Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.VI. Hauptstück. beytragen, den Nachdruck der Worte lebhafter zu machen,wenn der Affect die Melodie angiebt. Daß auch die bloße Jnstrumentalmusik Affecten und Bewegungen des Leibes er- regen könne, lehrt die Erfahrung. Der Klang der Feldmu- sik muß allerdings von dem Angenehmen einer Serenate, und auch diese von dem zum Tanzen aufmunternden Tone, in Ansehung der Jnstrumente und Melodien verschieden seyn. Die Bestimmung der feinern Unterschiede jeder Jnstrumen- te, Melodien und Töne und ihrer Wirkungen auf das Ge- müth mag demnach viel dazu beytragen, den Nachdruck der Worte in der Vocalmusik durch die behörige Auswahl des Tones und der Singweise zu erhöhen, zumal wenn noch die besondern Modificationen der Stimme, welche härter, weicher, aufgereimter, kläglich, wehmüthig etc. seyn kann, und die selbst ein Redner ohne Rücksicht auf die Musik muß abzuändern und dem Jnhalt der Rede gemäß zu gebrauchen wissen, mit in Betrachtung gezogen werden. Daß von al- lem diesem vieles unter die Vollkommenheiten des Thea- ters gehöre, ist aus dem oben davon gesagten (§. 269. seq.) für sich klar. §. 285. Bisher haben wir nun die besondern Theile der §. 286.
VI. Hauptſtuͤck. beytragen, den Nachdruck der Worte lebhafter zu machen,wenn der Affect die Melodie angiebt. Daß auch die bloße Jnſtrumentalmuſik Affecten und Bewegungen des Leibes er- regen koͤnne, lehrt die Erfahrung. Der Klang der Feldmu- ſik muß allerdings von dem Angenehmen einer Serenate, und auch dieſe von dem zum Tanzen aufmunternden Tone, in Anſehung der Jnſtrumente und Melodien verſchieden ſeyn. Die Beſtimmung der feinern Unterſchiede jeder Jnſtrumen- te, Melodien und Toͤne und ihrer Wirkungen auf das Ge- muͤth mag demnach viel dazu beytragen, den Nachdruck der Worte in der Vocalmuſik durch die behoͤrige Auswahl des Tones und der Singweiſe zu erhoͤhen, zumal wenn noch die beſondern Modificationen der Stimme, welche haͤrter, weicher, aufgereimter, klaͤglich, wehmuͤthig ꝛc. ſeyn kann, und die ſelbſt ein Redner ohne Ruͤckſicht auf die Muſik muß abzuaͤndern und dem Jnhalt der Rede gemaͤß zu gebrauchen wiſſen, mit in Betrachtung gezogen werden. Daß von al- lem dieſem vieles unter die Vollkommenheiten des Thea- ters gehoͤre, iſt aus dem oben davon geſagten (§. 269. ſeq.) fuͤr ſich klar. §. 285. Bisher haben wir nun die beſondern Theile der §. 286.
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VI. Hauptſtuͤck.
beytragen, den Nachdruck der Worte lebhafter zu machen,
wenn der Affect die Melodie angiebt. Daß auch die bloße
Jnſtrumentalmuſik Affecten und Bewegungen des Leibes er-
regen koͤnne, lehrt die Erfahrung. Der Klang der Feldmu-
ſik muß allerdings von dem Angenehmen einer Serenate,
und auch dieſe von dem zum Tanzen aufmunternden Tone,
in Anſehung der Jnſtrumente und Melodien verſchieden ſeyn.
Die Beſtimmung der feinern Unterſchiede jeder Jnſtrumen-
te, Melodien und Toͤne und ihrer Wirkungen auf das Ge-
muͤth mag demnach viel dazu beytragen, den Nachdruck
der Worte in der Vocalmuſik durch die behoͤrige Auswahl
des Tones und der Singweiſe zu erhoͤhen, zumal wenn noch
die beſondern Modificationen der Stimme, welche haͤrter,
weicher, aufgereimter, klaͤglich, wehmuͤthig ꝛc. ſeyn kann,
und die ſelbſt ein Redner ohne Ruͤckſicht auf die Muſik muß
abzuaͤndern und dem Jnhalt der Rede gemaͤß zu gebrauchen
wiſſen, mit in Betrachtung gezogen werden. Daß von al-
lem dieſem vieles unter die Vollkommenheiten des Thea-
ters gehoͤre, iſt aus dem oben davon geſagten (§. 269. ſeq.)
fuͤr ſich klar.
§. 285. Bisher haben wir nun die beſondern Theile der
tranſcendenten Perſpective angezeigt. Aus ihrer Vergleichung
erhellet allerdings, daß ſie merklich von einander verſchie-
den ſind, und jeder einen ſehr ausgedehnten Umfang hat.
Sie unterſcheiden ſich vornehmlich in demjenigen, was zur
Vorſtellung der Sache gewaͤhlt wird, und welches in Ge-
maͤlden, Modellen, Bildern, Nachahmungen, Handlungen,
Geberden, Gedanken, Worten, Toͤnen ꝛc. beſteht, und theils
mit der vorgeſtellten Sache von einerley, theils auch von
verſchiedener Art iſt. Was wir aber bey allen voraus ſe-
tzen, iſt, daß dadurch nur der Schein der Sache vorgeſtellt
werde, denn auch nur in ſo ferne gehoͤren dieſe Theile zur
tranſcendenten Perſpective. Bey dieſer Vorausſetzung aber
machen wir zwiſchen dem leeren und realen Schein keinen
Unterſchied, weil beyde gezeichnet werden koͤnnen, ſo wie
ſich die optiſchen Perſpective und Malerkunſt an dieſen Un-
terſchied ebenfalls nicht kehrt, und ein Maler jede Spiele
der Einbildungskraft, Viſionen, ertraͤumte Bilder ꝛc. ſo
fern ſie ſich zeichnen laſſen, wo es die Abſicht erfordert,
vormalet, und der Dichter aus derſelben ebenfalls Stoff
zu ſeinen Gemaͤlden nimmt, wo er ſie gebrauchen kann.
§. 286.
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Zitationshilfe: | Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/440>, abgerufen am 16.02.2025. |