Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von der Sprache als Zeichen betrachtet. heit der griechischen erreichen zu können. Sie hat be-stimmte und bedeutende Wörter, und sehr viele Mög- lichkeiten der Zusammensetzung und Ableitung. Sie leidet härtere Fügungen der Mitlauter, und ist zu Me- taphern biegsam. Jn dieser Absicht verdient die deut- sche Sprache eine besondere Theorie, worinn nämlich die Bedeutung jeder Art der Zusammensetzung und Ablei- tung der Wörter festgesetzt, die Grenzen ihrer Möglich- keit aus der Art der Sprache bestimmt, und die Um- stände und Redensarten, worinn ein neues Wort seinen bestimmten Verstand hat, und welche folglich statt der Definition dienen, angezeigt werden. Z. E. von dem Wort ächt, welches so viel als genuin, authentisch etc. bedeutet, kömmt: ächtbar, ächtig, ächtlich, ächt- sam, unächt, urächt, etc. Aechtheit, Aechtung, Aechtigung, Aechtigkeit, Aechtbarung, Aecht- barkeit, Aechting, Aechtniß, Aechtschaft, Aecht- thum, Aechter, Aechtiger etc. ächten, ächtigen, beächten, beächtigen, beächtbaren, veräch- ten etc. Aechtssache, Aechtsfrage, Aechtsbtief etc. nebst noch sehr vielen andern, die in besondern Fällen und Redensarten den ihnen eigenen Verstand und Nach- druck haben können. Der Unterschied in der Bedeu- tung jeder dieser Wörter gründet sich auf sehr allgemel- ne und metaphysische Verhältnißbegriffe, welche durch die dem Wort: ächt, zugesetzte Sylben angedeutet werden. Und diese sollen in vorerwähnter Theorie vor- kommen, von welcher die deutsche Sprache einen Reich- thum von bedeutenden, nachdrücklichen und genau be- stimmten Wörtern zu erwarten hat, weil die wenigsten Wörter durch alle Verwandlungen und Ableitungen, die sie theils ihrer Bildung, theils ihrer Bedeutung nach leiden, durchgeführt sind. §. 130. Man sieht ungefähr hieraus, daß in den tern
Von der Sprache als Zeichen betrachtet. heit der griechiſchen erreichen zu koͤnnen. Sie hat be-ſtimmte und bedeutende Woͤrter, und ſehr viele Moͤg- lichkeiten der Zuſammenſetzung und Ableitung. Sie leidet haͤrtere Fuͤgungen der Mitlauter, und iſt zu Me- taphern biegſam. Jn dieſer Abſicht verdient die deut- ſche Sprache eine beſondere Theorie, worinn naͤmlich die Bedeutung jeder Art der Zuſammenſetzung und Ablei- tung der Woͤrter feſtgeſetzt, die Grenzen ihrer Moͤglich- keit aus der Art der Sprache beſtimmt, und die Um- ſtaͤnde und Redensarten, worinn ein neues Wort ſeinen beſtimmten Verſtand hat, und welche folglich ſtatt der Definition dienen, angezeigt werden. Z. E. von dem Wort aͤcht, welches ſo viel als genuin, authentiſch ꝛc. bedeutet, koͤmmt: aͤchtbar, aͤchtig, aͤchtlich, aͤcht- ſam, unaͤcht, uraͤcht, ꝛc. Aechtheit, Aechtung, Aechtigung, Aechtigkeit, Aechtbarung, Aecht- barkeit, Aechting, Aechtniß, Aechtſchaft, Aecht- thum, Aechter, Aechtiger ꝛc. aͤchten, aͤchtigen, beaͤchten, beaͤchtigen, beaͤchtbaren, veraͤch- ten ꝛc. Aechtsſache, Aechtsfrage, Aechtsbtief ꝛc. nebſt noch ſehr vielen andern, die in beſondern Faͤllen und Redensarten den ihnen eigenen Verſtand und Nach- druck haben koͤnnen. Der Unterſchied in der Bedeu- tung jeder dieſer Woͤrter gruͤndet ſich auf ſehr allgemel- ne und metaphyſiſche Verhaͤltnißbegriffe, welche durch die dem Wort: aͤcht, zugeſetzte Sylben angedeutet werden. Und dieſe ſollen in vorerwaͤhnter Theorie vor- kommen, von welcher die deutſche Sprache einen Reich- thum von bedeutenden, nachdruͤcklichen und genau be- ſtimmten Woͤrtern zu erwarten hat, weil die wenigſten Woͤrter durch alle Verwandlungen und Ableitungen, die ſie theils ihrer Bildung, theils ihrer Bedeutung nach leiden, durchgefuͤhrt ſind. §. 130. Man ſieht ungefaͤhr hieraus, daß in den tern
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0083" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Sprache als Zeichen betrachtet.</hi></fw><lb/> heit der griechiſchen erreichen zu koͤnnen. Sie hat be-<lb/> ſtimmte und bedeutende Woͤrter, und ſehr viele Moͤg-<lb/> lichkeiten der Zuſammenſetzung und Ableitung. Sie<lb/> leidet haͤrtere Fuͤgungen der Mitlauter, und iſt zu Me-<lb/> taphern biegſam. Jn dieſer Abſicht verdient die deut-<lb/> ſche Sprache eine beſondere Theorie, worinn naͤmlich die<lb/> Bedeutung jeder Art der Zuſammenſetzung und Ablei-<lb/> tung der Woͤrter feſtgeſetzt, die Grenzen ihrer Moͤglich-<lb/> keit aus der Art der Sprache beſtimmt, und die Um-<lb/> ſtaͤnde und Redensarten, worinn ein neues Wort ſeinen<lb/> beſtimmten Verſtand hat, und welche folglich ſtatt der<lb/> Definition dienen, angezeigt werden. Z. E. von dem<lb/> Wort <hi rendition="#fr">aͤcht,</hi> welches ſo viel als genuin, authentiſch ꝛc.<lb/> bedeutet, koͤmmt: <hi rendition="#fr">aͤchtbar, aͤchtig, aͤchtlich, aͤcht-<lb/> ſam, unaͤcht, uraͤcht, ꝛc. Aechtheit, Aechtung,<lb/> Aechtigung, Aechtigkeit, Aechtbarung, Aecht-<lb/> barkeit, Aechting, Aechtniß, Aechtſchaft, Aecht-<lb/> thum, Aechter, Aechtiger ꝛc. aͤchten, aͤchtigen,<lb/> beaͤchten, beaͤchtigen, beaͤchtbaren, veraͤch-<lb/> ten ꝛc. Aechtsſache, Aechtsfrage, Aechtsbtief ꝛc.</hi><lb/> nebſt noch ſehr vielen andern, die in beſondern Faͤllen<lb/> und Redensarten den ihnen eigenen Verſtand und Nach-<lb/> druck haben koͤnnen. Der Unterſchied in der Bedeu-<lb/> tung jeder dieſer Woͤrter gruͤndet ſich auf ſehr allgemel-<lb/> ne und metaphyſiſche Verhaͤltnißbegriffe, welche durch<lb/> die dem Wort: <hi rendition="#fr">aͤcht,</hi> zugeſetzte Sylben angedeutet<lb/> werden. Und dieſe ſollen in vorerwaͤhnter Theorie vor-<lb/> kommen, von welcher die deutſche Sprache einen Reich-<lb/> thum von bedeutenden, nachdruͤcklichen und genau be-<lb/> ſtimmten Woͤrtern zu erwarten hat, weil die wenigſten<lb/> Woͤrter durch alle Verwandlungen und Ableitungen,<lb/> die ſie theils ihrer <hi rendition="#fr">Bildung,</hi> theils ihrer <hi rendition="#fr">Bedeutung</hi><lb/> nach leiden, durchgefuͤhrt ſind.</p><lb/> <p>§. 130. Man ſieht ungefaͤhr hieraus, daß in den<lb/> Sprachen mit einem Worte eine ganze Claſſe von Woͤr-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tern</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0083]
Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
heit der griechiſchen erreichen zu koͤnnen. Sie hat be-
ſtimmte und bedeutende Woͤrter, und ſehr viele Moͤg-
lichkeiten der Zuſammenſetzung und Ableitung. Sie
leidet haͤrtere Fuͤgungen der Mitlauter, und iſt zu Me-
taphern biegſam. Jn dieſer Abſicht verdient die deut-
ſche Sprache eine beſondere Theorie, worinn naͤmlich die
Bedeutung jeder Art der Zuſammenſetzung und Ablei-
tung der Woͤrter feſtgeſetzt, die Grenzen ihrer Moͤglich-
keit aus der Art der Sprache beſtimmt, und die Um-
ſtaͤnde und Redensarten, worinn ein neues Wort ſeinen
beſtimmten Verſtand hat, und welche folglich ſtatt der
Definition dienen, angezeigt werden. Z. E. von dem
Wort aͤcht, welches ſo viel als genuin, authentiſch ꝛc.
bedeutet, koͤmmt: aͤchtbar, aͤchtig, aͤchtlich, aͤcht-
ſam, unaͤcht, uraͤcht, ꝛc. Aechtheit, Aechtung,
Aechtigung, Aechtigkeit, Aechtbarung, Aecht-
barkeit, Aechting, Aechtniß, Aechtſchaft, Aecht-
thum, Aechter, Aechtiger ꝛc. aͤchten, aͤchtigen,
beaͤchten, beaͤchtigen, beaͤchtbaren, veraͤch-
ten ꝛc. Aechtsſache, Aechtsfrage, Aechtsbtief ꝛc.
nebſt noch ſehr vielen andern, die in beſondern Faͤllen
und Redensarten den ihnen eigenen Verſtand und Nach-
druck haben koͤnnen. Der Unterſchied in der Bedeu-
tung jeder dieſer Woͤrter gruͤndet ſich auf ſehr allgemel-
ne und metaphyſiſche Verhaͤltnißbegriffe, welche durch
die dem Wort: aͤcht, zugeſetzte Sylben angedeutet
werden. Und dieſe ſollen in vorerwaͤhnter Theorie vor-
kommen, von welcher die deutſche Sprache einen Reich-
thum von bedeutenden, nachdruͤcklichen und genau be-
ſtimmten Woͤrtern zu erwarten hat, weil die wenigſten
Woͤrter durch alle Verwandlungen und Ableitungen,
die ſie theils ihrer Bildung, theils ihrer Bedeutung
nach leiden, durchgefuͤhrt ſind.
§. 130. Man ſieht ungefaͤhr hieraus, daß in den
Sprachen mit einem Worte eine ganze Claſſe von Woͤr-
tern
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |