Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 13, 1. [Spaltenumbruch]
Anmerckungen. 1. Es war nur einer unter den Corinthiern, welcher die Sünde der Blutschande begangen hatte, da er nemlich seines Vaters Weib, oder seine Stiefmutter zur Ehe genommen 1 Cor. 5, 1. seqq. Allein weil die Sünde der Unreinigkeit unter den Corinthiern, nach dem vorigen Hei- denthum, über alle die Massen war gemein und recht greulich gewesen, und viele von solchen bey der Predigt von CHristo das Evangelium ange- nommen, und bey bezeugter kräftigen Rührung ihres Hertzens, sich auch hatten taufen lassen und zur christlichen Gemeine gehalten; und Pau- lus von solchen die Verleugnung solches ungöttli- chen Wesens in einem noch immer tiefern Grad erwartete: so besorgete er nunmehro bey der vor- gegangnen Zerrüttung das Gegentheil, daß manche, wo nicht gar wieder nach einiger Schwemme sich möchten in den Koth solcher Sünden werfen und weltzen; doch an der gründ- lichen Reinigung von allem alten Sünden- Schlamm nicht den gehörigen Fleiß und genug- same Treue möchten bewiesen haben. 2. Gleichwie die Sünden wider das fünf- te Gebot, die alle im Hasse gegen den Nechsten zusammen fliessen, auf so vielerley Art, und nach so mancherley Stufen begangen werden, daß sie vorher v. 20. mit sechs Worten, als beson- dern Gattungen, benennet werden: so hat alhie die Sünde wider das sechste Gebot, die Unkeusch- heit, nach ihren unterschiedlichen Gattungen drey Namen, nemlich der Hurerey, Unreinigkeit [Spaltenumbruch] und Unzucht. Man sehe dergleichen Gal. 5, 19. 20. und Col. 3, 5. 3. Gleichwie einen rechtschaffenen Lehrer nichts mehr erfreuet, als die rechten Früchte sei- nes Amts an seinen Zuhörern zu sehen, also daß er darüber ein in GOTT zu seinem Lobe erhabe- nes Gemüth hat: so betrübet ihn hingegen nichts mehr, als das Gegentheil: und wird er da- durch vor Kummer gebeuget und niedergeschla- gen. 4. Die Redensart aber, daß mich mein GOtt demüthige bey euch, gehet auf die gött- liche Providenz, nach welcher GOtt das Böse nicht durch seine absolute Gewalt verhindert, son- dern es geschehen, und es hie und dazu gereichen lässet. Ob nun wol Paulus eine solche Demü- thigung als von GOtt annahme; so wuste er doch wohl, daß dieses nicht der gnädige, sondern nur der zuläßige Wille GOttes war, und wol- te er lieber von GOTT durch der Corinthier Wohlverhalten erfreuet, als also gedemüthiget werden. Siehe c. 2, 1. da er es nennet, in Traurigkeit zu ihnen kommen. Hingegen c. 7, 13. als ein tapeinos, ein niedriger und vie- les Anliegens wegen gedemüthigter, oder nie- dergeschlagener, getröstet und aufgerichtet wer- den. 5. Wer seines vorigen Lebens wegen, son- derlich wegen Hurerey und Unreinigkeit, alte Wunden in seinem Gewissen hat, muß ja zuse- hen, daß der alte Schade nicht wieder aufbreche, sondern recht ausgeheilet werde. Das dreyzehente Capitel/ Darinnen der Apostel den Brief mit einer ernstlichen War- nung/ Vermahnung/ Aufmunterung/ und mit einem Segens- Wunsche beschliesset. V. 1. [Spaltenumbruch]
KOmme ich zum dritten mal zu Anmerckungen. 1. Das zum dritten mal wird alhie, wie c. 12, 14. von dem Vorsatze und Anschickung [Spaltenumbruch] zur Zukunft verstanden: und ist so viel, als sagte der Apostel: Triton touto, dieses dritte mal, die- sem meinen zum dritten mal gemachten Vorsatze nach, komme ich gewiß nach GOttes Willen zu euch. Da es denn, wie folget, soll gehalten werden. 2. Es war im Gesetze Mosis gar weislich verordnet, daß keinem Kläger, oder Angeber, so schlechthin solte geglaubet werden, sondern daß es auf die Aussage dreyer, oder doch aufs we- nigste zweyer Zeugen solte ankommen. Welche Zeugen denn auch gewissenhaft und eines un- sträflichen Lebens seyn musten: sonsten ihr Zeug- niß verwerflich war. Denn da man gerne auf die Leute lüget; wer würde unschuldig seyn, wenn angeben und beschuldigen genug wäre! Es ist so arg genug, daß es bald am Richter, bald an den Zeugen fehlet; und vielmal weder jene noch diese ihre Gewissen recht in acht nehmen; und daher Ungerechtigkeit überhand nimmt, und so vieles von den unschuldigen und unterdrückten dem
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 13, 1. [Spaltenumbruch]
Anmerckungen. 1. Es war nur einer unter den Corinthiern, welcher die Suͤnde der Blutſchande begangen hatte, da er nemlich ſeines Vaters Weib, oder ſeine Stiefmutter zur Ehe genommen 1 Cor. 5, 1. ſeqq. Allein weil die Suͤnde der Unreinigkeit unter den Corinthiern, nach dem vorigen Hei- denthum, uͤber alle die Maſſen war gemein und recht greulich geweſen, und viele von ſolchen bey der Predigt von CHriſto das Evangelium ange- nommen, und bey bezeugter kraͤftigen Ruͤhrung ihres Hertzens, ſich auch hatten taufen laſſen und zur chriſtlichen Gemeine gehalten; und Pau- lus von ſolchen die Verleugnung ſolches ungoͤttli- chen Weſens in einem noch immer tiefern Grad erwartete: ſo beſorgete er nunmehro bey der vor- gegangnen Zerruͤttung das Gegentheil, daß manche, wo nicht gar wieder nach einiger Schwemme ſich moͤchten in den Koth ſolcher Suͤnden werfen und weltzen; doch an der gruͤnd- lichen Reinigung von allem alten Suͤnden- Schlamm nicht den gehoͤrigen Fleiß und genug- ſame Treue moͤchten bewieſen haben. 2. Gleichwie die Suͤnden wider das fuͤnf- te Gebot, die alle im Haſſe gegen den Nechſten zuſammen flieſſen, auf ſo vielerley Art, und nach ſo mancherley Stufen begangen werden, daß ſie vorher v. 20. mit ſechs Worten, als beſon- dern Gattungen, benennet werden: ſo hat alhie die Suͤnde wider das ſechſte Gebot, die Unkeuſch- heit, nach ihren unterſchiedlichen Gattungen drey Namen, nemlich der Hurerey, Unreinigkeit [Spaltenumbruch] und Unzucht. Man ſehe dergleichen Gal. 5, 19. 20. und Col. 3, 5. 3. Gleichwie einen rechtſchaffenen Lehrer nichts mehr erfreuet, als die rechten Fruͤchte ſei- nes Amts an ſeinen Zuhoͤrern zu ſehen, alſo daß er daruͤber ein in GOTT zu ſeinem Lobe erhabe- nes Gemuͤth hat: ſo betruͤbet ihn hingegen nichts mehr, als das Gegentheil: und wird er da- durch vor Kummer gebeuget und niedergeſchla- gen. 4. Die Redensart aber, daß mich mein GOtt demuͤthige bey euch, gehet auf die goͤtt- liche Providenz, nach welcher GOtt das Boͤſe nicht durch ſeine abſolute Gewalt verhindert, ſon- dern es geſchehen, und es hie und dazu gereichen laͤſſet. Ob nun wol Paulus eine ſolche Demuͤ- thigung als von GOtt annahme; ſo wuſte er doch wohl, daß dieſes nicht der gnaͤdige, ſondern nur der zulaͤßige Wille GOttes war, und wol- te er lieber von GOTT durch der Corinthier Wohlverhalten erfreuet, als alſo gedemuͤthiget werden. Siehe c. 2, 1. da er es nennet, in Traurigkeit zu ihnen kommen. Hingegen c. 7, 13. als ein ταπεινὸς, ein niedriger und vie- les Anliegens wegen gedemuͤthigter, oder nie- dergeſchlagener, getroͤſtet und aufgerichtet wer- den. 5. Wer ſeines vorigen Lebens wegen, ſon- derlich wegen Hurerey und Unreinigkeit, alte Wunden in ſeinem Gewiſſen hat, muß ja zuſe- hen, daß der alte Schade nicht wieder aufbreche, ſondern recht ausgeheilet werde. Das dreyzehente Capitel/ Darinnen der Apoſtel den Brief mit einer ernſtlichen War- nung/ Vermahnung/ Aufmunterung/ und mit einem Segens- Wunſche beſchlieſſet. V. 1. [Spaltenumbruch]
KOmme ich zum dritten mal zu Anmerckungen. 1. Das zum dritten mal wird alhie, wie c. 12, 14. von dem Vorſatze und Anſchickung [Spaltenumbruch] zur Zukunft verſtanden: und iſt ſo viel, als ſagte der Apoſtel: Τρίτον τοῦτο, dieſes dritte mal, die- ſem meinen zum dritten mal gemachten Vorſatze nach, komme ich gewiß nach GOttes Willen zu euch. Da es denn, wie folget, ſoll gehalten werden. 2. Es war im Geſetze Moſis gar weislich verordnet, daß keinem Klaͤger, oder Angeber, ſo ſchlechthin ſolte geglaubet werden, ſondern daß es auf die Auſſage dreyer, oder doch aufs we- nigſte zweyer Zeugen ſolte ankommen. Welche Zeugen denn auch gewiſſenhaft und eines un- ſtraͤflichen Lebens ſeyn muſten: ſonſten ihr Zeug- niß verwerflich war. Denn da man gerne auf die Leute luͤget; wer wuͤrde unſchuldig ſeyn, wenn angeben und beſchuldigen genug waͤre! Es iſt ſo arg genug, daß es bald am Richter, bald an den Zeugen fehlet; und vielmal weder jene noch dieſe ihre Gewiſſen recht in acht nehmen; und daher Ungerechtigkeit uͤberhand nimmt, und ſo vieles von den unſchuldigen und unterdruͤckten dem
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 13, 1.
Anmerckungen.
1. Es war nur einer unter den Corinthiern,
welcher die Suͤnde der Blutſchande begangen
hatte, da er nemlich ſeines Vaters Weib, oder
ſeine Stiefmutter zur Ehe genommen 1 Cor. 5,
1. ſeqq. Allein weil die Suͤnde der Unreinigkeit
unter den Corinthiern, nach dem vorigen Hei-
denthum, uͤber alle die Maſſen war gemein und
recht greulich geweſen, und viele von ſolchen bey
der Predigt von CHriſto das Evangelium ange-
nommen, und bey bezeugter kraͤftigen Ruͤhrung
ihres Hertzens, ſich auch hatten taufen laſſen und
zur chriſtlichen Gemeine gehalten; und Pau-
lus von ſolchen die Verleugnung ſolches ungoͤttli-
chen Weſens in einem noch immer tiefern Grad
erwartete: ſo beſorgete er nunmehro bey der vor-
gegangnen Zerruͤttung das Gegentheil, daß
manche, wo nicht gar wieder nach einiger
Schwemme ſich moͤchten in den Koth ſolcher
Suͤnden werfen und weltzen; doch an der gruͤnd-
lichen Reinigung von allem alten Suͤnden-
Schlamm nicht den gehoͤrigen Fleiß und genug-
ſame Treue moͤchten bewieſen haben.
2. Gleichwie die Suͤnden wider das fuͤnf-
te Gebot, die alle im Haſſe gegen den Nechſten
zuſammen flieſſen, auf ſo vielerley Art, und nach
ſo mancherley Stufen begangen werden, daß ſie
vorher v. 20. mit ſechs Worten, als beſon-
dern Gattungen, benennet werden: ſo hat alhie
die Suͤnde wider das ſechſte Gebot, die Unkeuſch-
heit, nach ihren unterſchiedlichen Gattungen drey
Namen, nemlich der Hurerey, Unreinigkeit
und Unzucht. Man ſehe dergleichen Gal. 5,
19. 20. und Col. 3, 5.
3. Gleichwie einen rechtſchaffenen Lehrer
nichts mehr erfreuet, als die rechten Fruͤchte ſei-
nes Amts an ſeinen Zuhoͤrern zu ſehen, alſo daß
er daruͤber ein in GOTT zu ſeinem Lobe erhabe-
nes Gemuͤth hat: ſo betruͤbet ihn hingegen nichts
mehr, als das Gegentheil: und wird er da-
durch vor Kummer gebeuget und niedergeſchla-
gen.
4. Die Redensart aber, daß mich mein
GOtt demuͤthige bey euch, gehet auf die goͤtt-
liche Providenz, nach welcher GOtt das Boͤſe
nicht durch ſeine abſolute Gewalt verhindert, ſon-
dern es geſchehen, und es hie und dazu gereichen
laͤſſet. Ob nun wol Paulus eine ſolche Demuͤ-
thigung als von GOtt annahme; ſo wuſte er doch
wohl, daß dieſes nicht der gnaͤdige, ſondern
nur der zulaͤßige Wille GOttes war, und wol-
te er lieber von GOTT durch der Corinthier
Wohlverhalten erfreuet, als alſo gedemuͤthiget
werden. Siehe c. 2, 1. da er es nennet, in
Traurigkeit zu ihnen kommen. Hingegen
c. 7, 13. als ein ταπεινὸς, ein niedriger und vie-
les Anliegens wegen gedemuͤthigter, oder nie-
dergeſchlagener, getroͤſtet und aufgerichtet wer-
den.
5. Wer ſeines vorigen Lebens wegen, ſon-
derlich wegen Hurerey und Unreinigkeit, alte
Wunden in ſeinem Gewiſſen hat, muß ja zuſe-
hen, daß der alte Schade nicht wieder aufbreche,
ſondern recht ausgeheilet werde.
Das dreyzehente Capitel/
Darinnen der Apoſtel den Brief mit einer ernſtlichen War-
nung/ Vermahnung/ Aufmunterung/ und mit einem Segens-
Wunſche beſchlieſſet.
V. 1.
KOmme ich zum dritten mal zu
euch, ſo ſoll (nach dem goͤttlichen
Gebote Num. 35, 30. Deut. 17,
6. c. 19, 15. Siehe auch Matth.
18, 16. Joh. 8, 17. Hebr. 10, 28.)
in zweyer oder dreyer Zeugen Mund (oder
gewiſſenhaften Auſſage) beſtehen (entſchieden
werden) allerley Sache (zwar mit ſanftmuͤthi-
gem, aber dabey ernſtlichen Geiſte, da GOTT
der Beſtrafung, wenn ſie auch nur mit Worten
geſchiehet, wol ſelbſt durch gewiſſe Gerichte ei-
nen Nachdruck giebet; wie die Corinthier ein
Exempel an dem Blutſchaͤnder geſehen hatten.
Siehe auch 1 Tim. 1, 20. da es heißt: Daß Hy-
menaͤus und Alexander dem Satan uͤberge-
ben worden, daß ſie moͤchten gezuͤchtiget
werden, nicht mehr zu laͤſtern.)
Anmerckungen.
1. Das zum dritten mal wird alhie, wie
c. 12, 14. von dem Vorſatze und Anſchickung
zur Zukunft verſtanden: und iſt ſo viel, als ſagte
der Apoſtel: Τρίτον τοῦτο, dieſes dritte mal, die-
ſem meinen zum dritten mal gemachten Vorſatze
nach, komme ich gewiß nach GOttes Willen zu
euch. Da es denn, wie folget, ſoll gehalten
werden.
2. Es war im Geſetze Moſis gar weislich
verordnet, daß keinem Klaͤger, oder Angeber, ſo
ſchlechthin ſolte geglaubet werden, ſondern
daß es auf die Auſſage dreyer, oder doch aufs we-
nigſte zweyer Zeugen ſolte ankommen. Welche
Zeugen denn auch gewiſſenhaft und eines un-
ſtraͤflichen Lebens ſeyn muſten: ſonſten ihr Zeug-
niß verwerflich war. Denn da man gerne auf
die Leute luͤget; wer wuͤrde unſchuldig ſeyn,
wenn angeben und beſchuldigen genug waͤre! Es
iſt ſo arg genug, daß es bald am Richter, bald an
den Zeugen fehlet; und vielmal weder jene noch
dieſe ihre Gewiſſen recht in acht nehmen; und
daher Ungerechtigkeit uͤberhand nimmt, und ſo
vieles von den unſchuldigen und unterdruͤckten
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