Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 5, v. 18. 19. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
verfahren wird, kein Löse-Geld statt findet.Und solcher gestalt stehet in dem Wercke unserer Seligkeit weder die Gerechtigkeit der Barmher- tzigkeit entgegen, daß sie allein Platz hätte, noch diese jener, daß sie alles allein ausmachte; sondern beyde göttliche Eigenschaften stehen in der vortreflichsten Harmonie beysammen. 4. Und bey dieser Versöhnung concurri- ret nun der Vater mit dem Sohne, also, daß denn auch der Heilige Geist sein Werck dabey hat, sonderlich in der Application, um darinnen den Vater und Sohn, auch sich selbst zu ver- herrlichen. Der Vater hat uns ihm selber ver- söhnet, in dem, daß er das Löse-Geld des Soh- nes sich wohlgefallen lassen, und zu unserer Ver- söhnung angenommen. Und also hat er es ge- than durch den Sohn und in dem Sohn. Und das heißt denn Rom. 5, 10. 11. GOtt ver- söhnet seyn, durch den Tod des Sohnes, und durch JEsum die Versöhnung ha- ben. Siehe auch Col. 1, 20. und 1 Joh. 2, 2. 4, 10. da der Sohn, des grossen Nachdrucks wegen, welchen seine Versöhnung hat, die Versöhnung selbst genennet wird. 5. Es ist auch zu mercken, warum nicht ge- saget werde, daß GOtt uns versöhnet wor- den, sondern, daß wir GOtt versöhnet worden? das kömmt daher, weil der Mensch der Beleidigende Theil ist; auf welche Art man auch unter Menschen von der Versöhnung also zu reden pfleget, daß des Beleidigenden Schuld bey dem Beleidigten abgethan wird: daraus denn, wenn es geschiehet, von sich selbst erfolget, daß auch der Beleidigte, als ein Versöhneter, ihm wiederum seine Huld zuwendet. 6. Jn dem Worte uns, der uns mit ihm selbst versöhnet hat, siehet der Apostel auf das gantze menschliche Geschlecht; wie es der gantze Context im vorhergehenden und nachfolgenden ausweiset: als da es v. 15 heißt: Christus ist für alle gestorben: und v. 19. er hat die Welt mit ihm selber versöhnet. 7. Wir finden auch in diesem Orte eine schöne Verbindung des Hohenpriesterlichen Amts Christi mit dem Prophetischen. Denn nach dem Hohenpriesterlichen ist er der Ver- söhner, ja selbst das Versöhn-Opfer. Nach dem prophetischen aber hat er das Wort von der Versöhnung, welches er erstlich selbst in eig- ner Person verkündiget hat, den Aposteln aufge- tragen, welche denn ferner andere ordentliche Lehrer dazu bestellet haben. Und da wir, ver- möge der geschehenen Versöhnung, nicht uns, sondern ihme, leben sollen, als sein Eigenthum nach v. 15. so leuchtet darinnen auch ein character seines Königlichen Amts hervor, daß er solches, als das hochgelobte Haupt, von uns, als seinen Gliedern, fordern kan, und wir ihm den unter- thänigsten Gehorsam schuldig sind. 8. Es ist aber gar mercklich, daß der Apo- stel das gantze Lehr-Amt nennet ten diakonian tes katallkges, das Amt, das die Versöh- nung prediget. Denn damit wird angezei- get, daß dieses die Haupt-Lehre des Evangelii und der gantzen Christlichen Religion sey. Jn [Spaltenumbruch] welcher Ordnung aber man sie vorzutragen und zu appliciren habe, und welche Lehren damit aufs genaueste verbunden sind, das weiset Paulus in diesem und in andern Briefen deutlich genug an. Zuvor c. 3, 8. 9. nennet er das Wort von der Versöhnung das Amt, das den Geist giebt, und die Gerechtigkeit prediget, und daher vor dem Amte des Buchstabens so viel Klarheit hat. 9. Wer das Amt der Versöhnung der Men- schen mit GOtt prediget, muß sich wohl prü- fen, ob er auch selbst der Versöhnung in der Rechtfertigung dergestalt sey theilhaftig wor- den, daß er in der Ordnung wahrer Bekehrung aufgehöret habe sich selbst zu leben und mit sei- nem fleischlichen Sinn wider GOtt zu streiten. Jst dieses nicht, so wird ein solcher gewiß einen schlechten und unlautern Evangelisten von der Versöhnung Christi abgeben. Kömmt nun auch noch dieses dazu, daß er auch mit seinem Nechsten unversöhnlich lebet, so schicket es sich so viel weniger zusammen. Wie denn auch kei- ner, der von den Zuhörern in Unversöhnlichkeit gegen den Nechsten bleibet, der Versöhnung Christi bey GOtt sich getrösten kan. V. 19. Denn (also daß) GOtt war in Chri- Anmerckungen. 1. Wie war GOtt in Christo? Zuvor- derst also, daß der Sohn GOttes, als selbst wahrer GOtt, die menschliche Natur an sich genommen, sich mit derselben persönlich verei- niget und sie mit aller Fülle seiner göttlichen Herrlichkeit gesalbet hat: da denn die gantze Fülle der Gottheit in ihm leibhaftig wohnete Col. 2, 9. von welcher nach der menschlichen Natur geschehenen Salbung er denn auch Christus genennet wurde. Gleichwie nun Johannes spricht c. 1, 14. das Wort ward Fleisch etc. und Paulus 1 Tim. 3, 16. GOtt ist offenbaret im Fleische, daß also in Chri- sto, oder in der Person, die Christus genennet wird, nicht allein die göttliche Natur, sondern auch der davon nicht unterschiedene Sohn Got- tes, als GOtt selbst, wohnete: so hat auch der Sohn GOttes die Welt mit ihm selber ver- söhnet. Und das ist gar nichts contradictori- sches, selbst beleidiget seyn, und doch auch selbst der Versöhner seyn der Beleidigten. Kan doch dieses auch wol vor weltlichen Gerich- ten angehen, daß eine gewisse Gerichts-Person die richterliche Gerechtigkeit mit praesentiret, und also in Ansehung derselben zwar als ein Be- leidigter anzusehen ist, der auf die Satisfaction zu halten hat: aber auch nichts destoweniger zugleich einen solchen Advocaten der Beleidiger abgiebet, der, um dem Gerichte zu zeigen, daß er seine Clienten nicht zum Nachtheil der Ge- rechtigkeit vertrete, selbst von dem Seinigen hergiebet, und für die Schuld den gehörigen Ab- trag D d d 3
Cap. 5, v. 18. 19. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
verfahren wird, kein Loͤſe-Geld ſtatt findet.Und ſolcher geſtalt ſtehet in dem Wercke unſerer Seligkeit weder die Gerechtigkeit der Barmher- tzigkeit entgegen, daß ſie allein Platz haͤtte, noch dieſe jener, daß ſie alles allein ausmachte; ſondern beyde goͤttliche Eigenſchaften ſtehen in der vortreflichſten Harmonie beyſammen. 4. Und bey dieſer Verſoͤhnung concurri- ret nun der Vater mit dem Sohne, alſo, daß denn auch der Heilige Geiſt ſein Werck dabey hat, ſonderlich in der Application, um darinnen den Vater und Sohn, auch ſich ſelbſt zu ver- herrlichen. Der Vater hat uns ihm ſelber ver- ſoͤhnet, in dem, daß er das Loͤſe-Geld des Soh- nes ſich wohlgefallen laſſen, und zu unſerer Ver- ſoͤhnung angenommen. Und alſo hat er es ge- than durch den Sohn und in dem Sohn. Und das heißt denn Rom. 5, 10. 11. GOtt ver- ſoͤhnet ſeyn, durch den Tod des Sohnes, und durch JEſum die Verſoͤhnung ha- ben. Siehe auch Col. 1, 20. und 1 Joh. 2, 2. 4, 10. da der Sohn, des groſſen Nachdrucks wegen, welchen ſeine Verſoͤhnung hat, die Verſoͤhnung ſelbſt genennet wird. 5. Es iſt auch zu mercken, warum nicht ge- ſaget werde, daß GOtt uns verſoͤhnet wor- den, ſondern, daß wir GOtt verſoͤhnet worden? das koͤmmt daher, weil der Menſch der Beleidigende Theil iſt; auf welche Art man auch unter Menſchen von der Verſoͤhnung alſo zu reden pfleget, daß des Beleidigenden Schuld bey dem Beleidigten abgethan wird: daraus denn, wenn es geſchiehet, von ſich ſelbſt erfolget, daß auch der Beleidigte, als ein Verſoͤhneter, ihm wiederum ſeine Huld zuwendet. 6. Jn dem Worte uns, der uns mit ihm ſelbſt verſoͤhnet hat, ſiehet der Apoſtel auf das gantze menſchliche Geſchlecht; wie es der gantze Context im vorhergehenden und nachfolgenden ausweiſet: als da es v. 15 heißt: Chriſtus iſt fuͤr alle geſtorben: und v. 19. er hat die Welt mit ihm ſelber verſoͤhnet. 7. Wir finden auch in dieſem Orte eine ſchoͤne Verbindung des Hohenprieſterlichen Amts Chriſti mit dem Prophetiſchen. Denn nach dem Hohenprieſterlichen iſt er der Ver- ſoͤhner, ja ſelbſt das Verſoͤhn-Opfer. Nach dem prophetiſchen aber hat er das Wort von der Verſoͤhnung, welches er erſtlich ſelbſt in eig- ner Perſon verkuͤndiget hat, den Apoſteln aufge- tragen, welche denn ferner andere ordentliche Lehrer dazu beſtellet haben. Und da wir, ver- moͤge der geſchehenen Verſoͤhnung, nicht uns, ſondern ihme, leben ſollen, als ſein Eigenthum nach v. 15. ſo leuchtet darinnen auch ein character ſeines Koͤniglichen Amts hervor, daß er ſolches, als das hochgelobte Haupt, von uns, als ſeinen Gliedern, fordern kan, und wir ihm den unter- thaͤnigſten Gehorſam ſchuldig ſind. 8. Es iſt aber gar mercklich, daß der Apo- ſtel das gantze Lehr-Amt nennet τὴν διακονίαν τῆς καταλλκγῆς, das Amt, das die Verſoͤh- nung prediget. Denn damit wird angezei- get, daß dieſes die Haupt-Lehre des Evangelii und der gantzen Chriſtlichen Religion ſey. Jn [Spaltenumbruch] welcher Ordnung aber man ſie vorzutragen und zu appliciren habe, und welche Lehren damit aufs genaueſte verbunden ſind, das weiſet Paulus in dieſem und in andern Briefen deutlich genug an. Zuvor c. 3, 8. 9. nennet er das Wort von der Verſoͤhnung das Amt, das den Geiſt giebt, und die Gerechtigkeit prediget, und daher vor dem Amte des Buchſtabens ſo viel Klarheit hat. 9. Wer das Amt der Verſoͤhnung der Men- ſchen mit GOtt prediget, muß ſich wohl pruͤ- fen, ob er auch ſelbſt der Verſoͤhnung in der Rechtfertigung dergeſtalt ſey theilhaftig wor- den, daß er in der Ordnung wahrer Bekehrung aufgehoͤret habe ſich ſelbſt zu leben und mit ſei- nem fleiſchlichen Sinn wider GOtt zu ſtreiten. Jſt dieſes nicht, ſo wird ein ſolcher gewiß einen ſchlechten und unlautern Evangeliſten von der Verſoͤhnung Chriſti abgeben. Koͤmmt nun auch noch dieſes dazu, daß er auch mit ſeinem Nechſten unverſoͤhnlich lebet, ſo ſchicket es ſich ſo viel weniger zuſammen. Wie denn auch kei- ner, der von den Zuhoͤrern in Unverſoͤhnlichkeit gegen den Nechſten bleibet, der Verſoͤhnung Chriſti bey GOtt ſich getroͤſten kan. V. 19. Denn (alſo daß) GOtt war in Chri- Anmerckungen. 1. Wie war GOtt in Chriſto? Zuvor- derſt alſo, daß der Sohn GOttes, als ſelbſt wahrer GOtt, die menſchliche Natur an ſich genommen, ſich mit derſelben perſoͤnlich verei- niget und ſie mit aller Fuͤlle ſeiner goͤttlichen Herrlichkeit geſalbet hat: da denn die gantze Fuͤlle der Gottheit in ihm leibhaftig wohnete Col. 2, 9. von welcher nach der menſchlichen Natur geſchehenen Salbung er denn auch Chriſtus genennet wurde. Gleichwie nun Johannes ſpricht c. 1, 14. das Wort ward Fleiſch ꝛc. und Paulus 1 Tim. 3, 16. GOtt iſt offenbaret im Fleiſche, daß alſo in Chri- ſto, oder in der Perſon, die Chriſtus genennet wird, nicht allein die goͤttliche Natur, ſondern auch der davon nicht unterſchiedene Sohn Got- tes, als GOtt ſelbſt, wohnete: ſo hat auch der Sohn GOttes die Welt mit ihm ſelber ver- ſoͤhnet. Und das iſt gar nichts contradictori- ſches, ſelbſt beleidiget ſeyn, und doch auch ſelbſt der Verſoͤhner ſeyn der Beleidigten. Kan doch dieſes auch wol vor weltlichen Gerich- ten angehen, daß eine gewiſſe Gerichts-Perſon die richterliche Gerechtigkeit mit præſentiret, und alſo in Anſehung derſelben zwar als ein Be- leidigter anzuſehen iſt, der auf die Satisfaction zu halten hat: aber auch nichts deſtoweniger zugleich einen ſolchen Advocaten der Beleidiger abgiebet, der, um dem Gerichte zu zeigen, daß er ſeine Clienten nicht zum Nachtheil der Ge- rechtigkeit vertrete, ſelbſt von dem Seinigen hergiebet, und fuͤr die Schuld den gehoͤrigen Ab- trag D d d 3
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Cap. 5, v. 18. 19. an die Corinthier.
verfahren wird, kein Loͤſe-Geld ſtatt findet.
Und ſolcher geſtalt ſtehet in dem Wercke unſerer
Seligkeit weder die Gerechtigkeit der Barmher-
tzigkeit entgegen, daß ſie allein Platz haͤtte, noch
dieſe jener, daß ſie alles allein ausmachte;
ſondern beyde goͤttliche Eigenſchaften ſtehen in
der vortreflichſten Harmonie beyſammen.
4. Und bey dieſer Verſoͤhnung concurri-
ret nun der Vater mit dem Sohne, alſo, daß
denn auch der Heilige Geiſt ſein Werck dabey
hat, ſonderlich in der Application, um darinnen
den Vater und Sohn, auch ſich ſelbſt zu ver-
herrlichen. Der Vater hat uns ihm ſelber ver-
ſoͤhnet, in dem, daß er das Loͤſe-Geld des Soh-
nes ſich wohlgefallen laſſen, und zu unſerer Ver-
ſoͤhnung angenommen. Und alſo hat er es ge-
than durch den Sohn und in dem Sohn. Und
das heißt denn Rom. 5, 10. 11. GOtt ver-
ſoͤhnet ſeyn, durch den Tod des Sohnes,
und durch JEſum die Verſoͤhnung ha-
ben. Siehe auch Col. 1, 20. und 1 Joh. 2, 2.
4, 10. da der Sohn, des groſſen Nachdrucks
wegen, welchen ſeine Verſoͤhnung hat, die
Verſoͤhnung ſelbſt genennet wird.
5. Es iſt auch zu mercken, warum nicht ge-
ſaget werde, daß GOtt uns verſoͤhnet wor-
den, ſondern, daß wir GOtt verſoͤhnet
worden? das koͤmmt daher, weil der Menſch
der Beleidigende Theil iſt; auf welche Art man
auch unter Menſchen von der Verſoͤhnung alſo
zu reden pfleget, daß des Beleidigenden Schuld
bey dem Beleidigten abgethan wird: daraus
denn, wenn es geſchiehet, von ſich ſelbſt erfolget,
daß auch der Beleidigte, als ein Verſoͤhneter,
ihm wiederum ſeine Huld zuwendet.
6. Jn dem Worte uns, der uns mit ihm
ſelbſt verſoͤhnet hat, ſiehet der Apoſtel auf das
gantze menſchliche Geſchlecht; wie es der gantze
Context im vorhergehenden und nachfolgenden
ausweiſet: als da es v. 15 heißt: Chriſtus iſt
fuͤr alle geſtorben: und v. 19. er hat die Welt
mit ihm ſelber verſoͤhnet.
7. Wir finden auch in dieſem Orte eine
ſchoͤne Verbindung des Hohenprieſterlichen
Amts Chriſti mit dem Prophetiſchen. Denn
nach dem Hohenprieſterlichen iſt er der Ver-
ſoͤhner, ja ſelbſt das Verſoͤhn-Opfer. Nach
dem prophetiſchen aber hat er das Wort von
der Verſoͤhnung, welches er erſtlich ſelbſt in eig-
ner Perſon verkuͤndiget hat, den Apoſteln aufge-
tragen, welche denn ferner andere ordentliche
Lehrer dazu beſtellet haben. Und da wir, ver-
moͤge der geſchehenen Verſoͤhnung, nicht uns,
ſondern ihme, leben ſollen, als ſein Eigenthum
nach v. 15. ſo leuchtet darinnen auch ein character
ſeines Koͤniglichen Amts hervor, daß er ſolches,
als das hochgelobte Haupt, von uns, als ſeinen
Gliedern, fordern kan, und wir ihm den unter-
thaͤnigſten Gehorſam ſchuldig ſind.
8. Es iſt aber gar mercklich, daß der Apo-
ſtel das gantze Lehr-Amt nennet τὴν διακονίαν
τῆς καταλλκγῆς, das Amt, das die Verſoͤh-
nung prediget. Denn damit wird angezei-
get, daß dieſes die Haupt-Lehre des Evangelii
und der gantzen Chriſtlichen Religion ſey. Jn
welcher Ordnung aber man ſie vorzutragen und
zu appliciren habe, und welche Lehren damit aufs
genaueſte verbunden ſind, das weiſet Paulus in
dieſem und in andern Briefen deutlich genug an.
Zuvor c. 3, 8. 9. nennet er das Wort von der
Verſoͤhnung das Amt, das den Geiſt giebt,
und die Gerechtigkeit prediget, und daher
vor dem Amte des Buchſtabens ſo viel Klarheit
hat.
9. Wer das Amt der Verſoͤhnung der Men-
ſchen mit GOtt prediget, muß ſich wohl pruͤ-
fen, ob er auch ſelbſt der Verſoͤhnung in der
Rechtfertigung dergeſtalt ſey theilhaftig wor-
den, daß er in der Ordnung wahrer Bekehrung
aufgehoͤret habe ſich ſelbſt zu leben und mit ſei-
nem fleiſchlichen Sinn wider GOtt zu ſtreiten.
Jſt dieſes nicht, ſo wird ein ſolcher gewiß einen
ſchlechten und unlautern Evangeliſten von der
Verſoͤhnung Chriſti abgeben. Koͤmmt nun
auch noch dieſes dazu, daß er auch mit ſeinem
Nechſten unverſoͤhnlich lebet, ſo ſchicket es ſich ſo
viel weniger zuſammen. Wie denn auch kei-
ner, der von den Zuhoͤrern in Unverſoͤhnlichkeit
gegen den Nechſten bleibet, der Verſoͤhnung
Chriſti bey GOtt ſich getroͤſten kan.
V. 19.
Denn (alſo daß) GOtt war in Chri-
ſto, und verſoͤhnete die Welt mit ihm ſel-
ber, und rechnete ihnen ihre Suͤnde nicht
zu, und hat unter uns aufgerichtet das
Wort von der Verſoͤhnung.
Anmerckungen.
1. Wie war GOtt in Chriſto? Zuvor-
derſt alſo, daß der Sohn GOttes, als ſelbſt
wahrer GOtt, die menſchliche Natur an ſich
genommen, ſich mit derſelben perſoͤnlich verei-
niget und ſie mit aller Fuͤlle ſeiner goͤttlichen
Herrlichkeit geſalbet hat: da denn die gantze
Fuͤlle der Gottheit in ihm leibhaftig wohnete
Col. 2, 9. von welcher nach der menſchlichen
Natur geſchehenen Salbung er denn auch
Chriſtus genennet wurde. Gleichwie nun
Johannes ſpricht c. 1, 14. das Wort ward
Fleiſch ꝛc. und Paulus 1 Tim. 3, 16. GOtt
iſt offenbaret im Fleiſche, daß alſo in Chri-
ſto, oder in der Perſon, die Chriſtus genennet
wird, nicht allein die goͤttliche Natur, ſondern
auch der davon nicht unterſchiedene Sohn Got-
tes, als GOtt ſelbſt, wohnete: ſo hat auch
der Sohn GOttes die Welt mit ihm ſelber ver-
ſoͤhnet. Und das iſt gar nichts contradictori-
ſches, ſelbſt beleidiget ſeyn, und doch auch
ſelbſt der Verſoͤhner ſeyn der Beleidigten.
Kan doch dieſes auch wol vor weltlichen Gerich-
ten angehen, daß eine gewiſſe Gerichts-Perſon
die richterliche Gerechtigkeit mit præſentiret,
und alſo in Anſehung derſelben zwar als ein Be-
leidigter anzuſehen iſt, der auf die Satisfaction
zu halten hat: aber auch nichts deſtoweniger
zugleich einen ſolchen Advocaten der Beleidiger
abgiebet, der, um dem Gerichte zu zeigen, daß
er ſeine Clienten nicht zum Nachtheil der Ge-
rechtigkeit vertrete, ſelbſt von dem Seinigen
hergiebet, und fuͤr die Schuld den gehoͤrigen Ab-
trag
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