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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 12. 13.
[Spaltenumbruch] Ging es doch Paulo selbst also: darum er 2 Cor.
6, 8. spricht: Als die Verführer und doch
wahrhaftig.
Und hieß es nicht von CHristo
selbst: Wir haben gedacht, daß dieser Ver-
führer sprach etc.
Matth. 27, 63.
V. 13.

Jhr aber, lieben Brüder, (dafür ich
euch, ob wol guten theils verleitete, noch hal-
te; nicht aber die Verführer; als mit denen
ich keine Gemeinschaft habe,) seyd zur Frey-
heit
(von der Schuld und Herrschaft der Sün-
den, folglich auch von dem Fluche und Joche
des Gesetzes, von dem Zorne GOttes und von
der Gewalt des Teufels und des ewigen Todes,
durch das Evangelium von der Erlösung CHri-
sti, also) berufen, (daß ihr die Berufungs-
Gnade in wircklicher Bekehrung habet ange-
nommen:) allein (damit ihr nicht auf die an-
dere Seite zum Mißbrauche derselben auswei-
chet, so) sehet zu (in der genauen Wahrneh-
mung eurer selbst,) daß ihr durch die Freyheit
(die eigentlich nur ein Privilegium, oder groß
Haupt-Gut für den wiedergebohrnen Geist des
Menschen ist, und zum Dienste Gottes im Geiste
und in der Wahrheit gehöret,) dem Fleische (der
noch übrigen verderbten Natur) nicht Raum
gebet,
(als wenn, da man nicht mehr unter dem
Gesetz, sondern unter der Gnade des Evangelii
stehet, man nun nicht mehr an den Gehorsam
des Gesetzes gebunden sey, und diß und das,
so doch sündlich ist, einem Christen gar wohl
erlaubet sey,) sondern durch die Liebe (wel-
che alle Pflichten in sich fasset, und also dem
Mißbrauch der Freyheit entgegen stehet,) die-
ne einer dem andern.

Anmerckungen.
1. Zuvorderst ist die Verbindung dieses
Verses mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken. Jm Griechischen stehet nicht die parti-
cula
de, aber, sondern gar, denn: Denn
ihr seyd zur Freyheit berufen:
Und also
macht der Apostel mit dem 13ten Vers keinen
Gegensatz auf den vorhergehenden; sondern er
führet eine Ursach an, warum die verführischen
Lehrer mit ihrer Verstörung und Zerrüttung der
Galater ein schweres Gericht GOttes über sich
gezogen hätten: und diese Ursache nimmt er her
von dem gesegneten Zustande, dazu sie berufen
worden, und daraus sie durch jene guten theils
waren gesetzet worden.
2. Gleichwie er aber eines theils die
Christliche Freyheit wider das Joch Mosaischer
Satzungen will genaue bewahret wissen: so ge-
het er auch andern theils deroselben Mißbrau-
che entgegen; als der auch bereits in den da-
maligen Zeiten gar gemein geworden war.
3. Man hat demnach bey der Evangeli-
schen Freyheit diese beyden gar gefährlichen
Abwege wohl zu mercken und zu vermeiden:
den zur Rechten in der Aufrichtung einer durch
gesetzlichen Gehorsam gesuchten eignen und
verdienstlichen Gerechtigkeit: den andern zur
Lincken durch einen solchen Mißbrauch der
Freyheit, dadurch man sie zur Frechheit ma-
[Spaltenumbruch] chet, und meinet, GOTT nehme es unter
dem Evangelio mit den glaubigen Christen so
genau nicht, und auch dieses, da es im gewis-
sen Verstande wahr ist, also verstehet, daß man
gar keinen Ernst und keine Treue in der Heili-
gung beweiset, und entweder gleich Anfangs
nicht an die wahre und gründliche Aenderung
des Hertzens will: oder doch im Fortgange so
träg und unlauter wird, daß man nach und nach
allerhand weltliche Gewohnheiten, sonderlich
des Tantzens und Spielens, die doch nichts,
als Eitelkeit und Thorheit sind, mit macht, und
fälschlich dafür hält, als könne solches mit dem
Glauben an CHristum gar wohl bestehen. Wel-
ches gewiß eine gefährliche Verblendung des
Satans ist.
4. Und also ist die Christliche und Evan-
gelische Freyheit ein solches Heils-Gut, welches
da in dem Genuß der durch CHristum uns er-
worbenen Gerechtigkeit, und also wie eines
theils in der Befreyung von der Sünden-Schuld
und Strafe, wie auch von dem Fluche und
Zwange des Gesetzes und von dem Zorne GOt-
tes bestehet; also auch andern theils von der
Sünden-Herrschaft uns also entfernet hält, daß
man GOTT aus der geschenckten Gnaden-
Kraft in aller Willigkeit diene, und seinem
Gesetze sich gehorsamlich erweise.
5. Diese wahrhaftige Beschreibung der
Freyheit giebt uns nun einen rechten Haupt-
Character, wie eines rechtschaffnen Evangeli-
schen Seelen-Hirtens und Christen insgemein:
also auch hingegen eines falschen Lehrers und
bösen Christen. Ein wahrer Lehrer träget
die Lehre von der durch CHristum geschehenen
Erlösung und der daher entstehenden Evangeli-
schen Freyheit also vor, daß er sie eines theils
in ihrer rechten Lauterkeit gegen alle Vermen-
gung mit einiger eigenen und verdienstlichen
Gerechtigkeit, oder Mosaischen Knechtschaft,
andern theils aber auch in der Ordnung wahrer
Hertzens-Bekehrung und Erneurung läßt. Und
also ist er darinnen ein rechter Nachfolger Pau-
li: zumal wenn er die Reinigkeit solcher seiner
Lehre bey eigner getreuen Ausübung in der Er-
fahrung hat. Gleichwie der auch ein rechtschaf-
ner Evangelischer Christ ist, der seinem Vorgän-
ger darinnen getreulich nachfolget.
6. Hingegen aber ists ein unfehlbares
Kennzeichen eines falschen Lehrers und Miet-
lings, wenn er entweder das Evangelium von
Christo, dessen Erlösung und erworbenen Frey-
heit selbst nicht recht erkennet, und also auch nicht
in seiner Fülle, Tiefe, Weite und Breite vorträ-
get, sondern die armen Seelen bey lauterm eig-
nen Wircken unter dem Gesetze und gleichsam in
der Wüsten lässet: oder aber, bey der bloß
buchstäblichen Erkäntniß von der evangelischen
Freyheit, diese ohne die wahre Heils-Ordnung,
welche auf die gründliche Hertzens-Bekehrung
und Erneurung gehet, also anpreiset, daß er sie
auch allen Unbekehrten, zumal solchen, die in
äusserlicher Erbarkeit daher gehen, appliciret,
oder doch mit seinem unbehutsamen Vortrage
solche verkehrte Zueignung verursachet. O
wie gemein sind diese Abwege!
7. Wenn
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 12. 13.
[Spaltenumbruch] Ging es doch Paulo ſelbſt alſo: darum er 2 Cor.
6, 8. ſpricht: Als die Verfuͤhrer und doch
wahrhaftig.
Und hieß es nicht von CHriſto
ſelbſt: Wir haben gedacht, daß dieſer Ver-
fuͤhrer ſprach ꝛc.
Matth. 27, 63.
V. 13.

Jhr aber, lieben Bruͤder, (dafuͤr ich
euch, ob wol guten theils verleitete, noch hal-
te; nicht aber die Verfuͤhrer; als mit denen
ich keine Gemeinſchaft habe,) ſeyd zur Frey-
heit
(von der Schuld und Herrſchaft der Suͤn-
den, folglich auch von dem Fluche und Joche
des Geſetzes, von dem Zorne GOttes und von
der Gewalt des Teufels und des ewigen Todes,
durch das Evangelium von der Erloͤſung CHri-
ſti, alſo) berufen, (daß ihr die Berufungs-
Gnade in wircklicher Bekehrung habet ange-
nommen:) allein (damit ihr nicht auf die an-
dere Seite zum Mißbrauche derſelben auswei-
chet, ſo) ſehet zu (in der genauen Wahrneh-
mung eurer ſelbſt,) daß ihr durch die Freyheit
(die eigentlich nur ein Privilegium, oder groß
Haupt-Gut fuͤr den wiedergebohrnen Geiſt des
Menſchen iſt, und zum Dienſte Gottes im Geiſte
und in der Wahrheit gehoͤret,) dem Fleiſche (der
noch uͤbrigen verderbten Natur) nicht Raum
gebet,
(als wenn, da man nicht mehr unter dem
Geſetz, ſondern unter der Gnade des Evangelii
ſtehet, man nun nicht mehr an den Gehorſam
des Geſetzes gebunden ſey, und diß und das,
ſo doch ſuͤndlich iſt, einem Chriſten gar wohl
erlaubet ſey,) ſondern durch die Liebe (wel-
che alle Pflichten in ſich faſſet, und alſo dem
Mißbrauch der Freyheit entgegen ſtehet,) die-
ne einer dem andern.

Anmerckungen.
1. Zuvorderſt iſt die Verbindung dieſes
Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer-
cken. Jm Griechiſchen ſtehet nicht die parti-
cula
δὲ, aber, ſondern γὰρ, denn: Denn
ihr ſeyd zur Freyheit berufen:
Und alſo
macht der Apoſtel mit dem 13ten Vers keinen
Gegenſatz auf den vorhergehenden; ſondern er
fuͤhret eine Urſach an, warum die verfuͤhriſchen
Lehrer mit ihrer Verſtoͤrung und Zerruͤttung der
Galater ein ſchweres Gericht GOttes uͤber ſich
gezogen haͤtten: und dieſe Urſache nimmt er her
von dem geſegneten Zuſtande, dazu ſie berufen
worden, und daraus ſie durch jene guten theils
waren geſetzet worden.
2. Gleichwie er aber eines theils die
Chriſtliche Freyheit wider das Joch Moſaiſcher
Satzungen will genaue bewahret wiſſen: ſo ge-
het er auch andern theils deroſelben Mißbrau-
che entgegen; als der auch bereits in den da-
maligen Zeiten gar gemein geworden war.
3. Man hat demnach bey der Evangeli-
ſchen Freyheit dieſe beyden gar gefaͤhrlichen
Abwege wohl zu mercken und zu vermeiden:
den zur Rechten in der Aufrichtung einer durch
geſetzlichen Gehorſam geſuchten eignen und
verdienſtlichen Gerechtigkeit: den andern zur
Lincken durch einen ſolchen Mißbrauch der
Freyheit, dadurch man ſie zur Frechheit ma-
[Spaltenumbruch] chet, und meinet, GOTT nehme es unter
dem Evangelio mit den glaubigen Chriſten ſo
genau nicht, und auch dieſes, da es im gewiſ-
ſen Verſtande wahr iſt, alſo verſtehet, daß man
gar keinen Ernſt und keine Treue in der Heili-
gung beweiſet, und entweder gleich Anfangs
nicht an die wahre und gruͤndliche Aenderung
des Hertzens will: oder doch im Fortgange ſo
traͤg und unlauter wird, daß man nach und nach
allerhand weltliche Gewohnheiten, ſonderlich
des Tantzens und Spielens, die doch nichts,
als Eitelkeit und Thorheit ſind, mit macht, und
faͤlſchlich dafuͤr haͤlt, als koͤnne ſolches mit dem
Glauben an CHriſtum gar wohl beſtehen. Wel-
ches gewiß eine gefaͤhrliche Verblendung des
Satans iſt.
4. Und alſo iſt die Chriſtliche und Evan-
geliſche Freyheit ein ſolches Heils-Gut, welches
da in dem Genuß der durch CHriſtum uns er-
worbenen Gerechtigkeit, und alſo wie eines
theils in der Befreyung von der Suͤnden-Schuld
und Strafe, wie auch von dem Fluche und
Zwange des Geſetzes und von dem Zorne GOt-
tes beſtehet; alſo auch andern theils von der
Suͤnden-Herrſchaft uns alſo entfernet haͤlt, daß
man GOTT aus der geſchenckten Gnaden-
Kraft in aller Willigkeit diene, und ſeinem
Geſetze ſich gehorſamlich erweiſe.
5. Dieſe wahrhaftige Beſchreibung der
Freyheit giebt uns nun einen rechten Haupt-
Character, wie eines rechtſchaffnen Evangeli-
ſchen Seelen-Hirtens und Chriſten insgemein:
alſo auch hingegen eines falſchen Lehrers und
boͤſen Chriſten. Ein wahrer Lehrer traͤget
die Lehre von der durch CHriſtum geſchehenen
Erloͤſung und der daher entſtehenden Evangeli-
ſchen Freyheit alſo vor, daß er ſie eines theils
in ihrer rechten Lauterkeit gegen alle Vermen-
gung mit einiger eigenen und verdienſtlichen
Gerechtigkeit, oder Moſaiſchen Knechtſchaft,
andern theils aber auch in der Ordnung wahrer
Hertzens-Bekehrung und Erneurung laͤßt. Und
alſo iſt er darinnen ein rechter Nachfolger Pau-
li: zumal wenn er die Reinigkeit ſolcher ſeiner
Lehre bey eigner getreuen Ausuͤbung in der Er-
fahrung hat. Gleichwie der auch ein rechtſchaf-
ner Evangeliſcher Chriſt iſt, der ſeinem Vorgaͤn-
ger darinnen getreulich nachfolget.
6. Hingegen aber iſts ein unfehlbares
Kennzeichen eines falſchen Lehrers und Miet-
lings, wenn er entweder das Evangelium von
Chriſto, deſſen Erloͤſung und erworbenen Frey-
heit ſelbſt nicht recht erkennet, und alſo auch nicht
in ſeiner Fuͤlle, Tiefe, Weite und Breite vortraͤ-
get, ſondern die armen Seelen bey lauterm eig-
nen Wircken unter dem Geſetze und gleichſam in
der Wuͤſten laͤſſet: oder aber, bey der bloß
buchſtaͤblichen Erkaͤntniß von der evangeliſchen
Freyheit, dieſe ohne die wahre Heils-Ordnung,
welche auf die gruͤndliche Hertzens-Bekehrung
und Erneurung gehet, alſo anpreiſet, daß er ſie
auch allen Unbekehrten, zumal ſolchen, die in
aͤuſſerlicher Erbarkeit daher gehen, appliciret,
oder doch mit ſeinem unbehutſamen Vortrage
ſolche verkehrte Zueignung verurſachet. O
wie gemein ſind dieſe Abwege!
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[560/0588] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 12. 13. Ging es doch Paulo ſelbſt alſo: darum er 2 Cor. 6, 8. ſpricht: Als die Verfuͤhrer und doch wahrhaftig. Und hieß es nicht von CHriſto ſelbſt: Wir haben gedacht, daß dieſer Ver- fuͤhrer ſprach ꝛc. Matth. 27, 63. V. 13. Jhr aber, lieben Bruͤder, (dafuͤr ich euch, ob wol guten theils verleitete, noch hal- te; nicht aber die Verfuͤhrer; als mit denen ich keine Gemeinſchaft habe,) ſeyd zur Frey- heit (von der Schuld und Herrſchaft der Suͤn- den, folglich auch von dem Fluche und Joche des Geſetzes, von dem Zorne GOttes und von der Gewalt des Teufels und des ewigen Todes, durch das Evangelium von der Erloͤſung CHri- ſti, alſo) berufen, (daß ihr die Berufungs- Gnade in wircklicher Bekehrung habet ange- nommen:) allein (damit ihr nicht auf die an- dere Seite zum Mißbrauche derſelben auswei- chet, ſo) ſehet zu (in der genauen Wahrneh- mung eurer ſelbſt,) daß ihr durch die Freyheit (die eigentlich nur ein Privilegium, oder groß Haupt-Gut fuͤr den wiedergebohrnen Geiſt des Menſchen iſt, und zum Dienſte Gottes im Geiſte und in der Wahrheit gehoͤret,) dem Fleiſche (der noch uͤbrigen verderbten Natur) nicht Raum gebet, (als wenn, da man nicht mehr unter dem Geſetz, ſondern unter der Gnade des Evangelii ſtehet, man nun nicht mehr an den Gehorſam des Geſetzes gebunden ſey, und diß und das, ſo doch ſuͤndlich iſt, einem Chriſten gar wohl erlaubet ſey,) ſondern durch die Liebe (wel- che alle Pflichten in ſich faſſet, und alſo dem Mißbrauch der Freyheit entgegen ſtehet,) die- ne einer dem andern. Anmerckungen. 1. Zuvorderſt iſt die Verbindung dieſes Verſes mit dem vorhergehenden wohl zu mer- cken. Jm Griechiſchen ſtehet nicht die parti- cula δὲ, aber, ſondern γὰρ, denn: Denn ihr ſeyd zur Freyheit berufen: Und alſo macht der Apoſtel mit dem 13ten Vers keinen Gegenſatz auf den vorhergehenden; ſondern er fuͤhret eine Urſach an, warum die verfuͤhriſchen Lehrer mit ihrer Verſtoͤrung und Zerruͤttung der Galater ein ſchweres Gericht GOttes uͤber ſich gezogen haͤtten: und dieſe Urſache nimmt er her von dem geſegneten Zuſtande, dazu ſie berufen worden, und daraus ſie durch jene guten theils waren geſetzet worden. 2. Gleichwie er aber eines theils die Chriſtliche Freyheit wider das Joch Moſaiſcher Satzungen will genaue bewahret wiſſen: ſo ge- het er auch andern theils deroſelben Mißbrau- che entgegen; als der auch bereits in den da- maligen Zeiten gar gemein geworden war. 3. Man hat demnach bey der Evangeli- ſchen Freyheit dieſe beyden gar gefaͤhrlichen Abwege wohl zu mercken und zu vermeiden: den zur Rechten in der Aufrichtung einer durch geſetzlichen Gehorſam geſuchten eignen und verdienſtlichen Gerechtigkeit: den andern zur Lincken durch einen ſolchen Mißbrauch der Freyheit, dadurch man ſie zur Frechheit ma- chet, und meinet, GOTT nehme es unter dem Evangelio mit den glaubigen Chriſten ſo genau nicht, und auch dieſes, da es im gewiſ- ſen Verſtande wahr iſt, alſo verſtehet, daß man gar keinen Ernſt und keine Treue in der Heili- gung beweiſet, und entweder gleich Anfangs nicht an die wahre und gruͤndliche Aenderung des Hertzens will: oder doch im Fortgange ſo traͤg und unlauter wird, daß man nach und nach allerhand weltliche Gewohnheiten, ſonderlich des Tantzens und Spielens, die doch nichts, als Eitelkeit und Thorheit ſind, mit macht, und faͤlſchlich dafuͤr haͤlt, als koͤnne ſolches mit dem Glauben an CHriſtum gar wohl beſtehen. Wel- ches gewiß eine gefaͤhrliche Verblendung des Satans iſt. 4. Und alſo iſt die Chriſtliche und Evan- geliſche Freyheit ein ſolches Heils-Gut, welches da in dem Genuß der durch CHriſtum uns er- worbenen Gerechtigkeit, und alſo wie eines theils in der Befreyung von der Suͤnden-Schuld und Strafe, wie auch von dem Fluche und Zwange des Geſetzes und von dem Zorne GOt- tes beſtehet; alſo auch andern theils von der Suͤnden-Herrſchaft uns alſo entfernet haͤlt, daß man GOTT aus der geſchenckten Gnaden- Kraft in aller Willigkeit diene, und ſeinem Geſetze ſich gehorſamlich erweiſe. 5. Dieſe wahrhaftige Beſchreibung der Freyheit giebt uns nun einen rechten Haupt- Character, wie eines rechtſchaffnen Evangeli- ſchen Seelen-Hirtens und Chriſten insgemein: alſo auch hingegen eines falſchen Lehrers und boͤſen Chriſten. Ein wahrer Lehrer traͤget die Lehre von der durch CHriſtum geſchehenen Erloͤſung und der daher entſtehenden Evangeli- ſchen Freyheit alſo vor, daß er ſie eines theils in ihrer rechten Lauterkeit gegen alle Vermen- gung mit einiger eigenen und verdienſtlichen Gerechtigkeit, oder Moſaiſchen Knechtſchaft, andern theils aber auch in der Ordnung wahrer Hertzens-Bekehrung und Erneurung laͤßt. Und alſo iſt er darinnen ein rechter Nachfolger Pau- li: zumal wenn er die Reinigkeit ſolcher ſeiner Lehre bey eigner getreuen Ausuͤbung in der Er- fahrung hat. Gleichwie der auch ein rechtſchaf- ner Evangeliſcher Chriſt iſt, der ſeinem Vorgaͤn- ger darinnen getreulich nachfolget. 6. Hingegen aber iſts ein unfehlbares Kennzeichen eines falſchen Lehrers und Miet- lings, wenn er entweder das Evangelium von Chriſto, deſſen Erloͤſung und erworbenen Frey- heit ſelbſt nicht recht erkennet, und alſo auch nicht in ſeiner Fuͤlle, Tiefe, Weite und Breite vortraͤ- get, ſondern die armen Seelen bey lauterm eig- nen Wircken unter dem Geſetze und gleichſam in der Wuͤſten laͤſſet: oder aber, bey der bloß buchſtaͤblichen Erkaͤntniß von der evangeliſchen Freyheit, dieſe ohne die wahre Heils-Ordnung, welche auf die gruͤndliche Hertzens-Bekehrung und Erneurung gehet, alſo anpreiſet, daß er ſie auch allen Unbekehrten, zumal ſolchen, die in aͤuſſerlicher Erbarkeit daher gehen, appliciret, oder doch mit ſeinem unbehutſamen Vortrage ſolche verkehrte Zueignung verurſachet. O wie gemein ſind dieſe Abwege! 7. Wenn

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/588>, abgerufen am 11.06.2024.