des Gewissen mit dem Ungewissen vermengt hat (§. 219.). Wir können die geographischen Nachrichten zum Bey- spiele nehmen. Sie sind unstreitig nicht alle von glei- cher Zuverläßigkeit, und es mengt sich salsches und fa- belhaftes mit ein. Nun wird sich wohl niemand in Sinn kommen lassen, diese so verschiedenen Grade der Gewißheit durch einander zu mengen, und daher jeder einzelnen Nachricht nicht mehr als den mittlern Grad der Wahrscheinlichkeit zu geben. Wir führen dieses Beyspiel an, weil es da gar zu offenbar ist, daß man sich, in Ansehung der Zuverläßigkeit einzelner Nachrichten, um specialere Gründe und Kenn- zeichen umsehen müsse.
§. 247. Wir finden uns in Ansehung der äußern Sinnen überhaupt in gleichem Falle. Es ist unstreitig, daß jede Arten von Schein sich dabey zuweilen mehr oder minder einmengen, und die Körperwelt sich uns durchaus nur nach dem Schein zeigt (§. 91.). Wollte man aber alle Empfindungen in eine Classe setzen, und die besondern Grade der Zuverläßigkeit einer jeden durch einander mengen, um alle nach dem mittlern Grad zu schätzen; so würde man jeder einzelnen Empfindung einen sehr mittelmäßigen Grad der Wahrscheinlichkeit geben, und die Nachrichten davon würden noch einen geringern bekommen. Jndessen verfährt man dennoch auf diese Art, wenn man die Frage von der Zuverläßig- keit dieser oder jener Empfindung unterstützt. Die Ein- würfe sind immer: daß die Sinnen zuweilen be- trügen, man könnte sich übersehen haben, es könnte an der Aufmerksamkeit, am Gedächt- niß etc. gefehlt haben etc. Allein, Einwürfe von die- ser Art machen, will nicht mehr sagen, als den mittlern Grad der Wahrscheinlichkeit ohne Unterschied auf jede einzelne Empfindung ausbreiten. Die Gewißheit bey Empfindungen ist individual, und man kann
die
V. Hauptſtuͤck.
des Gewiſſen mit dem Ungewiſſen vermengt hat (§. 219.). Wir koͤnnen die geographiſchen Nachrichten zum Bey- ſpiele nehmen. Sie ſind unſtreitig nicht alle von glei- cher Zuverlaͤßigkeit, und es mengt ſich ſalſches und fa- belhaftes mit ein. Nun wird ſich wohl niemand in Sinn kommen laſſen, dieſe ſo verſchiedenen Grade der Gewißheit durch einander zu mengen, und daher jeder einzelnen Nachricht nicht mehr als den mittlern Grad der Wahrſcheinlichkeit zu geben. Wir fuͤhren dieſes Beyſpiel an, weil es da gar zu offenbar iſt, daß man ſich, in Anſehung der Zuverlaͤßigkeit einzelner Nachrichten, um ſpecialere Gruͤnde und Kenn- zeichen umſehen muͤſſe.
§. 247. Wir finden uns in Anſehung der aͤußern Sinnen uͤberhaupt in gleichem Falle. Es iſt unſtreitig, daß jede Arten von Schein ſich dabey zuweilen mehr oder minder einmengen, und die Koͤrperwelt ſich uns durchaus nur nach dem Schein zeigt (§. 91.). Wollte man aber alle Empfindungen in eine Claſſe ſetzen, und die beſondern Grade der Zuverlaͤßigkeit einer jeden durch einander mengen, um alle nach dem mittlern Grad zu ſchaͤtzen; ſo wuͤrde man jeder einzelnen Empfindung einen ſehr mittelmaͤßigen Grad der Wahrſcheinlichkeit geben, und die Nachrichten davon wuͤrden noch einen geringern bekommen. Jndeſſen verfaͤhrt man dennoch auf dieſe Art, wenn man die Frage von der Zuverlaͤßig- keit dieſer oder jener Empfindung unterſtuͤtzt. Die Ein- wuͤrfe ſind immer: daß die Sinnen zuweilen be- truͤgen, man koͤnnte ſich uͤberſehen haben, es koͤnnte an der Aufmerkſamkeit, am Gedaͤcht- niß ꝛc. gefehlt haben ꝛc. Allein, Einwuͤrfe von die- ſer Art machen, will nicht mehr ſagen, als den mittlern Grad der Wahrſcheinlichkeit ohne Unterſchied auf jede einzelne Empfindung ausbreiten. Die Gewißheit bey Empfindungen iſt individual, und man kann
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V. Hauptſtuͤck.
des Gewiſſen mit dem Ungewiſſen vermengt hat (§. 219.).
Wir koͤnnen die geographiſchen Nachrichten zum Bey-
ſpiele nehmen. Sie ſind unſtreitig nicht alle von glei-
cher Zuverlaͤßigkeit, und es mengt ſich ſalſches und fa-
belhaftes mit ein. Nun wird ſich wohl niemand in
Sinn kommen laſſen, dieſe ſo verſchiedenen Grade der
Gewißheit durch einander zu mengen, und daher jeder
einzelnen Nachricht nicht mehr als den mittlern Grad
der Wahrſcheinlichkeit zu geben. Wir fuͤhren dieſes
Beyſpiel an, weil es da gar zu offenbar iſt, daß man
ſich, in Anſehung der Zuverlaͤßigkeit einzelner
Nachrichten, um ſpecialere Gruͤnde und Kenn-
zeichen umſehen muͤſſe.
§. 247. Wir finden uns in Anſehung der aͤußern
Sinnen uͤberhaupt in gleichem Falle. Es iſt unſtreitig,
daß jede Arten von Schein ſich dabey zuweilen mehr
oder minder einmengen, und die Koͤrperwelt ſich uns
durchaus nur nach dem Schein zeigt (§. 91.). Wollte
man aber alle Empfindungen in eine Claſſe ſetzen, und
die beſondern Grade der Zuverlaͤßigkeit einer jeden
durch einander mengen, um alle nach dem mittlern Grad
zu ſchaͤtzen; ſo wuͤrde man jeder einzelnen Empfindung
einen ſehr mittelmaͤßigen Grad der Wahrſcheinlichkeit
geben, und die Nachrichten davon wuͤrden noch einen
geringern bekommen. Jndeſſen verfaͤhrt man dennoch
auf dieſe Art, wenn man die Frage von der Zuverlaͤßig-
keit dieſer oder jener Empfindung unterſtuͤtzt. Die Ein-
wuͤrfe ſind immer: daß die Sinnen zuweilen be-
truͤgen, man koͤnnte ſich uͤberſehen haben, es
koͤnnte an der Aufmerkſamkeit, am Gedaͤcht-
niß ꝛc. gefehlt haben ꝛc. Allein, Einwuͤrfe von die-
ſer Art machen, will nicht mehr ſagen, als den mittlern
Grad der Wahrſcheinlichkeit ohne Unterſchied auf jede
einzelne Empfindung ausbreiten. Die Gewißheit
bey Empfindungen iſt individual, und man kann
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/412>, abgerufen am 17.07.2024.
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