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Lange, Helene: Die Frauen und das politische Leben. Berlin, 1909.

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Volke, so argumentiert er, es eines Mannes für unwürdig, sich
weiblicher Leitung zu unterstellen. Man mißachtet denjenigen,
der sich dazu versteht. Frauen mögen für ihre Berufsarbeit noch
so qualifiziert sein, sie mögen einen Mann an persönlicher und
sachlicher Tüchtigkeit noch so sehr übertreffen, es ist dennoch eine
Herabwürdigung für einen Mann, unter ihrer Leitung zu
arbeiten. Sie gelten ein für allemal als Menschen zweiter
Klasse. Sie würden nur dann nicht dafür gelten, und ein
Mann könnte sich nur dann dazu verstehen, sich ohne Furcht
für sein Ansehen ihrer Leitung zu unterstellen - so führt der
Aufruf des Oberlehrerverbandes aus -, wenn der Staat sich
entschließt, ihnen prinzipiell in Gesetzgebung und Verwaltung
die gleichen Rechte wie den Männern zu gewähren. Solange
das nicht geschieht, ist die allgemeine bürgerliche Autorität einer
Frau nicht groß genug, als daß sie in irgendeinem Zweige des
öffentlichen Dienstes Vorgesetzte eines Mannes werden könnte.
Wenn auch der Philologenverband diese Argumentation sicherlich
der Regierung nicht in der Absicht unterbreitet hat, damit die
politische Gleichberechtigung der Frauen zu fördern, wenn er
auch vielmehr mit diesen Ausführungen der Öffentlichkeit die
Absurdität einer weiblichen Direktorin an ihren Konsequenzen
für andere Gebiete des öffentlichen Lebens recht begreiflich
machen wollte, so können doch wir Frauen aus dieser Argumen-
tation unsere Schlüsse ziehen. Sie verstärken sich aus dem Echo,
das dieser Aufruf in gewissen Volkskreisen immer noch findet.
Hat doch jüngst eine Magistratsdeputation in einer halb länd-
lichen Gemeinde in der Nähe von Berlin statt einer warm
empfohlenen Direktorin sich einen Direktor gewählt, weil das
doch "reputierlicher" sei.

Alle diese Tatsachen müssen den Frauen, die Ursachen und
Folgen zu verknüpfen verstehen, die Augen darüber öffnen, daß
sie in der Tat als Berufsarbeiterinnen nicht alle Rechte haben,
deren sie bedürfen, daß die unwägbare Macht, die für alle
Lebens- und Jnteressengebiete das politische Wahlrecht verleiht,
auch ihnen erst die Möglichkeit einer nachdrücklichen und wirk-
samen Vertretung ihrer Berufsinteressen geben würde. Ohne

Volke, so argumentiert er, es eines Mannes für unwürdig, sich
weiblicher Leitung zu unterstellen. Man mißachtet denjenigen,
der sich dazu versteht. Frauen mögen für ihre Berufsarbeit noch
so qualifiziert sein, sie mögen einen Mann an persönlicher und
sachlicher Tüchtigkeit noch so sehr übertreffen, es ist dennoch eine
Herabwürdigung für einen Mann, unter ihrer Leitung zu
arbeiten. Sie gelten ein für allemal als Menschen zweiter
Klasse. Sie würden nur dann nicht dafür gelten, und ein
Mann könnte sich nur dann dazu verstehen, sich ohne Furcht
für sein Ansehen ihrer Leitung zu unterstellen – so führt der
Aufruf des Oberlehrerverbandes aus –, wenn der Staat sich
entschließt, ihnen prinzipiell in Gesetzgebung und Verwaltung
die gleichen Rechte wie den Männern zu gewähren. Solange
das nicht geschieht, ist die allgemeine bürgerliche Autorität einer
Frau nicht groß genug, als daß sie in irgendeinem Zweige des
öffentlichen Dienstes Vorgesetzte eines Mannes werden könnte.
Wenn auch der Philologenverband diese Argumentation sicherlich
der Regierung nicht in der Absicht unterbreitet hat, damit die
politische Gleichberechtigung der Frauen zu fördern, wenn er
auch vielmehr mit diesen Ausführungen der Öffentlichkeit die
Absurdität einer weiblichen Direktorin an ihren Konsequenzen
für andere Gebiete des öffentlichen Lebens recht begreiflich
machen wollte, so können doch wir Frauen aus dieser Argumen-
tation unsere Schlüsse ziehen. Sie verstärken sich aus dem Echo,
das dieser Aufruf in gewissen Volkskreisen immer noch findet.
Hat doch jüngst eine Magistratsdeputation in einer halb länd-
lichen Gemeinde in der Nähe von Berlin statt einer warm
empfohlenen Direktorin sich einen Direktor gewählt, weil das
doch „reputierlicher“ sei.

Alle diese Tatsachen müssen den Frauen, die Ursachen und
Folgen zu verknüpfen verstehen, die Augen darüber öffnen, daß
sie in der Tat als Berufsarbeiterinnen nicht alle Rechte haben,
deren sie bedürfen, daß die unwägbare Macht, die für alle
Lebens- und Jnteressengebiete das politische Wahlrecht verleiht,
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[11/0017] Volke, so argumentiert er, es eines Mannes für unwürdig, sich weiblicher Leitung zu unterstellen. Man mißachtet denjenigen, der sich dazu versteht. Frauen mögen für ihre Berufsarbeit noch so qualifiziert sein, sie mögen einen Mann an persönlicher und sachlicher Tüchtigkeit noch so sehr übertreffen, es ist dennoch eine Herabwürdigung für einen Mann, unter ihrer Leitung zu arbeiten. Sie gelten ein für allemal als Menschen zweiter Klasse. Sie würden nur dann nicht dafür gelten, und ein Mann könnte sich nur dann dazu verstehen, sich ohne Furcht für sein Ansehen ihrer Leitung zu unterstellen – so führt der Aufruf des Oberlehrerverbandes aus –, wenn der Staat sich entschließt, ihnen prinzipiell in Gesetzgebung und Verwaltung die gleichen Rechte wie den Männern zu gewähren. Solange das nicht geschieht, ist die allgemeine bürgerliche Autorität einer Frau nicht groß genug, als daß sie in irgendeinem Zweige des öffentlichen Dienstes Vorgesetzte eines Mannes werden könnte. Wenn auch der Philologenverband diese Argumentation sicherlich der Regierung nicht in der Absicht unterbreitet hat, damit die politische Gleichberechtigung der Frauen zu fördern, wenn er auch vielmehr mit diesen Ausführungen der Öffentlichkeit die Absurdität einer weiblichen Direktorin an ihren Konsequenzen für andere Gebiete des öffentlichen Lebens recht begreiflich machen wollte, so können doch wir Frauen aus dieser Argumen- tation unsere Schlüsse ziehen. Sie verstärken sich aus dem Echo, das dieser Aufruf in gewissen Volkskreisen immer noch findet. Hat doch jüngst eine Magistratsdeputation in einer halb länd- lichen Gemeinde in der Nähe von Berlin statt einer warm empfohlenen Direktorin sich einen Direktor gewählt, weil das doch „reputierlicher“ sei. Alle diese Tatsachen müssen den Frauen, die Ursachen und Folgen zu verknüpfen verstehen, die Augen darüber öffnen, daß sie in der Tat als Berufsarbeiterinnen nicht alle Rechte haben, deren sie bedürfen, daß die unwägbare Macht, die für alle Lebens- und Jnteressengebiete das politische Wahlrecht verleiht, auch ihnen erst die Möglichkeit einer nachdrücklichen und wirk- samen Vertretung ihrer Berufsinteressen geben würde. Ohne  

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-03-24T10:53:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-03-24T10:53:44Z)

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die Frauen und das politische Leben. Berlin, 1909, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_frauen_1909/17>, abgerufen am 27.11.2024.