bey. Und darinn besteht folglich der Jrrthum, den wir mit unterlaufen lassen, wenn wir die Sprache des Scheins für die wahre ansehen. Sehen wir sie aber als eine Aufhäufung von Metonymien und Metaphern an; so fällt dieser Jrrthum weg, weil wir in den Spra- chen solche Verwechslungen der Namen in Menge ha- ben. Und da ist es genug, daß wir sie als solche er- kennen.
§. 91. Aus allem bisher gesagten erhellet, daß die Körperwelt sich uns in allewege nur nach ihrem Schein zeigt. Denn auch die wenigen Fälle, wobey Wahrheit und Schein zusammentrifft (§. 83.), sind auch von der Art, daß wir diese Uebereinstimmung beweisen müssen. Man hat daher in der Astronomie längst schon die Sorgfalt gehabt, die Beobachtungen und Erfahrungen in der Sprache des Scheins vorzutragen, um nicht das, so man wirklich erfahren oder beobachtet hat, mit den daraus gezogenen Schlüssen zu vermengen. Diese Regel wird auch in der Versuchkunst vorgeschrieben, und sollte, wenn man genau gehen will, bey jeden Erfahrungen, Beobachtungen und Versuchen gebraucht werden. Jhre Ausübung, und die Vorschriften dazu, machen einen be- trächtlichen Theil der transcendenten Perspective aus, wovon wir oben (§. 4.) den Begriff gegeben ha- ben. Hier haben wir sie nur noch in Absicht auf die Sinnen zu betrachten, und werden daher nach dem, so wir schon in dem achten Hauptstücke der Dianoiologie angebracht haben, noch folgende Anmerkung darüber machen.
§. 92. Einmal ist es bey denen (§. 85.) angeführ- ten Begriffen der zweyten Classe leichter, die Erfahrun- gen, Beobachtungen und Versuche genau in der Spra- che des Scheins vorzutragen, weil die scheinbare Aus- dehnung und Bewegung nicht nur in die Augen fällt, sondern ausgemessen, und folglich nach aller Schärfe
bestimmt
Lamb. Organon II B. S
Von dem ſinnlichen Schein.
bey. Und darinn beſteht folglich der Jrrthum, den wir mit unterlaufen laſſen, wenn wir die Sprache des Scheins fuͤr die wahre anſehen. Sehen wir ſie aber als eine Aufhaͤufung von Metonymien und Metaphern an; ſo faͤllt dieſer Jrrthum weg, weil wir in den Spra- chen ſolche Verwechslungen der Namen in Menge ha- ben. Und da iſt es genug, daß wir ſie als ſolche er- kennen.
§. 91. Aus allem bisher geſagten erhellet, daß die Koͤrperwelt ſich uns in allewege nur nach ihrem Schein zeigt. Denn auch die wenigen Faͤlle, wobey Wahrheit und Schein zuſammentrifft (§. 83.), ſind auch von der Art, daß wir dieſe Uebereinſtimmung beweiſen muͤſſen. Man hat daher in der Aſtronomie laͤngſt ſchon die Sorgfalt gehabt, die Beobachtungen und Erfahrungen in der Sprache des Scheins vorzutragen, um nicht das, ſo man wirklich erfahren oder beobachtet hat, mit den daraus gezogenen Schluͤſſen zu vermengen. Dieſe Regel wird auch in der Verſuchkunſt vorgeſchrieben, und ſollte, wenn man genau gehen will, bey jeden Erfahrungen, Beobachtungen und Verſuchen gebraucht werden. Jhre Ausuͤbung, und die Vorſchriften dazu, machen einen be- traͤchtlichen Theil der tranſcendenten Perſpective aus, wovon wir oben (§. 4.) den Begriff gegeben ha- ben. Hier haben wir ſie nur noch in Abſicht auf die Sinnen zu betrachten, und werden daher nach dem, ſo wir ſchon in dem achten Hauptſtuͤcke der Dianoiologie angebracht haben, noch folgende Anmerkung daruͤber machen.
§. 92. Einmal iſt es bey denen (§. 85.) angefuͤhr- ten Begriffen der zweyten Claſſe leichter, die Erfahrun- gen, Beobachtungen und Verſuche genau in der Spra- che des Scheins vorzutragen, weil die ſcheinbare Aus- dehnung und Bewegung nicht nur in die Augen faͤllt, ſondern ausgemeſſen, und folglich nach aller Schaͤrfe
beſtimmt
Lamb. Organon II B. S
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Von dem ſinnlichen Schein.
bey. Und darinn beſteht folglich der Jrrthum, den wir
mit unterlaufen laſſen, wenn wir die Sprache des
Scheins fuͤr die wahre anſehen. Sehen wir ſie aber
als eine Aufhaͤufung von Metonymien und Metaphern
an; ſo faͤllt dieſer Jrrthum weg, weil wir in den Spra-
chen ſolche Verwechslungen der Namen in Menge ha-
ben. Und da iſt es genug, daß wir ſie als ſolche er-
kennen.
§. 91. Aus allem bisher geſagten erhellet, daß die
Koͤrperwelt ſich uns in allewege nur nach ihrem Schein
zeigt. Denn auch die wenigen Faͤlle, wobey Wahrheit
und Schein zuſammentrifft (§. 83.), ſind auch von der
Art, daß wir dieſe Uebereinſtimmung beweiſen muͤſſen.
Man hat daher in der Aſtronomie laͤngſt ſchon die
Sorgfalt gehabt, die Beobachtungen und Erfahrungen
in der Sprache des Scheins vorzutragen, um nicht das,
ſo man wirklich erfahren oder beobachtet hat, mit den
daraus gezogenen Schluͤſſen zu vermengen. Dieſe Regel
wird auch in der Verſuchkunſt vorgeſchrieben, und ſollte,
wenn man genau gehen will, bey jeden Erfahrungen,
Beobachtungen und Verſuchen gebraucht werden. Jhre
Ausuͤbung, und die Vorſchriften dazu, machen einen be-
traͤchtlichen Theil der tranſcendenten Perſpective
aus, wovon wir oben (§. 4.) den Begriff gegeben ha-
ben. Hier haben wir ſie nur noch in Abſicht auf die
Sinnen zu betrachten, und werden daher nach dem, ſo
wir ſchon in dem achten Hauptſtuͤcke der Dianoiologie
angebracht haben, noch folgende Anmerkung daruͤber
machen.
§. 92. Einmal iſt es bey denen (§. 85.) angefuͤhr-
ten Begriffen der zweyten Claſſe leichter, die Erfahrun-
gen, Beobachtungen und Verſuche genau in der Spra-
che des Scheins vorzutragen, weil die ſcheinbare Aus-
dehnung und Bewegung nicht nur in die Augen faͤllt,
ſondern ausgemeſſen, und folglich nach aller Schaͤrfe
beſtimmt
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/279>, abgerufen am 16.06.2024.
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