Pflanzen und Thiere, und ihre Theile, das erste Recht, um desto mehr, weil diese Arten und Gattungen nach unveränderlichen Gesetzen bleiben, und sich fortpflan- zen. Mose erzählt auch ausdrücklich, daß die Thiere auf diese Art von Adam benennt worden, doch so, daß seine Sprache nicht damit anfienge.
§. 118. Die Handlungen oder Bewegungen des Lei- bes haben ferner noch ein desto unmittelbareres Recht, zuerst benennt zu werden, weil sie in Ermanglung der Sprache die einigen Zeichen der Begriffe seyn wür- den, wie sie es denn auch bey Tauben und Stummen wirklich sind. Sie sind ferner von vielen Dingen, und besonders von Figuren und Bewegungen, nicht nur bloße Zeichen, sondern wirkliche Nachahmungen, wenn man sie dazu auswählt, und sie bleiben es auch, wenn die Sache selbst nicht mehr vor Augen ist (§. 7. 9.). Und man kann setzen, daß sie der Sprache natürlicher Weise noch vorgehen, oder daß, ehe die Rede zur Bezeichnung der Begriffe gebraucht worden, die Bewegungen des Leibes dazu dienten. Bey der Sprache der Affecten scheinen Stimme, Minen, Geberden und Bewegung des Leibes und der Glieder zusammenzutreffen, weil stärtere Leidenschaften den ganzen Leib erschüttern.
§. 119. Auf diese Art fangen die Sprachen eben so, wie unsere ganze Erkenntniß, bey den Sinnen und Empfindungen an. Die ersten Wörter sind einsylbig, und bezeichnen Handlungen und Bewegungen, und zwar als solche, die geschehen sind. Von dieser Art sind die hebräischen Wurzelwörter, aus welchen die übrigen gebildet werden. Jn den europäischen Spra- chen sind die einsylbigen Worter nicht so genau an Be- griffe von Handlungen gebunden. Sie sind aber al- lerdings von ihrem ersten Ursprunge weiter entfernt.
§. 120. Die Aehnlichkeit des Eindruckes, den die Empfindung der Dinge und der artikulirten Töne ma-
chen,
III. Hauptſtuͤck.
Pflanzen und Thiere, und ihre Theile, das erſte Recht, um deſto mehr, weil dieſe Arten und Gattungen nach unveraͤnderlichen Geſetzen bleiben, und ſich fortpflan- zen. Moſe erzaͤhlt auch ausdruͤcklich, daß die Thiere auf dieſe Art von Adam benennt worden, doch ſo, daß ſeine Sprache nicht damit anfienge.
§. 118. Die Handlungen oder Bewegungen des Lei- bes haben ferner noch ein deſto unmittelbareres Recht, zuerſt benennt zu werden, weil ſie in Ermanglung der Sprache die einigen Zeichen der Begriffe ſeyn wuͤr- den, wie ſie es denn auch bey Tauben und Stummen wirklich ſind. Sie ſind ferner von vielen Dingen, und beſonders von Figuren und Bewegungen, nicht nur bloße Zeichen, ſondern wirkliche Nachahmungen, wenn man ſie dazu auswaͤhlt, und ſie bleiben es auch, wenn die Sache ſelbſt nicht mehr vor Augen iſt (§. 7. 9.). Und man kann ſetzen, daß ſie der Sprache natuͤrlicher Weiſe noch vorgehen, oder daß, ehe die Rede zur Bezeichnung der Begriffe gebraucht worden, die Bewegungen des Leibes dazu dienten. Bey der Sprache der Affecten ſcheinen Stimme, Minen, Geberden und Bewegung des Leibes und der Glieder zuſammenzutreffen, weil ſtaͤrtere Leidenſchaften den ganzen Leib erſchuͤttern.
§. 119. Auf dieſe Art fangen die Sprachen eben ſo, wie unſere ganze Erkenntniß, bey den Sinnen und Empfindungen an. Die erſten Woͤrter ſind einſylbig, und bezeichnen Handlungen und Bewegungen, und zwar als ſolche, die geſchehen ſind. Von dieſer Art ſind die hebraͤiſchen Wurzelwoͤrter, aus welchen die uͤbrigen gebildet werden. Jn den europaͤiſchen Spra- chen ſind die einſylbigen Worter nicht ſo genau an Be- griffe von Handlungen gebunden. Sie ſind aber al- lerdings von ihrem erſten Urſprunge weiter entfernt.
§. 120. Die Aehnlichkeit des Eindruckes, den die Empfindung der Dinge und der artikulirten Toͤne ma-
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III. Hauptſtuͤck.
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um deſto mehr, weil dieſe Arten und Gattungen nach
unveraͤnderlichen Geſetzen bleiben, und ſich fortpflan-
zen. Moſe erzaͤhlt auch ausdruͤcklich, daß die Thiere
auf dieſe Art von Adam benennt worden, doch ſo, daß
ſeine Sprache nicht damit anfienge.
§. 118. Die Handlungen oder Bewegungen des Lei-
bes haben ferner noch ein deſto unmittelbareres Recht,
zuerſt benennt zu werden, weil ſie in Ermanglung der
Sprache die einigen Zeichen der Begriffe ſeyn wuͤr-
den, wie ſie es denn auch bey Tauben und Stummen
wirklich ſind. Sie ſind ferner von vielen Dingen, und
beſonders von Figuren und Bewegungen, nicht nur
bloße Zeichen, ſondern wirkliche Nachahmungen, wenn
man ſie dazu auswaͤhlt, und ſie bleiben es auch, wenn
die Sache ſelbſt nicht mehr vor Augen iſt (§. 7. 9.). Und
man kann ſetzen, daß ſie der Sprache natuͤrlicher Weiſe
noch vorgehen, oder daß, ehe die Rede zur Bezeichnung
der Begriffe gebraucht worden, die Bewegungen des
Leibes dazu dienten. Bey der Sprache der Affecten
ſcheinen Stimme, Minen, Geberden und Bewegung
des Leibes und der Glieder zuſammenzutreffen, weil
ſtaͤrtere Leidenſchaften den ganzen Leib erſchuͤttern.
§. 119. Auf dieſe Art fangen die Sprachen eben
ſo, wie unſere ganze Erkenntniß, bey den Sinnen und
Empfindungen an. Die erſten Woͤrter ſind einſylbig,
und bezeichnen Handlungen und Bewegungen, und
zwar als ſolche, die geſchehen ſind. Von dieſer Art
ſind die hebraͤiſchen Wurzelwoͤrter, aus welchen die
uͤbrigen gebildet werden. Jn den europaͤiſchen Spra-
chen ſind die einſylbigen Worter nicht ſo genau an Be-
griffe von Handlungen gebunden. Sie ſind aber al-
lerdings von ihrem erſten Urſprunge weiter entfernt.
§. 120. Die Aehnlichkeit des Eindruckes, den die
Empfindung der Dinge und der artikulirten Toͤne ma-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/76>, abgerufen am 16.07.2024.
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