Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

des ersten Briefs an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] 32. Joh. 1, 37. 40. 4, 43. 20, 4. Act. 1, 24.
Gal. 4, 24. Eph. 2, 15. Phil. 1, 23. Apoc. 11, 3.
4. 10. 19, 20. da allemal nur zweene, nicht meh-
rere und nicht wenigere, können und müssen ver-
standen werden.

§. VIII. Wider die Leichtsinnigkeit in
Ehescheidungen machen wir nicht weniger
mit allem Rechte aus dem Mosaischen Texte die-
sen Schluß: Das eheliche Band bleibet un-
ter zween Ehe-Leuten beständig und un-
zertrennet, so lange bis es durch den Tod,
oder auch durch den Ehebruch getrennet
wird.
Die Ursache dieser Folge ist, weil der
natürliche Wort-Verstand in dem Ausspruche
GOttes, darum soll ein Mann etc. keinen an-
dern als diesen Verstand hat und giebet, wie
oben §. IV. mit mehrern erwiesen ist. Und die-
se Richtigkeit und Firmität der Consequentz
bestätiget auch Christus, wenn er Matth. 5, 32.
c. 19. und Marc. 10. vermöge dieses ersten gött-
lichen Ausspruchs die eingeschlichene, und zum
theil auch auf eine Zeitlang geduldete grosse Li-
bertinage
in den Ehescheidungen wieder aufhe-
bet: wie bald mit mehrern gezeiget werden soll.

§. IX. Und hiezu setzen wir billig noch die
dritte Conclusion: daß die Mosaische Regel
vom Ehestande allgemein sey, und auf al-
le Menschen gehe, wes Standes sie immer
seyn mögen.
Daß dieser Schluß richtig sey,
siehet man schon, wie aus den auf einen gantz
allgemeinen Verstand gerichteten Worten selbst:
darum wird ein Mann etc. also auch aus der
Eigenschaft eines Gesetzes, als welches keine
Kraft zur Verbindung haben könte, wo es nicht
allgemein wäre. Welche Kraft solcher Worte
auch CHristus mit seiner application gnugsam
bestätiget.

§. X. Wolte man hingegen einwenden und
sagen, die Regel möchte zwar im Stande der
Unschuld ihre Gültigkeit haben und ihre Verbin-
dung gegeben haben; allein nach dem Sünden-
Fall sey sie weder practicabel noch verbindlich:
so antworten wir, daß ihre praxis sich Gott Lob
gar mächtig erwiesen habe zu allen Zeiten, son-
derlich in den ersten bis auf die Jüdische Repu-
[Spaltenumbruch] blic, und auch bey den allermeisten in derselben;
und denn von den Zeiten Christi an bis hieher in
der gantzen Christenheit. So machet und fo-
dert ja auch unser Heyland die Application bey
denen, die sich nicht mehr im Stande der Un-
schuld befinden. Es ist leider arg genug, daß
durch den kläglichen Sünden-Fall diese göttliche
Ordnung so vielen Mängeln und Gebrechen un-
terworfen worden, um welcher willen doch aber
in der Haupt-Sache, worauf oben erwiesener
massen der Mosaische Ort nur allein gehet, nichts
aufgehoben seyn kan.

§. XI. Man kan auch nicht sagen, daß die
Worte: mit seinem Weibe ein Fleisch seyn,
bloß auf die eheliche Beywohnung gehen; nem-
lich daß nur diese nicht zu gleicher Zeit mit meh-
rern Weibern geschehen würde und solte, aber
doch wol zu unterschiedlicher Zeit mit mehrern
Weibern geschehen konte, also, daß ein Mann
mit einer jeden ein Fleisch werde. Denn daß
ein Mann zu einer Zeit nicht mehrern, als nur ei-
ner, Frauen, ehelich beywohnen könte und solte,
davon durfte nicht erst ein Gesetz gegeben wer-
den; sintemal es an sich selbst schon bekant ge-
nug, und das Gegentheil schlechterdings un-
möglich war. Daß also das ein Fleisch wer-
den,
nicht auf den actum der ehelichen Beywoh-
nung, sondern auf das genaue eheliche Band,
und darinnen auf das Recht zur Beywohnung
gehen muß. Wie denn auch Paulus das ein
Fleisch seyn
1 Cor. 7, v. 4. u. f. also erkläret,
daß daher ein Ehegatte sich dem andern nicht oh-
ne desselben Bewilligung entziehen soll, und ei-
ner über des andern Leib Macht habe, sich den-
selben ohne Entziehung und ohne communica-
tion
mit andern, allein zuzueignen. Und daher
kömmts, daß Paulus den Ort Gen. 1, 24. wider
die Hurerey anführet, 1 Cor. 6, 16. und damit be-
zeuget, darinnen bestehe eben die Hurerey, daß
man zwar mit einer Weibes-Person durch fleisch-
liche Vermischung ein Fleisch werde, aber ausser
der Ehe und rechtmäßigen Verbindung; und
daß niemand mit einer Weibes-Person ein
Fleisch werden solle, wo es nicht in der Ordnung
des unauflößlichen ehelichen Bandes geschehe.

Die andere Betrachtung
über Matth. 19/ 3 sqq. und zugleich über Marc. 10/ 1. sqq.
Matth. 5/ 31. 32. Luc. 16/ 18.

Jnnhalt.
[Spaltenumbruch]

Es kömmt bey dem Texte Matth. 19. auf den rechten
Wort-Verstand, und die daraus fliessende Schlüsse
an §. I.

Bey dem Wort-Verstand sind sechs Stücke zu mer-
cken: §. II.

Erstlich der Pharisäer Frage §. III.
Zum andern Christi Antwort, dabey drey Stücke zu
erwegen sind §. IV. V.

Davon das dritte in einem gedoppelten Schlusse be-
stehet §. VI. VII.

Zum dritten der Pharisäer Einwurf vom erlaubten
Scheide-Brief, und zum vierten Christi Beantwor-
tung §. VIII.

Zum fünften und sechsten der Jünger Christi aus dessen
[Spaltenumbruch] Rede gezogenen Schluß und Christi Antwort §. IX.

Welcher bisher erörterte Wort-Verstand durch die Par-
allel-
Stellen gar klärlich bekräftiget wird §. X.

Die aus dem Texte fliessende Schlüsse sind zweene.
Der erste wider die Ehescheidungen für die Unzer-
trennlichkeit der Ehe, der andere wider die Polygamie
§. XI.

Darauf der von der porneia hergenommene Einwurf
beantwortet worden §. XII. XIII.

Mit dem Erweise, mit was für schlechtem Vortheil man
sich auf die Antorität des gelehrten Seldeni beziehe
§. XIV. XV.

Noch ein anderer Einwurf wird beautwortet §. XVI.

§. I.
E e 3

des erſten Briefs an die Corinthier.
[Spaltenumbruch] 32. Joh. 1, 37. 40. 4, 43. 20, 4. Act. 1, 24.
Gal. 4, 24. Eph. 2, 15. Phil. 1, 23. Apoc. 11, 3.
4. 10. 19, 20. da allemal nur zweene, nicht meh-
rere und nicht wenigere, koͤnnen und muͤſſen ver-
ſtanden werden.

§. VIII. Wider die Leichtſinnigkeit in
Eheſcheidungen machen wir nicht weniger
mit allem Rechte aus dem Moſaiſchen Texte die-
ſen Schluß: Das eheliche Band bleibet un-
ter zween Ehe-Leuten beſtaͤndig und un-
zertrennet, ſo lange bis es durch den Tod,
oder auch durch den Ehebruch getrennet
wird.
Die Urſache dieſer Folge iſt, weil der
natuͤrliche Wort-Verſtand in dem Ausſpruche
GOttes, darum ſoll ein Mann ꝛc. keinen an-
dern als dieſen Verſtand hat und giebet, wie
oben §. IV. mit mehrern erwieſen iſt. Und die-
ſe Richtigkeit und Firmitaͤt der Conſequentz
beſtaͤtiget auch Chriſtus, wenn er Matth. 5, 32.
c. 19. und Marc. 10. vermoͤge dieſes erſten goͤtt-
lichen Ausſpruchs die eingeſchlichene, und zum
theil auch auf eine Zeitlang geduldete groſſe Li-
bertinage
in den Eheſcheidungen wieder aufhe-
bet: wie bald mit mehrern gezeiget werden ſoll.

§. IX. Und hiezu ſetzen wir billig noch die
dritte Concluſion: daß die Moſaiſche Regel
vom Eheſtande allgemein ſey, und auf al-
le Menſchen gehe, wes Standes ſie immer
ſeyn moͤgen.
Daß dieſer Schluß richtig ſey,
ſiehet man ſchon, wie aus den auf einen gantz
allgemeinen Verſtand gerichteten Worten ſelbſt:
darum wird ein Mann ꝛc. alſo auch aus der
Eigenſchaft eines Geſetzes, als welches keine
Kraft zur Verbindung haben koͤnte, wo es nicht
allgemein waͤre. Welche Kraft ſolcher Worte
auch CHriſtus mit ſeiner application gnugſam
beſtaͤtiget.

§. X. Wolte man hingegen einwenden und
ſagen, die Regel moͤchte zwar im Stande der
Unſchuld ihre Guͤltigkeit haben und ihre Verbin-
dung gegeben haben; allein nach dem Suͤnden-
Fall ſey ſie weder practicabel noch verbindlich:
ſo antworten wir, daß ihre praxis ſich Gott Lob
gar maͤchtig erwieſen habe zu allen Zeiten, ſon-
derlich in den erſten bis auf die Juͤdiſche Repu-
[Spaltenumbruch] blic, und auch bey den allermeiſten in derſelben;
und denn von den Zeiten Chriſti an bis hieher in
der gantzen Chriſtenheit. So machet und fo-
dert ja auch unſer Heyland die Application bey
denen, die ſich nicht mehr im Stande der Un-
ſchuld befinden. Es iſt leider arg genug, daß
durch den klaͤglichen Suͤnden-Fall dieſe goͤttliche
Ordnung ſo vielen Maͤngeln und Gebrechen un-
terworfen worden, um welcher willen doch aber
in der Haupt-Sache, worauf oben erwieſener
maſſen der Moſaiſche Ort nur allein gehet, nichts
aufgehoben ſeyn kan.

§. XI. Man kan auch nicht ſagen, daß die
Worte: mit ſeinem Weibe ein Fleiſch ſeyn,
bloß auf die eheliche Beywohnung gehen; nem-
lich daß nur dieſe nicht zu gleicher Zeit mit meh-
rern Weibern geſchehen wuͤrde und ſolte, aber
doch wol zu unterſchiedlicher Zeit mit mehrern
Weibern geſchehen konte, alſo, daß ein Mann
mit einer jeden ein Fleiſch werde. Denn daß
ein Mann zu einer Zeit nicht mehrern, als nur ei-
ner, Frauen, ehelich beywohnen koͤnte und ſolte,
davon durfte nicht erſt ein Geſetz gegeben wer-
den; ſintemal es an ſich ſelbſt ſchon bekant ge-
nug, und das Gegentheil ſchlechterdings un-
moͤglich war. Daß alſo das ein Fleiſch wer-
den,
nicht auf den actum der ehelichen Beywoh-
nung, ſondern auf das genaue eheliche Band,
und darinnen auf das Recht zur Beywohnung
gehen muß. Wie denn auch Paulus das ein
Fleiſch ſeyn
1 Cor. 7, v. 4. u. f. alſo erklaͤret,
daß daher ein Ehegatte ſich dem andern nicht oh-
ne deſſelben Bewilligung entziehen ſoll, und ei-
ner uͤber des andern Leib Macht habe, ſich den-
ſelben ohne Entziehung und ohne communica-
tion
mit andern, allein zuzueignen. Und daher
koͤmmts, daß Paulus den Ort Gen. 1, 24. wider
die Hurerey anfuͤhret, 1 Cor. 6, 16. und damit be-
zeuget, darinnen beſtehe eben die Hurerey, daß
man zwar mit einer Weibes-Perſon durch fleiſch-
liche Vermiſchung ein Fleiſch werde, aber auſſer
der Ehe und rechtmaͤßigen Verbindung; und
daß niemand mit einer Weibes-Perſon ein
Fleiſch werden ſolle, wo es nicht in der Ordnung
des unaufloͤßlichen ehelichen Bandes geſchehe.

Die andere Betrachtung
uͤber Matth. 19/ 3 ſqq. und zugleich uͤber Marc. 10/ 1. ſqq.
Matth. 5/ 31. 32. Luc. 16/ 18.

Jnnhalt.
[Spaltenumbruch]

Es koͤmmt bey dem Texte Matth. 19. auf den rechten
Wort-Verſtand, und die daraus flieſſende Schluͤſſe
an §. I.

Bey dem Wort-Verſtand ſind ſechs Stuͤcke zu mer-
cken: §. II.

Erſtlich der Phariſaͤer Frage §. III.
Zum andern Chriſti Antwort, dabey drey Stuͤcke zu
erwegen ſind §. IV. V.

Davon das dritte in einem gedoppelten Schluſſe be-
ſtehet §. VI. VII.

Zum dritten der Phariſaͤer Einwurf vom erlaubten
Scheide-Brief, und zum vierten Chriſti Beantwor-
tung §. VIII.

Zum fuͤnften und ſechſten der Juͤnger Chriſti aus deſſen
[Spaltenumbruch] Rede gezogenen Schluß und Chriſti Antwort §. IX.

Welcher bisher eroͤrterte Wort-Verſtand durch die Par-
allel-
Stellen gar klaͤrlich bekraͤftiget wird §. X.

Die aus dem Texte flieſſende Schluͤſſe ſind zweene.
Der erſte wider die Eheſcheidungen fuͤr die Unzer-
trennlichkeit der Ehe, der andere wider die Polygamie
§. XI.

Darauf der von der πορνείᾳ hergenommene Einwurf
beantwortet worden §. XII. XIII.

Mit dem Erweiſe, mit was fuͤr ſchlechtem Vortheil man
ſich auf die Antoritaͤt des gelehrten Seldeni beziehe
§. XIV. XV.

Noch ein anderer Einwurf wird beautwortet §. XVI.

§. I.
E e 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0249" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des er&#x017F;ten Briefs an die Corinthier.</hi></fw><lb/><cb/>
32. Joh. 1, 37. 40. 4, 43. 20, 4. <hi rendition="#aq">Act.</hi> 1, 24.<lb/>
Gal. 4, 24. Eph. 2, 15. Phil. 1, 23. <hi rendition="#aq">Apoc.</hi> 11, 3.<lb/>
4. 10. 19, 20. da allemal nur zweene, nicht meh-<lb/>
rere und nicht wenigere, ko&#x0364;nnen und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
&#x017F;tanden werden.</p><lb/>
              <p>§. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Wider die Leicht&#x017F;innigkeit in<lb/><hi rendition="#fr">Ehe&#x017F;cheidungen</hi> machen wir nicht weniger<lb/>
mit allem Rechte aus dem Mo&#x017F;ai&#x017F;chen Texte die-<lb/>
&#x017F;en Schluß: <hi rendition="#fr">Das eheliche Band bleibet un-<lb/>
ter zween Ehe-Leuten be&#x017F;ta&#x0364;ndig und un-<lb/>
zertrennet, &#x017F;o lange bis es durch den Tod,<lb/>
oder auch durch den Ehebruch getrennet<lb/>
wird.</hi> Die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Folge i&#x017F;t, weil der<lb/>
natu&#x0364;rliche Wort-Ver&#x017F;tand in dem Aus&#x017F;pruche<lb/>
GOttes, <hi rendition="#fr">darum &#x017F;oll ein Mann</hi> &#xA75B;c. keinen an-<lb/>
dern als die&#x017F;en Ver&#x017F;tand hat und giebet, wie<lb/>
oben §. <hi rendition="#aq">IV.</hi> mit mehrern erwie&#x017F;en i&#x017F;t. Und die-<lb/>
&#x017F;e Richtigkeit und <hi rendition="#aq">Firmit</hi>a&#x0364;t der <hi rendition="#aq">Con&#x017F;equen</hi>tz<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tiget auch Chri&#x017F;tus, wenn er Matth. 5, 32.<lb/>
c. 19. und Marc. 10. vermo&#x0364;ge die&#x017F;es er&#x017F;ten go&#x0364;tt-<lb/>
lichen Aus&#x017F;pruchs die einge&#x017F;chlichene, und zum<lb/>
theil auch auf eine Zeitlang geduldete gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Li-<lb/>
bertinage</hi> in den Ehe&#x017F;cheidungen wieder aufhe-<lb/>
bet: wie bald mit mehrern gezeiget werden &#x017F;oll.</p><lb/>
              <p>§. <hi rendition="#aq">IX.</hi> Und hiezu &#x017F;etzen wir billig noch die<lb/>
dritte <hi rendition="#aq">Conclu&#x017F;ion:</hi> <hi rendition="#fr">daß die Mo&#x017F;ai&#x017F;che Regel<lb/>
vom Ehe&#x017F;tande allgemein &#x017F;ey, und auf al-<lb/>
le Men&#x017F;chen gehe, wes Standes &#x017F;ie immer<lb/>
&#x017F;eyn mo&#x0364;gen.</hi> Daß die&#x017F;er Schluß richtig &#x017F;ey,<lb/>
&#x017F;iehet man &#x017F;chon, wie aus den auf einen gantz<lb/>
allgemeinen Ver&#x017F;tand gerichteten Worten &#x017F;elb&#x017F;t:<lb/><hi rendition="#fr">darum wird ein Mann</hi> &#xA75B;c. al&#x017F;o auch aus der<lb/>
Eigen&#x017F;chaft eines Ge&#x017F;etzes, als welches keine<lb/>
Kraft zur Verbindung haben ko&#x0364;nte, wo es nicht<lb/>
allgemein wa&#x0364;re. Welche Kraft &#x017F;olcher Worte<lb/>
auch CHri&#x017F;tus mit &#x017F;einer <hi rendition="#aq">application</hi> gnug&#x017F;am<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tiget.</p><lb/>
              <p>§. <hi rendition="#aq">X.</hi> Wolte man hingegen einwenden und<lb/>
&#x017F;agen, die Regel mo&#x0364;chte zwar im Stande der<lb/>
Un&#x017F;chuld ihre Gu&#x0364;ltigkeit haben und ihre Verbin-<lb/>
dung gegeben haben; allein nach dem Su&#x0364;nden-<lb/>
Fall &#x017F;ey &#x017F;ie weder <hi rendition="#aq">practicabel</hi> noch verbindlich:<lb/>
&#x017F;o antworten wir, daß ihre <hi rendition="#aq">praxis</hi> &#x017F;ich Gott Lob<lb/>
gar ma&#x0364;chtig erwie&#x017F;en habe zu allen Zeiten, &#x017F;on-<lb/>
derlich in den er&#x017F;ten bis auf die Ju&#x0364;di&#x017F;che Repu-<lb/><cb/>
blic, und auch bey den allermei&#x017F;ten in der&#x017F;elben;<lb/>
und denn von den Zeiten Chri&#x017F;ti an bis hieher in<lb/>
der gantzen Chri&#x017F;tenheit. So machet und fo-<lb/>
dert ja auch un&#x017F;er Heyland die <hi rendition="#aq">Application</hi> bey<lb/>
denen, die &#x017F;ich nicht mehr im Stande der Un-<lb/>
&#x017F;chuld befinden. Es i&#x017F;t leider arg genug, daß<lb/>
durch den kla&#x0364;glichen Su&#x0364;nden-Fall die&#x017F;e go&#x0364;ttliche<lb/>
Ordnung &#x017F;o vielen Ma&#x0364;ngeln und Gebrechen un-<lb/>
terworfen worden, um welcher willen doch aber<lb/>
in der Haupt-Sache, worauf oben erwie&#x017F;ener<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en der Mo&#x017F;ai&#x017F;che Ort nur allein gehet, nichts<lb/>
aufgehoben &#x017F;eyn kan.</p><lb/>
              <p>§. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Man kan auch nicht &#x017F;agen, daß die<lb/>
Worte: <hi rendition="#fr">mit &#x017F;einem Weibe ein Flei&#x017F;ch &#x017F;eyn,</hi><lb/>
bloß auf die eheliche Beywohnung gehen; nem-<lb/>
lich daß nur die&#x017F;e nicht zu gleicher Zeit mit meh-<lb/>
rern Weibern ge&#x017F;chehen wu&#x0364;rde und &#x017F;olte, aber<lb/>
doch wol zu unter&#x017F;chiedlicher Zeit mit mehrern<lb/>
Weibern ge&#x017F;chehen konte, al&#x017F;o, daß ein Mann<lb/>
mit einer jeden ein Flei&#x017F;ch werde. Denn daß<lb/>
ein Mann zu einer Zeit nicht mehrern, als nur ei-<lb/>
ner, Frauen, ehelich beywohnen ko&#x0364;nte und &#x017F;olte,<lb/>
davon durfte nicht er&#x017F;t ein Ge&#x017F;etz gegeben wer-<lb/>
den; &#x017F;intemal es an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon bekant ge-<lb/>
nug, und das Gegentheil &#x017F;chlechterdings un-<lb/>
mo&#x0364;glich war. Daß al&#x017F;o <hi rendition="#fr">das ein Flei&#x017F;ch wer-<lb/>
den,</hi> nicht auf den <hi rendition="#aq">actum</hi> der ehelichen Beywoh-<lb/>
nung, &#x017F;ondern auf das genaue eheliche Band,<lb/>
und darinnen auf das Recht zur Beywohnung<lb/>
gehen muß. Wie denn auch Paulus <hi rendition="#fr">das ein<lb/>
Flei&#x017F;ch &#x017F;eyn</hi> 1 Cor. 7, v. 4. u. f. al&#x017F;o erkla&#x0364;ret,<lb/>
daß daher ein Ehegatte &#x017F;ich dem andern nicht oh-<lb/>
ne de&#x017F;&#x017F;elben Bewilligung entziehen &#x017F;oll, und ei-<lb/>
ner u&#x0364;ber des andern Leib Macht habe, &#x017F;ich den-<lb/>
&#x017F;elben ohne Entziehung und ohne <hi rendition="#aq">communica-<lb/>
tion</hi> mit andern, allein zuzueignen. Und daher<lb/>
ko&#x0364;mmts, daß Paulus den Ort <hi rendition="#aq">Gen.</hi> 1, 24. wider<lb/>
die Hurerey anfu&#x0364;hret, 1 Cor. 6, 16. und damit be-<lb/>
zeuget, darinnen be&#x017F;tehe eben die Hurerey, daß<lb/>
man zwar mit einer Weibes-Per&#x017F;on durch flei&#x017F;ch-<lb/>
liche Vermi&#x017F;chung ein Flei&#x017F;ch werde, aber au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
der Ehe und rechtma&#x0364;ßigen Verbindung; und<lb/>
daß niemand mit einer Weibes-Per&#x017F;on ein<lb/>
Flei&#x017F;ch werden &#x017F;olle, wo es nicht in der Ordnung<lb/>
des unauflo&#x0364;ßlichen ehelichen Bandes ge&#x017F;chehe.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die andere Betrachtung<lb/>
u&#x0364;ber Matth. 19/ 3 <hi rendition="#aq">&#x017F;qq.</hi> und zugleich u&#x0364;ber Marc. 10/ 1. <hi rendition="#aq">&#x017F;qq.</hi><lb/>
Matth. 5/ 31. 32. Luc. 16/ 18.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Jnnhalt.</hi> </hi><lb/>
                <cb/>
                <list>
                  <item>Es ko&#x0364;mmt bey dem Texte Matth. 19. auf den rechten<lb/><hi rendition="#fr">Wort-Ver&#x017F;tand,</hi> und die daraus flie&#x017F;&#x017F;ende <hi rendition="#fr">Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
an §. <hi rendition="#aq">I.</hi></item><lb/>
                  <item>Bey dem <hi rendition="#fr">Wort-Ver&#x017F;tand</hi> &#x017F;ind &#x017F;echs Stu&#x0364;cke zu mer-<lb/>
cken: §. <hi rendition="#aq">II.</hi></item><lb/>
                  <item>Er&#x017F;tlich der <hi rendition="#fr">Phari&#x017F;a&#x0364;er Frage</hi> §. <hi rendition="#aq">III.</hi></item><lb/>
                  <item>Zum andern <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ti Antwort,</hi> dabey drey Stu&#x0364;cke zu<lb/>
erwegen &#x017F;ind §. <hi rendition="#aq">IV. V.</hi></item><lb/>
                  <item>Davon das dritte in einem <hi rendition="#fr">gedoppelten Schlu&#x017F;&#x017F;e</hi> be-<lb/>
&#x017F;tehet §. <hi rendition="#aq">VI. VII.</hi></item><lb/>
                  <item>Zum dritten der <hi rendition="#fr">Phari&#x017F;a&#x0364;er Einwurf</hi> vom erlaubten<lb/>
Scheide-Brief, und zum vierten Chri&#x017F;ti Beantwor-<lb/>
tung §. <hi rendition="#aq">VIII.</hi></item><lb/>
                  <item>Zum fu&#x0364;nften und &#x017F;ech&#x017F;ten der <hi rendition="#fr">Ju&#x0364;nger</hi> Chri&#x017F;ti aus de&#x017F;&#x017F;en<lb/><cb/>
Rede gezogenen <hi rendition="#fr">Schluß</hi> und Chri&#x017F;ti Antwort §. <hi rendition="#aq">IX.</hi></item><lb/>
                  <item>Welcher bisher ero&#x0364;rterte Wort-Ver&#x017F;tand durch die <hi rendition="#aq">Par-<lb/>
allel-</hi>Stellen gar kla&#x0364;rlich bekra&#x0364;ftiget wird §. <hi rendition="#aq">X.</hi></item><lb/>
                  <item>Die aus dem Texte <hi rendition="#fr">flie&#x017F;&#x017F;ende Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e</hi> &#x017F;ind zweene.<lb/>
Der er&#x017F;te wider die Ehe&#x017F;cheidungen fu&#x0364;r die Unzer-<lb/>
trennlichkeit der Ehe, der andere wider die <hi rendition="#aq">Polygami</hi>e<lb/>
§. <hi rendition="#aq">XI.</hi></item><lb/>
                  <item>Darauf der von der &#x03C0;&#x03BF;&#x03C1;&#x03BD;&#x03B5;&#x03AF;&#x1FB3; hergenommene <hi rendition="#fr">Einwurf</hi><lb/>
beantwortet worden §. <hi rendition="#aq">XII. XIII.</hi></item><lb/>
                  <item>Mit dem Erwei&#x017F;e, mit was fu&#x0364;r &#x017F;chlechtem Vortheil man<lb/>
&#x017F;ich auf die Antorita&#x0364;t des gelehrten Seldeni beziehe<lb/>
§. <hi rendition="#aq">XIV. XV.</hi></item><lb/>
                  <item>Noch ein anderer <hi rendition="#fr">Einwurf</hi> wird beautwortet §. <hi rendition="#aq">XVI.</hi></item>
                </list>
              </p>
            </argument><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">E e 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0249] des erſten Briefs an die Corinthier. 32. Joh. 1, 37. 40. 4, 43. 20, 4. Act. 1, 24. Gal. 4, 24. Eph. 2, 15. Phil. 1, 23. Apoc. 11, 3. 4. 10. 19, 20. da allemal nur zweene, nicht meh- rere und nicht wenigere, koͤnnen und muͤſſen ver- ſtanden werden. §. VIII. Wider die Leichtſinnigkeit in Eheſcheidungen machen wir nicht weniger mit allem Rechte aus dem Moſaiſchen Texte die- ſen Schluß: Das eheliche Band bleibet un- ter zween Ehe-Leuten beſtaͤndig und un- zertrennet, ſo lange bis es durch den Tod, oder auch durch den Ehebruch getrennet wird. Die Urſache dieſer Folge iſt, weil der natuͤrliche Wort-Verſtand in dem Ausſpruche GOttes, darum ſoll ein Mann ꝛc. keinen an- dern als dieſen Verſtand hat und giebet, wie oben §. IV. mit mehrern erwieſen iſt. Und die- ſe Richtigkeit und Firmitaͤt der Conſequentz beſtaͤtiget auch Chriſtus, wenn er Matth. 5, 32. c. 19. und Marc. 10. vermoͤge dieſes erſten goͤtt- lichen Ausſpruchs die eingeſchlichene, und zum theil auch auf eine Zeitlang geduldete groſſe Li- bertinage in den Eheſcheidungen wieder aufhe- bet: wie bald mit mehrern gezeiget werden ſoll. §. IX. Und hiezu ſetzen wir billig noch die dritte Concluſion: daß die Moſaiſche Regel vom Eheſtande allgemein ſey, und auf al- le Menſchen gehe, wes Standes ſie immer ſeyn moͤgen. Daß dieſer Schluß richtig ſey, ſiehet man ſchon, wie aus den auf einen gantz allgemeinen Verſtand gerichteten Worten ſelbſt: darum wird ein Mann ꝛc. alſo auch aus der Eigenſchaft eines Geſetzes, als welches keine Kraft zur Verbindung haben koͤnte, wo es nicht allgemein waͤre. Welche Kraft ſolcher Worte auch CHriſtus mit ſeiner application gnugſam beſtaͤtiget. §. X. Wolte man hingegen einwenden und ſagen, die Regel moͤchte zwar im Stande der Unſchuld ihre Guͤltigkeit haben und ihre Verbin- dung gegeben haben; allein nach dem Suͤnden- Fall ſey ſie weder practicabel noch verbindlich: ſo antworten wir, daß ihre praxis ſich Gott Lob gar maͤchtig erwieſen habe zu allen Zeiten, ſon- derlich in den erſten bis auf die Juͤdiſche Repu- blic, und auch bey den allermeiſten in derſelben; und denn von den Zeiten Chriſti an bis hieher in der gantzen Chriſtenheit. So machet und fo- dert ja auch unſer Heyland die Application bey denen, die ſich nicht mehr im Stande der Un- ſchuld befinden. Es iſt leider arg genug, daß durch den klaͤglichen Suͤnden-Fall dieſe goͤttliche Ordnung ſo vielen Maͤngeln und Gebrechen un- terworfen worden, um welcher willen doch aber in der Haupt-Sache, worauf oben erwieſener maſſen der Moſaiſche Ort nur allein gehet, nichts aufgehoben ſeyn kan. §. XI. Man kan auch nicht ſagen, daß die Worte: mit ſeinem Weibe ein Fleiſch ſeyn, bloß auf die eheliche Beywohnung gehen; nem- lich daß nur dieſe nicht zu gleicher Zeit mit meh- rern Weibern geſchehen wuͤrde und ſolte, aber doch wol zu unterſchiedlicher Zeit mit mehrern Weibern geſchehen konte, alſo, daß ein Mann mit einer jeden ein Fleiſch werde. Denn daß ein Mann zu einer Zeit nicht mehrern, als nur ei- ner, Frauen, ehelich beywohnen koͤnte und ſolte, davon durfte nicht erſt ein Geſetz gegeben wer- den; ſintemal es an ſich ſelbſt ſchon bekant ge- nug, und das Gegentheil ſchlechterdings un- moͤglich war. Daß alſo das ein Fleiſch wer- den, nicht auf den actum der ehelichen Beywoh- nung, ſondern auf das genaue eheliche Band, und darinnen auf das Recht zur Beywohnung gehen muß. Wie denn auch Paulus das ein Fleiſch ſeyn 1 Cor. 7, v. 4. u. f. alſo erklaͤret, daß daher ein Ehegatte ſich dem andern nicht oh- ne deſſelben Bewilligung entziehen ſoll, und ei- ner uͤber des andern Leib Macht habe, ſich den- ſelben ohne Entziehung und ohne communica- tion mit andern, allein zuzueignen. Und daher koͤmmts, daß Paulus den Ort Gen. 1, 24. wider die Hurerey anfuͤhret, 1 Cor. 6, 16. und damit be- zeuget, darinnen beſtehe eben die Hurerey, daß man zwar mit einer Weibes-Perſon durch fleiſch- liche Vermiſchung ein Fleiſch werde, aber auſſer der Ehe und rechtmaͤßigen Verbindung; und daß niemand mit einer Weibes-Perſon ein Fleiſch werden ſolle, wo es nicht in der Ordnung des unaufloͤßlichen ehelichen Bandes geſchehe. Die andere Betrachtung uͤber Matth. 19/ 3 ſqq. und zugleich uͤber Marc. 10/ 1. ſqq. Matth. 5/ 31. 32. Luc. 16/ 18. Jnnhalt. Es koͤmmt bey dem Texte Matth. 19. auf den rechten Wort-Verſtand, und die daraus flieſſende Schluͤſſe an §. I. Bey dem Wort-Verſtand ſind ſechs Stuͤcke zu mer- cken: §. II. Erſtlich der Phariſaͤer Frage §. III. Zum andern Chriſti Antwort, dabey drey Stuͤcke zu erwegen ſind §. IV. V. Davon das dritte in einem gedoppelten Schluſſe be- ſtehet §. VI. VII. Zum dritten der Phariſaͤer Einwurf vom erlaubten Scheide-Brief, und zum vierten Chriſti Beantwor- tung §. VIII. Zum fuͤnften und ſechſten der Juͤnger Chriſti aus deſſen Rede gezogenen Schluß und Chriſti Antwort §. IX. Welcher bisher eroͤrterte Wort-Verſtand durch die Par- allel-Stellen gar klaͤrlich bekraͤftiget wird §. X. Die aus dem Texte flieſſende Schluͤſſe ſind zweene. Der erſte wider die Eheſcheidungen fuͤr die Unzer- trennlichkeit der Ehe, der andere wider die Polygamie §. XI. Darauf der von der πορνείᾳ hergenommene Einwurf beantwortet worden §. XII. XIII. Mit dem Erweiſe, mit was fuͤr ſchlechtem Vortheil man ſich auf die Antoritaͤt des gelehrten Seldeni beziehe §. XIV. XV. Noch ein anderer Einwurf wird beautwortet §. XVI. §. I. E e 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/249
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/249>, abgerufen am 15.08.2024.