Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 9, 16-17. an die Römer. [Spaltenumbruch]
sind also der Gerechtigkeit, die vor GOttgilt, nicht unterthan. Hingegen wird das aus der Gnade zu empfangende wollen, und das zur Heils-Ordnung in den Wegen GOttes gehörige laufen c. 6. c. 8. auch c. 12. und in folgenden erfodert. Welches auch, wie be- kannt ist, anderwärtig geschiehet; so gar, daß unser Heyland es dagegen an dem Jüdischen Volcke sehr bestrafet, daß, da er sie berufen und versammlen wollen, wie eine Gluckhenne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammlet, sie nicht gewolt haben Matth. 23, 37. Und Paulus von den Corinthiis fodert, daß sie nebst ihm in den geistlichen Schrancken nach dem himmlischen Kleinod laufen solten, aber nicht aufs ungewisse etc. 1 Cor. 9, 24. seqq. Gleich- wie er an den Galatis es lobet, daß sie ehemal so fein gelaufen, aber dabey bedauret, daß sie sich davon aufhalten lassen. c. 5, 7. 2. Da nun das wollen und laufen al- V. 17. Denn die Schrift (GOtt in der Schrift Anmerckungen. 1. Der Zusammenhang dieses Verses mit dem vorhergehenden ist dieser: Es hatte der Apostel, wie gedacht, aus dem v. 15. ange- führten Ausspruche GOttes von seiner Gnade, v. 16. den Schluß gezogen von der Nothwendig- keit der Gnade. Da nun dieser an sich selbst wider einen Satz in sich hielte von der so gar nothwendigen Gnade, so erläutert er den- selben ab opposito, oder a contrario eventu, von dem der Seligkeit gantz entgegen stehenden Erfolg der aus gerechtem Haß und Gerichte GOttes den beharrlichen Sündern entzogenen Gnade: wie daß sie nemlich, wofern sie die- selbe nicht annehmen, sich selbst daher verstock- ten und verdammet würden. Daß also die Verbindung beyder Verse diese ist: Satz: Es kömmt allein auf GOttes Gnade und Er- barmung an v. 16. Ratio, oder Erläute- rung: Denn da Pharao die Gnade nicht an- genommen, sondern von sich gestossen, ist er dadurch verstocket worden, und verlohren ge- gangen. Worinnen denn die Thesis lieget: Wer die Gnade nicht annimmt, der ge- het verlohren, wie Pharao. Und also ist auch zugleich der obige Satz, daß GOtt nicht ungerecht sey, noch ungerecht handele, nem- [Spaltenumbruch] lich wenn er auch iemanden im Ernst hasse, nem- lich einen beharrlich unbußfertigen und Veräch- ter seiner Gnade. 2. Es ist aber wohl zu mercken, daß Pau- lus, um die Wege und Handelungen GOttes mit den Menschen von dem Verdacht der Un- gerechtigkeit zu retten, sich zweyer Schrift- Stellen bedienet aus einem Buche des alten Testaments, nemlich solcher Stellen aus dem andern Buche Mosis, welche fast auf einerley Zeiten in dem Zusammenhange von einerley Ge- schichten gehen. Denn da er v. 15. den Ort von der gegen die bußfertigen Jsraeliten be- zeugeten Gnade GOttes angeführet hatte, so gehet er ein wenig wieder zurück auf das, was kurtz vorher mit dem unbußfertigen, und Sünde mit Sünde zu seinem Gerichte häuffen- den Pharao vorgegangen war: und also gibt er damit nicht undeutlich zu verstehen, wie es den halsstarrigen Juden seiner Zeit, als frechen Verächtern der göttlichen Gnade, ergehen wür- de, woferne sie nicht nach, dem Exempel der al- ten Jsraeliten, aus der angebotenen Gnaden- Kraft wolten in sich gehen, und sich nach dem Meßia, als dem rechten Führer nach dem himm- lischen Canaan umsehen. 3. Das Wort exegeira ich habe erwe- cket, hat man nach dem Hebraismo zu erklä- ren, daß erwecken, aufrichten, so viel heißt als das, was schon im Stande oder stehen ist, darinn erhalten und nicht über einen Haufen werfen: gleichwie vivificare, lebendig ma- chen, bey den Hebräern oft so viel bedeutet, als beym Leben erhalten: nach der aus die- sem Hebraismo entstandenen hermeneutischen Regel: Verba actus, tanquam rei inchoatae, de eius continuatione intelligenda sunt. Daß al- so der Verstand dieser ist: Jch hätte dich zwar schon vorlängst in deinen überhäuften Sünden können durch den zeitlichen Tod zum ewigen las- sen hingeraffet werden: allein ich habe es nicht gethan, sondern aus grosser Langmuth dich bis- her stehen lassen, wie du stehest. 4. Daß das Wort exegeira, ich habe erwecket, alhie also verstanden werden müsse, das zeiget, ausser der Sache selbst, der Hebräi- sche Text gantz deutlich an. Denn darinnen stehet das Wort: [fremdsprachliches Material - fehlt], welches heißt: ich habe dich stehen lassen, oder im Stande erhalten: wie es die Reformirten Ausleger, die doch sonst in dieser Materie ohne allen Grund ein decretum absolutum suchen, selbst überse- tzen. Man sehe den Io. Peiscatorem: der es giebt: Feci, ut subsisteres: und Iunium mit dem Tremellio, die es übersetzen: Feci ut restares. So haben es auch die LXX Interpretes überse- tzet: dieterethes, und zwar nach etlichen exem- plarien mit dem Zusatz: Eos tou nun. Und al- so ist suscitavi te so viel als te jam suscitatum ser- vavi. Es ist demnach nicht daran zu dencken, daß GOtt den Pharaonem nur zu einem object seiner Straf-Gerechtigkeit, und also auch zur ewigen Verdamniß habe lassen gebohren wer- den. Hingegen ist der wahre Verstand, wie zum Theil schon angezeiget ist, dieser: Jch hät- te dich, so vieler übermachten Sünden wegen, da Q
Cap. 9, 16-17. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
ſind alſo der Gerechtigkeit, die vor GOttgilt, nicht unterthan. Hingegen wird das aus der Gnade zu empfangende wollen, und das zur Heils-Ordnung in den Wegen GOttes gehoͤrige laufen c. 6. c. 8. auch c. 12. und in folgenden erfodert. Welches auch, wie be- kannt iſt, anderwaͤrtig geſchiehet; ſo gar, daß unſer Heyland es dagegen an dem Juͤdiſchen Volcke ſehr beſtrafet, daß, da er ſie berufen und verſammlen wollen, wie eine Gluckhenne ihre Kuͤchlein unter ihre Fluͤgel verſammlet, ſie nicht gewolt haben Matth. 23, 37. Und Paulus von den Corinthiis fodert, daß ſie nebſt ihm in den geiſtlichen Schrancken nach dem himmliſchen Kleinod laufen ſolten, aber nicht aufs ungewiſſe ꝛc. 1 Cor. 9, 24. ſeqq. Gleich- wie er an den Galatis es lobet, daß ſie ehemal ſo fein gelaufen, aber dabey bedauret, daß ſie ſich davon aufhalten laſſen. c. 5, 7. 2. Da nun das wollen und laufen al- V. 17. Denn die Schrift (GOtt in der Schrift Anmerckungen. 1. Der Zuſammenhang dieſes Verſes mit dem vorhergehenden iſt dieſer: Es hatte der Apoſtel, wie gedacht, aus dem v. 15. ange- fuͤhrten Ausſpruche GOttes von ſeiner Gnade, v. 16. den Schluß gezogen von der Nothwendig- keit der Gnade. Da nun dieſer an ſich ſelbſt wider einen Satz in ſich hielte von der ſo gar nothwendigen Gnade, ſo erlaͤutert er den- ſelben ab oppoſito, oder a contrario eventu, von dem der Seligkeit gantz entgegen ſtehenden Erfolg der aus gerechtem Haß und Gerichte GOttes den beharrlichen Suͤndern entzogenen Gnade: wie daß ſie nemlich, wofern ſie die- ſelbe nicht annehmen, ſich ſelbſt daher verſtock- ten und verdammet wuͤrden. Daß alſo die Verbindung beyder Verſe dieſe iſt: Satz: Es koͤmmt allein auf GOttes Gnade und Er- barmung an v. 16. Ratio, oder Erlaͤute- rung: Denn da Pharao die Gnade nicht an- genommen, ſondern von ſich geſtoſſen, iſt er dadurch verſtocket worden, und verlohren ge- gangen. Worinnen denn die Theſis lieget: Wer die Gnade nicht annimmt, der ge- het verlohren, wie Pharao. Und alſo iſt auch zugleich der obige Satz, daß GOtt nicht ungerecht ſey, noch ungerecht handele, nem- [Spaltenumbruch] lich wenn er auch iemanden im Ernſt haſſe, nem- lich einen beharrlich unbußfertigen und Veraͤch- ter ſeiner Gnade. 2. Es iſt aber wohl zu mercken, daß Pau- lus, um die Wege und Handelungen GOttes mit den Menſchen von dem Verdacht der Un- gerechtigkeit zu retten, ſich zweyer Schrift- Stellen bedienet aus einem Buche des alten Teſtaments, nemlich ſolcher Stellen aus dem andern Buche Moſis, welche faſt auf einerley Zeiten in dem Zuſammenhange von einerley Ge- ſchichten gehen. Denn da er v. 15. den Ort von der gegen die bußfertigen Jſraeliten be- zeugeten Gnade GOttes angefuͤhret hatte, ſo gehet er ein wenig wieder zuruͤck auf das, was kurtz vorher mit dem unbußfertigen, und Suͤnde mit Suͤnde zu ſeinem Gerichte haͤuffen- den Pharao vorgegangen war: und alſo gibt er damit nicht undeutlich zu verſtehen, wie es den halsſtarrigen Juden ſeiner Zeit, als frechen Veraͤchtern der goͤttlichen Gnade, ergehen wuͤr- de, woferne ſie nicht nach, dem Exempel der al- ten Jſraeliten, aus der angebotenen Gnaden- Kraft wolten in ſich gehen, und ſich nach dem Meßia, als dem rechten Fuͤhrer nach dem himm- liſchen Canaan umſehen. 3. Das Wort ἐξήγειρα ich habe erwe- cket, hat man nach dem Hebraiſmo zu erklaͤ- ren, daß erwecken, aufrichten, ſo viel heißt als das, was ſchon im Stande oder ſtehen iſt, darinn erhalten und nicht uͤber einen Haufen werfen: gleichwie vivificare, lebendig ma- chen, bey den Hebraͤern oft ſo viel bedeutet, als beym Leben erhalten: nach der aus die- ſem Hebraiſmo entſtandenen hermeneutiſchen Regel: Verba actus, tanquam rei inchoatæ, de eius continuatione intelligenda ſunt. Daß al- ſo der Verſtand dieſer iſt: Jch haͤtte dich zwar ſchon vorlaͤngſt in deinen uͤberhaͤuften Suͤnden koͤnnen durch den zeitlichen Tod zum ewigen laſ- ſen hingeraffet werden: allein ich habe es nicht gethan, ſondern aus groſſer Langmuth dich bis- her ſtehen laſſen, wie du ſteheſt. 4. Daß das Wort ἐξήγειρα, ich habe erwecket, alhie alſo verſtanden werden muͤſſe, das zeiget, auſſer der Sache ſelbſt, der Hebraͤi- ſche Text gantz deutlich an. Denn darinnen ſtehet das Wort: [fremdsprachliches Material – fehlt], welches heißt: ich habe dich ſtehen laſſen, oder im Stande erhalten: wie es die Reformirten Ausleger, die doch ſonſt in dieſer Materie ohne allen Grund ein decretum abſolutum ſuchen, ſelbſt uͤberſe- tzen. Man ſehe den Io. Pîſcatorem: der es giebt: Feci, ut ſubſiſteres: und Iunium mit dem Tremellio, die es uͤberſetzen: Feci ut reſtares. So haben es auch die LXX Interpretes uͤberſe- tzet: διετηρήϑης, und zwar nach etlichen exem- plarien mit dem Zuſatz: Ἕως τοῦ νῦν. Und al- ſo iſt ſuſcitavi te ſo viel als te jam ſuſcitatum ſer- vavi. Es iſt demnach nicht daran zu dencken, daß GOtt den Pharaonem nur zu einem object ſeiner Straf-Gerechtigkeit, und alſo auch zur ewigen Verdamniß habe laſſen gebohren wer- den. Hingegen iſt der wahre Verſtand, wie zum Theil ſchon angezeiget iſt, dieſer: Jch haͤt- te dich, ſo vieler uͤbermachten Suͤnden wegen, da Q
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Cap. 9, 16-17. an die Roͤmer.
ſind alſo der Gerechtigkeit, die vor GOtt
gilt, nicht unterthan. Hingegen wird das
aus der Gnade zu empfangende wollen, und
das zur Heils-Ordnung in den Wegen GOttes
gehoͤrige laufen c. 6. c. 8. auch c. 12. und in
folgenden erfodert. Welches auch, wie be-
kannt iſt, anderwaͤrtig geſchiehet; ſo gar, daß
unſer Heyland es dagegen an dem Juͤdiſchen
Volcke ſehr beſtrafet, daß, da er ſie berufen
und verſammlen wollen, wie eine Gluckhenne
ihre Kuͤchlein unter ihre Fluͤgel verſammlet, ſie
nicht gewolt haben Matth. 23, 37. Und
Paulus von den Corinthiis fodert, daß ſie nebſt
ihm in den geiſtlichen Schrancken nach dem
himmliſchen Kleinod laufen ſolten, aber nicht
aufs ungewiſſe ꝛc. 1 Cor. 9, 24. ſeqq. Gleich-
wie er an den Galatis es lobet, daß ſie ehemal
ſo fein gelaufen, aber dabey bedauret, daß
ſie ſich davon aufhalten laſſen. c. 5, 7.
2. Da nun das wollen und laufen al-
ſo alhie zu verſtehen iſt: ſo ſehen wir die richti-
ge Connexion zwiſchen dem 15ten und 16ten
Vers: nemlich da im 15ten geſaget war, wie
veſte die goͤttliche Heils-Ordnung von der Gna-
de in Chriſto ſtehe; ſo wird daraus der Schluß
gezogen von unſerm eigenwilligen und verdienſt-
lichen wollen und laufen, und von der Erbar-
mung GOttes, wie jenes vergeblich, dieſes aber
nothwendig ſey.
V. 17.
Denn die Schrift (GOtt in der Schrift
2 B. Moſ. 9, 16. bezeuget, wie er ehemals zu
dem Pharao durch Moſen geredet) ſaget zu
Pharao: Eben darum habe ich dich erwe-
cket, daß ich an dir meine Macht erzeige,
auf daß mein Name verkuͤndiget werde in
allen Landen.
Anmerckungen.
1. Der Zuſammenhang dieſes Verſes mit
dem vorhergehenden iſt dieſer: Es hatte der
Apoſtel, wie gedacht, aus dem v. 15. ange-
fuͤhrten Ausſpruche GOttes von ſeiner Gnade,
v. 16. den Schluß gezogen von der Nothwendig-
keit der Gnade. Da nun dieſer an ſich ſelbſt
wider einen Satz in ſich hielte von der ſo gar
nothwendigen Gnade, ſo erlaͤutert er den-
ſelben ab oppoſito, oder a contrario eventu,
von dem der Seligkeit gantz entgegen ſtehenden
Erfolg der aus gerechtem Haß und Gerichte
GOttes den beharrlichen Suͤndern entzogenen
Gnade: wie daß ſie nemlich, wofern ſie die-
ſelbe nicht annehmen, ſich ſelbſt daher verſtock-
ten und verdammet wuͤrden. Daß alſo die
Verbindung beyder Verſe dieſe iſt: Satz:
Es koͤmmt allein auf GOttes Gnade und Er-
barmung an v. 16. Ratio, oder Erlaͤute-
rung: Denn da Pharao die Gnade nicht an-
genommen, ſondern von ſich geſtoſſen, iſt er
dadurch verſtocket worden, und verlohren ge-
gangen. Worinnen denn die Theſis lieget:
Wer die Gnade nicht annimmt, der ge-
het verlohren, wie Pharao. Und alſo iſt
auch zugleich der obige Satz, daß GOtt nicht
ungerecht ſey, noch ungerecht handele, nem-
lich wenn er auch iemanden im Ernſt haſſe, nem-
lich einen beharrlich unbußfertigen und Veraͤch-
ter ſeiner Gnade.
2. Es iſt aber wohl zu mercken, daß Pau-
lus, um die Wege und Handelungen GOttes
mit den Menſchen von dem Verdacht der Un-
gerechtigkeit zu retten, ſich zweyer Schrift-
Stellen bedienet aus einem Buche des alten
Teſtaments, nemlich ſolcher Stellen aus dem
andern Buche Moſis, welche faſt auf einerley
Zeiten in dem Zuſammenhange von einerley Ge-
ſchichten gehen. Denn da er v. 15. den Ort
von der gegen die bußfertigen Jſraeliten be-
zeugeten Gnade GOttes angefuͤhret hatte, ſo
gehet er ein wenig wieder zuruͤck auf das, was
kurtz vorher mit dem unbußfertigen, und
Suͤnde mit Suͤnde zu ſeinem Gerichte haͤuffen-
den Pharao vorgegangen war: und alſo gibt
er damit nicht undeutlich zu verſtehen, wie es
den halsſtarrigen Juden ſeiner Zeit, als frechen
Veraͤchtern der goͤttlichen Gnade, ergehen wuͤr-
de, woferne ſie nicht nach, dem Exempel der al-
ten Jſraeliten, aus der angebotenen Gnaden-
Kraft wolten in ſich gehen, und ſich nach dem
Meßia, als dem rechten Fuͤhrer nach dem himm-
liſchen Canaan umſehen.
3. Das Wort ἐξήγειρα ich habe erwe-
cket, hat man nach dem Hebraiſmo zu erklaͤ-
ren, daß erwecken, aufrichten, ſo viel heißt
als das, was ſchon im Stande oder ſtehen iſt,
darinn erhalten und nicht uͤber einen Haufen
werfen: gleichwie vivificare, lebendig ma-
chen, bey den Hebraͤern oft ſo viel bedeutet,
als beym Leben erhalten: nach der aus die-
ſem Hebraiſmo entſtandenen hermeneutiſchen
Regel: Verba actus, tanquam rei inchoatæ, de
eius continuatione intelligenda ſunt. Daß al-
ſo der Verſtand dieſer iſt: Jch haͤtte dich zwar
ſchon vorlaͤngſt in deinen uͤberhaͤuften Suͤnden
koͤnnen durch den zeitlichen Tod zum ewigen laſ-
ſen hingeraffet werden: allein ich habe es nicht
gethan, ſondern aus groſſer Langmuth dich bis-
her ſtehen laſſen, wie du ſteheſt.
4. Daß das Wort ἐξήγειρα, ich habe
erwecket, alhie alſo verſtanden werden muͤſſe,
das zeiget, auſſer der Sache ſelbſt, der Hebraͤi-
ſche Text gantz deutlich an. Denn darinnen
ſtehet das Wort: _ , welches heißt:
ich habe dich ſtehen laſſen, oder im Stande
erhalten: wie es die Reformirten Ausleger, die
doch ſonſt in dieſer Materie ohne allen Grund
ein decretum abſolutum ſuchen, ſelbſt uͤberſe-
tzen. Man ſehe den Io. Pîſcatorem: der es
giebt: Feci, ut ſubſiſteres: und Iunium mit dem
Tremellio, die es uͤberſetzen: Feci ut reſtares.
So haben es auch die LXX Interpretes uͤberſe-
tzet: διετηρήϑης, und zwar nach etlichen exem-
plarien mit dem Zuſatz: Ἕως τοῦ νῦν. Und al-
ſo iſt ſuſcitavi te ſo viel als te jam ſuſcitatum ſer-
vavi. Es iſt demnach nicht daran zu dencken,
daß GOtt den Pharaonem nur zu einem object
ſeiner Straf-Gerechtigkeit, und alſo auch zur
ewigen Verdamniß habe laſſen gebohren wer-
den. Hingegen iſt der wahre Verſtand, wie
zum Theil ſchon angezeiget iſt, dieſer: Jch haͤt-
te dich, ſo vieler uͤbermachten Suͤnden wegen,
da
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