Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, v. 1. an die Galater. [Spaltenumbruch]
sich durch Blendwerck des Satans rauben las-sen) der hat sich an das, unter andern auch in den ietzo angeführten Aussprüchen Christi enthaltene allgemeine Evangelium und an die gegen alle Menschen in Christo, dem Heiland aller Men- schen, geöffnete Ordnung des Heils und an die darinnen offen stehende Gnaden-Thüre zu halten. 5. Jm übrigen ist bey den bisher mit mehrern erläuterten Worten von der nicht weg- zuwerfenden Gnade wohl zu mercken, daß, wenn Paulus dabey der Gerechtigkeit, welcher der Mensch bedürftig ist, gedencket, er damit auf eben diese von Christo erworbene Gnade siehet. Denn daß der himmlische Vater in seinem Sohn mit dem Heiligen Geiste den Rath des Friedens ausgefunden und beliebet hat; daß auch der Sohn GOttes das Löse-Geld durch sich selbst gebracht und ein Versöhn-Opfer für uns wor- den, und uns von GOtt solches kan und soll zu- gerechnet werden; das ist lauter Gnade und das Gnaden-Geschenck der Gerechtigkeit. 6. Wenn demnach Paulus alhier, und auch sonst, von der Gerechtigkeit redet, welcher wir benöthiget sind zur Seligkeit, so verstehet er damit eine solche Unschuld, oder einen solchen Stand der Heiligkeit, damit man vor dem gerechten Gerichte GOttes bestehen könne, und die sich zur seligen Gemeinschaft mit dem aller- [Spaltenumbruch] heiligsten Wesen GOttes schicke. Da nun die menschliche Natur eine solche Gerechtigkeit an dem anerschafnen Ebenbilde GOttes gehabt, aber verlohren hat; so pfleget sie, wenn sie in eine eigne Bemühung um ihre Seligkeit einge- het, dieselbe, aus dem Mangel der Erkäntniß ih- res grossen Verderbens, in Eigenliebe mit eignen Kräften in den vom Gesetze GOttes gebotenen meist äusserlichen Wercken zu suchen. Womit sie sich aber nur selbst betrieget. Und darum sa- get Paulus: So durch das Gesetz die Ge- rechtigkeit kömmt, so ist Christus vergeb- lich gestorben. Welches eine solche Rede ist, als 1 Cor. 15, 13. u. f. Jst die Auferstehung der Todten nichts, so ist auch Christus nicht auferstanden u. s. w. Damit er so viel sagte: Nun aber wäre das höchst ungereimt, und wider den Grund unsers Glaubens, die Auferste- hung Christi in Zweifel zu ziehen. Dahero denn, wenn diese veste stehet; auch unsere Auf- erstehung gewiß erfolgen wird. Es soll dem- nach auch alhier so viel heissen, als: Da nun Christus nicht vergeblich, sondern zur Erwerbung unserer Gerechtigkeit gestorben ist, (als welches die falschen Lehrer selbst scheinen zugegeben, oder doch die Galater von der Lehre Christi beybehal- ten zu haben,) so folget daraus, daß die Gerech- tigkeit, damit wir vor GOtt bestehen, nicht aus dem Gesetze komme. Das dritte Capitel/ Darinnen der Apostel die Galater ihres Jrrthums wegen also bestrafet/ daß er sie von der Rechtfertigung vor GOtt durch un- terschiedliche Gründe zu überzeugen suchet/ als von ihrem mit dem Ev- angelio gemachten guten Anfange, vom Exempel Abrahams/ von der Beschaffenheit des Gesetzes und der Erlösung Christi/ und vom Vorzuge des Gnaden-Bundes vor dem nur bis auf Christum reichenden Bunde des Gesetzes. V. 1. [Spaltenumbruch]
OJhr unverständigen Gala- Anmerckungen. 1. Diese Worte siehen in genauer Verbin- dung mit denen c. 1, 6. Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden lasset von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, auf ein ander Evangelium. Denn damit zeiget der Apostel an, mit welcher Befremdung er die Unbeständigkeit der Galater vernommen habe. Nachdem er nun darauf vieles von der Wahrheit und Lauterkeit des von ihm gepredig- ten Evangelii und seines Berufs, insonderheit in dem, was zu Jerusalem bey den Aposteln und zu Antiochia mit Petro vorgegangen, bis an das dritte Capitel vorgestellet hat; so wiederholet er noch mit mehrern Nachdruck die Anzeigung von gedachter seiner Befremdung, also, daß er die Gala- S s s
Cap. 3, v. 1. an die Galater. [Spaltenumbruch]
ſich durch Blendwerck des Satans rauben laſ-ſen) der hat ſich an das, unter andern auch in den ietzo angefuͤhrten Ausſpruͤchen Chriſti enthaltene allgemeine Evangelium und an die gegen alle Menſchen in Chriſto, dem Heiland aller Men- ſchen, geoͤffnete Ordnung des Heils und an die darinnen offen ſtehende Gnaden-Thuͤre zu halten. 5. Jm uͤbrigen iſt bey den bisher mit mehrern erlaͤuterten Worten von der nicht weg- zuwerfenden Gnade wohl zu mercken, daß, wenn Paulus dabey der Gerechtigkeit, welcher der Menſch beduͤrftig iſt, gedencket, er damit auf eben dieſe von Chriſto erworbene Gnade ſiehet. Denn daß der himmliſche Vater in ſeinem Sohn mit dem Heiligen Geiſte den Rath des Friedens ausgefunden und beliebet hat; daß auch der Sohn GOttes das Loͤſe-Geld durch ſich ſelbſt gebracht und ein Verſoͤhn-Opfer fuͤr uns wor- den, und uns von GOtt ſolches kan und ſoll zu- gerechnet werden; das iſt lauter Gnade und das Gnaden-Geſchenck der Gerechtigkeit. 6. Wenn demnach Paulus alhier, und auch ſonſt, von der Gerechtigkeit redet, welcher wir benoͤthiget ſind zur Seligkeit, ſo verſtehet er damit eine ſolche Unſchuld, oder einen ſolchen Stand der Heiligkeit, damit man vor dem gerechten Gerichte GOttes beſtehen koͤnne, und die ſich zur ſeligen Gemeinſchaft mit dem aller- [Spaltenumbruch] heiligſten Weſen GOttes ſchicke. Da nun die menſchliche Natur eine ſolche Gerechtigkeit an dem anerſchafnen Ebenbilde GOttes gehabt, aber verlohren hat; ſo pfleget ſie, wenn ſie in eine eigne Bemuͤhung um ihre Seligkeit einge- het, dieſelbe, aus dem Mangel der Erkaͤntniß ih- res groſſen Verderbens, in Eigenliebe mit eignen Kraͤften in den vom Geſetze GOttes gebotenen meiſt aͤuſſerlichen Wercken zu ſuchen. Womit ſie ſich aber nur ſelbſt betrieget. Und darum ſa- get Paulus: So durch das Geſetz die Ge- rechtigkeit koͤmmt, ſo iſt Chriſtus vergeb- lich geſtorben. Welches eine ſolche Rede iſt, als 1 Cor. 15, 13. u. f. Jſt die Auferſtehung der Todten nichts, ſo iſt auch Chriſtus nicht auferſtanden u. ſ. w. Damit er ſo viel ſagte: Nun aber waͤre das hoͤchſt ungereimt, und wider den Grund unſers Glaubens, die Auferſte- hung Chriſti in Zweifel zu ziehen. Dahero denn, wenn dieſe veſte ſtehet; auch unſere Auf- erſtehung gewiß erfolgen wird. Es ſoll dem- nach auch alhier ſo viel heiſſen, als: Da nun Chriſtus nicht vergeblich, ſondern zur Erwerbung unſerer Gerechtigkeit geſtorben iſt, (als welches die falſchen Lehrer ſelbſt ſcheinen zugegeben, oder doch die Galater von der Lehre Chriſti beybehal- ten zu haben,) ſo folget daraus, daß die Gerech- tigkeit, damit wir vor GOtt beſtehen, nicht aus dem Geſetze komme. Das dritte Capitel/ Darinnen der Apoſtel die Galater ihres Jrrthums wegen alſo beſtrafet/ daß er ſie von der Rechtfertigung vor GOtt durch un- terſchiedliche Gruͤnde zu überzeugen ſuchet/ als von ihrem mit dem Ev- angelio gemachten guten Anfange, vom Exempel Abrahams/ von der Beſchaffenheit des Geſetzes und der Erloͤſung Chriſti/ und vom Vorzuge des Gnaden-Bundes vor dem nur bis auf Chriſtum reichenden Bunde des Geſetzes. V. 1. [Spaltenumbruch]
OJhr unverſtaͤndigen Gala- Anmerckungen. 1. Dieſe Worte ſiehen in genauer Verbin- dung mit denen c. 1, 6. Mich wundert, daß ihr euch ſo bald abwenden laſſet von dem, der euch berufen hat in die Gnade Chriſti, auf ein ander Evangelium. Denn damit zeiget der Apoſtel an, mit welcher Befremdung er die Unbeſtaͤndigkeit der Galater vernommen habe. Nachdem er nun darauf vieles von der Wahrheit und Lauterkeit des von ihm gepredig- ten Evangelii und ſeines Berufs, inſonderheit in dem, was zu Jeruſalem bey den Apoſteln und zu Antiochia mit Petro vorgegangen, bis an das dritte Capitel vorgeſtellet hat; ſo wiederholet er noch mit mehrern Nachdruck die Anzeigung von gedachter ſeiner Befremdung, alſo, daß er die Gala- S s s
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Cap. 3, v. 1. an die Galater.
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ſen) der hat ſich an das, unter andern auch in den
ietzo angefuͤhrten Ausſpruͤchen Chriſti enthaltene
allgemeine Evangelium und an die gegen alle
Menſchen in Chriſto, dem Heiland aller Men-
ſchen, geoͤffnete Ordnung des Heils und an die
darinnen offen ſtehende Gnaden-Thuͤre zu
halten.
5. Jm uͤbrigen iſt bey den bisher mit
mehrern erlaͤuterten Worten von der nicht weg-
zuwerfenden Gnade wohl zu mercken, daß, wenn
Paulus dabey der Gerechtigkeit, welcher der
Menſch beduͤrftig iſt, gedencket, er damit auf
eben dieſe von Chriſto erworbene Gnade ſiehet.
Denn daß der himmliſche Vater in ſeinem Sohn
mit dem Heiligen Geiſte den Rath des Friedens
ausgefunden und beliebet hat; daß auch der
Sohn GOttes das Loͤſe-Geld durch ſich ſelbſt
gebracht und ein Verſoͤhn-Opfer fuͤr uns wor-
den, und uns von GOtt ſolches kan und ſoll zu-
gerechnet werden; das iſt lauter Gnade und
das Gnaden-Geſchenck der Gerechtigkeit.
6. Wenn demnach Paulus alhier, und
auch ſonſt, von der Gerechtigkeit redet, welcher
wir benoͤthiget ſind zur Seligkeit, ſo verſtehet
er damit eine ſolche Unſchuld, oder einen ſolchen
Stand der Heiligkeit, damit man vor dem
gerechten Gerichte GOttes beſtehen koͤnne, und
die ſich zur ſeligen Gemeinſchaft mit dem aller-
heiligſten Weſen GOttes ſchicke. Da nun die
menſchliche Natur eine ſolche Gerechtigkeit an
dem anerſchafnen Ebenbilde GOttes gehabt,
aber verlohren hat; ſo pfleget ſie, wenn ſie in
eine eigne Bemuͤhung um ihre Seligkeit einge-
het, dieſelbe, aus dem Mangel der Erkaͤntniß ih-
res groſſen Verderbens, in Eigenliebe mit eignen
Kraͤften in den vom Geſetze GOttes gebotenen
meiſt aͤuſſerlichen Wercken zu ſuchen. Womit
ſie ſich aber nur ſelbſt betrieget. Und darum ſa-
get Paulus: So durch das Geſetz die Ge-
rechtigkeit koͤmmt, ſo iſt Chriſtus vergeb-
lich geſtorben. Welches eine ſolche Rede iſt,
als 1 Cor. 15, 13. u. f. Jſt die Auferſtehung
der Todten nichts, ſo iſt auch Chriſtus
nicht auferſtanden u. ſ. w. Damit er ſo viel
ſagte: Nun aber waͤre das hoͤchſt ungereimt, und
wider den Grund unſers Glaubens, die Auferſte-
hung Chriſti in Zweifel zu ziehen. Dahero
denn, wenn dieſe veſte ſtehet; auch unſere Auf-
erſtehung gewiß erfolgen wird. Es ſoll dem-
nach auch alhier ſo viel heiſſen, als: Da nun
Chriſtus nicht vergeblich, ſondern zur Erwerbung
unſerer Gerechtigkeit geſtorben iſt, (als welches
die falſchen Lehrer ſelbſt ſcheinen zugegeben, oder
doch die Galater von der Lehre Chriſti beybehal-
ten zu haben,) ſo folget daraus, daß die Gerech-
tigkeit, damit wir vor GOtt beſtehen, nicht aus
dem Geſetze komme.
Das dritte Capitel/
Darinnen der Apoſtel die Galater ihres Jrrthums wegen
alſo beſtrafet/ daß er ſie von der Rechtfertigung vor GOtt durch un-
terſchiedliche Gruͤnde zu überzeugen ſuchet/ als von ihrem mit dem Ev-
angelio gemachten guten Anfange, vom Exempel Abrahams/ von der
Beſchaffenheit des Geſetzes und der Erloͤſung Chriſti/ und vom
Vorzuge des Gnaden-Bundes vor dem nur bis auf
Chriſtum reichenden Bunde des
Geſetzes.
V. 1.
OJhr unverſtaͤndigen Gala-
ter, wer hat euch bezaubert
(durch verborgene Kraͤfte des
Jrrthums die Augen eures Ge-
muͤhts verblendet, und von wem
habet ihr dieſelbe euch alſo verblenden laſſen) daß
ihr der Wahrheit (des Evangelii von der
durch Chriſtum geſchehenen Erloͤſung und von
ihm zu erlangenden Gerechtigkeit) nicht gehor-
chet (im glaͤubigen Beyfall nicht bewahret?)
welchen Chriſtus (nach ſeiner Perſon und nach
ſeinem Mittler-Amte) vor die Augen gemah-
let (von mir vor dem aufs deutlichſte vorgeſtellet)
war, und unter euch gecreutziget iſt (in ſei-
ner Creutzigung dergeſtalt vor Augen geſtellet iſt,
als haͤttet ihr ſie, oder ihn darinnen ſelbſt mit an-
geſehen.
Anmerckungen.
1. Dieſe Worte ſiehen in genauer Verbin-
dung mit denen c. 1, 6. Mich wundert, daß
ihr euch ſo bald abwenden laſſet von dem,
der euch berufen hat in die Gnade Chriſti,
auf ein ander Evangelium. Denn damit
zeiget der Apoſtel an, mit welcher Befremdung
er die Unbeſtaͤndigkeit der Galater vernommen
habe. Nachdem er nun darauf vieles von der
Wahrheit und Lauterkeit des von ihm gepredig-
ten Evangelii und ſeines Berufs, inſonderheit in
dem, was zu Jeruſalem bey den Apoſteln und
zu Antiochia mit Petro vorgegangen, bis an das
dritte Capitel vorgeſtellet hat; ſo wiederholet er
noch mit mehrern Nachdruck die Anzeigung von
gedachter ſeiner Befremdung, alſo, daß er die
Gala-
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