allerdings einen Theil der allgemeinen Verbindungs- kunst der Zeichen aus.
§. 275. Die Wortfügung beschäfftigt sich überhaupt mit zweyen Stücken. Einmal bestimmt sie die Ord- nung, in welcher die Wörter in einer Rede auf einander folgen sollen, und dieses geht sowohl auf die veränderlichen als unveränderlichen Redetheile. Sodann bestimmt sie in Absicht auf die veränderlichen Redetheile, dergleichen die Zeitwörter und Nennwör- ter sind, wie diese in jeder Rede verändert wer- den sollen.
§. 276. Der häufige Unterschied, der sich hiebey in den wirklichen Sprachen äußert, und für jede eine ihr eigene Syntaxe fordert, zeigt überhaupt das viele Will- kührliche in denselben an, weil bald jede Sprache eine besondere Ordnung und Construction ihrer Wör- ter und Redensarten hat. Da wir aber hier eben so- wohl auf das Mögliche als auf das Wirkliche in der Sprache sehen, so werden wir uns auch an den beson- deren Anomalien der wirklichen Sprachen nicht viel aufhalten, sondern vielmehr untersuchen, was die Syn- taxe seyn sollte, und seyn würde, wenn die Sprachen wissenschaftlicher wären.
§. 277. Zu diesem Ende können wir aus dem §. 23. wiederholen, daß die Theorie wissenschaftlicher Zeichen mit der Theorie der Sache selbst solle können verwechselt werden. Von dieser Regel erfüllen die wirklichen Sprachen in so ferne die Hälfte, als wir Wörter und Redensarten haben, eine jede Wahr- heit, die wir denken oder empfinden, auf eine nette und bestimmte Art auszudrücken. Die Möglichkeit hierinn geht auch nicht viel weiter, als so fern wir Wörter ha- ben, weil wir in Ansehung anderer Zeichen noch zu viel zurücke bleiben. Es giebt demnach, in Absicht auf die
Wahr-
VIII. Hauptſtuͤck.
allerdings einen Theil der allgemeinen Verbindungs- kunſt der Zeichen aus.
§. 275. Die Wortfuͤgung beſchaͤfftigt ſich uͤberhaupt mit zweyen Stuͤcken. Einmal beſtimmt ſie die Ord- nung, in welcher die Woͤrter in einer Rede auf einander folgen ſollen, und dieſes geht ſowohl auf die veraͤnderlichen als unveraͤnderlichen Redetheile. Sodann beſtimmt ſie in Abſicht auf die veraͤnderlichen Redetheile, dergleichen die Zeitwoͤrter und Nennwoͤr- ter ſind, wie dieſe in jeder Rede veraͤndert wer- den ſollen.
§. 276. Der haͤufige Unterſchied, der ſich hiebey in den wirklichen Sprachen aͤußert, und fuͤr jede eine ihr eigene Syntaxe fordert, zeigt uͤberhaupt das viele Will- kuͤhrliche in denſelben an, weil bald jede Sprache eine beſondere Ordnung und Conſtruction ihrer Woͤr- ter und Redensarten hat. Da wir aber hier eben ſo- wohl auf das Moͤgliche als auf das Wirkliche in der Sprache ſehen, ſo werden wir uns auch an den beſon- deren Anomalien der wirklichen Sprachen nicht viel aufhalten, ſondern vielmehr unterſuchen, was die Syn- taxe ſeyn ſollte, und ſeyn wuͤrde, wenn die Sprachen wiſſenſchaftlicher waͤren.
§. 277. Zu dieſem Ende koͤnnen wir aus dem §. 23. wiederholen, daß die Theorie wiſſenſchaftlicher Zeichen mit der Theorie der Sache ſelbſt ſolle koͤnnen verwechſelt werden. Von dieſer Regel erfuͤllen die wirklichen Sprachen in ſo ferne die Haͤlfte, als wir Woͤrter und Redensarten haben, eine jede Wahr- heit, die wir denken oder empfinden, auf eine nette und beſtimmte Art auszudruͤcken. Die Moͤglichkeit hierinn geht auch nicht viel weiter, als ſo fern wir Woͤrter ha- ben, weil wir in Anſehung anderer Zeichen noch zu viel zuruͤcke bleiben. Es giebt demnach, in Abſicht auf die
Wahr-
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VIII. Hauptſtuͤck.
allerdings einen Theil der allgemeinen Verbindungs-
kunſt der Zeichen aus.
§. 275. Die Wortfuͤgung beſchaͤfftigt ſich uͤberhaupt
mit zweyen Stuͤcken. Einmal beſtimmt ſie die Ord-
nung, in welcher die Woͤrter in einer Rede auf
einander folgen ſollen, und dieſes geht ſowohl auf
die veraͤnderlichen als unveraͤnderlichen Redetheile.
Sodann beſtimmt ſie in Abſicht auf die veraͤnderlichen
Redetheile, dergleichen die Zeitwoͤrter und Nennwoͤr-
ter ſind, wie dieſe in jeder Rede veraͤndert wer-
den ſollen.
§. 276. Der haͤufige Unterſchied, der ſich hiebey in
den wirklichen Sprachen aͤußert, und fuͤr jede eine ihr
eigene Syntaxe fordert, zeigt uͤberhaupt das viele Will-
kuͤhrliche in denſelben an, weil bald jede Sprache eine
beſondere Ordnung und Conſtruction ihrer Woͤr-
ter und Redensarten hat. Da wir aber hier eben ſo-
wohl auf das Moͤgliche als auf das Wirkliche in der
Sprache ſehen, ſo werden wir uns auch an den beſon-
deren Anomalien der wirklichen Sprachen nicht viel
aufhalten, ſondern vielmehr unterſuchen, was die Syn-
taxe ſeyn ſollte, und ſeyn wuͤrde, wenn die Sprachen
wiſſenſchaftlicher waͤren.
§. 277. Zu dieſem Ende koͤnnen wir aus dem §. 23.
wiederholen, daß die Theorie wiſſenſchaftlicher
Zeichen mit der Theorie der Sache ſelbſt ſolle
koͤnnen verwechſelt werden. Von dieſer Regel
erfuͤllen die wirklichen Sprachen in ſo ferne die Haͤlfte,
als wir Woͤrter und Redensarten haben, eine jede Wahr-
heit, die wir denken oder empfinden, auf eine nette und
beſtimmte Art auszudruͤcken. Die Moͤglichkeit hierinn
geht auch nicht viel weiter, als ſo fern wir Woͤrter ha-
ben, weil wir in Anſehung anderer Zeichen noch zu viel
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/172>, abgerufen am 03.12.2024.
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