Die Zeitwörter, wodurch ein Thun oder Leiden ange- zeigt wird, gehen den übrigen Gattungen von Wörtern aus verschiedenen Gründen vor. Sie lassen sich nicht nur für sich gedenken, sondern sind auch zum Verstand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher in den Sprachlehren die Regel, daß eine Redensart oderPhrasiswenigstens ein Zeitwort haben müsse, und daher scheinen sie im Lateinischen gleichsam vor andern auch Verba oder schlechthin Wörter, ge- nennt worden zu seyn. Die Aufgaben, auf ihre ein- fachste Form gebracht, fordern sie ebenfalls, (Dianoiol. §. 152.) und überhaupt haben die Handlungen das nächste Recht, zuerst benennt zu werden (§. 118.).
§. 146. Dieses ist nun in den wirklichen Sprachen auf eine sehr metaphysische Art geschehen, weil man, nebst dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von Bestimmungen derselben mit einem Worte ausdrückt. Man unterscheidet das Thun von dem Leiden durch die thätige und leidende Gattung, (genus actiuum et passiuum); die vergangene, gegenwärtige und künftige Zeit der Handlung, durch die Tempora oder Zeiten; die Anzeige, das Gebieten, das Verbin- den und das Unbestimmte durch die Modos: Indi- catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus und Insinitiuus; die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden- den, und endlich auch den Unterschied der Personen, durch die Wörter: ich, du, er; wir, ihr, sie, und dazu gewiedmeten Endungen. Die hebräische und grie-
chische
IV. Hauptſtuͤck.
Viertes Hauptſtuͤck. Von den Zeitwoͤrtern.
§. 145.
Die Zeitwoͤrter, wodurch ein Thun oder Leiden ange- zeigt wird, gehen den uͤbrigen Gattungen von Woͤrtern aus verſchiedenen Gruͤnden vor. Sie laſſen ſich nicht nur fuͤr ſich gedenken, ſondern ſind auch zum Verſtand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher in den Sprachlehren die Regel, daß eine Redensart oderPhraſiswenigſtens ein Zeitwort haben muͤſſe, und daher ſcheinen ſie im Lateiniſchen gleichſam vor andern auch Verba oder ſchlechthin Woͤrter, ge- nennt worden zu ſeyn. Die Aufgaben, auf ihre ein- fachſte Form gebracht, fordern ſie ebenfalls, (Dianoiol. §. 152.) und uͤberhaupt haben die Handlungen das naͤchſte Recht, zuerſt benennt zu werden (§. 118.).
§. 146. Dieſes iſt nun in den wirklichen Sprachen auf eine ſehr metaphyſiſche Art geſchehen, weil man, nebſt dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von Beſtimmungen derſelben mit einem Worte ausdruͤckt. Man unterſcheidet das Thun von dem Leiden durch die thaͤtige und leidende Gattung, (genus actiuum et paſſiuum); die vergangene, gegenwaͤrtige und kuͤnftige Zeit der Handlung, durch die Tempora oder Zeiten; die Anzeige, das Gebieten, das Verbin- den und das Unbeſtimmte durch die Modos: Indi- catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus und Inſinitiuus; die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden- den, und endlich auch den Unterſchied der Perſonen, durch die Woͤrter: ich, du, er; wir, ihr, ſie, und dazu gewiedmeten Endungen. Die hebraͤiſche und grie-
chiſche
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IV. Hauptſtuͤck.
Viertes Hauptſtuͤck.
Von den Zeitwoͤrtern.
§. 145.
Die Zeitwoͤrter, wodurch ein Thun oder Leiden ange-
zeigt wird, gehen den uͤbrigen Gattungen von
Woͤrtern aus verſchiedenen Gruͤnden vor. Sie laſſen
ſich nicht nur fuͤr ſich gedenken, ſondern ſind auch zum
Verſtand einer Rede unentbehrlich. Man hat daher
in den Sprachlehren die Regel, daß eine Redensart
oder Phraſis wenigſtens ein Zeitwort haben
muͤſſe, und daher ſcheinen ſie im Lateiniſchen gleichſam
vor andern auch Verba oder ſchlechthin Woͤrter, ge-
nennt worden zu ſeyn. Die Aufgaben, auf ihre ein-
fachſte Form gebracht, fordern ſie ebenfalls, (Dianoiol.
§. 152.) und uͤberhaupt haben die Handlungen das
naͤchſte Recht, zuerſt benennt zu werden (§. 118.).
§. 146. Dieſes iſt nun in den wirklichen Sprachen
auf eine ſehr metaphyſiſche Art geſchehen, weil man,
nebſt dem Begriff der Handlung, noch eine Menge von
Beſtimmungen derſelben mit einem Worte ausdruͤckt.
Man unterſcheidet das Thun von dem Leiden durch
die thaͤtige und leidende Gattung, (genus actiuum
et paſſiuum); die vergangene, gegenwaͤrtige und
kuͤnftige Zeit der Handlung, durch die Tempora oder
Zeiten; die Anzeige, das Gebieten, das Verbin-
den und das Unbeſtimmte durch die Modos: Indi-
catiuus, Imperatiuus, Coniunctiuus und Inſinitiuus;
die einzele oder mehrere Zahl der Thuenden oder Leiden-
den, und endlich auch den Unterſchied der Perſonen,
durch die Woͤrter: ich, du, er; wir, ihr, ſie, und
dazu gewiedmeten Endungen. Die hebraͤiſche und grie-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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