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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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X. Hauptstück.
Klarheit in der Vorstellung größtentheils weg, und sie
geben häufigern Anlaß zu Wortstreiten. Sie können auch
nicht so unmittelbar durch genau passende sinnliche Bilder
aufgeklärt werden, und der Beweis, daß der Umfang des
dadurch vorgestellten Begriffes richtig bestimmt sey, und
nichts Willkührliches babe, ist nicht immer so leicht.

§. 346. Bey dieser dritten Classe haben wir gleich-
sam nur Worte und Begriffe gegen einander zu halten,
weil wir setzen, daß die Sache entweder nicht im Gan-
zen oder auch gar nicht vorgezeigt werden könne, son-
dern schlechthin ideal sey, wohin überhaupt alle allge-
meinere Verhältnißbegriffe können gerechnet werden
(Dianoiol. §. 476. seqq.). Um nun die dabey vorfal-
lenden Schwierigkeiten zu entwickeln, so werden wir die
einzeln Fälle umständlicher auseinander setzen. Und
da findet sich gleich anfangs der Unterschied, ob man
den Begriff nach dem Wort einrichtet, oder ob man
das Wort zu dem Begriffe wählt? Von diesen zween
Fällen kömmt der letztere gemeiniglich vor, wo jemand
auf einen neuen Begriff verfällt, der besonders benennt
zu werden würdig scheint. Dieser Fall kann aber auch
vorkommen, wo der Begriff nicht neu ist, sondern nur
dem Nachsinnenden neu scheint, dabey aber bereits un-
ter einem andern Namen bekannt seyn kann. Letzteres
kann allerdings zu Wortstreiten Anlaß geben, wo man
endlich findet, man habe unter verschiedenen Namen
einerley Begriffe verstanden. Was aber vorzüglich
hierüber anzumerken ist, kömmt auf die Auswahl des
Namens an. Hiezu nimmt man nun nicht Wurzel-
wörter, die noch gar nichts anders bedeuten, sondern
entweder abgeleitete, oder zusammengesetzte oder meta-
phorische Wörter, und da geschieht es selten, daß diese
Wörter den vorhabenden Begriff genau ausdrücken,
und andere können mehr oder minder darunter verste-
hen. Was nun der Erfinder des Begriffes hiebey zu
thun hat, um Wortstreite zu vermeiden, ist, daß er durch

eine

X. Hauptſtuͤck.
Klarheit in der Vorſtellung groͤßtentheils weg, und ſie
geben haͤufigern Anlaß zu Wortſtreiten. Sie koͤnnen auch
nicht ſo unmittelbar durch genau paſſende ſinnliche Bilder
aufgeklaͤrt werden, und der Beweis, daß der Umfang des
dadurch vorgeſtellten Begriffes richtig beſtimmt ſey, und
nichts Willkuͤhrliches babe, iſt nicht immer ſo leicht.

§. 346. Bey dieſer dritten Claſſe haben wir gleich-
ſam nur Worte und Begriffe gegen einander zu halten,
weil wir ſetzen, daß die Sache entweder nicht im Gan-
zen oder auch gar nicht vorgezeigt werden koͤnne, ſon-
dern ſchlechthin ideal ſey, wohin uͤberhaupt alle allge-
meinere Verhaͤltnißbegriffe koͤnnen gerechnet werden
(Dianoiol. §. 476. ſeqq.). Um nun die dabey vorfal-
lenden Schwierigkeiten zu entwickeln, ſo werden wir die
einzeln Faͤlle umſtaͤndlicher auseinander ſetzen. Und
da findet ſich gleich anfangs der Unterſchied, ob man
den Begriff nach dem Wort einrichtet, oder ob man
das Wort zu dem Begriffe waͤhlt? Von dieſen zween
Faͤllen koͤmmt der letztere gemeiniglich vor, wo jemand
auf einen neuen Begriff verfaͤllt, der beſonders benennt
zu werden wuͤrdig ſcheint. Dieſer Fall kann aber auch
vorkommen, wo der Begriff nicht neu iſt, ſondern nur
dem Nachſinnenden neu ſcheint, dabey aber bereits un-
ter einem andern Namen bekannt ſeyn kann. Letzteres
kann allerdings zu Wortſtreiten Anlaß geben, wo man
endlich findet, man habe unter verſchiedenen Namen
einerley Begriffe verſtanden. Was aber vorzuͤglich
hieruͤber anzumerken iſt, koͤmmt auf die Auswahl des
Namens an. Hiezu nimmt man nun nicht Wurzel-
woͤrter, die noch gar nichts anders bedeuten, ſondern
entweder abgeleitete, oder zuſammengeſetzte oder meta-
phoriſche Woͤrter, und da geſchieht es ſelten, daß dieſe
Woͤrter den vorhabenden Begriff genau ausdruͤcken,
und andere koͤnnen mehr oder minder darunter verſte-
hen. Was nun der Erfinder des Begriffes hiebey zu
thun hat, um Wortſtreite zu vermeiden, iſt, daß er durch

eine
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[210/0216] X. Hauptſtuͤck. Klarheit in der Vorſtellung groͤßtentheils weg, und ſie geben haͤufigern Anlaß zu Wortſtreiten. Sie koͤnnen auch nicht ſo unmittelbar durch genau paſſende ſinnliche Bilder aufgeklaͤrt werden, und der Beweis, daß der Umfang des dadurch vorgeſtellten Begriffes richtig beſtimmt ſey, und nichts Willkuͤhrliches babe, iſt nicht immer ſo leicht. §. 346. Bey dieſer dritten Claſſe haben wir gleich- ſam nur Worte und Begriffe gegen einander zu halten, weil wir ſetzen, daß die Sache entweder nicht im Gan- zen oder auch gar nicht vorgezeigt werden koͤnne, ſon- dern ſchlechthin ideal ſey, wohin uͤberhaupt alle allge- meinere Verhaͤltnißbegriffe koͤnnen gerechnet werden (Dianoiol. §. 476. ſeqq.). Um nun die dabey vorfal- lenden Schwierigkeiten zu entwickeln, ſo werden wir die einzeln Faͤlle umſtaͤndlicher auseinander ſetzen. Und da findet ſich gleich anfangs der Unterſchied, ob man den Begriff nach dem Wort einrichtet, oder ob man das Wort zu dem Begriffe waͤhlt? Von dieſen zween Faͤllen koͤmmt der letztere gemeiniglich vor, wo jemand auf einen neuen Begriff verfaͤllt, der beſonders benennt zu werden wuͤrdig ſcheint. Dieſer Fall kann aber auch vorkommen, wo der Begriff nicht neu iſt, ſondern nur dem Nachſinnenden neu ſcheint, dabey aber bereits un- ter einem andern Namen bekannt ſeyn kann. Letzteres kann allerdings zu Wortſtreiten Anlaß geben, wo man endlich findet, man habe unter verſchiedenen Namen einerley Begriffe verſtanden. Was aber vorzuͤglich hieruͤber anzumerken iſt, koͤmmt auf die Auswahl des Namens an. Hiezu nimmt man nun nicht Wurzel- woͤrter, die noch gar nichts anders bedeuten, ſondern entweder abgeleitete, oder zuſammengeſetzte oder meta- phoriſche Woͤrter, und da geſchieht es ſelten, daß dieſe Woͤrter den vorhabenden Begriff genau ausdruͤcken, und andere koͤnnen mehr oder minder darunter verſte- hen. Was nun der Erfinder des Begriffes hiebey zu thun hat, um Wortſtreite zu vermeiden, iſt, daß er durch eine

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/216>, abgerufen am 23.11.2024.