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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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V. Hauptstück.

§. 219. Vornehmlich aber wird bey den Sätzen

(3/4 a + 1/4 e) A sind B.

versäumt, die Kennzeichen aufzusuchen, woran
sich diejenigen
A, die B sind, von denen, die es
nicht sind, unterscheiden lassen.
Bey dieser Ver-
säumniß aber kann man sodann nicht anders, als nach
folgender Art Schlüsse machen, dergleichen sich leicht
anbieten:

(3/4 a + 1/4 e) A sind B
alle C sind A
alle C (3/4 a + 1/4 e) sind B.

Wobey der Schlußsatz schlechthin wahrscheinlich bleibt.
Die Lehre von der Gewißheit überhaupt, und beson-
ders von der Gewißheit der Sinnen, giebt uns hie-
von ein sehr allgemeines und wichtiges Beyspiel, weil
man aus dem, daß uns die Sinnen zuweilen zum Jr-
ren verleiten, den Schluß macht, daß die durch die Sin-
nen erlangte und überhaupt die ganze historische Er-
kenntniß nur wahrscheinlich sey. Die Zweifler gien-
gen noch weiter, und verwandelten das Wahrschein-
liche
vollends ins Ungewisse. Cartesius scheint die-
ses Versehen eingesehen zu haben, weil es ihn veran-
laßte, ein Criterium veritatis zu suchen.

§. 220. Wenn die Wahrscheinlichkeit und Unbe-
stimmtheit eines Satzes aus den Mittelgliedern der
Vordersätze herrührt, aus welchen man denselben gefol-
gert (§. 213. seqq.), so ist es wiederum besser, die Vor-
dersätze beyzubehalten. Man habe z. E.

3/4 A sind B.
alle C sind 2/3 A.
alle C 1/2 sind B.

So bieten sich, um den Schlußsatz vollends gewiß zu
machen, verschiedene Wege an. Einmal kann man se-
hen, ob die übrigen 1/4 A auch B sind, und ob C die übri-

gen
V. Hauptſtuͤck.

§. 219. Vornehmlich aber wird bey den Saͤtzen

a + ¼ e) A ſind B.

verſaͤumt, die Kennzeichen aufzuſuchen, woran
ſich diejenigen
A, die B ſind, von denen, die es
nicht ſind, unterſcheiden laſſen.
Bey dieſer Ver-
ſaͤumniß aber kann man ſodann nicht anders, als nach
folgender Art Schluͤſſe machen, dergleichen ſich leicht
anbieten:

a + ¼ e) A ſind B
alle C ſind A
alle Ca + ¼ e) ſind B.

Wobey der Schlußſatz ſchlechthin wahrſcheinlich bleibt.
Die Lehre von der Gewißheit uͤberhaupt, und beſon-
ders von der Gewißheit der Sinnen, giebt uns hie-
von ein ſehr allgemeines und wichtiges Beyſpiel, weil
man aus dem, daß uns die Sinnen zuweilen zum Jr-
ren verleiten, den Schluß macht, daß die durch die Sin-
nen erlangte und uͤberhaupt die ganze hiſtoriſche Er-
kenntniß nur wahrſcheinlich ſey. Die Zweifler gien-
gen noch weiter, und verwandelten das Wahrſchein-
liche
vollends ins Ungewiſſe. Carteſius ſcheint die-
ſes Verſehen eingeſehen zu haben, weil es ihn veran-
laßte, ein Criterium veritatis zu ſuchen.

§. 220. Wenn die Wahrſcheinlichkeit und Unbe-
ſtimmtheit eines Satzes aus den Mittelgliedern der
Vorderſaͤtze herruͤhrt, aus welchen man denſelben gefol-
gert (§. 213. ſeqq.), ſo iſt es wiederum beſſer, die Vor-
derſaͤtze beyzubehalten. Man habe z. E.

¾ A ſind B.
alle C ſind ⅔ A.
alle C ½ ſind B.

So bieten ſich, um den Schlußſatz vollends gewiß zu
machen, verſchiedene Wege an. Einmal kann man ſe-
hen, ob die uͤbrigen ¼ A auch B ſind, und ob C die uͤbri-

gen
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[382/0388] V. Hauptſtuͤck. §. 219. Vornehmlich aber wird bey den Saͤtzen (¾ a + ¼ e) A ſind B. verſaͤumt, die Kennzeichen aufzuſuchen, woran ſich diejenigen A, die B ſind, von denen, die es nicht ſind, unterſcheiden laſſen. Bey dieſer Ver- ſaͤumniß aber kann man ſodann nicht anders, als nach folgender Art Schluͤſſe machen, dergleichen ſich leicht anbieten: (¾ a + ¼ e) A ſind B alle C ſind A alle C (¾ a + ¼ e) ſind B. Wobey der Schlußſatz ſchlechthin wahrſcheinlich bleibt. Die Lehre von der Gewißheit uͤberhaupt, und beſon- ders von der Gewißheit der Sinnen, giebt uns hie- von ein ſehr allgemeines und wichtiges Beyſpiel, weil man aus dem, daß uns die Sinnen zuweilen zum Jr- ren verleiten, den Schluß macht, daß die durch die Sin- nen erlangte und uͤberhaupt die ganze hiſtoriſche Er- kenntniß nur wahrſcheinlich ſey. Die Zweifler gien- gen noch weiter, und verwandelten das Wahrſchein- liche vollends ins Ungewiſſe. Carteſius ſcheint die- ſes Verſehen eingeſehen zu haben, weil es ihn veran- laßte, ein Criterium veritatis zu ſuchen. §. 220. Wenn die Wahrſcheinlichkeit und Unbe- ſtimmtheit eines Satzes aus den Mittelgliedern der Vorderſaͤtze herruͤhrt, aus welchen man denſelben gefol- gert (§. 213. ſeqq.), ſo iſt es wiederum beſſer, die Vor- derſaͤtze beyzubehalten. Man habe z. E. ¾ A ſind B. alle C ſind ⅔ A. alle C ½ ſind B. So bieten ſich, um den Schlußſatz vollends gewiß zu machen, verſchiedene Wege an. Einmal kann man ſe- hen, ob die uͤbrigen ¼ A auch B ſind, und ob C die uͤbri- gen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/388>, abgerufen am 23.11.2024.