versäumt, die Kennzeichen aufzusuchen, woran sich diejenigenA,dieBsind, von denen, die es nicht sind, unterscheiden lassen. Bey dieser Ver- säumniß aber kann man sodann nicht anders, als nach folgender Art Schlüsse machen, dergleichen sich leicht anbieten:
(3/4 a + 1/4 e) A sind B
alle C sind A
alle C (3/4 a + 1/4 e) sind B.
Wobey der Schlußsatz schlechthin wahrscheinlich bleibt. Die Lehre von der Gewißheit überhaupt, und beson- ders von der Gewißheit der Sinnen, giebt uns hie- von ein sehr allgemeines und wichtiges Beyspiel, weil man aus dem, daß uns die Sinnen zuweilen zum Jr- ren verleiten, den Schluß macht, daß die durch die Sin- nen erlangte und überhaupt die ganze historische Er- kenntniß nur wahrscheinlich sey. Die Zweifler gien- gen noch weiter, und verwandelten das Wahrschein- liche vollends ins Ungewisse. Cartesius scheint die- ses Versehen eingesehen zu haben, weil es ihn veran- laßte, ein Criterium veritatis zu suchen.
§. 220. Wenn die Wahrscheinlichkeit und Unbe- stimmtheit eines Satzes aus den Mittelgliedern der Vordersätze herrührt, aus welchen man denselben gefol- gert (§. 213. seqq.), so ist es wiederum besser, die Vor- dersätze beyzubehalten. Man habe z. E.
3/4 A sind B.
alle C sind 2/3 A.
alle C 1/2 sind B.
So bieten sich, um den Schlußsatz vollends gewiß zu machen, verschiedene Wege an. Einmal kann man se- hen, ob die übrigen 1/4 A auch B sind, und ob C die übri-
gen
V. Hauptſtuͤck.
§. 219. Vornehmlich aber wird bey den Saͤtzen
(¾ a + ¼ e) A ſind B.
verſaͤumt, die Kennzeichen aufzuſuchen, woran ſich diejenigenA,dieBſind, von denen, die es nicht ſind, unterſcheiden laſſen. Bey dieſer Ver- ſaͤumniß aber kann man ſodann nicht anders, als nach folgender Art Schluͤſſe machen, dergleichen ſich leicht anbieten:
(¾ a + ¼ e) A ſind B
alle C ſind A
alle C (¾ a + ¼ e) ſind B.
Wobey der Schlußſatz ſchlechthin wahrſcheinlich bleibt. Die Lehre von der Gewißheit uͤberhaupt, und beſon- ders von der Gewißheit der Sinnen, giebt uns hie- von ein ſehr allgemeines und wichtiges Beyſpiel, weil man aus dem, daß uns die Sinnen zuweilen zum Jr- ren verleiten, den Schluß macht, daß die durch die Sin- nen erlangte und uͤberhaupt die ganze hiſtoriſche Er- kenntniß nur wahrſcheinlich ſey. Die Zweifler gien- gen noch weiter, und verwandelten das Wahrſchein- liche vollends ins Ungewiſſe. Carteſius ſcheint die- ſes Verſehen eingeſehen zu haben, weil es ihn veran- laßte, ein Criterium veritatis zu ſuchen.
§. 220. Wenn die Wahrſcheinlichkeit und Unbe- ſtimmtheit eines Satzes aus den Mittelgliedern der Vorderſaͤtze herruͤhrt, aus welchen man denſelben gefol- gert (§. 213. ſeqq.), ſo iſt es wiederum beſſer, die Vor- derſaͤtze beyzubehalten. Man habe z. E.
¾ A ſind B.
alle C ſind ⅔ A.
alle C ½ ſind B.
So bieten ſich, um den Schlußſatz vollends gewiß zu machen, verſchiedene Wege an. Einmal kann man ſe- hen, ob die uͤbrigen ¼ A auch B ſind, und ob C die uͤbri-
gen
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V. Hauptſtuͤck.
§. 219. Vornehmlich aber wird bey den Saͤtzen
(¾ a + ¼ e) A ſind B.
verſaͤumt, die Kennzeichen aufzuſuchen, woran
ſich diejenigen A, die B ſind, von denen, die es
nicht ſind, unterſcheiden laſſen. Bey dieſer Ver-
ſaͤumniß aber kann man ſodann nicht anders, als nach
folgender Art Schluͤſſe machen, dergleichen ſich leicht
anbieten:
(¾ a + ¼ e) A ſind B
alle C ſind A
alle C (¾ a + ¼ e) ſind B.
Wobey der Schlußſatz ſchlechthin wahrſcheinlich bleibt.
Die Lehre von der Gewißheit uͤberhaupt, und beſon-
ders von der Gewißheit der Sinnen, giebt uns hie-
von ein ſehr allgemeines und wichtiges Beyſpiel, weil
man aus dem, daß uns die Sinnen zuweilen zum Jr-
ren verleiten, den Schluß macht, daß die durch die Sin-
nen erlangte und uͤberhaupt die ganze hiſtoriſche Er-
kenntniß nur wahrſcheinlich ſey. Die Zweifler gien-
gen noch weiter, und verwandelten das Wahrſchein-
liche vollends ins Ungewiſſe. Carteſius ſcheint die-
ſes Verſehen eingeſehen zu haben, weil es ihn veran-
laßte, ein Criterium veritatis zu ſuchen.
§. 220. Wenn die Wahrſcheinlichkeit und Unbe-
ſtimmtheit eines Satzes aus den Mittelgliedern der
Vorderſaͤtze herruͤhrt, aus welchen man denſelben gefol-
gert (§. 213. ſeqq.), ſo iſt es wiederum beſſer, die Vor-
derſaͤtze beyzubehalten. Man habe z. E.
¾ A ſind B.
alle C ſind ⅔ A.
alle C ½ ſind B.
So bieten ſich, um den Schlußſatz vollends gewiß zu
machen, verſchiedene Wege an. Einmal kann man ſe-
hen, ob die uͤbrigen ¼ A auch B ſind, und ob C die uͤbri-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/388>, abgerufen am 26.06.2024.
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