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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Sprache an sich betrachtet.
wird man allerdings die Verba fesquipedalia, die näm-
lich aus überhäust vielen Sylben bestehen, und dennoch
nicht mehr, als ein kürzeres Wort bedeuten, für fehler-
haft ansehen, so wie man es hingegen für eine Zierde
einer Sprache hält, wenn sie eben nicht durchaus ein-
sylbige, sondern eine schickliche Abwechslung von län-
gern und kürzern Wörtern hat. Sollten aber die Wör-
ter wissenschaftliche Zeichen der Dinge und Begriffe
werden können, so würde sich die Frage von ihrer Länge
und Kürze aus ganz andern Gründen entscheiden müs-
sen, und man würde, wie bey den algebraischen For-
meln, das Einfachere dem Weitläuftigern und Kürzern
vorziehen.

§. 93. Aus dem bisher gesagten erhellet genugsam,
wie viele Mannichfaltigkeiten aus der Combination und
Permutation von 17 Selbstlauten und 13 Mitlauten,
folglich in allem von 30 Buchstaben, in der Sprache
entstehen können, auch nur so fern sie geredet wird.
Jm Schreiben kann diese Mannichsaltigkeit noch viel-
fach größer werden, weil man dabey die Wahl behält,
wie viele verschiedene Zeichen man für jeden Buchstab
nehmen, und folglich wie viele Alphabete man gebrau-
chen will. Die Absichten, die man hiebey haben kann,
sind vielerley.

§. 94. Einmal, wenn jemand für sich ein ganz will-
kührliches Alphabet wählet, so geschieht dieses, um das,
so er schreibt, zu verstecken, und das Alphabet oder über-
haupt das Register der Zeichen und ihrer Bedeutung
heißt der Schlüssel zu solchen Schriften. Die Wissen-
schaft selbst, solche geheime Schriften zu erfinden, heißt
die Cryptographie, Steganographie oder ge-
heime Schreibkunst,
und die Zeichen, deren man
sich zu geheimen Schriften bedient, werden Ziffern
genennt. Wenn der Schlüssel zu der geheimen Schrift
nach sehr einfachen Regeln gemacht ist, z. E. wenn man

für
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Von der Sprache an ſich betrachtet.
wird man allerdings die Verba feſquipedalia, die naͤm-
lich aus uͤberhaͤuſt vielen Sylben beſtehen, und dennoch
nicht mehr, als ein kuͤrzeres Wort bedeuten, fuͤr fehler-
haft anſehen, ſo wie man es hingegen fuͤr eine Zierde
einer Sprache haͤlt, wenn ſie eben nicht durchaus ein-
ſylbige, ſondern eine ſchickliche Abwechslung von laͤn-
gern und kuͤrzern Woͤrtern hat. Sollten aber die Woͤr-
ter wiſſenſchaftliche Zeichen der Dinge und Begriffe
werden koͤnnen, ſo wuͤrde ſich die Frage von ihrer Laͤnge
und Kuͤrze aus ganz andern Gruͤnden entſcheiden muͤſ-
ſen, und man wuͤrde, wie bey den algebraiſchen For-
meln, das Einfachere dem Weitlaͤuftigern und Kuͤrzern
vorziehen.

§. 93. Aus dem bisher geſagten erhellet genugſam,
wie viele Mannichfaltigkeiten aus der Combination und
Permutation von 17 Selbſtlauten und 13 Mitlauten,
folglich in allem von 30 Buchſtaben, in der Sprache
entſtehen koͤnnen, auch nur ſo fern ſie geredet wird.
Jm Schreiben kann dieſe Mannichſaltigkeit noch viel-
fach groͤßer werden, weil man dabey die Wahl behaͤlt,
wie viele verſchiedene Zeichen man fuͤr jeden Buchſtab
nehmen, und folglich wie viele Alphabete man gebrau-
chen will. Die Abſichten, die man hiebey haben kann,
ſind vielerley.

§. 94. Einmal, wenn jemand fuͤr ſich ein ganz will-
kuͤhrliches Alphabet waͤhlet, ſo geſchieht dieſes, um das,
ſo er ſchreibt, zu verſtecken, und das Alphabet oder uͤber-
haupt das Regiſter der Zeichen und ihrer Bedeutung
heißt der Schluͤſſel zu ſolchen Schriften. Die Wiſſen-
ſchaft ſelbſt, ſolche geheime Schriften zu erfinden, heißt
die Cryptographie, Steganographie oder ge-
heime Schreibkunſt,
und die Zeichen, deren man
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genennt. Wenn der Schluͤſſel zu der geheimen Schrift
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[57/0063] Von der Sprache an ſich betrachtet. wird man allerdings die Verba feſquipedalia, die naͤm- lich aus uͤberhaͤuſt vielen Sylben beſtehen, und dennoch nicht mehr, als ein kuͤrzeres Wort bedeuten, fuͤr fehler- haft anſehen, ſo wie man es hingegen fuͤr eine Zierde einer Sprache haͤlt, wenn ſie eben nicht durchaus ein- ſylbige, ſondern eine ſchickliche Abwechslung von laͤn- gern und kuͤrzern Woͤrtern hat. Sollten aber die Woͤr- ter wiſſenſchaftliche Zeichen der Dinge und Begriffe werden koͤnnen, ſo wuͤrde ſich die Frage von ihrer Laͤnge und Kuͤrze aus ganz andern Gruͤnden entſcheiden muͤſ- ſen, und man wuͤrde, wie bey den algebraiſchen For- meln, das Einfachere dem Weitlaͤuftigern und Kuͤrzern vorziehen. §. 93. Aus dem bisher geſagten erhellet genugſam, wie viele Mannichfaltigkeiten aus der Combination und Permutation von 17 Selbſtlauten und 13 Mitlauten, folglich in allem von 30 Buchſtaben, in der Sprache entſtehen koͤnnen, auch nur ſo fern ſie geredet wird. Jm Schreiben kann dieſe Mannichſaltigkeit noch viel- fach groͤßer werden, weil man dabey die Wahl behaͤlt, wie viele verſchiedene Zeichen man fuͤr jeden Buchſtab nehmen, und folglich wie viele Alphabete man gebrau- chen will. Die Abſichten, die man hiebey haben kann, ſind vielerley. §. 94. Einmal, wenn jemand fuͤr ſich ein ganz will- kuͤhrliches Alphabet waͤhlet, ſo geſchieht dieſes, um das, ſo er ſchreibt, zu verſtecken, und das Alphabet oder uͤber- haupt das Regiſter der Zeichen und ihrer Bedeutung heißt der Schluͤſſel zu ſolchen Schriften. Die Wiſſen- ſchaft ſelbſt, ſolche geheime Schriften zu erfinden, heißt die Cryptographie, Steganographie oder ge- heime Schreibkunſt, und die Zeichen, deren man ſich zu geheimen Schriften bedient, werden Ziffern genennt. Wenn der Schluͤſſel zu der geheimen Schrift nach ſehr einfachen Regeln gemacht iſt, z. E. wenn man fuͤr D 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/63>, abgerufen am 23.11.2024.