Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 4-6.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Das Wort Fleisch gehet alhier im Ge-
gensatz auf den Geist, ausser der Beschneidung,
auf die gantze Oeconomie des alten Testaments,
auch in Ansehung dessen, daß die Juden gemei-
niglich nur nach ihren blossen Natur-Kräften, die
auch sonst mit dem Namen des Fleisches benen-
net werden, umgingen, und aus solchen ihre ei-
gene Gerechtigkeit nach dem Gesetz in äusserlichen
Wercken suchten.

2. Wer das principium des Geistes ver-
lässet, der fällt auch solcher gestalt auf das Fleisch,
daß er dem natürlichen Verderben in sich Raum
giebet, und wircklich nach dem Fleische lebet.
O wie leicht ist es geschehen, daß man vom
Geiste also aufs Fleisch falle! O wie betrübt
sind die Exempel derer, welche im Geiste ange-
fangen, aber leider im Fleische fortfahren, und
die Vollendung im Fluche machen, wo sie nicht
bey Zeiten bedencken, wovon sie gefallen sind,
und ihre unlautere krumme Wege wieder ver-
lassen.

V. 4.

Habt ihr denn so viel (von den Feinden
des Evangelii, den Juden und Heiden) um-
sonst erlitten?
(wie es denn gewiß umsonst seyn
würde, wofern ihr Christum mit dem Evangelio
woltet wieder fahren lassen) Jst es anders
umsonst
(wie es denn nicht dabey bleiben wür-
de, daß ihr das Evangelium umsonst oder ohne
die daraus sonst entstehende Seligkeit angenom-
men und darüber gelitten habet; sondern es zu
eurer desto mehrern Verdammniß gereichen
möchte: wiewol ich der guten Hoffnung zu euch
bin, daß es nicht umsonst gewesen seyn soll, und
ihr euch wieder in die ersten lautern Glaubens-
Wege begeben werdet.)

Anmerckungen.
1. Obgleich um diese Zeit, da die Galater
zu Christo gebracht worden, keine solche Ver-
folgung gewesen, die aus Käyserlichem Befehl
geschehen; als womit die Christen fast durch
das gantze erste Seculum ziemlich verschonet ge-
blieben sind, ohne was zu den Zeiten Neronis
eigentlich nur zu Rom und am Ende des Seculi
unter Domitiano an mehrern Orten vorgegan-
gen ist: so hat es den Bekennern Christi doch
niemals an Leiden, und dazu oft gar schweren
Leiden gefehlet. Denn sowol die verstockten
Juden, als die abergläubischen Heiden verlä-
sterten sie nicht allein aufs ärgste, sondern
druckten sie auch sonst gar hart, also, daß sie
bey so vielen falschen Anklagen auch wol in die
Gefängnisse geleget, ihrer Güter beraubet und
verjaget wurden, nachdem die Richter den An-
klägern Gehör gegeben. Wie es den Aposteln
selbst und vor andern am meisten ergangen, ist
aus ihren Geschichten und Briefen bekant.
2. Das Evangelium nicht allein als wahr-
haftig erkant und angenommen haben, dadurch
auch mit den Gaben des Heiligen Geistes ver-
siegelt seyn, ja darüber schon so viel erlitten ha-
ben, war eine Sache, welche den Galatern ihre
[Spaltenumbruch] Wanck elmüthigkeit, als recht unvernünftig und
unverantwortlich vorstellen und sie zur gehörigen
Beständigkeit nicht wenig antreiben konte.
Daher sich der Apostel dieser Gründe mit Fleiß
bedienet: wie denn auch nicht zu zweifeln, daß
er damit seinen Zweck werde erreichet haben.
3. Es haben aber die Worte: Habet ihr so
viel umsonst erlitten,
nicht allein diesen Ver-
stand, daß sie die Leiden nicht ohne genugsame
Uberzeugung von der Wahrheit des Evangelii
über sich ergehen lassen; sondern sie gehen auch
sonderlich auf die grosse Verheissungen von der
so herrlichen Gnaden-Belohnung aller wahren
Leiden: davon man sehe Matth. 5, 10-12. Rom.
8, 18. sqq. 2 Cor. 5, 17. 18. Hebr. 12, 7. Jac. 1,
12. Apoc. 2, 10. Johannes spricht daher Ep.
2, 10. Sehet euch vor, daß wir nicht ver-
lieren, was wir erarbeitet haben, sondern
vollen Lohn empfahen.
V. 5.

Der euch nun den Geist reichet (zu eu-
rer innerlichen Salbung und Anzündung des
Glaubens) und thut (zu eurer desto mehreren
Versiegelung oder Bekräftigung in der Wahr-
heit) solche Thaten (der ausserordentlichen
Wunder Gaben, wie bey den Corinthiern 1 Cor.
12. 14.) unter euch, thut ers durchs Gese-
tzes Werck, oder durch die Predigt vom
Glauben?
(seyd ihr dazu itzo erst gelanget durch
den falschen Eifer für das Gesetz und für die ge-
setzliche Gerechtigkeit, darauf euch einige falsche
Lehrer geführet haben; oder gleich anfangs durch
die im Glauben angenommene Predigt des Ev-
angelii von der euch erworbenen Gerechtigkeit
CHristi?)

Anmerckung.

Weil dieses ein sehr wichtiger Bewegungs-
Grund ist, dadurch die Galater am meisten und
zuvorderst überzeuget werden konten; so wieder-
holet der Apostel mit etwas veränderten Wor-
ten das, was er schon vorher v. 2. gesetzet hatte.
Und dieses bringet diejenige Lehr-Art, da man
nicht nach der Kunst, sondern aus dringendem Af-
fect
zur rechten Conviction redet, oder schreibet,
also mit sich.

V. 6.

Gleichwie Abraham hat GOTT ge-
glaubet
(in den ihm gegebnen Verheissungen
vom Meßia, als dem Heilande aller Welt) und
es ist ihm gerechnet zur Gerechtigkeit
(da-
mit er könte vor GOTT bestehen; sintemal er
in seinem Glauben die Gerechtigkeit des Meßiä
ansahe, und sich zueignete: wie denn die göttli-
che Zurechnung des Glaubens Zueignung zum
Grunde hat. Wie aber Abraham, der Vater
oder das Muster aller Gläubigen, gerecht worden
ist, so müssen wir alle gerecht und selig werden:
wie mit mehrern gezeiget ist Rom. 4. alwo der
Ort 1 B. Mos. 15, 6. erläutert wird.

Anmerckung.

Die particula kathos, gleichwie, hat al-
hier die particulam outos, also, nicht nach sich:

und
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 4-6.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Das Wort Fleiſch gehet alhier im Ge-
genſatz auf den Geiſt, auſſer der Beſchneidung,
auf die gantze Oeconomie des alten Teſtaments,
auch in Anſehung deſſen, daß die Juden gemei-
niglich nur nach ihren bloſſen Natur-Kraͤften, die
auch ſonſt mit dem Namen des Fleiſches benen-
net werden, umgingen, und aus ſolchen ihre ei-
gene Gerechtigkeit nach dem Geſetz in aͤuſſerlichen
Wercken ſuchten.

2. Wer das principium des Geiſtes ver-
laͤſſet, der faͤllt auch ſolcher geſtalt auf das Fleiſch,
daß er dem natuͤrlichen Verderben in ſich Raum
giebet, und wircklich nach dem Fleiſche lebet.
O wie leicht iſt es geſchehen, daß man vom
Geiſte alſo aufs Fleiſch falle! O wie betruͤbt
ſind die Exempel derer, welche im Geiſte ange-
fangen, aber leider im Fleiſche fortfahren, und
die Vollendung im Fluche machen, wo ſie nicht
bey Zeiten bedencken, wovon ſie gefallen ſind,
und ihre unlautere krumme Wege wieder ver-
laſſen.

V. 4.

Habt ihr denn ſo viel (von den Feinden
des Evangelii, den Juden und Heiden) um-
ſonſt erlitten?
(wie es denn gewiß umſonſt ſeyn
wuͤrde, wofern ihr Chriſtum mit dem Evangelio
woltet wieder fahren laſſen) Jſt es anders
umſonſt
(wie es denn nicht dabey bleiben wuͤr-
de, daß ihr das Evangelium umſonſt oder ohne
die daraus ſonſt entſtehende Seligkeit angenom-
men und daruͤber gelitten habet; ſondern es zu
eurer deſto mehrern Verdammniß gereichen
moͤchte: wiewol ich der guten Hoffnung zu euch
bin, daß es nicht umſonſt geweſen ſeyn ſoll, und
ihr euch wieder in die erſten lautern Glaubens-
Wege begeben werdet.)

Anmerckungen.
1. Obgleich um dieſe Zeit, da die Galater
zu Chriſto gebracht worden, keine ſolche Ver-
folgung geweſen, die aus Kaͤyſerlichem Befehl
geſchehen; als womit die Chriſten faſt durch
das gantze erſte Seculum ziemlich verſchonet ge-
blieben ſind, ohne was zu den Zeiten Neronis
eigentlich nur zu Rom und am Ende des Seculi
unter Domitiano an mehrern Orten vorgegan-
gen iſt: ſo hat es den Bekennern Chriſti doch
niemals an Leiden, und dazu oft gar ſchweren
Leiden gefehlet. Denn ſowol die verſtockten
Juden, als die aberglaͤubiſchen Heiden verlaͤ-
ſterten ſie nicht allein aufs aͤrgſte, ſondern
druckten ſie auch ſonſt gar hart, alſo, daß ſie
bey ſo vielen falſchen Anklagen auch wol in die
Gefaͤngniſſe geleget, ihrer Guͤter beraubet und
verjaget wurden, nachdem die Richter den An-
klaͤgern Gehoͤr gegeben. Wie es den Apoſteln
ſelbſt und vor andern am meiſten ergangen, iſt
aus ihren Geſchichten und Briefen bekant.
2. Das Evangelium nicht allein als wahr-
haftig erkant und angenommen haben, dadurch
auch mit den Gaben des Heiligen Geiſtes ver-
ſiegelt ſeyn, ja daruͤber ſchon ſo viel erlitten ha-
ben, war eine Sache, welche den Galatern ihre
[Spaltenumbruch] Wanck elmuͤthigkeit, als recht unvernuͤnftig und
unverantwortlich vorſtellen und ſie zur gehoͤrigen
Beſtaͤndigkeit nicht wenig antreiben konte.
Daher ſich der Apoſtel dieſer Gruͤnde mit Fleiß
bedienet: wie denn auch nicht zu zweifeln, daß
er damit ſeinen Zweck werde erreichet haben.
3. Es haben aber die Worte: Habet ihr ſo
viel umſonſt erlitten,
nicht allein dieſen Ver-
ſtand, daß ſie die Leiden nicht ohne genugſame
Uberzeugung von der Wahrheit des Evangelii
uͤber ſich ergehen laſſen; ſondern ſie gehen auch
ſonderlich auf die groſſe Verheiſſungen von der
ſo herrlichen Gnaden-Belohnung aller wahren
Leiden: davon man ſehe Matth. 5, 10-12. Rom.
8, 18. ſqq. 2 Cor. 5, 17. 18. Hebr. 12, 7. Jac. 1,
12. Apoc. 2, 10. Johannes ſpricht daher Ep.
2, 10. Sehet euch vor, daß wir nicht ver-
lieren, was wir erarbeitet haben, ſondern
vollen Lohn empfahen.
V. 5.

Der euch nun den Geiſt reichet (zu eu-
rer innerlichen Salbung und Anzuͤndung des
Glaubens) und thut (zu eurer deſto mehreren
Verſiegelung oder Bekraͤftigung in der Wahr-
heit) ſolche Thaten (der auſſerordentlichen
Wunder Gaben, wie bey den Corinthiern 1 Cor.
12. 14.) unter euch, thut ers durchs Geſe-
tzes Werck, oder durch die Predigt vom
Glauben?
(ſeyd ihr dazu itzo erſt gelanget durch
den falſchen Eifer fuͤr das Geſetz und fuͤr die ge-
ſetzliche Gerechtigkeit, darauf euch einige falſche
Lehrer gefuͤhret haben; oder gleich anfangs durch
die im Glauben angenommene Predigt des Ev-
angelii von der euch erworbenen Gerechtigkeit
CHriſti?)

Anmerckung.

Weil dieſes ein ſehr wichtiger Bewegungs-
Grund iſt, dadurch die Galater am meiſten und
zuvorderſt uͤberzeuget werden konten; ſo wieder-
holet der Apoſtel mit etwas veraͤnderten Wor-
ten das, was er ſchon vorher v. 2. geſetzet hatte.
Und dieſes bringet diejenige Lehr-Art, da man
nicht nach der Kunſt, ſondern aus dringendem Af-
fect
zur rechten Conviction redet, oder ſchreibet,
alſo mit ſich.

V. 6.

Gleichwie Abraham hat GOTT ge-
glaubet
(in den ihm gegebnen Verheiſſungen
vom Meßia, als dem Heilande aller Welt) und
es iſt ihm gerechnet zur Gerechtigkeit
(da-
mit er koͤnte vor GOTT beſtehen; ſintemal er
in ſeinem Glauben die Gerechtigkeit des Meßiaͤ
anſahe, und ſich zueignete: wie denn die goͤttli-
che Zurechnung des Glaubens Zueignung zum
Grunde hat. Wie aber Abraham, der Vater
oder das Muſter aller Glaͤubigen, gerecht worden
iſt, ſo muͤſſen wir alle gerecht und ſelig werden:
wie mit mehrern gezeiget iſt Rom. 4. alwo der
Ort 1 B. Moſ. 15, 6. erlaͤutert wird.

Anmerckung.

Die particula καϑὼς, gleichwie, hat al-
hier die particulam οὕτως, alſo, nicht nach ſich:

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0536" n="508"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erkla&#x0364;rung des Briefs Pauli <hi rendition="#et">Cap. 3, v. 4-6.</hi></hi> </fw><lb/>
            <cb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Das Wort <hi rendition="#fr">Flei&#x017F;ch</hi> gehet alhier im Ge-<lb/>
gen&#x017F;atz auf den <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t,</hi> au&#x017F;&#x017F;er der Be&#x017F;chneidung,<lb/>
auf die gantze <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi>e des alten Te&#x017F;taments,<lb/>
auch in An&#x017F;ehung de&#x017F;&#x017F;en, daß die Juden gemei-<lb/>
niglich nur nach ihren blo&#x017F;&#x017F;en Natur-Kra&#x0364;ften, die<lb/>
auch &#x017F;on&#x017F;t mit dem Namen des <hi rendition="#fr">Flei&#x017F;ches</hi> benen-<lb/>
net werden, umgingen, und aus &#x017F;olchen ihre ei-<lb/>
gene Gerechtigkeit nach dem Ge&#x017F;etz in a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen<lb/>
Wercken &#x017F;uchten.</p><lb/>
              <p>2. Wer das <hi rendition="#aq">principium</hi> des <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;tes</hi> ver-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, der fa&#x0364;llt auch &#x017F;olcher ge&#x017F;talt auf das <hi rendition="#fr">Flei&#x017F;ch,</hi><lb/>
daß er dem natu&#x0364;rlichen Verderben in &#x017F;ich Raum<lb/>
giebet, und wircklich nach dem Flei&#x017F;che lebet.<lb/>
O wie leicht i&#x017F;t es ge&#x017F;chehen, daß man vom<lb/>
Gei&#x017F;te al&#x017F;o aufs Flei&#x017F;ch falle! O wie betru&#x0364;bt<lb/>
&#x017F;ind die Exempel derer, welche im <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;te</hi> ange-<lb/>
fangen, aber leider im <hi rendition="#fr">Flei&#x017F;che</hi> fortfahren, und<lb/>
die Vollendung im <hi rendition="#fr">Fluche</hi> machen, wo &#x017F;ie nicht<lb/>
bey Zeiten bedencken, wovon &#x017F;ie gefallen &#x017F;ind,<lb/>
und ihre unlautere krumme Wege wieder ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 4.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Habt ihr denn &#x017F;o viel</hi> (von den Feinden<lb/>
des Evangelii, den Juden und Heiden) <hi rendition="#fr">um-<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t erlitten?</hi> (wie es denn gewiß um&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, wofern ihr Chri&#x017F;tum mit dem Evangelio<lb/>
woltet wieder fahren la&#x017F;&#x017F;en) <hi rendition="#fr">J&#x017F;t es anders<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t</hi> (wie es denn nicht dabey bleiben wu&#x0364;r-<lb/>
de, daß ihr das Evangelium um&#x017F;on&#x017F;t oder ohne<lb/>
die daraus &#x017F;on&#x017F;t ent&#x017F;tehende Seligkeit angenom-<lb/>
men und daru&#x0364;ber gelitten habet; &#x017F;ondern es zu<lb/>
eurer de&#x017F;to mehrern Verdammniß gereichen<lb/>
mo&#x0364;chte: wiewol ich der guten Hoffnung zu euch<lb/>
bin, daß es nicht um&#x017F;on&#x017F;t gewe&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;oll, und<lb/>
ihr euch wieder in die er&#x017F;ten lautern Glaubens-<lb/>
Wege begeben werdet.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <list>
                <item>1. Obgleich um die&#x017F;e Zeit, da die Galater<lb/>
zu Chri&#x017F;to gebracht worden, keine &#x017F;olche Ver-<lb/>
folgung gewe&#x017F;en, die aus Ka&#x0364;y&#x017F;erlichem Befehl<lb/>
ge&#x017F;chehen; als womit die Chri&#x017F;ten fa&#x017F;t durch<lb/>
das gantze er&#x017F;te <hi rendition="#aq">Seculum</hi> ziemlich ver&#x017F;chonet ge-<lb/>
blieben &#x017F;ind, ohne was zu den Zeiten Neronis<lb/>
eigentlich nur zu Rom und am Ende des <hi rendition="#aq">Seculi</hi><lb/>
unter <hi rendition="#aq">Domitiano</hi> an mehrern Orten vorgegan-<lb/>
gen i&#x017F;t: &#x017F;o hat es den Bekennern Chri&#x017F;ti doch<lb/>
niemals an Leiden, und dazu oft gar &#x017F;chweren<lb/>
Leiden gefehlet. Denn &#x017F;owol die ver&#x017F;tockten<lb/>
Juden, als die abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen Heiden verla&#x0364;-<lb/>
&#x017F;terten &#x017F;ie nicht allein aufs a&#x0364;rg&#x017F;te, &#x017F;ondern<lb/>
druckten &#x017F;ie auch &#x017F;on&#x017F;t gar hart, al&#x017F;o, daß &#x017F;ie<lb/>
bey &#x017F;o vielen fal&#x017F;chen Anklagen auch wol in die<lb/>
Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e geleget, ihrer Gu&#x0364;ter beraubet und<lb/>
verjaget wurden, nachdem die Richter den An-<lb/>
kla&#x0364;gern Geho&#x0364;r gegeben. Wie es den Apo&#x017F;teln<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t und vor andern am mei&#x017F;ten ergangen, i&#x017F;t<lb/>
aus ihren Ge&#x017F;chichten und Briefen bekant.</item><lb/>
                <item>2. Das Evangelium nicht allein als wahr-<lb/>
haftig erkant und angenommen haben, dadurch<lb/>
auch mit den Gaben des Heiligen Gei&#x017F;tes ver-<lb/>
&#x017F;iegelt &#x017F;eyn, ja daru&#x0364;ber &#x017F;chon &#x017F;o viel erlitten ha-<lb/>
ben, war eine Sache, welche den Galatern ihre<lb/><cb/>
Wanck elmu&#x0364;thigkeit, als recht unvernu&#x0364;nftig und<lb/>
unverantwortlich vor&#x017F;tellen und &#x017F;ie zur geho&#x0364;rigen<lb/>
Be&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit nicht wenig antreiben konte.<lb/>
Daher &#x017F;ich der Apo&#x017F;tel die&#x017F;er Gru&#x0364;nde mit Fleiß<lb/>
bedienet: wie denn auch nicht zu zweifeln, daß<lb/>
er damit &#x017F;einen Zweck werde erreichet haben.</item><lb/>
                <item>3. Es haben aber die Worte: <hi rendition="#fr">Habet ihr &#x017F;o<lb/>
viel um&#x017F;on&#x017F;t erlitten,</hi> nicht allein die&#x017F;en Ver-<lb/>
&#x017F;tand, daß &#x017F;ie die Leiden nicht ohne genug&#x017F;ame<lb/>
Uberzeugung von der Wahrheit des Evangelii<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ich ergehen la&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;ondern &#x017F;ie gehen auch<lb/>
&#x017F;onderlich auf die gro&#x017F;&#x017F;e Verhei&#x017F;&#x017F;ungen von der<lb/>
&#x017F;o herrlichen Gnaden-Belohnung aller wahren<lb/>
Leiden: davon man &#x017F;ehe Matth. 5, 10-12. Rom.<lb/>
8, 18. <hi rendition="#aq">&#x017F;qq.</hi> 2 Cor. 5, 17. 18. Hebr. 12, 7. Jac. 1,<lb/>
12. <hi rendition="#aq">Apoc.</hi> 2, 10. Johannes &#x017F;pricht daher Ep.<lb/>
2, 10. <hi rendition="#fr">Sehet euch vor, daß wir nicht ver-<lb/>
lieren, was wir erarbeitet haben, &#x017F;ondern<lb/>
vollen Lohn empfahen.</hi></item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 5.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Der euch nun den Gei&#x017F;t reichet</hi> (zu eu-<lb/>
rer innerlichen Salbung und Anzu&#x0364;ndung des<lb/>
Glaubens) <hi rendition="#fr">und thut</hi> (zu eurer de&#x017F;to mehreren<lb/>
Ver&#x017F;iegelung oder Bekra&#x0364;ftigung in der Wahr-<lb/>
heit) <hi rendition="#fr">&#x017F;olche Thaten</hi> (der au&#x017F;&#x017F;erordentlichen<lb/>
Wunder Gaben, wie bey den Corinthiern 1 Cor.<lb/>
12. 14.) <hi rendition="#fr">unter euch, thut ers durchs Ge&#x017F;e-<lb/>
tzes Werck, oder durch die Predigt vom<lb/>
Glauben?</hi> (&#x017F;eyd ihr dazu itzo er&#x017F;t gelanget durch<lb/>
den fal&#x017F;chen Eifer fu&#x0364;r das Ge&#x017F;etz und fu&#x0364;r die ge-<lb/>
&#x017F;etzliche Gerechtigkeit, darauf euch einige fal&#x017F;che<lb/>
Lehrer gefu&#x0364;hret haben; oder gleich anfangs durch<lb/>
die im Glauben angenommene Predigt des Ev-<lb/>
angelii von der euch erworbenen Gerechtigkeit<lb/>
CHri&#x017F;ti?)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>Weil die&#x017F;es ein &#x017F;ehr wichtiger Bewegungs-<lb/>
Grund i&#x017F;t, dadurch die Galater am mei&#x017F;ten und<lb/>
zuvorder&#x017F;t u&#x0364;berzeuget werden konten; &#x017F;o wieder-<lb/>
holet der Apo&#x017F;tel mit etwas vera&#x0364;nderten Wor-<lb/>
ten das, was er &#x017F;chon vorher v. 2. ge&#x017F;etzet hatte.<lb/>
Und die&#x017F;es bringet diejenige Lehr-Art, da man<lb/>
nicht nach der Kun&#x017F;t, &#x017F;ondern aus dringendem <hi rendition="#aq">Af-<lb/>
fect</hi> zur rechten <hi rendition="#aq">Conviction</hi> redet, oder &#x017F;chreibet,<lb/>
al&#x017F;o mit &#x017F;ich.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>V. 6.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Gleichwie Abraham hat GOTT ge-<lb/>
glaubet</hi> (in den ihm gegebnen Verhei&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
vom Meßia, als dem Heilande aller Welt) <hi rendition="#fr">und<lb/>
es i&#x017F;t ihm gerechnet zur Gerechtigkeit</hi> (da-<lb/>
mit er ko&#x0364;nte vor GOTT be&#x017F;tehen; &#x017F;intemal er<lb/>
in &#x017F;einem Glauben die Gerechtigkeit des Meßia&#x0364;<lb/>
an&#x017F;ahe, und &#x017F;ich zueignete: wie denn die go&#x0364;ttli-<lb/>
che Zurechnung des Glaubens Zueignung zum<lb/>
Grunde hat. Wie aber Abraham, der Vater<lb/>
oder das Mu&#x017F;ter aller Gla&#x0364;ubigen, gerecht worden<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir alle gerecht und &#x017F;elig werden:<lb/>
wie mit mehrern gezeiget i&#x017F;t Rom. 4. alwo der<lb/>
Ort 1 B. Mo&#x017F;. 15, 6. erla&#x0364;utert wird.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckung.</hi> </head><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#aq">particula</hi> &#x03BA;&#x03B1;&#x03D1;&#x1F7C;&#x03C2;, <hi rendition="#fr">gleichwie,</hi> hat al-<lb/>
hier die <hi rendition="#aq">particulam</hi> &#x03BF;&#x1F55;&#x03C4;&#x03C9;&#x03C2;, <hi rendition="#fr">al&#x017F;o,</hi> nicht nach &#x017F;ich:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0536] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 4-6. Anmerckungen. 1. Das Wort Fleiſch gehet alhier im Ge- genſatz auf den Geiſt, auſſer der Beſchneidung, auf die gantze Oeconomie des alten Teſtaments, auch in Anſehung deſſen, daß die Juden gemei- niglich nur nach ihren bloſſen Natur-Kraͤften, die auch ſonſt mit dem Namen des Fleiſches benen- net werden, umgingen, und aus ſolchen ihre ei- gene Gerechtigkeit nach dem Geſetz in aͤuſſerlichen Wercken ſuchten. 2. Wer das principium des Geiſtes ver- laͤſſet, der faͤllt auch ſolcher geſtalt auf das Fleiſch, daß er dem natuͤrlichen Verderben in ſich Raum giebet, und wircklich nach dem Fleiſche lebet. O wie leicht iſt es geſchehen, daß man vom Geiſte alſo aufs Fleiſch falle! O wie betruͤbt ſind die Exempel derer, welche im Geiſte ange- fangen, aber leider im Fleiſche fortfahren, und die Vollendung im Fluche machen, wo ſie nicht bey Zeiten bedencken, wovon ſie gefallen ſind, und ihre unlautere krumme Wege wieder ver- laſſen. V. 4. Habt ihr denn ſo viel (von den Feinden des Evangelii, den Juden und Heiden) um- ſonſt erlitten? (wie es denn gewiß umſonſt ſeyn wuͤrde, wofern ihr Chriſtum mit dem Evangelio woltet wieder fahren laſſen) Jſt es anders umſonſt (wie es denn nicht dabey bleiben wuͤr- de, daß ihr das Evangelium umſonſt oder ohne die daraus ſonſt entſtehende Seligkeit angenom- men und daruͤber gelitten habet; ſondern es zu eurer deſto mehrern Verdammniß gereichen moͤchte: wiewol ich der guten Hoffnung zu euch bin, daß es nicht umſonſt geweſen ſeyn ſoll, und ihr euch wieder in die erſten lautern Glaubens- Wege begeben werdet.) Anmerckungen. 1. Obgleich um dieſe Zeit, da die Galater zu Chriſto gebracht worden, keine ſolche Ver- folgung geweſen, die aus Kaͤyſerlichem Befehl geſchehen; als womit die Chriſten faſt durch das gantze erſte Seculum ziemlich verſchonet ge- blieben ſind, ohne was zu den Zeiten Neronis eigentlich nur zu Rom und am Ende des Seculi unter Domitiano an mehrern Orten vorgegan- gen iſt: ſo hat es den Bekennern Chriſti doch niemals an Leiden, und dazu oft gar ſchweren Leiden gefehlet. Denn ſowol die verſtockten Juden, als die aberglaͤubiſchen Heiden verlaͤ- ſterten ſie nicht allein aufs aͤrgſte, ſondern druckten ſie auch ſonſt gar hart, alſo, daß ſie bey ſo vielen falſchen Anklagen auch wol in die Gefaͤngniſſe geleget, ihrer Guͤter beraubet und verjaget wurden, nachdem die Richter den An- klaͤgern Gehoͤr gegeben. Wie es den Apoſteln ſelbſt und vor andern am meiſten ergangen, iſt aus ihren Geſchichten und Briefen bekant. 2. Das Evangelium nicht allein als wahr- haftig erkant und angenommen haben, dadurch auch mit den Gaben des Heiligen Geiſtes ver- ſiegelt ſeyn, ja daruͤber ſchon ſo viel erlitten ha- ben, war eine Sache, welche den Galatern ihre Wanck elmuͤthigkeit, als recht unvernuͤnftig und unverantwortlich vorſtellen und ſie zur gehoͤrigen Beſtaͤndigkeit nicht wenig antreiben konte. Daher ſich der Apoſtel dieſer Gruͤnde mit Fleiß bedienet: wie denn auch nicht zu zweifeln, daß er damit ſeinen Zweck werde erreichet haben. 3. Es haben aber die Worte: Habet ihr ſo viel umſonſt erlitten, nicht allein dieſen Ver- ſtand, daß ſie die Leiden nicht ohne genugſame Uberzeugung von der Wahrheit des Evangelii uͤber ſich ergehen laſſen; ſondern ſie gehen auch ſonderlich auf die groſſe Verheiſſungen von der ſo herrlichen Gnaden-Belohnung aller wahren Leiden: davon man ſehe Matth. 5, 10-12. Rom. 8, 18. ſqq. 2 Cor. 5, 17. 18. Hebr. 12, 7. Jac. 1, 12. Apoc. 2, 10. Johannes ſpricht daher Ep. 2, 10. Sehet euch vor, daß wir nicht ver- lieren, was wir erarbeitet haben, ſondern vollen Lohn empfahen. V. 5. Der euch nun den Geiſt reichet (zu eu- rer innerlichen Salbung und Anzuͤndung des Glaubens) und thut (zu eurer deſto mehreren Verſiegelung oder Bekraͤftigung in der Wahr- heit) ſolche Thaten (der auſſerordentlichen Wunder Gaben, wie bey den Corinthiern 1 Cor. 12. 14.) unter euch, thut ers durchs Geſe- tzes Werck, oder durch die Predigt vom Glauben? (ſeyd ihr dazu itzo erſt gelanget durch den falſchen Eifer fuͤr das Geſetz und fuͤr die ge- ſetzliche Gerechtigkeit, darauf euch einige falſche Lehrer gefuͤhret haben; oder gleich anfangs durch die im Glauben angenommene Predigt des Ev- angelii von der euch erworbenen Gerechtigkeit CHriſti?) Anmerckung. Weil dieſes ein ſehr wichtiger Bewegungs- Grund iſt, dadurch die Galater am meiſten und zuvorderſt uͤberzeuget werden konten; ſo wieder- holet der Apoſtel mit etwas veraͤnderten Wor- ten das, was er ſchon vorher v. 2. geſetzet hatte. Und dieſes bringet diejenige Lehr-Art, da man nicht nach der Kunſt, ſondern aus dringendem Af- fect zur rechten Conviction redet, oder ſchreibet, alſo mit ſich. V. 6. Gleichwie Abraham hat GOTT ge- glaubet (in den ihm gegebnen Verheiſſungen vom Meßia, als dem Heilande aller Welt) und es iſt ihm gerechnet zur Gerechtigkeit (da- mit er koͤnte vor GOTT beſtehen; ſintemal er in ſeinem Glauben die Gerechtigkeit des Meßiaͤ anſahe, und ſich zueignete: wie denn die goͤttli- che Zurechnung des Glaubens Zueignung zum Grunde hat. Wie aber Abraham, der Vater oder das Muſter aller Glaͤubigen, gerecht worden iſt, ſo muͤſſen wir alle gerecht und ſelig werden: wie mit mehrern gezeiget iſt Rom. 4. alwo der Ort 1 B. Moſ. 15, 6. erlaͤutert wird. Anmerckung. Die particula καϑὼς, gleichwie, hat al- hier die particulam οὕτως, alſo, nicht nach ſich: und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/536
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/536>, abgerufen am 24.11.2024.