[Spaltenumbruch]Dinge schwer zu verstehen, welche ver- wirren die ungelehrigen und leichtferti- gen, wie auch die andern Schriften, zu ihrem eigen Verdamniß. Da wir denn sehen, daß Petrus etliche Dinge schwer nennet in Pauli Briefen: aber auch dabey setzet, wie ungelehrige und leichtfertige Leute damit und mit andern heiligen Schriften umgehen, wie sie dieselbe verwirren und verkehren; zu ihrem Fluche, da sie ihnen zum Segen und zum Heyl gegeben waren, auch gereichen solten und konnten. Wovor man sich also wohl zu hüten hat. Es sind aber ausser etlichen fast in allen Briefen befindlichen Oertern, die ein mehrers Nachden- cken erfordern, sonderlich zwo unter den vier langen Episteln, welche zu ihrer rechten Einsicht ein mehrers Maaß der Erkäntniß erfordern; nemlich die an die Römer und an die Hebräer. Daher ich mich durch die Gnade GOTTes be- flissen, sie in den dunckelern Stellen in dasje- nige Licht zu setzen, welches sie an sich selbst ha- ben, aber von vielen nicht erkannt wird.
§. XIX. Der beste Raht zum rechten Verstande allenthalben zugelangen, ist, daß man nicht ohne heilige Furcht und Anrufung GOttes, auch nicht ohne Vorsatz, sich im Glauben und allem rechtschaffenen Wesen des Christenthums immer mehr gründen und er- bauen zu lassen, zum Lesen schreite, und unter demselben mit getreuer Zueignung auf sich selbst in gehöriger Andacht verharre. Zu wel- chem Ende denn, wie leichtlich zu erachten, das Lesen eine Gleichheit mit dem Essen haben soll: nemlich gleichwie wir, was wir essen, nicht nur in den Mund stecken, und also auf ein- mal ohne zerkäuung und ohne Geschmack hin- unter schlucken, sondern erstlich in gehörige Stücklein schneiden, und denn im Munde mit angenehmen Geschmack recht zerkäuen, und da- mit die desto leichtere Digestion und Verdauung im Magen befordern: also muß der epistoli- sche Text, ohne oder mit den Anmerckungen, nicht in der Geschwindigkeit oben hin gelesen werden; sondern man hat, nach der zuvorderst angemerckten richtigen Verbindung und Thei- lung des Contextes, ein Stück, oder einen Spruch nach dem andern etwas langsam und zur rechten Erwegung mit einigem Jnnehal- ten andächtig zu betrachten, auch wol diese und jene besonders wichtige Wahrheit unter ei- nem kurtzen Hertzens-Gebet, gleichsam als eine Seelen-Speise recht zu schmecken, und also auf sich selbst in rechter application sich zu Nutze zu machen. Wohl dem, welchen die Pauli- nischen Briefe, ja die gantze heilige Schrift, also sind wie ein tägliches Brod, dessen man so gar nicht überdrüßig wird, daß es vielmehr heißt: je länger, ie lieber.
§. XX. Nun ist noch übrig, daß ich das Leben Pauli, nach seinen unterschiedlichen periodis und nach der serie, darinen die Briefe nach einander geschrieben sind, aufs kürtzeste in einer chronologischenTabelle vorstelle: sinte- mal davon eine rechte Idee zu haben, den von Luca beschriebenen Geschichten Pauli, wie auch seinen Episteln in vielen Stücken ein grosses [Spaltenumbruch]
Licht giebet. Und da nebst dem sel. Herrn Joh. Casp. Sandhagen in der Einleitung der be- rühmte Engeländische Bischof, Johannes Pear- son, in seinen Annalibus Paulims die Ordnung der Zeiten am allerbesten getroffen, wie ich in ge- nauer eigenen Untersuchung gefunden habe; so habe ich dieselbe mehren theils behalten: in ei- nem und dem andern Stücke aber bin ich aus gewissen Gründen von ihnen abgegangen.
[Tabelle]
Zu
Hiſtoriſche und exegetiſche Einleitung
[Spaltenumbruch]Dinge ſchwer zu verſtehen, welche ver- wirren die ungelehrigen und leichtferti- gen, wie auch die andern Schriften, zu ihrem eigen Verdamniß. Da wir denn ſehen, daß Petrus etliche Dinge ſchwer nennet in Pauli Briefen: aber auch dabey ſetzet, wie ungelehrige und leichtfertige Leute damit und mit andern heiligen Schriften umgehen, wie ſie dieſelbe verwirren und verkehren; zu ihrem Fluche, da ſie ihnen zum Segen und zum Heyl gegeben waren, auch gereichen ſolten und konnten. Wovor man ſich alſo wohl zu huͤten hat. Es ſind aber auſſer etlichen faſt in allen Briefen befindlichen Oertern, die ein mehrers Nachden- cken erfordern, ſonderlich zwo unter den vier langen Epiſteln, welche zu ihrer rechten Einſicht ein mehrers Maaß der Erkaͤntniß erfordern; nemlich die an die Roͤmer und an die Hebraͤer. Daher ich mich durch die Gnade GOTTes be- fliſſen, ſie in den dunckelern Stellen in dasje- nige Licht zu ſetzen, welches ſie an ſich ſelbſt ha- ben, aber von vielen nicht erkannt wird.
§. XIX. Der beſte Raht zum rechten Verſtande allenthalben zugelangen, iſt, daß man nicht ohne heilige Furcht und Anrufung GOttes, auch nicht ohne Vorſatz, ſich im Glauben und allem rechtſchaffenen Weſen des Chriſtenthums immer mehr gruͤnden und er- bauen zu laſſen, zum Leſen ſchreite, und unter demſelben mit getreuer Zueignung auf ſich ſelbſt in gehoͤriger Andacht verharre. Zu wel- chem Ende denn, wie leichtlich zu erachten, das Leſen eine Gleichheit mit dem Eſſen haben ſoll: nemlich gleichwie wir, was wir eſſen, nicht nur in den Mund ſtecken, und alſo auf ein- mal ohne zerkaͤuung und ohne Geſchmack hin- unter ſchlucken, ſondern erſtlich in gehoͤrige Stuͤcklein ſchneiden, und denn im Munde mit angenehmen Geſchmack recht zerkaͤuen, und da- mit die deſto leichtere Digeſtion und Verdauung im Magen befordern: alſo muß der epiſtoli- ſche Text, ohne oder mit den Anmerckungen, nicht in der Geſchwindigkeit oben hin geleſen werden; ſondern man hat, nach der zuvorderſt angemerckten richtigen Verbindung und Thei- lung des Contextes, ein Stuͤck, oder einen Spruch nach dem andern etwas langſam und zur rechten Erwegung mit einigem Jnnehal- ten andaͤchtig zu betrachten, auch wol dieſe und jene beſonders wichtige Wahrheit unter ei- nem kurtzen Hertzens-Gebet, gleichſam als eine Seelen-Speiſe recht zu ſchmecken, und alſo auf ſich ſelbſt in rechter application ſich zu Nutze zu machen. Wohl dem, welchen die Pauli- niſchen Briefe, ja die gantze heilige Schrift, alſo ſind wie ein taͤgliches Brod, deſſen man ſo gar nicht uͤberdruͤßig wird, daß es vielmehr heißt: je laͤnger, ie lieber.
§. XX. Nun iſt noch uͤbrig, daß ich das Leben Pauli, nach ſeinen unterſchiedlichen periodis und nach der ſerie, darinen die Briefe nach einander geſchrieben ſind, aufs kuͤrtzeſte in einer chronologiſchenTabelle vorſtelle: ſinte- mal davon eine rechte Idee zu haben, den von Luca beſchriebenen Geſchichten Pauli, wie auch ſeinen Epiſteln in vielen Stuͤcken ein groſſes [Spaltenumbruch]
Licht giebet. Und da nebſt dem ſel. Herrn Joh. Caſp. Sandhagen in der Einleitung der be- ruͤhmte Engelaͤndiſche Biſchof, Johannes Pear- ſon, in ſeinen Annalibus Paulims die Ordnung der Zeiten am allerbeſten getroffen, wie ich in ge- nauer eigenen Unterſuchung gefunden habe; ſo habe ich dieſelbe mehren theils behalten: in ei- nem und dem andern Stuͤcke aber bin ich aus gewiſſen Gruͤnden von ihnen abgegangen.
[Tabelle]
Zu
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[14/0042]
Hiſtoriſche und exegetiſche Einleitung
Dinge ſchwer zu verſtehen, welche ver-
wirren die ungelehrigen und leichtferti-
gen, wie auch die andern Schriften, zu
ihrem eigen Verdamniß. Da wir denn
ſehen, daß Petrus etliche Dinge ſchwer nennet
in Pauli Briefen: aber auch dabey ſetzet, wie
ungelehrige und leichtfertige Leute damit und
mit andern heiligen Schriften umgehen, wie
ſie dieſelbe verwirren und verkehren; zu
ihrem Fluche, da ſie ihnen zum Segen und zum
Heyl gegeben waren, auch gereichen ſolten und
konnten. Wovor man ſich alſo wohl zu huͤten hat.
Es ſind aber auſſer etlichen faſt in allen Briefen
befindlichen Oertern, die ein mehrers Nachden-
cken erfordern, ſonderlich zwo unter den vier
langen Epiſteln, welche zu ihrer rechten Einſicht
ein mehrers Maaß der Erkaͤntniß erfordern;
nemlich die an die Roͤmer und an die Hebraͤer.
Daher ich mich durch die Gnade GOTTes be-
fliſſen, ſie in den dunckelern Stellen in dasje-
nige Licht zu ſetzen, welches ſie an ſich ſelbſt ha-
ben, aber von vielen nicht erkannt wird.
§. XIX. Der beſte Raht zum rechten
Verſtande allenthalben zugelangen, iſt, daß
man nicht ohne heilige Furcht und Anrufung
GOttes, auch nicht ohne Vorſatz, ſich im
Glauben und allem rechtſchaffenen Weſen des
Chriſtenthums immer mehr gruͤnden und er-
bauen zu laſſen, zum Leſen ſchreite, und unter
demſelben mit getreuer Zueignung auf ſich
ſelbſt in gehoͤriger Andacht verharre. Zu wel-
chem Ende denn, wie leichtlich zu erachten,
das Leſen eine Gleichheit mit dem Eſſen haben
ſoll: nemlich gleichwie wir, was wir eſſen,
nicht nur in den Mund ſtecken, und alſo auf ein-
mal ohne zerkaͤuung und ohne Geſchmack hin-
unter ſchlucken, ſondern erſtlich in gehoͤrige
Stuͤcklein ſchneiden, und denn im Munde mit
angenehmen Geſchmack recht zerkaͤuen, und da-
mit die deſto leichtere Digeſtion und Verdauung
im Magen befordern: alſo muß der epiſtoli-
ſche Text, ohne oder mit den Anmerckungen,
nicht in der Geſchwindigkeit oben hin geleſen
werden; ſondern man hat, nach der zuvorderſt
angemerckten richtigen Verbindung und Thei-
lung des Contextes, ein Stuͤck, oder einen
Spruch nach dem andern etwas langſam und
zur rechten Erwegung mit einigem Jnnehal-
ten andaͤchtig zu betrachten, auch wol dieſe
und jene beſonders wichtige Wahrheit unter ei-
nem kurtzen Hertzens-Gebet, gleichſam als eine
Seelen-Speiſe recht zu ſchmecken, und alſo
auf ſich ſelbſt in rechter application ſich zu Nutze
zu machen. Wohl dem, welchen die Pauli-
niſchen Briefe, ja die gantze heilige Schrift, alſo
ſind wie ein taͤgliches Brod, deſſen man ſo gar
nicht uͤberdruͤßig wird, daß es vielmehr heißt:
je laͤnger, ie lieber.
§. XX. Nun iſt noch uͤbrig, daß ich
das Leben Pauli, nach ſeinen unterſchiedlichen
periodis und nach der ſerie, darinen die Briefe
nach einander geſchrieben ſind, aufs kuͤrtzeſte
in einer chronologiſchen Tabelle vorſtelle: ſinte-
mal davon eine rechte Idee zu haben, den von
Luca beſchriebenen Geſchichten Pauli, wie auch
ſeinen Epiſteln in vielen Stuͤcken ein groſſes
Licht giebet. Und da nebſt dem ſel. Herrn Joh.
Caſp. Sandhagen in der Einleitung der be-
ruͤhmte Engelaͤndiſche Biſchof, Johannes Pear-
ſon, in ſeinen Annalibus Paulims die Ordnung der
Zeiten am allerbeſten getroffen, wie ich in ge-
nauer eigenen Unterſuchung gefunden habe; ſo
habe ich dieſelbe mehren theils behalten: in ei-
nem und dem andern Stuͤcke aber bin ich aus
gewiſſen Gruͤnden von ihnen abgegangen.
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/42>, abgerufen am 24.11.2024.
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