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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von der Wortforschung.
aber sich diese Mühe nicht nimmt, oder anderer Bestim-
mungen solcher Begriffe gewohnt ist, der wird das gan-
ze System sehr leicht, und öfters mehr als es verdiente,
einer Verwirrung, Dunkelheit oder leeren Wortkrams
beschuldigen (§. 194.). Die sogenannten Kunstwörter,
Termini technici, welche nicht durch Vorlegung der
Sache, sondern höchstens nur durch Worterklärungen
können bestimmt werden, und deren die Schulphiloso-
phie voll war, sind dieser Aenderung und den daraus
entstehenden Folgen vorzüglich unterworfen. Man ge-
braucht sie als Abkürzungen statt der Definitionen, und
in so ferne dienen sie dem, der sich daran gewöhnt hat.
Jn Ansehung anderer werden sie öfters füglicher und
mit Vermeidung vieler Wortstreite weggelassen, und
die Definitionen an deren statt gebraucht. Wir ma-
chen hier diese Anmerkung, weil sie zugleich zeigt, daß
die Etymologie diesen Schwierigkeiten wenig oder gar
nicht abhilft, nachdem sie einmal da sind. Sie giebt
nur einen Theil des Begriffes, oder auch nur einen
ähnlichen Begriff, an, die Schwierigkeiten aber betref-
fen den Begriff selbst und dessen Umfang.

§. 268. Die Etymologie giebt an sich nur den
buchstäblichen Verstand der abgeleiteten Worte, so fern
er durch den Begriff des Wurzelwortes und der Ablei-
tungstheilchen bestimmt werden kann. Der Gebrauch
zu reden verursacht aber öfters, daß das abgeleitete
Wort in seinem buchstäblichen Verstande nicht vor-
kömmt, oder längst schon in Abgang gekommen. Er-
steres kann sich auf verschiedene Arten zutragen. Denn
einmal ist es möglich, daß der, so das abgeleitete Wort
zuerst aufgebracht hat, von dem Wurzelwort, oder von
der Ableitungsart, oder endlich auch von der Sache, die
er damit benennte, irrige Begriffe hatte. Jn allen die-
sen Fällen bleibt die Etymologie ohne Gebrauch (§.
259.). Sodann ist es auch möglich, daß das abgeleitete

Wort
Lamb. Organon II B. L

Von der Wortforſchung.
aber ſich dieſe Muͤhe nicht nimmt, oder anderer Beſtim-
mungen ſolcher Begriffe gewohnt iſt, der wird das gan-
ze Syſtem ſehr leicht, und oͤfters mehr als es verdiente,
einer Verwirrung, Dunkelheit oder leeren Wortkrams
beſchuldigen (§. 194.). Die ſogenannten Kunſtwoͤrter,
Termini technici, welche nicht durch Vorlegung der
Sache, ſondern hoͤchſtens nur durch Worterklaͤrungen
koͤnnen beſtimmt werden, und deren die Schulphiloſo-
phie voll war, ſind dieſer Aenderung und den daraus
entſtehenden Folgen vorzuͤglich unterworfen. Man ge-
braucht ſie als Abkuͤrzungen ſtatt der Definitionen, und
in ſo ferne dienen ſie dem, der ſich daran gewoͤhnt hat.
Jn Anſehung anderer werden ſie oͤfters fuͤglicher und
mit Vermeidung vieler Wortſtreite weggelaſſen, und
die Definitionen an deren ſtatt gebraucht. Wir ma-
chen hier dieſe Anmerkung, weil ſie zugleich zeigt, daß
die Etymologie dieſen Schwierigkeiten wenig oder gar
nicht abhilft, nachdem ſie einmal da ſind. Sie giebt
nur einen Theil des Begriffes, oder auch nur einen
aͤhnlichen Begriff, an, die Schwierigkeiten aber betref-
fen den Begriff ſelbſt und deſſen Umfang.

§. 268. Die Etymologie giebt an ſich nur den
buchſtaͤblichen Verſtand der abgeleiteten Worte, ſo fern
er durch den Begriff des Wurzelwortes und der Ablei-
tungstheilchen beſtimmt werden kann. Der Gebrauch
zu reden verurſacht aber oͤfters, daß das abgeleitete
Wort in ſeinem buchſtaͤblichen Verſtande nicht vor-
koͤmmt, oder laͤngſt ſchon in Abgang gekommen. Er-
ſteres kann ſich auf verſchiedene Arten zutragen. Denn
einmal iſt es moͤglich, daß der, ſo das abgeleitete Wort
zuerſt aufgebracht hat, von dem Wurzelwort, oder von
der Ableitungsart, oder endlich auch von der Sache, die
er damit benennte, irrige Begriffe hatte. Jn allen die-
ſen Faͤllen bleibt die Etymologie ohne Gebrauch (§.
259.). Sodann iſt es auch moͤglich, daß das abgeleitete

Wort
Lamb. Organon II B. L
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[161/0167] Von der Wortforſchung. aber ſich dieſe Muͤhe nicht nimmt, oder anderer Beſtim- mungen ſolcher Begriffe gewohnt iſt, der wird das gan- ze Syſtem ſehr leicht, und oͤfters mehr als es verdiente, einer Verwirrung, Dunkelheit oder leeren Wortkrams beſchuldigen (§. 194.). Die ſogenannten Kunſtwoͤrter, Termini technici, welche nicht durch Vorlegung der Sache, ſondern hoͤchſtens nur durch Worterklaͤrungen koͤnnen beſtimmt werden, und deren die Schulphiloſo- phie voll war, ſind dieſer Aenderung und den daraus entſtehenden Folgen vorzuͤglich unterworfen. Man ge- braucht ſie als Abkuͤrzungen ſtatt der Definitionen, und in ſo ferne dienen ſie dem, der ſich daran gewoͤhnt hat. Jn Anſehung anderer werden ſie oͤfters fuͤglicher und mit Vermeidung vieler Wortſtreite weggelaſſen, und die Definitionen an deren ſtatt gebraucht. Wir ma- chen hier dieſe Anmerkung, weil ſie zugleich zeigt, daß die Etymologie dieſen Schwierigkeiten wenig oder gar nicht abhilft, nachdem ſie einmal da ſind. Sie giebt nur einen Theil des Begriffes, oder auch nur einen aͤhnlichen Begriff, an, die Schwierigkeiten aber betref- fen den Begriff ſelbſt und deſſen Umfang. §. 268. Die Etymologie giebt an ſich nur den buchſtaͤblichen Verſtand der abgeleiteten Worte, ſo fern er durch den Begriff des Wurzelwortes und der Ablei- tungstheilchen beſtimmt werden kann. Der Gebrauch zu reden verurſacht aber oͤfters, daß das abgeleitete Wort in ſeinem buchſtaͤblichen Verſtande nicht vor- koͤmmt, oder laͤngſt ſchon in Abgang gekommen. Er- ſteres kann ſich auf verſchiedene Arten zutragen. Denn einmal iſt es moͤglich, daß der, ſo das abgeleitete Wort zuerſt aufgebracht hat, von dem Wurzelwort, oder von der Ableitungsart, oder endlich auch von der Sache, die er damit benennte, irrige Begriffe hatte. Jn allen die- ſen Faͤllen bleibt die Etymologie ohne Gebrauch (§. 259.). Sodann iſt es auch moͤglich, daß das abgeleitete Wort Lamb. Organon II B. L

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/167>, abgerufen am 23.11.2024.