[Spaltenumbruch]Oracula Christi Matth. 5, 32. auf Seiten des Mannes: und Pauli Röm. 7, 2. 2 Cor. 7, 39. auf Seiten des Weibes: Ein Weib, das unter dem Manne ist, ist gebunden an das Gesetz, so lange der Mann lebet etc.
§. V. Das dritte Stück, so bey dem er- klärten Orte Gen. 2, 24. noch wohl zu betrachten ist, bestehet darinnen: warum doch GOtt, da die eheliche Verbindung reciproca ist, oder auf beyde Theile gehet mit allen ihren Pflichten, nicht vom Weibe gesaget habe: Darum wird ein Weib ihren Vater und Mutter verlas- sen etc. sondern vom Manne: darum wird ein Mann etc. Die Ursache dessen ist nicht allein in dem Vorzuge des männlichen Geschlechts vor dem weiblichen, und in der daher entstandenen gewöhnlichen Art also zu reden, da das, so auf beyde Geschlecht gehet, gemeiniglich vom männ- lichen allein ausgesprochen wird, sondern auch wol ohne Zweifel ist die besondere Ursache diese; damit sich der Mann von dieser beständigen Pflichtleistung nicht ausnehmen möchte, wie zu den Zeiten Mosis, als er sein erstes Buch in Schriften verfasset hat, schon geschahe, und GOtt, aus dessen Eingebung er die gantze Ma- terie von der ersten Ehe Gen. 2. verzeichnet hat, wohl vorher gesehen, daß das männliche Ge- schlecht in den folgenden Zeiten sich noch eine grössere Freyheit nehmen würde. Stünde hin- gegen beym Mose: darum soll ein Weib etc. so würde man nach der Verwegenheit, nach welcher man die heilige Schrift zu erklären pfleget, das männliche Geschlecht von gleicher, wo nicht gar von aller obligation schon vorlängst freygesprochen haben.
§. VI. So viel vom eigentlichen Wort- Verstande des Mosaischen Orts. Nun haben wir zum andern auch zu erwegen, wie er, dem von GOtt selbst intendirten Zwecke nach, in derAPPLICATIONanzusehen sey? Jn die- ser ist er nach jenem eine allgemeine Regel, wie es mit dem Ehestande insgemein und alle- zeit, auch bey allen Eheleuten gehalten werden solte. Welches nun zwar aus der bisherigen Vorstellung schon an sich selbst erhellet; aber doch so viel kläret wird, wenn wir erwegen:
1) Daß in dem Mosaischen Texte doch würcklich die erste und von GOtt selbst ge- machte Einsetzung und Verordnung des Ehestandes beschrieben wird. Gleichwie nun einer jeden Sache erste Stiftung allemal die Kraft einer Regel hat, wie es damit hernach al- lezeit gehalten werden solle; wie wir unter an- dern sehen an der Beschneidung, an dem Oster- Lamm, auch an vielen andern Dingen, so keine eigentliche Sacramenta waren; so kan es auch nicht anders mit dieser allerersten Ehe-Sache seyn.
2) Daß aus dem facto Dei, aus der Hand- lung GOttes, da er nur ein Männlein und ein Fräulein erschaffen und zusammen geführet hat, die application ausdrücklich gemachet wird, wenn es per illationem heist: darum wird ein Mann etc. wodurch das factum Dei von der End-Ursache, warum jenes geschehen, gar deut- lich unterschieden, und also aus jenem dasjeni- [Spaltenumbruch]
ge, wozu es angesehen war, nemlich die allge- meine Regel gezogen wird.
3) Daß die Worte des göttlichen Aus- spruchs oder Ehe-Gesetzes, nicht allein so gene- ral, sondern dabey auch sonst also beschaffen sind, daß sie sich für das erste Paar der Ehe-Leu- te gar nicht schicken; denn erstlich sind sie zu ge- neral, denn es heist nicht in hypothesi: darum soll [fremdsprachliches Material - fehlt] der Adam seiner Eva anhangen etc. son- dern überhaupt [fremdsprachliches Material - fehlt]ein jeglicher Mann, er sey wer er wolle, und lebe, wenn er wolle, soll [fremdsprachliches Material - fehlt] seinem Weibe anhangen. Zum an- dern schicken sie sich auch sonsten nicht für den Adam und für die Evam. Denn diese hatten ja leiblicher Weise weder Vater noch Mutter, die sie verlassen konten. Und muste demnach dieser Ausspruch auf ihre Nachkommen gehen, und folglich für sie eine Regel oder Gesetze seyn.
4) Daß mehr erwehnte Worte nichts in sich halten, welches nur auf die Nebendinge des Ehestandes gehe; sondern alles gehet auf die Hauptsache; und folglich schicken sich diese Wor- te gar eigentlich zur Regel, und haben die Kraft und Eigenschaft eines Gesetzes zur Verbindung. Denn es heißt nicht: darum soll ein jeder Ehemann Adam, eine jede Ehefrau Eva heissen. Auch nicht: es soll ein jeder Ehe- mann aus besonderer göttlicher Schi- ckung entschlafen, und ein jedes Eheweib soll aus seiner Ribbe gebauet, und ihm un- mittelbar zugeführet werden, u. s. w. Sintemal diese und dergleichen Dinge nicht zum Wesen des Ehestandes gehöreten, sondern es heißt: darum soll ein Mann seinen Va- ter etc. welches nach dem zuvor erklärten eigent- lichen Wort-Verstande auf die rechte Haupt- Sache des Ehe-Standes gehet; nemlich, daß der Mann, nach Veranlassung der väterlichen Familie, mit seinem Eheweibe eine eigene auf- richte, und ihr, zur Fortpflantzung des Ge- schlechts, dergestalt anhange, daß er ein Fleisch mit ihr werde.
5) Daß nach dieser Regel auch die Alt- Väter einhergegangen sind. Denn gleichwie wir von der Polygamia, oder digamia, da ein Mann mit mehrern, als mit einem Weibe ein Fleisch geworden wäre, vor der Sündfluth kein ander Exempel haben, als etwa um das Jahr 600 des gottlosen Cainiten, des Lamechs, der auch einen gedoppelten Mord begangen hatte: Gen. 4, 19. sqq. und also auch kein Bedencken ge- tragen, das Gesetz vom Ehestande freventlich zu übertreten: wie denn solches von ihme, als et- was sonderbares, dergleichen von keinem an- dern vorkömmt, ist aufgezeichnet worden: so se- hen wir, daß Noah samt seinen drey Söhnen, da er schon 600 Jahr alt war, und selb 8te in den Kasten gegangen Gen. 6, 18. 1 Pet. 3, 20. 2 Pet. 2, 5. ein ieder nur ein einziges Weib gehabt. Und in dieser Ordnung ist der Ehestand auch nach der Sündfluth fortgesetzet, zum wenigsten unter denen, welche auf GOtt sahen, bis auf Abraham; welcher denn auf eine ziemlich un- schuldige Weise zu seiner digamia, oder Ehe mit zweyen Weibern, gekommen. Denn da er die
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des erſten Briefs an die Corinthier.
[Spaltenumbruch]Oracula Chriſti Matth. 5, 32. auf Seiten des Mannes: und Pauli Roͤm. 7, 2. 2 Cor. 7, 39. auf Seiten des Weibes: Ein Weib, das unter dem Manne iſt, iſt gebunden an das Geſetz, ſo lange der Mann lebet ꝛc.
§. V. Das dritte Stuͤck, ſo bey dem er- klaͤrten Orte Gen. 2, 24. noch wohl zu betrachten iſt, beſtehet darinnen: warum doch GOtt, da die eheliche Verbindung reciproca iſt, oder auf beyde Theile gehet mit allen ihren Pflichten, nicht vom Weibe geſaget habe: Darum wird ein Weib ihren Vater und Mutter verlaſ- ſen ꝛc. ſondern vom Manne: darum wird ein Mann ꝛc. Die Urſache deſſen iſt nicht allein in dem Vorzuge des maͤnnlichen Geſchlechts vor dem weiblichen, und in der daher entſtandenen gewoͤhnlichen Art alſo zu reden, da das, ſo auf beyde Geſchlecht gehet, gemeiniglich vom maͤnn- lichen allein ausgeſprochen wird, ſondern auch wol ohne Zweifel iſt die beſondere Urſache dieſe; damit ſich der Mann von dieſer beſtaͤndigen Pflichtleiſtung nicht ausnehmen moͤchte, wie zu den Zeiten Moſis, als er ſein erſtes Buch in Schriften verfaſſet hat, ſchon geſchahe, und GOtt, aus deſſen Eingebung er die gantze Ma- terie von der erſten Ehe Gen. 2. verzeichnet hat, wohl vorher geſehen, daß das maͤnnliche Ge- ſchlecht in den folgenden Zeiten ſich noch eine groͤſſere Freyheit nehmen wuͤrde. Stuͤnde hin- gegen beym Moſe: darum ſoll ein Weib ꝛc. ſo wuͤrde man nach der Verwegenheit, nach welcher man die heilige Schrift zu erklaͤren pfleget, das maͤnnliche Geſchlecht von gleicher, wo nicht gar von aller obligation ſchon vorlaͤngſt freygeſprochen haben.
§. VI. So viel vom eigentlichen Wort- Verſtande des Moſaiſchen Orts. Nun haben wir zum andern auch zu erwegen, wie er, dem von GOtt ſelbſt intendirten Zwecke nach, in derAPPLICATIONanzuſehen ſey? Jn die- ſer iſt er nach jenem eine allgemeine Regel, wie es mit dem Eheſtande insgemein und alle- zeit, auch bey allen Eheleuten gehalten werden ſolte. Welches nun zwar aus der bisherigen Vorſtellung ſchon an ſich ſelbſt erhellet; aber doch ſo viel klaͤret wird, wenn wir erwegen:
1) Daß in dem Moſaiſchen Texte doch wuͤrcklich die erſte und von GOtt ſelbſt ge- machte Einſetzung und Verordnung des Eheſtandes beſchrieben wird. Gleichwie nun einer jeden Sache erſte Stiftung allemal die Kraft einer Regel hat, wie es damit hernach al- lezeit gehalten werden ſolle; wie wir unter an- dern ſehen an der Beſchneidung, an dem Oſter- Lamm, auch an vielen andern Dingen, ſo keine eigentliche Sacramenta waren; ſo kan es auch nicht anders mit dieſer allererſten Ehe-Sache ſeyn.
2) Daß aus dem facto Dei, aus der Hand- lung GOttes, da er nur ein Maͤnnlein und ein Fraͤulein erſchaffen und zuſammen gefuͤhret hat, die application ausdruͤcklich gemachet wird, wenn es per illationem heiſt: darum wird ein Mann ꝛc. wodurch das factum Dei von der End-Urſache, warum jenes geſchehen, gar deut- lich unterſchieden, und alſo aus jenem dasjeni- [Spaltenumbruch]
ge, wozu es angeſehen war, nemlich die allge- meine Regel gezogen wird.
3) Daß die Worte des goͤttlichen Aus- ſpruchs oder Ehe-Geſetzes, nicht allein ſo gene- ral, ſondern dabey auch ſonſt alſo beſchaffen ſind, daß ſie ſich fuͤr das erſte Paar der Ehe-Leu- te gar nicht ſchicken; denn erſtlich ſind ſie zu ge- neral, denn es heiſt nicht in hypotheſi: darum ſoll [fremdsprachliches Material – fehlt] der Adam ſeiner Eva anhangen ꝛc. ſon- dern uͤberhaupt [fremdsprachliches Material – fehlt]ein jeglicher Mann, er ſey wer er wolle, und lebe, wenn er wolle, ſoll [fremdsprachliches Material – fehlt] ſeinem Weibe anhangen. Zum an- dern ſchicken ſie ſich auch ſonſten nicht fuͤr den Adam und fuͤr die Evam. Denn dieſe hatten ja leiblicher Weiſe weder Vater noch Mutter, die ſie verlaſſen konten. Und muſte demnach dieſer Ausſpruch auf ihre Nachkommen gehen, und folglich fuͤr ſie eine Regel oder Geſetze ſeyn.
4) Daß mehr erwehnte Worte nichts in ſich halten, welches nur auf die Nebendinge des Eheſtandes gehe; ſondern alles gehet auf die Hauptſache; und folglich ſchicken ſich dieſe Wor- te gar eigentlich zur Regel, und haben die Kraft und Eigenſchaft eines Geſetzes zur Verbindung. Denn es heißt nicht: darum ſoll ein jeder Ehemann Adam, eine jede Ehefrau Eva heiſſen. Auch nicht: es ſoll ein jeder Ehe- mann aus beſonderer goͤttlicher Schi- ckung entſchlafen, und ein jedes Eheweib ſoll aus ſeiner Ribbe gebauet, und ihm un- mittelbar zugefuͤhret werden, u. ſ. w. Sintemal dieſe und dergleichen Dinge nicht zum Weſen des Eheſtandes gehoͤreten, ſondern es heißt: darum ſoll ein Mann ſeinen Va- ter ꝛc. welches nach dem zuvor erklaͤrten eigent- lichen Wort-Verſtande auf die rechte Haupt- Sache des Ehe-Standes gehet; nemlich, daß der Mann, nach Veranlaſſung der vaͤterlichen Familie, mit ſeinem Eheweibe eine eigene auf- richte, und ihr, zur Fortpflantzung des Ge- ſchlechts, dergeſtalt anhange, daß er ein Fleiſch mit ihr werde.
5) Daß nach dieſer Regel auch die Alt- Vaͤter einhergegangen ſind. Denn gleichwie wir von der Polygamia, oder digamia, da ein Mann mit mehrern, als mit einem Weibe ein Fleiſch geworden waͤre, vor der Suͤndfluth kein ander Exempel haben, als etwa um das Jahr 600 des gottloſen Cainiten, des Lamechs, der auch einen gedoppelten Mord begangen hatte: Gen. 4, 19. ſqq. und alſo auch kein Bedencken ge- tragen, das Geſetz vom Eheſtande freventlich zu uͤbertreten: wie denn ſolches von ihme, als et- was ſonderbares, dergleichen von keinem an- dern vorkoͤmmt, iſt aufgezeichnet worden: ſo ſe- hen wir, daß Noah ſamt ſeinen drey Soͤhnen, da er ſchon 600 Jahr alt war, und ſelb 8te in den Kaſten gegangen Gen. 6, 18. 1 Pet. 3, 20. 2 Pet. 2, 5. ein ieder nur ein einziges Weib gehabt. Und in dieſer Ordnung iſt der Eheſtand auch nach der Suͤndfluth fortgeſetzet, zum wenigſten unter denen, welche auf GOtt ſahen, bis auf Abraham; welcher denn auf eine ziemlich un- ſchuldige Weiſe zu ſeiner digamia, oder Ehe mit zweyen Weibern, gekommen. Denn da er die
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[219/0247]
des erſten Briefs an die Corinthier.
Oracula Chriſti Matth. 5, 32. auf Seiten des
Mannes: und Pauli Roͤm. 7, 2. 2 Cor. 7, 39.
auf Seiten des Weibes: Ein Weib, das
unter dem Manne iſt, iſt gebunden an das
Geſetz, ſo lange der Mann lebet ꝛc.
§. V. Das dritte Stuͤck, ſo bey dem er-
klaͤrten Orte Gen. 2, 24. noch wohl zu betrachten
iſt, beſtehet darinnen: warum doch GOtt, da
die eheliche Verbindung reciproca iſt, oder auf
beyde Theile gehet mit allen ihren Pflichten,
nicht vom Weibe geſaget habe: Darum wird
ein Weib ihren Vater und Mutter verlaſ-
ſen ꝛc. ſondern vom Manne: darum wird ein
Mann ꝛc. Die Urſache deſſen iſt nicht allein
in dem Vorzuge des maͤnnlichen Geſchlechts vor
dem weiblichen, und in der daher entſtandenen
gewoͤhnlichen Art alſo zu reden, da das, ſo auf
beyde Geſchlecht gehet, gemeiniglich vom maͤnn-
lichen allein ausgeſprochen wird, ſondern auch
wol ohne Zweifel iſt die beſondere Urſache dieſe;
damit ſich der Mann von dieſer beſtaͤndigen
Pflichtleiſtung nicht ausnehmen moͤchte, wie zu
den Zeiten Moſis, als er ſein erſtes Buch in
Schriften verfaſſet hat, ſchon geſchahe, und
GOtt, aus deſſen Eingebung er die gantze Ma-
terie von der erſten Ehe Gen. 2. verzeichnet hat,
wohl vorher geſehen, daß das maͤnnliche Ge-
ſchlecht in den folgenden Zeiten ſich noch eine
groͤſſere Freyheit nehmen wuͤrde. Stuͤnde hin-
gegen beym Moſe: darum ſoll ein Weib ꝛc.
ſo wuͤrde man nach der Verwegenheit, nach
welcher man die heilige Schrift zu erklaͤren
pfleget, das maͤnnliche Geſchlecht von gleicher,
wo nicht gar von aller obligation ſchon vorlaͤngſt
freygeſprochen haben.
§. VI. So viel vom eigentlichen Wort-
Verſtande des Moſaiſchen Orts. Nun haben
wir zum andern auch zu erwegen, wie er, dem
von GOtt ſelbſt intendirten Zwecke nach, in
der APPLICATION anzuſehen ſey? Jn die-
ſer iſt er nach jenem eine allgemeine Regel,
wie es mit dem Eheſtande insgemein und alle-
zeit, auch bey allen Eheleuten gehalten werden
ſolte. Welches nun zwar aus der bisherigen
Vorſtellung ſchon an ſich ſelbſt erhellet; aber
doch ſo viel klaͤret wird, wenn wir erwegen:
1) Daß in dem Moſaiſchen Texte doch
wuͤrcklich die erſte und von GOtt ſelbſt ge-
machte Einſetzung und Verordnung des
Eheſtandes beſchrieben wird. Gleichwie nun
einer jeden Sache erſte Stiftung allemal die
Kraft einer Regel hat, wie es damit hernach al-
lezeit gehalten werden ſolle; wie wir unter an-
dern ſehen an der Beſchneidung, an dem Oſter-
Lamm, auch an vielen andern Dingen, ſo keine
eigentliche Sacramenta waren; ſo kan es auch
nicht anders mit dieſer allererſten Ehe-Sache
ſeyn.
2) Daß aus dem facto Dei, aus der Hand-
lung GOttes, da er nur ein Maͤnnlein und ein
Fraͤulein erſchaffen und zuſammen gefuͤhret hat,
die application ausdruͤcklich gemachet wird,
wenn es per illationem heiſt: darum wird
ein Mann ꝛc. wodurch das factum Dei von der
End-Urſache, warum jenes geſchehen, gar deut-
lich unterſchieden, und alſo aus jenem dasjeni-
ge, wozu es angeſehen war, nemlich die allge-
meine Regel gezogen wird.
3) Daß die Worte des goͤttlichen Aus-
ſpruchs oder Ehe-Geſetzes, nicht allein ſo gene-
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ſind, daß ſie ſich fuͤr das erſte Paar der Ehe-Leu-
te gar nicht ſchicken; denn erſtlich ſind ſie zu ge-
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_ der Adam ſeiner Eva anhangen ꝛc. ſon-
dern uͤberhaupt _ ein jeglicher Mann, er
ſey wer er wolle, und lebe, wenn er wolle, ſoll
_ ſeinem Weibe anhangen. Zum an-
dern ſchicken ſie ſich auch ſonſten nicht fuͤr den
Adam und fuͤr die Evam. Denn dieſe hatten
ja leiblicher Weiſe weder Vater noch Mutter,
die ſie verlaſſen konten. Und muſte demnach
dieſer Ausſpruch auf ihre Nachkommen gehen,
und folglich fuͤr ſie eine Regel oder Geſetze
ſeyn.
4) Daß mehr erwehnte Worte nichts in
ſich halten, welches nur auf die Nebendinge des
Eheſtandes gehe; ſondern alles gehet auf die
Hauptſache; und folglich ſchicken ſich dieſe Wor-
te gar eigentlich zur Regel, und haben die Kraft
und Eigenſchaft eines Geſetzes zur Verbindung.
Denn es heißt nicht: darum ſoll ein jeder
Ehemann Adam, eine jede Ehefrau Eva
heiſſen. Auch nicht: es ſoll ein jeder Ehe-
mann aus beſonderer goͤttlicher Schi-
ckung entſchlafen, und ein jedes Eheweib
ſoll aus ſeiner Ribbe gebauet, und ihm un-
mittelbar zugefuͤhret werden, u. ſ. w.
Sintemal dieſe und dergleichen Dinge nicht
zum Weſen des Eheſtandes gehoͤreten, ſondern
es heißt: darum ſoll ein Mann ſeinen Va-
ter ꝛc. welches nach dem zuvor erklaͤrten eigent-
lichen Wort-Verſtande auf die rechte Haupt-
Sache des Ehe-Standes gehet; nemlich, daß
der Mann, nach Veranlaſſung der vaͤterlichen
Familie, mit ſeinem Eheweibe eine eigene auf-
richte, und ihr, zur Fortpflantzung des Ge-
ſchlechts, dergeſtalt anhange, daß er ein Fleiſch
mit ihr werde.
5) Daß nach dieſer Regel auch die Alt-
Vaͤter einhergegangen ſind. Denn gleichwie
wir von der Polygamia, oder digamia, da ein
Mann mit mehrern, als mit einem Weibe ein
Fleiſch geworden waͤre, vor der Suͤndfluth kein
ander Exempel haben, als etwa um das Jahr
600 des gottloſen Cainiten, des Lamechs, der
auch einen gedoppelten Mord begangen hatte:
Gen. 4, 19. ſqq. und alſo auch kein Bedencken ge-
tragen, das Geſetz vom Eheſtande freventlich zu
uͤbertreten: wie denn ſolches von ihme, als et-
was ſonderbares, dergleichen von keinem an-
dern vorkoͤmmt, iſt aufgezeichnet worden: ſo ſe-
hen wir, daß Noah ſamt ſeinen drey Soͤhnen, da
er ſchon 600 Jahr alt war, und ſelb 8te in den
Kaſten gegangen Gen. 6, 18. 1 Pet. 3, 20. 2 Pet.
2, 5. ein ieder nur ein einziges Weib gehabt.
Und in dieſer Ordnung iſt der Eheſtand auch
nach der Suͤndfluth fortgeſetzet, zum wenigſten
unter denen, welche auf GOtt ſahen, bis auf
Abraham; welcher denn auf eine ziemlich un-
ſchuldige Weiſe zu ſeiner digamia, oder Ehe mit
zweyen Weibern, gekommen. Denn da er die
ſo
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/247>, abgerufen am 24.11.2024.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.