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Lange, Helene: Das Endziel der Frauenbewegung. Berlin, 1904.

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und ihrem ganzen Wesen nach darauf hinaus, das Verhältnis der
Geschlechter durch die Betonung der geistigen Persönlichkeit der
Frau neuen sittlichen Anschauungen zu unterwerfen, so muß sie auf
dieses Gebiet schließlich ihren schärfsten Nachdruck legen, wie sie hier
dem schärfsten Widerstand begegnen muß. Es ist eine Lebensfrage
für sie, ob hier an Stelle der Rücksicht auf die Gesamtheit ein
individuelles Sichausleben eingesetzt wird, ob man hier über dem
zum modernen Schlagwort gewordenen "Schrei nach dem Kinde"
das Kind selbst und seine Entwicklungsmöglichkeiten vergißt. Und
eben darum muß die Frauenbewegung auch innerhalb ihrer eigenen
Reihen den Kampf aufnehmen gegen alle, die das Vorrecht des
Jnstinkts, das sie beim Manne bekämpft, bei der Frau wieder pro-
klamieren wollen.

So wogt der Kampf hin und her, auf den verschiedensten Ge-
bieten, so drängt die Bewegung vorwärts, nicht immer den inneren
Gesetzen ihres Fortschrittes folgend, nicht immer die Sterne im Auge,
die ihr die Richtung geben müssen, auch darin keine Ausnahme von
den allgemeinen menschlichen Gesetzen. Auch von diesem Kampf gilt
das Wort des Dichters:

Wer in der Sonne kämpft, ein Sohn der Erde,
Und feurig geißelt das Gespann der Pferde,
Wer brünstig ringt nach eines Zieles Ferne,
Von Staub umwölkt - wie glaubte der die Sterne?

Doch, so heißt es weiter:

Doch das Gespann erlahmt, die Pfade dunkeln,
Die ew'gen Lichter fangen an zu funkeln.
Die heiligen Gesetze werden sichtbar,
Das Kampfgeschrei verstummt - der Tag ist richtbar.

Die Zeit ist nicht fern, da auch unser Tag richtbar sein wird.
Schon sehen auch wir durch das Staubgewölk die ewigen Lichter
funkeln. Und schon ist es uns möglich, die Formel zu finden, in
der das in der Frauenfrage gestellte Problem sich lösen wird.



Man hat wohl gemeint, diese Lösung sei mit dem Tage gegeben,
der die volle Rechtsgleichheit der Geschlechter bringt. Jch kann in
dieser Rechtsgleichheit nichts weiter erblicken als eine - und nicht

und ihrem ganzen Wesen nach darauf hinaus, das Verhältnis der
Geschlechter durch die Betonung der geistigen Persönlichkeit der
Frau neuen sittlichen Anschauungen zu unterwerfen, so muß sie auf
dieses Gebiet schließlich ihren schärfsten Nachdruck legen, wie sie hier
dem schärfsten Widerstand begegnen muß. Es ist eine Lebensfrage
für sie, ob hier an Stelle der Rücksicht auf die Gesamtheit ein
individuelles Sichausleben eingesetzt wird, ob man hier über dem
zum modernen Schlagwort gewordenen „Schrei nach dem Kinde“
das Kind selbst und seine Entwicklungsmöglichkeiten vergißt. Und
eben darum muß die Frauenbewegung auch innerhalb ihrer eigenen
Reihen den Kampf aufnehmen gegen alle, die das Vorrecht des
Jnstinkts, das sie beim Manne bekämpft, bei der Frau wieder pro-
klamieren wollen.

So wogt der Kampf hin und her, auf den verschiedensten Ge-
bieten, so drängt die Bewegung vorwärts, nicht immer den inneren
Gesetzen ihres Fortschrittes folgend, nicht immer die Sterne im Auge,
die ihr die Richtung geben müssen, auch darin keine Ausnahme von
den allgemeinen menschlichen Gesetzen. Auch von diesem Kampf gilt
das Wort des Dichters:

Wer in der Sonne kämpft, ein Sohn der Erde,
Und feurig geißelt das Gespann der Pferde,
Wer brünstig ringt nach eines Zieles Ferne,
Von Staub umwölkt – wie glaubte der die Sterne?

Doch, so heißt es weiter:

Doch das Gespann erlahmt, die Pfade dunkeln,
Die ew'gen Lichter fangen an zu funkeln.
Die heiligen Gesetze werden sichtbar,
Das Kampfgeschrei verstummt – der Tag ist richtbar.

Die Zeit ist nicht fern, da auch unser Tag richtbar sein wird.
Schon sehen auch wir durch das Staubgewölk die ewigen Lichter
funkeln. Und schon ist es uns möglich, die Formel zu finden, in
der das in der Frauenfrage gestellte Problem sich lösen wird.



Man hat wohl gemeint, diese Lösung sei mit dem Tage gegeben,
der die volle Rechtsgleichheit der Geschlechter bringt. Jch kann in
dieser Rechtsgleichheit nichts weiter erblicken als eine – und nicht

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[12/0012] und ihrem ganzen Wesen nach darauf hinaus, das Verhältnis der Geschlechter durch die Betonung der geistigen Persönlichkeit der Frau neuen sittlichen Anschauungen zu unterwerfen, so muß sie auf dieses Gebiet schließlich ihren schärfsten Nachdruck legen, wie sie hier dem schärfsten Widerstand begegnen muß. Es ist eine Lebensfrage für sie, ob hier an Stelle der Rücksicht auf die Gesamtheit ein individuelles Sichausleben eingesetzt wird, ob man hier über dem zum modernen Schlagwort gewordenen „Schrei nach dem Kinde“ das Kind selbst und seine Entwicklungsmöglichkeiten vergißt. Und eben darum muß die Frauenbewegung auch innerhalb ihrer eigenen Reihen den Kampf aufnehmen gegen alle, die das Vorrecht des Jnstinkts, das sie beim Manne bekämpft, bei der Frau wieder pro- klamieren wollen. So wogt der Kampf hin und her, auf den verschiedensten Ge- bieten, so drängt die Bewegung vorwärts, nicht immer den inneren Gesetzen ihres Fortschrittes folgend, nicht immer die Sterne im Auge, die ihr die Richtung geben müssen, auch darin keine Ausnahme von den allgemeinen menschlichen Gesetzen. Auch von diesem Kampf gilt das Wort des Dichters: Wer in der Sonne kämpft, ein Sohn der Erde, Und feurig geißelt das Gespann der Pferde, Wer brünstig ringt nach eines Zieles Ferne, Von Staub umwölkt – wie glaubte der die Sterne? Doch, so heißt es weiter: Doch das Gespann erlahmt, die Pfade dunkeln, Die ew'gen Lichter fangen an zu funkeln. Die heiligen Gesetze werden sichtbar, Das Kampfgeschrei verstummt – der Tag ist richtbar. Die Zeit ist nicht fern, da auch unser Tag richtbar sein wird. Schon sehen auch wir durch das Staubgewölk die ewigen Lichter funkeln. Und schon ist es uns möglich, die Formel zu finden, in der das in der Frauenfrage gestellte Problem sich lösen wird. Man hat wohl gemeint, diese Lösung sei mit dem Tage gegeben, der die volle Rechtsgleichheit der Geschlechter bringt. Jch kann in dieser Rechtsgleichheit nichts weiter erblicken als eine – und nicht

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-11-05T13:58:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Lange, Helene: Das Endziel der Frauenbewegung. Berlin, 1904, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_endziel_1904/12>, abgerufen am 25.11.2024.