Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 13, v. 1-3.
Das dreyzehnte Capitel/ Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ derselben Vor- treflichkeit und Eigenschaften/ mit der Anzeige/ daß sie alle Heili- gungs-Gaben in sich halte/ und daher den ausserordentli- chen wunderthätigen Gaben vorzuziehen sey.
V. 1.
[Spaltenumbruch]
WEnn ich mit Menschen- und mit Engel-Zungen redete, (nicht allein fremde Sprachen verstünde, sondern mich dersel- ben auch im höchsten Grad der Beredsamkeit, die irgend einem Menschen, ja einem Engel, wenn er in menschlicher Gestalt erscheinen und reden solte, zukommen kan, be- dienete,) und hätte der Liebe nicht, (wel- che den Gebrauch dieser Gabe in Demuth füh- ret und in dem Bande der Einigkeit durch die gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,) so wäre ich ein thönend Ertz, oder klin- gende Schelle, (welche metallene Jnstru- mente zwar einen lieblichen Klang von sich ge- ben, davon aber selbst nichts wissen und erfah- ren. Also würde ich seyn: Vox praetereaque nihil. Eine Glaub- und Lieb-lose Stimme wür- de ich von mir geben; und zwar von vielen gu- ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben, und noch weniger meine Reden mit der That selbst beweisen.)
Anmerckung.
Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und unter ihnen sonderlich der Kunst- und Gunst- Redner! O wie fehlet es so manchen nicht al- lein an der Liebe, oder an dem Erweise eines thätigen Christenthums, sondern auch an der Tüchtigkeit der Rede selbst: als welche gemei- niglich durch die Liebe der Welt und durch die fleischliche Affecten noch mehr verstimmet ist, als immermehr ein musicalisches Jnstrument ver- stimmet werden kan.
V. 2.
Und wenn ich weissagen könte, und wüste alle Geheimnisse (der Glaubens-Leh- ren,) und Erkäntniß, (der übrigen göttli- chen Wahrheiten,) und hätte allen (Wun- der-) Glauben, also, daß ich Berge ver- setzte, (Matth. 17, 20. 21, 21.) und hätte der Liebe nicht, (also daß ich durch dieselbe alles zum Zweck der gemeinschaftlichen Erbau- ung richtete,) so wäre ich nichts (vor GOtt, würde davon keinen Lohn, so wenig aus Gna- den, als aus Verdienst haben: ich nutzete da- mit auch meinem Nechsten nicht.)
Anmerckungen.
1. Gleichwie der vorhergehende Vers den [Spaltenumbruch]
Glaub- und Lieb-losen Kirchen-Rednern insge- mein entgegen stehet: also finden in diesem in- sonderheit diejenigen, welche sich ohne Bekeh- rung und Liebe der Erleuchtung rühmen, oder diese auch den Lieblosen und also auch Unbekehr- ten zuschreiben, ihre Lection. Sie sind nichts, nemlich von dem, was sie seyn sollen. Und da sie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem Gewissen haben, so ist auch ihre bloß-buchstäb- liche Erkäntniß so viel unlauterer, so viel mehr sie vom irdischen Sinne an sich nimmt.
2. Aus diesem Orte, wie auch aus dem Matth. 7, 22. HErr, HErr, haben wir nicht in deinem Namen geweissaget? Ha- ben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Thaten gethan? u. s. w. siehet man, daß sich der Wunder-Glaube hat finden können ohne Beharrung in dem seligmachenden, der durch die Liebe thätig ist: oder, wie man hieraus eigentlich schliessen solte, daß, wo einer bey dem seligmachenden Glauben auch den Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em- pfähet, sich aber solcher Gabe überheben wolte, also, daß er die Liebe fahren liesse, damit wi- der sein Gewissen handelte, und darüber auch am seligmachenden Glauben Schiffbruch litte; ihme so denn die gethane Wunder zur Seligkeit nichts helfen würden. Ein mehrers läßt sich aus diesen Stellen nicht wohl schliessen: Wie denn nicht zu vermuthen ist, daß GOTT ei- nem gantz Lieblosen den wunderthätigen Glau- ben ertheilen, oder bey dem gäntzlichen Verfall aus der Ubung der Liebe dieselbe lassen würde: wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche wenige male geschenckte Gabe der Weissagung nicht gelassen hat.
V. 3.
Und wenn ich alle meine Haabe den Armen gäbe, (psomizo, in kleine Stücklein zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen gleichsam in den Mund steckte,) und liesse meinen Leib brennen, (wenn ich die schein- baresten Wercke, also auch die schweresten Lei- den bey der Religion über mich nähme,) und hätte der Liebe nicht, (also daß ich es nicht thäte mit einfältigem Hertzen, und in dem Stan- de wahrer guter Wercke mich fünde, sondern beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und eignem Gesuche, herrührete,) so wäre mirs nichts nütze, (so würde weder das Leiden,
noch
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 13, v. 1-3.
Das dreyzehnte Capitel/ Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ derſelben Vor- treflichkeit und Eigenſchaften/ mit der Anzeige/ daß ſie alle Heili- gungs-Gaben in ſich halte/ und daher den auſſerordentli- chen wunderthaͤtigen Gaben vorzuziehen ſey.
V. 1.
[Spaltenumbruch]
WEnn ich mit Menſchen- und mit Engel-Zungen redete, (nicht allein fremde Sprachen verſtuͤnde, ſondern mich derſel- ben auch im hoͤchſten Grad der Beredſamkeit, die irgend einem Menſchen, ja einem Engel, wenn er in menſchlicher Geſtalt erſcheinen und reden ſolte, zukommen kan, be- dienete,) und haͤtte der Liebe nicht, (wel- che den Gebrauch dieſer Gabe in Demuth fuͤh- ret und in dem Bande der Einigkeit durch die gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,) ſo waͤre ich ein thoͤnend Ertz, oder klin- gende Schelle, (welche metallene Jnſtru- mente zwar einen lieblichen Klang von ſich ge- ben, davon aber ſelbſt nichts wiſſen und erfah- ren. Alſo wuͤrde ich ſeyn: Vox prætereaque nihil. Eine Glaub- und Lieb-loſe Stimme wuͤr- de ich von mir geben; und zwar von vielen gu- ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben, und noch weniger meine Reden mit der That ſelbſt beweiſen.)
Anmerckung.
Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und unter ihnen ſonderlich der Kunſt- und Gunſt- Redner! O wie fehlet es ſo manchen nicht al- lein an der Liebe, oder an dem Erweiſe eines thaͤtigen Chriſtenthums, ſondern auch an der Tuͤchtigkeit der Rede ſelbſt: als welche gemei- niglich durch die Liebe der Welt und durch die fleiſchliche Affecten noch mehr verſtimmet iſt, als immermehr ein muſicaliſches Jnſtrument ver- ſtimmet werden kan.
V. 2.
Und wenn ich weiſſagen koͤnte, und wuͤſte alle Geheimniſſe (der Glaubens-Leh- ren,) und Erkaͤntniß, (der uͤbrigen goͤttli- chen Wahrheiten,) und haͤtte allen (Wun- der-) Glauben, alſo, daß ich Berge ver- ſetzte, (Matth. 17, 20. 21, 21.) und haͤtte der Liebe nicht, (alſo daß ich durch dieſelbe alles zum Zweck der gemeinſchaftlichen Erbau- ung richtete,) ſo waͤre ich nichts (vor GOtt, wuͤrde davon keinen Lohn, ſo wenig aus Gna- den, als aus Verdienſt haben: ich nutzete da- mit auch meinem Nechſten nicht.)
Anmerckungen.
1. Gleichwie der vorhergehende Vers den [Spaltenumbruch]
Glaub- und Lieb-loſen Kirchen-Rednern insge- mein entgegen ſtehet: alſo finden in dieſem in- ſonderheit diejenigen, welche ſich ohne Bekeh- rung und Liebe der Erleuchtung ruͤhmen, oder dieſe auch den Liebloſen und alſo auch Unbekehr- ten zuſchreiben, ihre Lection. Sie ſind nichts, nemlich von dem, was ſie ſeyn ſollen. Und da ſie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem Gewiſſen haben, ſo iſt auch ihre bloß-buchſtaͤb- liche Erkaͤntniß ſo viel unlauterer, ſo viel mehr ſie vom irdiſchen Sinne an ſich nimmt.
2. Aus dieſem Orte, wie auch aus dem Matth. 7, 22. HErr, HErr, haben wir nicht in deinem Namen geweiſſaget? Ha- ben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Thaten gethan? u. ſ. w. ſiehet man, daß ſich der Wunder-Glaube hat finden koͤnnen ohne Beharrung in dem ſeligmachenden, der durch die Liebe thaͤtig iſt: oder, wie man hieraus eigentlich ſchlieſſen ſolte, daß, wo einer bey dem ſeligmachenden Glauben auch den Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em- pfaͤhet, ſich aber ſolcher Gabe uͤberheben wolte, alſo, daß er die Liebe fahren lieſſe, damit wi- der ſein Gewiſſen handelte, und daruͤber auch am ſeligmachenden Glauben Schiffbruch litte; ihme ſo denn die gethane Wunder zur Seligkeit nichts helfen wuͤrden. Ein mehrers laͤßt ſich aus dieſen Stellen nicht wohl ſchlieſſen: Wie denn nicht zu vermuthen iſt, daß GOTT ei- nem gantz Liebloſen den wunderthaͤtigen Glau- ben ertheilen, oder bey dem gaͤntzlichen Verfall aus der Ubung der Liebe dieſelbe laſſen wuͤrde: wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche wenige male geſchenckte Gabe der Weiſſagung nicht gelaſſen hat.
V. 3.
Und wenn ich alle meine Haabe den Armen gaͤbe, (ψωμίζω, in kleine Stuͤcklein zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen gleichſam in den Mund ſteckte,) und lieſſe meinen Leib brennen, (wenn ich die ſchein- bareſten Wercke, alſo auch die ſchwereſten Lei- den bey der Religion uͤber mich naͤhme,) und haͤtte der Liebe nicht, (alſo daß ich es nicht thaͤte mit einfaͤltigem Hertzen, und in dem Stan- de wahrer guter Wercke mich fuͤnde, ſondern beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und eignem Geſuche, herruͤhrete,) ſo waͤre mirs nichts nuͤtze, (ſo wuͤrde weder das Leiden,
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[306/0334]
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 13, v. 1-3.
Das dreyzehnte Capitel/
Darinnen gehandelt wird von der Liebe/ derſelben Vor-
treflichkeit und Eigenſchaften/ mit der Anzeige/ daß ſie alle Heili-
gungs-Gaben in ſich halte/ und daher den auſſerordentli-
chen wunderthaͤtigen Gaben vorzuziehen
ſey.
V. 1.
WEnn ich mit Menſchen- und
mit Engel-Zungen redete,
(nicht allein fremde Sprachen
verſtuͤnde, ſondern mich derſel-
ben auch im hoͤchſten Grad der
Beredſamkeit, die irgend einem Menſchen, ja
einem Engel, wenn er in menſchlicher Geſtalt
erſcheinen und reden ſolte, zukommen kan, be-
dienete,) und haͤtte der Liebe nicht, (wel-
che den Gebrauch dieſer Gabe in Demuth fuͤh-
ret und in dem Bande der Einigkeit durch die
gemeine Erbauung zur Ehre GOttes richtet,)
ſo waͤre ich ein thoͤnend Ertz, oder klin-
gende Schelle, (welche metallene Jnſtru-
mente zwar einen lieblichen Klang von ſich ge-
ben, davon aber ſelbſt nichts wiſſen und erfah-
ren. Alſo wuͤrde ich ſeyn: Vox prætereaque
nihil. Eine Glaub- und Lieb-loſe Stimme wuͤr-
de ich von mir geben; und zwar von vielen gu-
ten Dingen, oder Wahrheiten, reden, davon
aber, als lieblos, keine eigene Erfahrung haben,
und noch weniger meine Reden mit der That
ſelbſt beweiſen.)
Anmerckung.
Siehe ein Bild unbekehrter Lehrer, und
unter ihnen ſonderlich der Kunſt- und Gunſt-
Redner! O wie fehlet es ſo manchen nicht al-
lein an der Liebe, oder an dem Erweiſe eines
thaͤtigen Chriſtenthums, ſondern auch an der
Tuͤchtigkeit der Rede ſelbſt: als welche gemei-
niglich durch die Liebe der Welt und durch die
fleiſchliche Affecten noch mehr verſtimmet iſt, als
immermehr ein muſicaliſches Jnſtrument ver-
ſtimmet werden kan.
V. 2.
Und wenn ich weiſſagen koͤnte, und
wuͤſte alle Geheimniſſe (der Glaubens-Leh-
ren,) und Erkaͤntniß, (der uͤbrigen goͤttli-
chen Wahrheiten,) und haͤtte allen (Wun-
der-) Glauben, alſo, daß ich Berge ver-
ſetzte, (Matth. 17, 20. 21, 21.) und haͤtte
der Liebe nicht, (alſo daß ich durch dieſelbe
alles zum Zweck der gemeinſchaftlichen Erbau-
ung richtete,) ſo waͤre ich nichts (vor GOtt,
wuͤrde davon keinen Lohn, ſo wenig aus Gna-
den, als aus Verdienſt haben: ich nutzete da-
mit auch meinem Nechſten nicht.)
Anmerckungen.
1. Gleichwie der vorhergehende Vers den
Glaub- und Lieb-loſen Kirchen-Rednern insge-
mein entgegen ſtehet: alſo finden in dieſem in-
ſonderheit diejenigen, welche ſich ohne Bekeh-
rung und Liebe der Erleuchtung ruͤhmen, oder
dieſe auch den Liebloſen und alſo auch Unbekehr-
ten zuſchreiben, ihre Lection. Sie ſind nichts,
nemlich von dem, was ſie ſeyn ſollen. Und da
ſie das Geheimniß des Glaubens nicht in reinem
Gewiſſen haben, ſo iſt auch ihre bloß-buchſtaͤb-
liche Erkaͤntniß ſo viel unlauterer, ſo viel mehr
ſie vom irdiſchen Sinne an ſich nimmt.
2. Aus dieſem Orte, wie auch aus dem
Matth. 7, 22. HErr, HErr, haben wir
nicht in deinem Namen geweiſſaget? Ha-
ben wir nicht in deinem Namen Teufel
ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem
Namen viele Thaten gethan? u. ſ. w. ſiehet
man, daß ſich der Wunder-Glaube hat finden
koͤnnen ohne Beharrung in dem ſeligmachenden,
der durch die Liebe thaͤtig iſt: oder, wie man
hieraus eigentlich ſchlieſſen ſolte, daß, wo einer
bey dem ſeligmachenden Glauben auch den
Glauben mit der Gabe Wunder zu thun em-
pfaͤhet, ſich aber ſolcher Gabe uͤberheben wolte,
alſo, daß er die Liebe fahren lieſſe, damit wi-
der ſein Gewiſſen handelte, und daruͤber auch
am ſeligmachenden Glauben Schiffbruch litte;
ihme ſo denn die gethane Wunder zur Seligkeit
nichts helfen wuͤrden. Ein mehrers laͤßt ſich
aus dieſen Stellen nicht wohl ſchlieſſen: Wie
denn nicht zu vermuthen iſt, daß GOTT ei-
nem gantz Liebloſen den wunderthaͤtigen Glau-
ben ertheilen, oder bey dem gaͤntzlichen Verfall
aus der Ubung der Liebe dieſelbe laſſen wuͤrde:
wie er denn auch dem Bileam die nur auf etliche
wenige male geſchenckte Gabe der Weiſſagung
nicht gelaſſen hat.
V. 3.
Und wenn ich alle meine Haabe den
Armen gaͤbe, (ψωμίζω, in kleine Stuͤcklein
zerleget unter die Armen vertheilete, oder ihnen
gleichſam in den Mund ſteckte,) und lieſſe
meinen Leib brennen, (wenn ich die ſchein-
bareſten Wercke, alſo auch die ſchwereſten Lei-
den bey der Religion uͤber mich naͤhme,) und
haͤtte der Liebe nicht, (alſo daß ich es nicht
thaͤte mit einfaͤltigem Hertzen, und in dem Stan-
de wahrer guter Wercke mich fuͤnde, ſondern
beydes bey mir nur aus einem Ehr-Geitze, und
eignem Geſuche, herruͤhrete,) ſo waͤre mirs
nichts nuͤtze, (ſo wuͤrde weder das Leiden,
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/334>, abgerufen am 26.11.2024.
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