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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 5, 16. 17. an die Galater.
[Spaltenumbruch] chen Hülfe und der Gerichte in manchen Stü-
cken nicht entbehren kan, doch alles so eingerich-
tet seyn könte, daß ein so Seelen-Verderbli-
ches auch Geld und Gut verzehrendes Proceßi-
ren weder gesuchet, noch verstattet würde. Daß
die Welt auch bey der Christenheit leider im Ar-
gen liege, ist unter andern sonderlich aus den so
argen Gerichts-Händeln zu ersehen.
V. 16.

Jch sage aber (nach apostolischer Aucto-
rit
ät als ein Wort der Wahrheit, wie ihr sol-
chem unter euch eingerissenen Ubel sollet und
könnet abhelfen) wandelt im Geist (in und
nach der neuen Natur, die ihr in der Wieder-
geburt von GOtt empfangen habet) so werdet
ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen

(Gr. und vollbringet die Lüste des Fleisches durch-
aus nicht.)

Anmerckungen.
1. Gleichwie das Wort Fleisch die Erb-
Sünde und den Grund aller sündlichen-Unart,
welche auch in den Wiedergebohrnen noch übrig
ist, bedeutet: also zeiget das Wort Geist im
Gegensatze dasjenige gute principium, oder den-
jenigen guten Grund an, welchen der Mensch
nach dem Evangelio aus der Gnade in der Wie-
dergeburt empfangen hat. Da es heißt: Was
vom Fleische gebohren ist, das ist Fleisch.
Was vom Geist gebohren ist, das ist Geist.

Joh. 3, 6. Vorher im dritten Capitel v. 3.
dieses Briefes stehet auch eben dieser Gegensatz:
Jm Geist habet ihr angefangen, im Fleisch
wollet ihr vollenden:
alwo aber mit solchen
Worten etwas weiter gesehen wird; nemlich,
wie eines theils auf die Oeconomie des Evangelii
(welche zwar der Apostel auch im gegenwärtigen
Orte zum Grunde setzet) also andern theils auf
die derselben entgegen stehende alte Oecono-
mi
e des Gesetzes und der jüdischen Satzungen,
insonderheit der Beschneidung: wobey es aber
geschahe, daß man, bey Entstehung des Evan-
gelii und aller evangelischen Gnaden-Kraft,
auch wircklich nach dem Fleische, oder nach dem
Triebe der bösen Natur lebte.
2. Der Wandel nach dem Geiste hat
dieses zum Grunde, daß man das principium
des Geistes in sich habe, und sich nach der neuen
Geburt aus GOtt von dem Heiligen Geiste
treiben und regieren lasse Rom. 8, 14. Psalm
143, 10. und also erfodert er eine solche Folgsam-
keit, daß man desselben Regimente sich gäntzlich
überlassen, und wie den gantzen innerlichen Zu-
stand des Gemüths, also auch alle äusserliche
Geschäfte darnach einrichten solle. Und solcher
gestalt gehet der Wandel über alles innerliche und
äusserliche.
3. Gleichwie nun das Fleisch hier ist die
Erb-Sünde, so sind die Lüste des Fleisches
alle wirckliche Sünden, welche aus jener, als
aus einer bösen Quelle, entstehen: sintemal es
bey allen Sünden auf eine sündliche Begierde,
entweder nach fleischlicher Wollust, welche die
äusserlichen Sinne rühret, oder nach Geld und
Gut, oder nach Ehre, ankömmt.
[Spaltenumbruch]
4. Es ist demnach die Lust nach dem Fall
des Menschen kein Mittel-Ding, so da erst
durch den Exceß böse werde; sondern sie ist an
sich selbst schon unrein und unordentlich, ob sie
sich auch gleich in einiger Mäßigkeit hält; und
also muß sie verleugnet und gedämpfet werden,
daß sie nicht zur Herrschaft komme.
5. Da es aber ein anders ist, die Lust ha-
ben,
und fühlen; ein anders sie vollbringen:
so entstehet daher der Unterscheid der wircklichen
Sünde unter der reitzenden und beherrschenden,
oder unter der Schwachheits- und Bosheits-
Sünde. Da denn diese von solcher Beschaf-
fenheit ist, daß der Glaube und die Gnade Got-
tes dabey nicht bestehen kan.
6. Da man leider von allerhand Lüsten
des Fleisches gereitzet und gelocket wird, wie
es Jac. 1, 14. 15. heisset; so hat man ja zuzusehen,
daß man sich vor der innerlichen Einwilligung,
Belustigung
und Hegung, und folglich auch
vor der würcklichen äusserlichen Vollbringung
hüte. Manche Sünde ist also beschaffen, daß
sie auch schon innerlich vollbracht und im Aus-
bruche nur gehindert wird: gleichwie manches
gute Werck innerlich mit völligem Willen voll-
zogen wird, aber wegen gewisser Hinderungen
äusserlich nicht zum Erweise, oder zur Ausübung
kommen kan. Man conferire im übrigen bey
diesem Texte die Stellen Rom. 6, 12. 8, 13. 14.
1 Pet. 2, 11.
V. 17.

Denn (um zu erkennen, daß der getreue
Wandel nach dem Geiste so gar nöthig sey, so
wisset, daß) das Fleisch (die in den Gläubigen
noch übrige sündliche Unart) gelüstet (reget sich
in allerhand Lüsten) wider den Geist (die durch
die Wiedergeburt in dem Menschen hervorge-
brachte neue Natur oder neue Creatur, und den
neuen Sinn) und den Geist (gelüstet, oder er
reget und setzet sich) wider das Fleisch: die-
selben sind
(wie ihrer gar widrigen Natur nach
schon an sich selbst, also auch mit dem daher er-
regten Kampfe beständig) wider einander,
daß ihr nicht thut, was ihr wollet
(weder
nach dem Fleische, die Sünde herrschen zu las-
sen, noch nach dem Geiste, dieselbe also zu däm-
pfen, daß sie gar mit der Wurtzel ausgereutet
werde.)

Anmerckungen.
1. Dieser Spruch Pauli pfleget gar sehr
gemißbrauchet, oder auch mißverstanden zu wer-
den; und zwar auf eine doppelte Art. Erstlich
also, daß man den Kampf zwischen der an sich
in gewisser Masse noch gesunden Vernunft mit
ihren Natur-Kräften, und der groben sinnlichen
Begierde für einen Kampf des Fleisches und des
Geistes ausgiebt, und daher eine Probe seines
Gnaden-Standes nimmt, sich aber damit selbst
betrüget. Denn ein anders ist auf der einen
Seite der wiedergebohrne Geist des Men-
schen, und auf der andern das blosse natürliche
Vernunfts-Licht
mit seinen blossen Natur-
Kräften. Nicht weniger ist ein anders das in
den Wiedergebohrnen noch übrige Fleisch, oder
die
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Cap. 5, 16. 17. an die Galater.
[Spaltenumbruch] chen Huͤlfe und der Gerichte in manchen Stuͤ-
cken nicht entbehren kan, doch alles ſo eingerich-
tet ſeyn koͤnte, daß ein ſo Seelen-Verderbli-
ches auch Geld und Gut verzehrendes Proceßi-
ren weder geſuchet, noch verſtattet wuͤrde. Daß
die Welt auch bey der Chriſtenheit leider im Ar-
gen liege, iſt unter andern ſonderlich aus den ſo
argen Gerichts-Haͤndeln zu erſehen.
V. 16.

Jch ſage aber (nach apoſtoliſcher Aucto-
rit
aͤt als ein Wort der Wahrheit, wie ihr ſol-
chem unter euch eingeriſſenen Ubel ſollet und
koͤnnet abhelfen) wandelt im Geiſt (in und
nach der neuen Natur, die ihr in der Wieder-
geburt von GOtt empfangen habet) ſo werdet
ihr die Luͤſte des Fleiſches nicht vollbringen

(Gr. und vollbringet die Luͤſte des Fleiſches durch-
aus nicht.)

Anmerckungen.
1. Gleichwie das Wort Fleiſch die Erb-
Suͤnde und den Grund aller ſuͤndlichen-Unart,
welche auch in den Wiedergebohrnen noch uͤbrig
iſt, bedeutet: alſo zeiget das Wort Geiſt im
Gegenſatze dasjenige gute principium, oder den-
jenigen guten Grund an, welchen der Menſch
nach dem Evangelio aus der Gnade in der Wie-
dergeburt empfangen hat. Da es heißt: Was
vom Fleiſche gebohren iſt, das iſt Fleiſch.
Was vom Geiſt gebohren iſt, das iſt Geiſt.

Joh. 3, 6. Vorher im dritten Capitel v. 3.
dieſes Briefes ſtehet auch eben dieſer Gegenſatz:
Jm Geiſt habet ihr angefangen, im Fleiſch
wollet ihr vollenden:
alwo aber mit ſolchen
Worten etwas weiter geſehen wird; nemlich,
wie eines theils auf die Oeconomie des Evangelii
(welche zwar der Apoſtel auch im gegenwaͤrtigen
Orte zum Grunde ſetzet) alſo andern theils auf
die derſelben entgegen ſtehende alte Oecono-
mi
e des Geſetzes und der juͤdiſchen Satzungen,
inſonderheit der Beſchneidung: wobey es aber
geſchahe, daß man, bey Entſtehung des Evan-
gelii und aller evangeliſchen Gnaden-Kraft,
auch wircklich nach dem Fleiſche, oder nach dem
Triebe der boͤſen Natur lebte.
2. Der Wandel nach dem Geiſte hat
dieſes zum Grunde, daß man das principium
des Geiſtes in ſich habe, und ſich nach der neuen
Geburt aus GOtt von dem Heiligen Geiſte
treiben und regieren laſſe Rom. 8, 14. Pſalm
143, 10. und alſo erfodert er eine ſolche Folgſam-
keit, daß man deſſelben Regimente ſich gaͤntzlich
uͤberlaſſen, und wie den gantzen innerlichen Zu-
ſtand des Gemuͤths, alſo auch alle aͤuſſerliche
Geſchaͤfte darnach einrichten ſolle. Und ſolcher
geſtalt gehet der Wandel uͤber alles innerliche und
aͤuſſerliche.
3. Gleichwie nun das Fleiſch hier iſt die
Erb-Suͤnde, ſo ſind die Luͤſte des Fleiſches
alle wirckliche Suͤnden, welche aus jener, als
aus einer boͤſen Quelle, entſtehen: ſintemal es
bey allen Suͤnden auf eine ſuͤndliche Begierde,
entweder nach fleiſchlicher Wolluſt, welche die
aͤuſſerlichen Sinne ruͤhret, oder nach Geld und
Gut, oder nach Ehre, ankoͤmmt.
[Spaltenumbruch]
4. Es iſt demnach die Luſt nach dem Fall
des Menſchen kein Mittel-Ding, ſo da erſt
durch den Exceß boͤſe werde; ſondern ſie iſt an
ſich ſelbſt ſchon unrein und unordentlich, ob ſie
ſich auch gleich in einiger Maͤßigkeit haͤlt; und
alſo muß ſie verleugnet und gedaͤmpfet werden,
daß ſie nicht zur Herrſchaft komme.
5. Da es aber ein anders iſt, die Luſt ha-
ben,
und fuͤhlen; ein anders ſie vollbringen:
ſo entſtehet daher der Unterſcheid der wircklichen
Suͤnde unter der reitzenden und beherrſchenden,
oder unter der Schwachheits- und Bosheits-
Suͤnde. Da denn dieſe von ſolcher Beſchaf-
fenheit iſt, daß der Glaube und die Gnade Got-
tes dabey nicht beſtehen kan.
6. Da man leider von allerhand Luͤſten
des Fleiſches gereitzet und gelocket wird, wie
es Jac. 1, 14. 15. heiſſet; ſo hat man ja zuzuſehen,
daß man ſich vor der innerlichen Einwilligung,
Beluſtigung
und Hegung, und folglich auch
vor der wuͤrcklichen aͤuſſerlichen Vollbringung
huͤte. Manche Suͤnde iſt alſo beſchaffen, daß
ſie auch ſchon innerlich vollbracht und im Aus-
bruche nur gehindert wird: gleichwie manches
gute Werck innerlich mit voͤlligem Willen voll-
zogen wird, aber wegen gewiſſer Hinderungen
aͤuſſerlich nicht zum Erweiſe, oder zur Ausuͤbung
kommen kan. Man conferire im uͤbrigen bey
dieſem Texte die Stellen Rom. 6, 12. 8, 13. 14.
1 Pet. 2, 11.
V. 17.

Denn (um zu erkennen, daß der getreue
Wandel nach dem Geiſte ſo gar noͤthig ſey, ſo
wiſſet, daß) das Fleiſch (die in den Glaͤubigen
noch uͤbrige ſuͤndliche Unart) geluͤſtet (reget ſich
in allerhand Luͤſten) wider den Geiſt (die durch
die Wiedergeburt in dem Menſchen hervorge-
brachte neue Natur oder neue Creatur, und den
neuen Sinn) und den Geiſt (geluͤſtet, oder er
reget und ſetzet ſich) wider das Fleiſch: die-
ſelben ſind
(wie ihrer gar widrigen Natur nach
ſchon an ſich ſelbſt, alſo auch mit dem daher er-
regten Kampfe beſtaͤndig) wider einander,
daß ihr nicht thut, was ihr wollet
(weder
nach dem Fleiſche, die Suͤnde herrſchen zu laſ-
ſen, noch nach dem Geiſte, dieſelbe alſo zu daͤm-
pfen, daß ſie gar mit der Wurtzel ausgereutet
werde.)

Anmerckungen.
1. Dieſer Spruch Pauli pfleget gar ſehr
gemißbrauchet, oder auch mißverſtanden zu wer-
den; und zwar auf eine doppelte Art. Erſtlich
alſo, daß man den Kampf zwiſchen der an ſich
in gewiſſer Maſſe noch geſunden Vernunft mit
ihren Natur-Kraͤften, und der groben ſinnlichen
Begierde fuͤr einen Kampf des Fleiſches und des
Geiſtes ausgiebt, und daher eine Probe ſeines
Gnaden-Standes nimmt, ſich aber damit ſelbſt
betruͤget. Denn ein anders iſt auf der einen
Seite der wiedergebohrne Geiſt des Men-
ſchen, und auf der andern das bloſſe natuͤrliche
Vernunfts-Licht
mit ſeinen bloſſen Natur-
Kraͤften. Nicht weniger iſt ein anders das in
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[563/0591] Cap. 5, 16. 17. an die Galater. chen Huͤlfe und der Gerichte in manchen Stuͤ- cken nicht entbehren kan, doch alles ſo eingerich- tet ſeyn koͤnte, daß ein ſo Seelen-Verderbli- ches auch Geld und Gut verzehrendes Proceßi- ren weder geſuchet, noch verſtattet wuͤrde. Daß die Welt auch bey der Chriſtenheit leider im Ar- gen liege, iſt unter andern ſonderlich aus den ſo argen Gerichts-Haͤndeln zu erſehen. V. 16. Jch ſage aber (nach apoſtoliſcher Aucto- ritaͤt als ein Wort der Wahrheit, wie ihr ſol- chem unter euch eingeriſſenen Ubel ſollet und koͤnnet abhelfen) wandelt im Geiſt (in und nach der neuen Natur, die ihr in der Wieder- geburt von GOtt empfangen habet) ſo werdet ihr die Luͤſte des Fleiſches nicht vollbringen (Gr. und vollbringet die Luͤſte des Fleiſches durch- aus nicht.) Anmerckungen. 1. Gleichwie das Wort Fleiſch die Erb- Suͤnde und den Grund aller ſuͤndlichen-Unart, welche auch in den Wiedergebohrnen noch uͤbrig iſt, bedeutet: alſo zeiget das Wort Geiſt im Gegenſatze dasjenige gute principium, oder den- jenigen guten Grund an, welchen der Menſch nach dem Evangelio aus der Gnade in der Wie- dergeburt empfangen hat. Da es heißt: Was vom Fleiſche gebohren iſt, das iſt Fleiſch. Was vom Geiſt gebohren iſt, das iſt Geiſt. Joh. 3, 6. Vorher im dritten Capitel v. 3. dieſes Briefes ſtehet auch eben dieſer Gegenſatz: Jm Geiſt habet ihr angefangen, im Fleiſch wollet ihr vollenden: alwo aber mit ſolchen Worten etwas weiter geſehen wird; nemlich, wie eines theils auf die Oeconomie des Evangelii (welche zwar der Apoſtel auch im gegenwaͤrtigen Orte zum Grunde ſetzet) alſo andern theils auf die derſelben entgegen ſtehende alte Oecono- mie des Geſetzes und der juͤdiſchen Satzungen, inſonderheit der Beſchneidung: wobey es aber geſchahe, daß man, bey Entſtehung des Evan- gelii und aller evangeliſchen Gnaden-Kraft, auch wircklich nach dem Fleiſche, oder nach dem Triebe der boͤſen Natur lebte. 2. Der Wandel nach dem Geiſte hat dieſes zum Grunde, daß man das principium des Geiſtes in ſich habe, und ſich nach der neuen Geburt aus GOtt von dem Heiligen Geiſte treiben und regieren laſſe Rom. 8, 14. Pſalm 143, 10. und alſo erfodert er eine ſolche Folgſam- keit, daß man deſſelben Regimente ſich gaͤntzlich uͤberlaſſen, und wie den gantzen innerlichen Zu- ſtand des Gemuͤths, alſo auch alle aͤuſſerliche Geſchaͤfte darnach einrichten ſolle. Und ſolcher geſtalt gehet der Wandel uͤber alles innerliche und aͤuſſerliche. 3. Gleichwie nun das Fleiſch hier iſt die Erb-Suͤnde, ſo ſind die Luͤſte des Fleiſches alle wirckliche Suͤnden, welche aus jener, als aus einer boͤſen Quelle, entſtehen: ſintemal es bey allen Suͤnden auf eine ſuͤndliche Begierde, entweder nach fleiſchlicher Wolluſt, welche die aͤuſſerlichen Sinne ruͤhret, oder nach Geld und Gut, oder nach Ehre, ankoͤmmt. 4. Es iſt demnach die Luſt nach dem Fall des Menſchen kein Mittel-Ding, ſo da erſt durch den Exceß boͤſe werde; ſondern ſie iſt an ſich ſelbſt ſchon unrein und unordentlich, ob ſie ſich auch gleich in einiger Maͤßigkeit haͤlt; und alſo muß ſie verleugnet und gedaͤmpfet werden, daß ſie nicht zur Herrſchaft komme. 5. Da es aber ein anders iſt, die Luſt ha- ben, und fuͤhlen; ein anders ſie vollbringen: ſo entſtehet daher der Unterſcheid der wircklichen Suͤnde unter der reitzenden und beherrſchenden, oder unter der Schwachheits- und Bosheits- Suͤnde. Da denn dieſe von ſolcher Beſchaf- fenheit iſt, daß der Glaube und die Gnade Got- tes dabey nicht beſtehen kan. 6. Da man leider von allerhand Luͤſten des Fleiſches gereitzet und gelocket wird, wie es Jac. 1, 14. 15. heiſſet; ſo hat man ja zuzuſehen, daß man ſich vor der innerlichen Einwilligung, Beluſtigung und Hegung, und folglich auch vor der wuͤrcklichen aͤuſſerlichen Vollbringung huͤte. Manche Suͤnde iſt alſo beſchaffen, daß ſie auch ſchon innerlich vollbracht und im Aus- bruche nur gehindert wird: gleichwie manches gute Werck innerlich mit voͤlligem Willen voll- zogen wird, aber wegen gewiſſer Hinderungen aͤuſſerlich nicht zum Erweiſe, oder zur Ausuͤbung kommen kan. Man conferire im uͤbrigen bey dieſem Texte die Stellen Rom. 6, 12. 8, 13. 14. 1 Pet. 2, 11. V. 17. Denn (um zu erkennen, daß der getreue Wandel nach dem Geiſte ſo gar noͤthig ſey, ſo wiſſet, daß) das Fleiſch (die in den Glaͤubigen noch uͤbrige ſuͤndliche Unart) geluͤſtet (reget ſich in allerhand Luͤſten) wider den Geiſt (die durch die Wiedergeburt in dem Menſchen hervorge- brachte neue Natur oder neue Creatur, und den neuen Sinn) und den Geiſt (geluͤſtet, oder er reget und ſetzet ſich) wider das Fleiſch: die- ſelben ſind (wie ihrer gar widrigen Natur nach ſchon an ſich ſelbſt, alſo auch mit dem daher er- regten Kampfe beſtaͤndig) wider einander, daß ihr nicht thut, was ihr wollet (weder nach dem Fleiſche, die Suͤnde herrſchen zu laſ- ſen, noch nach dem Geiſte, dieſelbe alſo zu daͤm- pfen, daß ſie gar mit der Wurtzel ausgereutet werde.) Anmerckungen. 1. Dieſer Spruch Pauli pfleget gar ſehr gemißbrauchet, oder auch mißverſtanden zu wer- den; und zwar auf eine doppelte Art. Erſtlich alſo, daß man den Kampf zwiſchen der an ſich in gewiſſer Maſſe noch geſunden Vernunft mit ihren Natur-Kraͤften, und der groben ſinnlichen Begierde fuͤr einen Kampf des Fleiſches und des Geiſtes ausgiebt, und daher eine Probe ſeines Gnaden-Standes nimmt, ſich aber damit ſelbſt betruͤget. Denn ein anders iſt auf der einen Seite der wiedergebohrne Geiſt des Men- ſchen, und auf der andern das bloſſe natuͤrliche Vernunfts-Licht mit ſeinen bloſſen Natur- Kraͤften. Nicht weniger iſt ein anders das in den Wiedergebohrnen noch uͤbrige Fleiſch, oder die B b b b 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/591>, abgerufen am 24.11.2024.