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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
Jn der Hebräischen bleiben die Vocalen entweder ganz
weg, oder sie werden nur durch Punkte angezeigt, und
in den abendländischen Sprachen scheinen noch die ver-
schiedenen Stuffen und Mitteltöne zwischen den Haupt-
vocalen nicht durch einen genugsamen Vorrath von Zei-
chen angezeigt worden zu seyn, wenigstens sind sie es
in den heutigen Sprachen nicht, weil wir für 17 und
mehr verschiedene und einfache Selbstlaute nur 5, oder,
das e und u der Griechen mitgerechnet, nur 7 Zeichen
haben.

§. 116. Die Folge, die wir hieraus ziehen, ist, daß
man um desto weniger noch von den ersten Urhebern
einer Sprache fordern könne, daß selbst diese schon die
Buchstaben, und besonders die Consonanten sollten be-
deutend gemacht haben, wie es bey durchaus bedeuten-
den Wörtern seyn könnte (§. 105.). Die Selbstlaute,
Doppellaute und etwan noch die Halblaute (Semiuo-
cales
§. 78.) litten eine Bedeutung, und haben sie auch
wirklich in einigen Sprachen mehr oder weniger (§. 87.),
weil sie für sich einen Ton geben oder ausgesprochen
werden können.

§. 117. Ferner waren die Urheber der Sprachen
gleichsam genöthigt, bey solchen Begriffen anzufangen,
für welche man in einer wissenschaftlichen Sprache auf
Abkürzungen würde denken müssen (§. 110.). Denn
da die abstracte Erkenntniß durchaus symbolisch ist
(§. 17.), so ließ sichs dabey nicht anfangen, und die er-
sten Dinge, die benennt werden mußten, konnten kei-
ne andere, als solche seyn, deren wirkliche Empfindung
sich mit der Empfindung des Lautes, wodurch man sie
andeuten wollte, unmittelbar verbinden ließ, wenn an-
ders die Sprache gemeinsam werden sollte. Hiezu
hatten nun die Handlungen und Bewegungen des Lei-
bes, und sodann die in der Natur und zunächst um
den Menschen vorhandenen Arten und Gattungen der

Pflanzen
E 3

Von der Sprache als Zeichen betrachtet.
Jn der Hebraͤiſchen bleiben die Vocalen entweder ganz
weg, oder ſie werden nur durch Punkte angezeigt, und
in den abendlaͤndiſchen Sprachen ſcheinen noch die ver-
ſchiedenen Stuffen und Mitteltoͤne zwiſchen den Haupt-
vocalen nicht durch einen genugſamen Vorrath von Zei-
chen angezeigt worden zu ſeyn, wenigſtens ſind ſie es
in den heutigen Sprachen nicht, weil wir fuͤr 17 und
mehr verſchiedene und einfache Selbſtlaute nur 5, oder,
das η und υ der Griechen mitgerechnet, nur 7 Zeichen
haben.

§. 116. Die Folge, die wir hieraus ziehen, iſt, daß
man um deſto weniger noch von den erſten Urhebern
einer Sprache fordern koͤnne, daß ſelbſt dieſe ſchon die
Buchſtaben, und beſonders die Conſonanten ſollten be-
deutend gemacht haben, wie es bey durchaus bedeuten-
den Woͤrtern ſeyn koͤnnte (§. 105.). Die Selbſtlaute,
Doppellaute und etwan noch die Halblaute (Semiuo-
cales
§. 78.) litten eine Bedeutung, und haben ſie auch
wirklich in einigen Sprachen mehr oder weniger (§. 87.),
weil ſie fuͤr ſich einen Ton geben oder ausgeſprochen
werden koͤnnen.

§. 117. Ferner waren die Urheber der Sprachen
gleichſam genoͤthigt, bey ſolchen Begriffen anzufangen,
fuͤr welche man in einer wiſſenſchaftlichen Sprache auf
Abkuͤrzungen wuͤrde denken muͤſſen (§. 110.). Denn
da die abſtracte Erkenntniß durchaus ſymboliſch iſt
(§. 17.), ſo ließ ſichs dabey nicht anfangen, und die er-
ſten Dinge, die benennt werden mußten, konnten kei-
ne andere, als ſolche ſeyn, deren wirkliche Empfindung
ſich mit der Empfindung des Lautes, wodurch man ſie
andeuten wollte, unmittelbar verbinden ließ, wenn an-
ders die Sprache gemeinſam werden ſollte. Hiezu
hatten nun die Handlungen und Bewegungen des Lei-
bes, und ſodann die in der Natur und zunaͤchſt um
den Menſchen vorhandenen Arten und Gattungen der

Pflanzen
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[69/0075] Von der Sprache als Zeichen betrachtet. Jn der Hebraͤiſchen bleiben die Vocalen entweder ganz weg, oder ſie werden nur durch Punkte angezeigt, und in den abendlaͤndiſchen Sprachen ſcheinen noch die ver- ſchiedenen Stuffen und Mitteltoͤne zwiſchen den Haupt- vocalen nicht durch einen genugſamen Vorrath von Zei- chen angezeigt worden zu ſeyn, wenigſtens ſind ſie es in den heutigen Sprachen nicht, weil wir fuͤr 17 und mehr verſchiedene und einfache Selbſtlaute nur 5, oder, das η und υ der Griechen mitgerechnet, nur 7 Zeichen haben. §. 116. Die Folge, die wir hieraus ziehen, iſt, daß man um deſto weniger noch von den erſten Urhebern einer Sprache fordern koͤnne, daß ſelbſt dieſe ſchon die Buchſtaben, und beſonders die Conſonanten ſollten be- deutend gemacht haben, wie es bey durchaus bedeuten- den Woͤrtern ſeyn koͤnnte (§. 105.). Die Selbſtlaute, Doppellaute und etwan noch die Halblaute (Semiuo- cales §. 78.) litten eine Bedeutung, und haben ſie auch wirklich in einigen Sprachen mehr oder weniger (§. 87.), weil ſie fuͤr ſich einen Ton geben oder ausgeſprochen werden koͤnnen. §. 117. Ferner waren die Urheber der Sprachen gleichſam genoͤthigt, bey ſolchen Begriffen anzufangen, fuͤr welche man in einer wiſſenſchaftlichen Sprache auf Abkuͤrzungen wuͤrde denken muͤſſen (§. 110.). Denn da die abſtracte Erkenntniß durchaus ſymboliſch iſt (§. 17.), ſo ließ ſichs dabey nicht anfangen, und die er- ſten Dinge, die benennt werden mußten, konnten kei- ne andere, als ſolche ſeyn, deren wirkliche Empfindung ſich mit der Empfindung des Lautes, wodurch man ſie andeuten wollte, unmittelbar verbinden ließ, wenn an- ders die Sprache gemeinſam werden ſollte. Hiezu hatten nun die Handlungen und Bewegungen des Lei- bes, und ſodann die in der Natur und zunaͤchſt um den Menſchen vorhandenen Arten und Gattungen der Pflanzen E 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/75>, abgerufen am 23.11.2024.