerdin-
ge einen vesten und unbeweglichen Grund, dar-
auf man bauen kan.
5. Von dieser Liebe GOttes gegen uns re-
det der Apostel auch Röm. 8, 31-39. insonderheit
v. 35. Wer will uns scheiden von der Liebe
GOttes? Trübsal oder Angst
u. s. w. und
v. 38. 39. Jch bin gewiß, daß weder Tod
noch Leben - - noch keine andere Cre-
atur uns scheiden mag von der Liebe
GOttes, die in Christo JEsu ist, unserm
HErrn.
6. Es hat demnach derjenige, der sich im
Christenthum recht veste setzen will, sich son-
derlich die Liebe GOttes in Christo JEsu gläu-
big vorzustellen, also, daß diese seine tägliche und
beständige Seelen-Nahrung sey. Und dis ists,
was Petrus von den Christen, als neugebohr-
nen Kindlein GOttes, saget, daß sie begierig
sollen seyn nach der vernünftigen lautern
Milch, daß sie dadurch zunehmen; nach-
[Spaltenumbruch] dem sie einmal geschmecket haben, wie
freundlich der HErr sey.
1 Pet. 2, 2-4. Sie-
he auch Rom. 5, 5.
7. Jm übrigen ist bey diesem Text der
Paulinische Spruch Col. 2, 6. 7. wohl zu mer-
cken: Wie ihr angenommen habet den
HErrn JEsum, so wandelt in ihm, und
seyd veste im Glauben.
V. 19.

Auch erkennen, daß Christum lieb ha-
ben viel besser ist, als alles Wissen, auf daß
ihr
(von solcher Erkäntniß aus der Fülle der
Liebe Christi, die ihr bereits geschmecket habet
Rom. 5, 5.) erfüllet werdet mit allerley
GOttes Fülle
(mit solcher Fülle der Gnade und
Gnaden-Kräfte, welche von GOtt kömmt, und
uns immer näher in die Gemeinschaft GOttes
ziehet, und uns also auch immer mehr nach
GOtt gesinnet machet.)

Anmerckungen.
1. Es ist an sich wahr genug, daß Christum
wahrhaftig lieb haben viel besser ist, denn alles
Wissen, nemlich als ein solches Wissen von
Christo und göttlichen Dingen, welches der Lie-
be entgegen gesetzet ist, oder dabey man ohne
Glauben und Liebe bleibet, als welches nur auf-
blähet 2 Cor. 8, 1. 2. und dadurch man nur ei-
nem thönenden Ertze und einer klingenden
Schelle ähnlich wird 1 Cor. 13, 1. 2. Wie
denn auch die wahre Liebe Christi, auf die es
nebst dem Glauben ankömmt, nie ohne wahre
Erkäntniß ist; sondern wahre Liebe und wahre
Erkäntniß überaus wohl mit einander überein-
stimmen. Welches Paulus sonderlich Phil. 1,
9-11. anzeiget, da er bezeuget, wie die Erkänt-
niß die Liebe zum Grunde habe und vermehre.
2. Es ist auch dieses wahr, daß, wenn
man eine Vergleichung anstellet, auch zwischen
der wahren Erkäntniß und der Liebe, die Liebe
zwar den Mangel einer solchen Erkäntniß, die,
ob sie gleich die nöthigsten Stücke in sich hat,
doch, mit Pauli Worten zu reden, sich weder in
die systematische Breite und Länge, noch in die
Höhe und Tiefe, die sie bey einem Lehrer billig
haben muß, sich erstrecket, ziemlich ersetzet, also,
daß einem solcher Mangel so viel weniger an der
Seligkeit schadet, so viel mehr eine solche Liebe
doch den wahren Glauben zum Grunde hat:
wie man solches bey vielen wahrhaftig bekehr-
ten Christen, die aber auch natürlicher Weise
von geringerer Fähigkeit sind, befindet.
Hingegen aber ersetzet ein grösseres Maß der
wahren Erkäntniß den Mangel der thätigen Lie-
be nicht, also, daß das, was an würcklicher Aus-
übung der schuldigen und möglichen Liebes-
Pflichten abgehet, einem um der Erkäntniß wil-
len nicht zugerechnet werde; da vielmehr das
mehrere Maß der Erkäntniß die Schuldigkeit
der Ausübung vermehret.
3. Ob es nun gleich an sich selbst eine solche
Beschaffenheit mit der Liebe und der Erkäntniß
hat: so redet doch Paulus alhier davon nicht,
sondern davon, daß die Liebe Christi, womit
er
Cap. 3, 18. 19. an die Epheſer.
[Spaltenumbruch] vorgeſtellet hat: alſo faͤhret er im folgenden da-
mit fort, und ſpricht von einer Breite, Laͤnge,
Tiefe
und Hoͤhe: als welches ſolche Redens-
Arten ſind, die da ſonderlich zu der architectur
gehoͤren.
3. Und da der Apoſtel von der Liebe Got-
tes
redet, und auf die Oeconomie des neuen Te-
ſtaments ſiehet, wie GOtt darinnen vermoͤge
ſeiner Liebe das Werck der Erloͤſung durch Chri-
ſtum ausgefuͤhret habe und zur wuͤrcklichen Ap-
plication
durch die berufende Gnade bringe: ſo
verſtehen wir durch die Breite billig die Allge-
meinheit
der Liebe GOttes in Chriſto, wie ſie
uͤber das gantze menſchliche Geſchlecht gehet;
durch die Laͤnge ihre Unendlichkeit, wie ſie
weder Anfang noch Ende habe, ſondern von E-
wigkeit her ſey, und in alle Ewigkeit ſich erſtre-
cke; durch die Tiefe und Hoͤhe derſelben uner-
meßliche und unbegreifliche Groͤſſe, nach wel-
cher ſie gantz Geheimniß-voll iſt. Denn was
der Apoſtel Rom. 11, 33. von den Wegen und
ſonderlich von den Gerichten GOttes ſaget:
O welch eine Tiefe? u. ſ. f. das gilt alhier
ſonderlich von der Oeconomie des Heils in
Chriſto.
4. Es iſt demnach aus dem Context offen-
bar, daß der Apoſtel durch die Liebe, worin
wir ſollen gewurtzelt und gegruͤndet werden, die
Liebe verſtehet, welche GOtt zu uns traͤget,
und in Chriſto gegen uns geoffenbaret hat und
wircklich erweiſet. Zwar gedencket er vorher
des Glaubens, dadurch Chriſtus in unſerm
Hertzen wohne; daß es alſo das Anſehen haben
koͤnte, als rede er darauf von unſerer Liebe ge-
gen GOtt, dadurch ſich der Glaube thaͤtig er-
weiſet: allein, ob dieſes gleich an ſich wahr ge-
nug iſt; ſo iſt doch unſere Liebe gegen GOtt ſehr
mangelhaftig und unvollkommen, und wuͤrde
uns keinen unumſtoͤslichen Grund geben koͤn-
nen, ſonderlich in Anfechtungen und bey dem
Gefuͤhl der Armuth des Geiſtes; da man ſeiner
Liebe gegen GOtt, ob ſie gleich wahrhaftig da
iſt, dennoch wenig in ſich erkennet. Wenn man
ſich aber hingegen die Breite, Laͤnge, Tiefe und
Hoͤhe der unverdienten Liebe GOttes in Chriſto
gegen uns vorſtellet, ſo hat man daran allerdin-
ge einen veſten und unbeweglichen Grund, dar-
auf man bauen kan.
5. Von dieſer Liebe GOttes gegen uns re-
det der Apoſtel auch Roͤm. 8, 31-39. inſonderheit
v. 35. Wer will uns ſcheiden von der Liebe
GOttes? Truͤbſal oder Angſt
u. ſ. w. und
v. 38. 39. Jch bin gewiß, daß weder Tod
noch Leben ‒ ‒ noch keine andere Cre-
atur uns ſcheiden mag von der Liebe
GOttes, die in Chriſto JEſu iſt, unſerm
HErrn.
6. Es hat demnach derjenige, der ſich im
Chriſtenthum recht veſte ſetzen will, ſich ſon-
derlich die Liebe GOttes in Chriſto JEſu glaͤu-
big vorzuſtellen, alſo, daß dieſe ſeine taͤgliche und
beſtaͤndige Seelen-Nahrung ſey. Und dis iſts,
was Petrus von den Chriſten, als neugebohr-
nen Kindlein GOttes, ſaget, daß ſie begierig
ſollen ſeyn nach der vernuͤnftigen lautern
Milch, daß ſie dadurch zunehmen; nach-
[Spaltenumbruch] dem ſie einmal geſchmecket haben, wie
freundlich der HErr ſey.
1 Pet. 2, 2-4. Sie-
he auch Rom. 5, 5.
7. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Text der
Pauliniſche Spruch Col. 2, 6. 7. wohl zu mer-
cken: Wie ihr angenommen habet den
HErrn JEſum, ſo wandelt in ihm, und
ſeyd veſte im Glauben.
V. 19.

Auch erkennen, daß Chriſtum lieb ha-
ben viel beſſer iſt, als alles Wiſſen, auf daß
ihr
(von ſolcher Erkaͤntniß aus der Fuͤlle der
Liebe Chriſti, die ihr bereits geſchmecket habet
Rom. 5, 5.) erfuͤllet werdet mit allerley
GOttes Fuͤlle
(mit ſolcher Fuͤlle der Gnade und
Gnaden-Kraͤfte, welche von GOtt koͤmmt, und
uns immer naͤher in die Gemeinſchaft GOttes
ziehet, und uns alſo auch immer mehr nach
GOtt geſinnet machet.)

Anmerckungen.
1. Es iſt an ſich wahr genug, daß Chriſtum
wahrhaftig lieb haben viel beſſer iſt, denn alles
Wiſſen, nemlich als ein ſolches Wiſſen von
Chriſto und goͤttlichen Dingen, welches der Lie-
be entgegen geſetzet iſt, oder dabey man ohne
Glauben und Liebe bleibet, als welches nur auf-
blaͤhet 2 Cor. 8, 1. 2. und dadurch man nur ei-
nem thoͤnenden Ertze und einer klingenden
Schelle aͤhnlich wird 1 Cor. 13, 1. 2. Wie
denn auch die wahre Liebe Chriſti, auf die es
nebſt dem Glauben ankoͤmmt, nie ohne wahre
Erkaͤntniß iſt; ſondern wahre Liebe und wahre
Erkaͤntniß uͤberaus wohl mit einander uͤberein-
ſtimmen. Welches Paulus ſonderlich Phil. 1,
9-11. anzeiget, da er bezeuget, wie die Erkaͤnt-
niß die Liebe zum Grunde habe und vermehre.
2. Es iſt auch dieſes wahr, daß, wenn
man eine Vergleichung anſtellet, auch zwiſchen
der wahren Erkaͤntniß und der Liebe, die Liebe
zwar den Mangel einer ſolchen Erkaͤntniß, die,
ob ſie gleich die noͤthigſten Stuͤcke in ſich hat,
doch, mit Pauli Worten zu reden, ſich weder in
die ſyſtematiſche Breite und Laͤnge, noch in die
Hoͤhe und Tiefe, die ſie bey einem Lehrer billig
haben muß, ſich erſtrecket, ziemlich erſetzet, alſo,
daß einem ſolcher Mangel ſo viel weniger an der
Seligkeit ſchadet, ſo viel mehr eine ſolche Liebe
doch den wahren Glauben zum Grunde hat:
wie man ſolches bey vielen wahrhaftig bekehr-
ten Chriſten, die aber auch natuͤrlicher Weiſe
von geringerer Faͤhigkeit ſind, befindet.
Hingegen aber erſetzet ein groͤſſeres Maß der
wahren Erkaͤntniß den Mangel der thaͤtigen Lie-
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uͤbung der ſchuldigen und moͤglichen Liebes-
Pflichten abgehet, einem um der Erkaͤntniß wil-
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mehrere Maß der Erkaͤntniß die Schuldigkeit
der Ausuͤbung vermehret.
3. Ob es nun gleich an ſich ſelbſt eine ſolche
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[631/0659] Cap. 3, 18. 19. an die Epheſer. vorgeſtellet hat: alſo faͤhret er im folgenden da- mit fort, und ſpricht von einer Breite, Laͤnge, Tiefe und Hoͤhe: als welches ſolche Redens- Arten ſind, die da ſonderlich zu der architectur gehoͤren. 3. Und da der Apoſtel von der Liebe Got- tes redet, und auf die Oeconomie des neuen Te- ſtaments ſiehet, wie GOtt darinnen vermoͤge ſeiner Liebe das Werck der Erloͤſung durch Chri- ſtum ausgefuͤhret habe und zur wuͤrcklichen Ap- plication durch die berufende Gnade bringe: ſo verſtehen wir durch die Breite billig die Allge- meinheit der Liebe GOttes in Chriſto, wie ſie uͤber das gantze menſchliche Geſchlecht gehet; durch die Laͤnge ihre Unendlichkeit, wie ſie weder Anfang noch Ende habe, ſondern von E- wigkeit her ſey, und in alle Ewigkeit ſich erſtre- cke; durch die Tiefe und Hoͤhe derſelben uner- meßliche und unbegreifliche Groͤſſe, nach wel- cher ſie gantz Geheimniß-voll iſt. Denn was der Apoſtel Rom. 11, 33. von den Wegen und ſonderlich von den Gerichten GOttes ſaget: O welch eine Tiefe? u. ſ. f. das gilt alhier ſonderlich von der Oeconomie des Heils in Chriſto. 4. Es iſt demnach aus dem Context offen- bar, daß der Apoſtel durch die Liebe, worin wir ſollen gewurtzelt und gegruͤndet werden, die Liebe verſtehet, welche GOtt zu uns traͤget, und in Chriſto gegen uns geoffenbaret hat und wircklich erweiſet. Zwar gedencket er vorher des Glaubens, dadurch Chriſtus in unſerm Hertzen wohne; daß es alſo das Anſehen haben koͤnte, als rede er darauf von unſerer Liebe ge- gen GOtt, dadurch ſich der Glaube thaͤtig er- weiſet: allein, ob dieſes gleich an ſich wahr ge- nug iſt; ſo iſt doch unſere Liebe gegen GOtt ſehr mangelhaftig und unvollkommen, und wuͤrde uns keinen unumſtoͤslichen Grund geben koͤn- nen, ſonderlich in Anfechtungen und bey dem Gefuͤhl der Armuth des Geiſtes; da man ſeiner Liebe gegen GOtt, ob ſie gleich wahrhaftig da iſt, dennoch wenig in ſich erkennet. Wenn man ſich aber hingegen die Breite, Laͤnge, Tiefe und Hoͤhe der unverdienten Liebe GOttes in Chriſto gegen uns vorſtellet, ſo hat man daran allerdin- ge einen veſten und unbeweglichen Grund, dar- auf man bauen kan. 5. Von dieſer Liebe GOttes gegen uns re- det der Apoſtel auch Roͤm. 8, 31-39. inſonderheit v. 35. Wer will uns ſcheiden von der Liebe GOttes? Truͤbſal oder Angſt u. ſ. w. und v. 38. 39. Jch bin gewiß, daß weder Tod noch Leben ‒ ‒ noch keine andere Cre- atur uns ſcheiden mag von der Liebe GOttes, die in Chriſto JEſu iſt, unſerm HErrn. 6. Es hat demnach derjenige, der ſich im Chriſtenthum recht veſte ſetzen will, ſich ſon- derlich die Liebe GOttes in Chriſto JEſu glaͤu- big vorzuſtellen, alſo, daß dieſe ſeine taͤgliche und beſtaͤndige Seelen-Nahrung ſey. Und dis iſts, was Petrus von den Chriſten, als neugebohr- nen Kindlein GOttes, ſaget, daß ſie begierig ſollen ſeyn nach der vernuͤnftigen lautern Milch, daß ſie dadurch zunehmen; nach- dem ſie einmal geſchmecket haben, wie freundlich der HErr ſey. 1 Pet. 2, 2-4. Sie- he auch Rom. 5, 5. 7. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Text der Pauliniſche Spruch Col. 2, 6. 7. wohl zu mer- cken: Wie ihr angenommen habet den HErrn JEſum, ſo wandelt in ihm, und ſeyd veſte im Glauben. V. 19. Auch erkennen, daß Chriſtum lieb ha- ben viel beſſer iſt, als alles Wiſſen, auf daß ihr (von ſolcher Erkaͤntniß aus der Fuͤlle der Liebe Chriſti, die ihr bereits geſchmecket habet Rom. 5, 5.) erfuͤllet werdet mit allerley GOttes Fuͤlle (mit ſolcher Fuͤlle der Gnade und Gnaden-Kraͤfte, welche von GOtt koͤmmt, und uns immer naͤher in die Gemeinſchaft GOttes ziehet, und uns alſo auch immer mehr nach GOtt geſinnet machet.) Anmerckungen. 1. Es iſt an ſich wahr genug, daß Chriſtum wahrhaftig lieb haben viel beſſer iſt, denn alles Wiſſen, nemlich als ein ſolches Wiſſen von Chriſto und goͤttlichen Dingen, welches der Lie- be entgegen geſetzet iſt, oder dabey man ohne Glauben und Liebe bleibet, als welches nur auf- blaͤhet 2 Cor. 8, 1. 2. und dadurch man nur ei- nem thoͤnenden Ertze und einer klingenden Schelle aͤhnlich wird 1 Cor. 13, 1. 2. Wie denn auch die wahre Liebe Chriſti, auf die es nebſt dem Glauben ankoͤmmt, nie ohne wahre Erkaͤntniß iſt; ſondern wahre Liebe und wahre Erkaͤntniß uͤberaus wohl mit einander uͤberein- ſtimmen. Welches Paulus ſonderlich Phil. 1, 9-11. anzeiget, da er bezeuget, wie die Erkaͤnt- niß die Liebe zum Grunde habe und vermehre. 2. Es iſt auch dieſes wahr, daß, wenn man eine Vergleichung anſtellet, auch zwiſchen der wahren Erkaͤntniß und der Liebe, die Liebe zwar den Mangel einer ſolchen Erkaͤntniß, die, ob ſie gleich die noͤthigſten Stuͤcke in ſich hat, doch, mit Pauli Worten zu reden, ſich weder in die ſyſtematiſche Breite und Laͤnge, noch in die Hoͤhe und Tiefe, die ſie bey einem Lehrer billig haben muß, ſich erſtrecket, ziemlich erſetzet, alſo, daß einem ſolcher Mangel ſo viel weniger an der Seligkeit ſchadet, ſo viel mehr eine ſolche Liebe doch den wahren Glauben zum Grunde hat: wie man ſolches bey vielen wahrhaftig bekehr- ten Chriſten, die aber auch natuͤrlicher Weiſe von geringerer Faͤhigkeit ſind, befindet. Hingegen aber erſetzet ein groͤſſeres Maß der wahren Erkaͤntniß den Mangel der thaͤtigen Lie- be nicht, alſo, daß das, was an wuͤrcklicher Aus- uͤbung der ſchuldigen und moͤglichen Liebes- Pflichten abgehet, einem um der Erkaͤntniß wil- len nicht zugerechnet werde; da vielmehr das mehrere Maß der Erkaͤntniß die Schuldigkeit der Ausuͤbung vermehret. 3. Ob es nun gleich an ſich ſelbſt eine ſolche Beſchaffenheit mit der Liebe und der Erkaͤntniß hat: ſo redet doch Paulus alhier davon nicht, ſondern davon, daß die Liebe Chriſti, womit er

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/659>, abgerufen am 24.11.2024.