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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 1, 17. 18. an die Römer.
[Spaltenumbruch] ne solche Kraft GOttes, welche man zur würck-
lichen Veränderung des Hertzens, zur wahren
geistlichen Genesung und rechtschaffnen Anrich-
tung des Ebenbildes GOttes in der Seele er-
fähret und empfindet, und daher auch der
künftigen Seligkeit so viel gewisser ist.
V. 17.

Sintemal darinnen offenbaret (deut-
lich, und ohne Vorbilder in der Erfüllung vor-
getragen) wird die Gerechtigkeit, die vor
GOtt gilt
(und daher alhier die Gerechtigkeit
GOttes,
die er schencket, nicht unser, die wir
an uns hätten, genennet wird, weil GOTT
allein darauf zu unserer Versöhnung siehet, und
sie als gültig annimmt und uns zurechnet: das
ist, die uns von CHristo erworbene Gerechtig-
keit, Jes. 45, 25. c. 53, 11. Jer. 23, 5. 6. c. 33,
14. 15. Röm. 3, 21. 22. 26. c. 10, 3. Phil. 3, 9.)
welche kömmt aus Glauben in Glauben
(die Gerechtigkeit aus dem Glauben, das ist
die Glaubens-Gerechtigkeit, welche in so
fern aus dem Glauben kömmt, als sie durch den
Glauben ergriffen und dem Glauben oder Gläu-
bigen, zugerechnet wird; Röm. 3, 22. 26. 28.
30. c. 4, 3. 5. 6. 11. 13. 16. Diese Glaubens-
Gerechtigkeit wird im Evangelio vor- und ange-
tragen, als eine solche, die aus dem Glauben
kömmt: wozu denn? eis pisin, in Glauben,
oder zum Glauben, denselben in dem Hertzen
der Menschen anzuzünden, und sie glaubig zu
ergreifen:) gleichwie (im Propheten Habacuc
c. 2, 4.) geschrieben stehet: der Gerechte
wird seines Glaubens leben
(er wird durch
den Glauben, darinnen er schon das geistliche
Leben zum Unterpfande des ewigen Lebens hat,
das ewige Leben haben: wie es unter andern
auch Joh. 3, 16. heißt: oder, wie es nach dem
Hebräischen Grund-Texte, darinnen der Bey-
satz ek piseos zum subjecto gehöret, gegeben
werden muß: der Gerechte aus dem Glau-
ben,
das ist, der Glaubens-Gerechte, wird
leben,
wie alhier nach dem geistlichen Leben im
Reiche der Gnaden; also dort nach dem ewigen
im Reiche der Herrlichkeit. Nach welcher con-
struction
diese Worte: der Gerechte aus dem
Glauben,
oder der Glaubens-Gerechte, der
Grund sind, warum der Apostel sich vorher
eben dieser Redensart in abstracto bedienet, und
gesaget hat: dikaiosune ek piseos, die Ge-
rechtigkeit aus dem Glauben,
oder die
Glaubens-Gerechtigkeit,
wird im Evange-
lio offenbaret zum Glauben, um sich durch solche
geoffenbarete Verheissungen zum Glauben
bringen zu lassen. Siehe auch Gal. 3, 11. Hebr.
10, 38.)

Anmerckungen.

1. Der geliebte Leser hat wohl zu mercken,
daß in diesen beyden Versen, dem 16ten und
17ten, wie der Kern des Evangelii und der gan-
tzen Evangelischen Religion, also auch der Haupt-
Satz und die vornehmste Lehre dieses gantzen
Briefes lieget: sintemal daraus, als aus einem
Mittel-Puncte, alle übrige Lehren hergeleitet
und wieder dahinein geführet werden können.

[Spaltenumbruch]

2. Man hat mit diesen beyden Versen
wohl zusammen zu halten das, was wir cap.
3, 21. u. s. w. lesen: als woselbst Paulus wieder
auf eben diese Haupt-Materie kömmt, und sie
mit mehrern abhandelt; nach dem er vorher c. 1.
und 2. von den Heyden und Juden erwiesen hat,
daß sie ausser CHristo und seinem Evangelio
nichts haben, womit sie vor GOtt bestehen kön-
nen, sondern mit einander dem gerechten Ge-
richte GOttes zur Verdammniß von Natur un-
terworfen sind.

3. Was für ein Nachdruck in dem Worte
Evangelium, oder fröliche Botschaft von
der Gnade GOttes liege, läßt sich wol nicht
besser vorstellen, als unter dem Bilde eines De-
linquen
ten, der nach schon gesprochenem Todes-
Urtheil zur execution hingeführet wird, an der
Stäte aber, da sie vollzogen werden soll, von
iemanden, der von der hohen Landes-Obrigkeit
dazu beordert ist, gantz unvermuthet höret, das
einzige Wort: Gnade! Gnade! ihm entge-
gen rufen. Auf welche Anmerckung mich die
Begebenheit führet, da dieses vor vielen Jah-
ren in Berlin zween Dieben unter dem Galgen
wiederfahren: und zwar vor meinem Gesichte
und meinen Ohren, da ich sie, als damaliger
Pastor daselbst, nach der an mich gekommenen
Ordnung, zum Tode zuzubereiten hatte, und
also, nebst noch einem andern Prediger, mit ih-
nen gegangen war.

4. Die Worte ek piseos eis pisin, aus
Glauben in Glauben,
lassen sich auch gar
füglich also erklären, daß damit der bestätigte
Wachsthum und Fortgang des Glaubens von
einer Kraft zur andern angezeiget werde: gleich-
wie es Ps. 84, 8. von den Gläubigen heißt, daß
sie gehen [fremdsprachliches Material - fehlt], von einer Kraft zur
andern, und 2 Cor. 3, 18. daß sie kommen
apo doxes eis doxan, von einer Klarheit zur
andern. Wiewol die vorher gegebene Erklä-
rung mehr mit dem Orte des Propheten Haba-
cucs überein kömmt: als darinnen die Worte
o dikaios ek piseos zum subjecto gehören, und
den Glaubens-Gerechten anzeigen: daher man
die vorhergehende Worte dikaiosune ek piseos
auch billig also von der Glaubens-Gerechtigkeit
nimmt: wie sich denn auch das verbum apo-
kaluptetai zu diesem Verstande besser schicket.

V. 18.

Denn der Zorn (die zur execution der
Strafe schreitende richterliche Gerechtigkeit)
GOttes vom Himmel (von dannen er auf
dem Berge Sinai in der mündlichen promulga-
tion
des Gesetzes ehemals mit grossem Nachdruck,
hernach auch in so vielen Straf-Exempeln bezeu-
get ist, und am jüngsten Gerichte dermaleins
am mächtigsten wird bezeuget werden) wird
offenbaret
(in dem geschriebenen Gesetze, und
gehet nach demselben, ja auch selbst schon nach
dem Gesetze der Natur nach c. 1, 32. 2, 14.
Coll. 3, 20. 21. 4, 15.) über alles gottlose
Wesen
(so da bestehet in der äussersten geistli-
chen corruption der gantzen Natur des Men-
schen, oder in der Erb-Sünde, welche sich im Un-
glauben und in allen wider GOtt streitenden

und
Cap. 1, 17. 18. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] ne ſolche Kraft GOttes, welche man zur wuͤrck-
lichen Veraͤnderung des Hertzens, zur wahren
geiſtlichen Geneſung und rechtſchaffnen Anrich-
tung des Ebenbildes GOttes in der Seele er-
faͤhret und empfindet, und daher auch der
kuͤnftigen Seligkeit ſo viel gewiſſer iſt.
V. 17.

Sintemal darinnen offenbaret (deut-
lich, und ohne Vorbilder in der Erfuͤllung vor-
getragen) wird die Gerechtigkeit, die vor
GOtt gilt
(und daher alhier die Gerechtigkeit
GOttes,
die er ſchencket, nicht unſer, die wir
an uns haͤtten, genennet wird, weil GOTT
allein darauf zu unſerer Verſoͤhnung ſiehet, und
ſie als guͤltig annimmt und uns zurechnet: das
iſt, die uns von CHriſto erworbene Gerechtig-
keit, Jeſ. 45, 25. c. 53, 11. Jer. 23, 5. 6. c. 33,
14. 15. Roͤm. 3, 21. 22. 26. c. 10, 3. Phil. 3, 9.)
welche koͤmmt aus Glauben in Glauben
(die Gerechtigkeit aus dem Glauben, das iſt
die Glaubens-Gerechtigkeit, welche in ſo
fern aus dem Glauben koͤmmt, als ſie durch den
Glauben ergriffen und dem Glauben oder Glaͤu-
bigen, zugerechnet wird; Roͤm. 3, 22. 26. 28.
30. c. 4, 3. 5. 6. 11. 13. 16. Dieſe Glaubens-
Gerechtigkeit wird im Evangelio vor- und ange-
tragen, als eine ſolche, die aus dem Glauben
koͤmmt: wozu denn? εἰς πίςιν, in Glauben,
oder zum Glauben, denſelben in dem Hertzen
der Menſchen anzuzuͤnden, und ſie glaubig zu
ergreifen:) gleichwie (im Propheten Habacuc
c. 2, 4.) geſchrieben ſtehet: der Gerechte
wird ſeines Glaubens leben
(er wird durch
den Glauben, darinnen er ſchon das geiſtliche
Leben zum Unterpfande des ewigen Lebens hat,
das ewige Leben haben: wie es unter andern
auch Joh. 3, 16. heißt: oder, wie es nach dem
Hebraͤiſchen Grund-Texte, darinnen der Bey-
ſatz ἐκ πίςεως zum ſubjecto gehoͤret, gegeben
werden muß: der Gerechte aus dem Glau-
ben,
das iſt, der Glaubens-Gerechte, wird
leben,
wie alhier nach dem geiſtlichen Leben im
Reiche der Gnaden; alſo dort nach dem ewigen
im Reiche der Herrlichkeit. Nach welcher con-
ſtruction
dieſe Worte: der Gerechte aus dem
Glauben,
oder der Glaubens-Gerechte, der
Grund ſind, warum der Apoſtel ſich vorher
eben dieſer Redensart in abſtracto bedienet, und
geſaget hat: δικαιοσύνη ἐκ πίςεως, die Ge-
rechtigkeit aus dem Glauben,
oder die
Glaubens-Gerechtigkeit,
wird im Evange-
lio offenbaret zum Glauben, um ſich durch ſolche
geoffenbarete Verheiſſungen zum Glauben
bringen zu laſſen. Siehe auch Gal. 3, 11. Hebr.
10, 38.)

Anmerckungen.

1. Der geliebte Leſer hat wohl zu mercken,
daß in dieſen beyden Verſen, dem 16ten und
17ten, wie der Kern des Evangelii und der gan-
tzen Evangeliſchen Religion, alſo auch der Haupt-
Satz und die vornehmſte Lehre dieſes gantzen
Briefes lieget: ſintemal daraus, als aus einem
Mittel-Puncte, alle uͤbrige Lehren hergeleitet
und wieder dahinein gefuͤhret werden koͤnnen.

[Spaltenumbruch]

2. Man hat mit dieſen beyden Verſen
wohl zuſammen zu halten das, was wir cap.
3, 21. u. ſ. w. leſen: als woſelbſt Paulus wieder
auf eben dieſe Haupt-Materie koͤmmt, und ſie
mit mehrern abhandelt; nach dem er vorher c. 1.
und 2. von den Heyden und Juden erwieſen hat,
daß ſie auſſer CHriſto und ſeinem Evangelio
nichts haben, womit ſie vor GOtt beſtehen koͤn-
nen, ſondern mit einander dem gerechten Ge-
richte GOttes zur Verdammniß von Natur un-
terworfen ſind.

3. Was fuͤr ein Nachdruck in dem Worte
Evangelium, oder froͤliche Botſchaft von
der Gnade GOttes liege, laͤßt ſich wol nicht
beſſer vorſtellen, als unter dem Bilde eines De-
linquen
ten, der nach ſchon geſprochenem Todes-
Urtheil zur execution hingefuͤhret wird, an der
Staͤte aber, da ſie vollzogen werden ſoll, von
iemanden, der von der hohen Landes-Obrigkeit
dazu beordert iſt, gantz unvermuthet hoͤret, das
einzige Wort: Gnade! Gnade! ihm entge-
gen rufen. Auf welche Anmerckung mich die
Begebenheit fuͤhret, da dieſes vor vielen Jah-
ren in Berlin zween Dieben unter dem Galgen
wiederfahren: und zwar vor meinem Geſichte
und meinen Ohren, da ich ſie, als damaliger
Paſtor daſelbſt, nach der an mich gekommenen
Ordnung, zum Tode zuzubereiten hatte, und
alſo, nebſt noch einem andern Prediger, mit ih-
nen gegangen war.

4. Die Worte ἐκ πίςεως εἰς πίςιν, aus
Glauben in Glauben,
laſſen ſich auch gar
fuͤglich alſo erklaͤren, daß damit der beſtaͤtigte
Wachsthum und Fortgang des Glaubens von
einer Kraft zur andern angezeiget werde: gleich-
wie es Pſ. 84, 8. von den Glaͤubigen heißt, daß
ſie gehen [fremdsprachliches Material – fehlt], von einer Kraft zur
andern, und 2 Cor. 3, 18. daß ſie kommen
ἀπὸ δόξης εις δόξαν, von einer Klarheit zur
andern. Wiewol die vorher gegebene Erklaͤ-
rung mehr mit dem Orte des Propheten Haba-
cucs uͤberein koͤmmt: als darinnen die Worte
ὁ δίκαιος ἐκ πίςεως zum ſubjecto gehoͤren, und
den Glaubens-Gerechten anzeigen: daher man
die vorhergehende Worte δικαιοσύνη ἐκ πίςεως
auch billig alſo von der Glaubens-Gerechtigkeit
nimmt: wie ſich denn auch das verbum ἀπο-
καλύπτεται zu dieſem Verſtande beſſer ſchicket.

V. 18.

Denn der Zorn (die zur execution der
Strafe ſchreitende richterliche Gerechtigkeit)
GOttes vom Himmel (von dannen er auf
dem Berge Sinai in der muͤndlichen promulga-
tion
des Geſetzes ehemals mit groſſem Nachdruck,
hernach auch in ſo vielen Straf-Exempeln bezeu-
get iſt, und am juͤngſten Gerichte dermaleins
am maͤchtigſten wird bezeuget werden) wird
offenbaret
(in dem geſchriebenen Geſetze, und
gehet nach demſelben, ja auch ſelbſt ſchon nach
dem Geſetze der Natur nach c. 1, 32. 2, 14.
Coll. 3, 20. 21. 4, 15.) uͤber alles gottloſe
Weſen
(ſo da beſtehet in der aͤuſſerſten geiſtli-
chen corruption der gantzen Natur des Men-
ſchen, oder in der Erb-Suͤnde, welche ſich im Un-
glauben und in allen wider GOtt ſtreitenden

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[31/0059] Cap. 1, 17. 18. an die Roͤmer. ne ſolche Kraft GOttes, welche man zur wuͤrck- lichen Veraͤnderung des Hertzens, zur wahren geiſtlichen Geneſung und rechtſchaffnen Anrich- tung des Ebenbildes GOttes in der Seele er- faͤhret und empfindet, und daher auch der kuͤnftigen Seligkeit ſo viel gewiſſer iſt. V. 17. Sintemal darinnen offenbaret (deut- lich, und ohne Vorbilder in der Erfuͤllung vor- getragen) wird die Gerechtigkeit, die vor GOtt gilt (und daher alhier die Gerechtigkeit GOttes, die er ſchencket, nicht unſer, die wir an uns haͤtten, genennet wird, weil GOTT allein darauf zu unſerer Verſoͤhnung ſiehet, und ſie als guͤltig annimmt und uns zurechnet: das iſt, die uns von CHriſto erworbene Gerechtig- keit, Jeſ. 45, 25. c. 53, 11. Jer. 23, 5. 6. c. 33, 14. 15. Roͤm. 3, 21. 22. 26. c. 10, 3. Phil. 3, 9.) welche koͤmmt aus Glauben in Glauben (die Gerechtigkeit aus dem Glauben, das iſt die Glaubens-Gerechtigkeit, welche in ſo fern aus dem Glauben koͤmmt, als ſie durch den Glauben ergriffen und dem Glauben oder Glaͤu- bigen, zugerechnet wird; Roͤm. 3, 22. 26. 28. 30. c. 4, 3. 5. 6. 11. 13. 16. Dieſe Glaubens- Gerechtigkeit wird im Evangelio vor- und ange- tragen, als eine ſolche, die aus dem Glauben koͤmmt: wozu denn? εἰς πίςιν, in Glauben, oder zum Glauben, denſelben in dem Hertzen der Menſchen anzuzuͤnden, und ſie glaubig zu ergreifen:) gleichwie (im Propheten Habacuc c. 2, 4.) geſchrieben ſtehet: der Gerechte wird ſeines Glaubens leben (er wird durch den Glauben, darinnen er ſchon das geiſtliche Leben zum Unterpfande des ewigen Lebens hat, das ewige Leben haben: wie es unter andern auch Joh. 3, 16. heißt: oder, wie es nach dem Hebraͤiſchen Grund-Texte, darinnen der Bey- ſatz ἐκ πίςεως zum ſubjecto gehoͤret, gegeben werden muß: der Gerechte aus dem Glau- ben, das iſt, der Glaubens-Gerechte, wird leben, wie alhier nach dem geiſtlichen Leben im Reiche der Gnaden; alſo dort nach dem ewigen im Reiche der Herrlichkeit. Nach welcher con- ſtruction dieſe Worte: der Gerechte aus dem Glauben, oder der Glaubens-Gerechte, der Grund ſind, warum der Apoſtel ſich vorher eben dieſer Redensart in abſtracto bedienet, und geſaget hat: δικαιοσύνη ἐκ πίςεως, die Ge- rechtigkeit aus dem Glauben, oder die Glaubens-Gerechtigkeit, wird im Evange- lio offenbaret zum Glauben, um ſich durch ſolche geoffenbarete Verheiſſungen zum Glauben bringen zu laſſen. Siehe auch Gal. 3, 11. Hebr. 10, 38.) Anmerckungen. 1. Der geliebte Leſer hat wohl zu mercken, daß in dieſen beyden Verſen, dem 16ten und 17ten, wie der Kern des Evangelii und der gan- tzen Evangeliſchen Religion, alſo auch der Haupt- Satz und die vornehmſte Lehre dieſes gantzen Briefes lieget: ſintemal daraus, als aus einem Mittel-Puncte, alle uͤbrige Lehren hergeleitet und wieder dahinein gefuͤhret werden koͤnnen. 2. Man hat mit dieſen beyden Verſen wohl zuſammen zu halten das, was wir cap. 3, 21. u. ſ. w. leſen: als woſelbſt Paulus wieder auf eben dieſe Haupt-Materie koͤmmt, und ſie mit mehrern abhandelt; nach dem er vorher c. 1. und 2. von den Heyden und Juden erwieſen hat, daß ſie auſſer CHriſto und ſeinem Evangelio nichts haben, womit ſie vor GOtt beſtehen koͤn- nen, ſondern mit einander dem gerechten Ge- richte GOttes zur Verdammniß von Natur un- terworfen ſind. 3. Was fuͤr ein Nachdruck in dem Worte Evangelium, oder froͤliche Botſchaft von der Gnade GOttes liege, laͤßt ſich wol nicht beſſer vorſtellen, als unter dem Bilde eines De- linquenten, der nach ſchon geſprochenem Todes- Urtheil zur execution hingefuͤhret wird, an der Staͤte aber, da ſie vollzogen werden ſoll, von iemanden, der von der hohen Landes-Obrigkeit dazu beordert iſt, gantz unvermuthet hoͤret, das einzige Wort: Gnade! Gnade! ihm entge- gen rufen. Auf welche Anmerckung mich die Begebenheit fuͤhret, da dieſes vor vielen Jah- ren in Berlin zween Dieben unter dem Galgen wiederfahren: und zwar vor meinem Geſichte und meinen Ohren, da ich ſie, als damaliger Paſtor daſelbſt, nach der an mich gekommenen Ordnung, zum Tode zuzubereiten hatte, und alſo, nebſt noch einem andern Prediger, mit ih- nen gegangen war. 4. Die Worte ἐκ πίςεως εἰς πίςιν, aus Glauben in Glauben, laſſen ſich auch gar fuͤglich alſo erklaͤren, daß damit der beſtaͤtigte Wachsthum und Fortgang des Glaubens von einer Kraft zur andern angezeiget werde: gleich- wie es Pſ. 84, 8. von den Glaͤubigen heißt, daß ſie gehen _ , von einer Kraft zur andern, und 2 Cor. 3, 18. daß ſie kommen ἀπὸ δόξης εις δόξαν, von einer Klarheit zur andern. Wiewol die vorher gegebene Erklaͤ- rung mehr mit dem Orte des Propheten Haba- cucs uͤberein koͤmmt: als darinnen die Worte ὁ δίκαιος ἐκ πίςεως zum ſubjecto gehoͤren, und den Glaubens-Gerechten anzeigen: daher man die vorhergehende Worte δικαιοσύνη ἐκ πίςεως auch billig alſo von der Glaubens-Gerechtigkeit nimmt: wie ſich denn auch das verbum ἀπο- καλύπτεται zu dieſem Verſtande beſſer ſchicket. V. 18. Denn der Zorn (die zur execution der Strafe ſchreitende richterliche Gerechtigkeit) GOttes vom Himmel (von dannen er auf dem Berge Sinai in der muͤndlichen promulga- tion des Geſetzes ehemals mit groſſem Nachdruck, hernach auch in ſo vielen Straf-Exempeln bezeu- get iſt, und am juͤngſten Gerichte dermaleins am maͤchtigſten wird bezeuget werden) wird offenbaret (in dem geſchriebenen Geſetze, und gehet nach demſelben, ja auch ſelbſt ſchon nach dem Geſetze der Natur nach c. 1, 32. 2, 14. Coll. 3, 20. 21. 4, 15.) uͤber alles gottloſe Weſen (ſo da beſtehet in der aͤuſſerſten geiſtli- chen corruption der gantzen Natur des Men- ſchen, oder in der Erb-Suͤnde, welche ſich im Un- glauben und in allen wider GOtt ſtreitenden und

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/59>, abgerufen am 28.11.2024.