eine Bedeutung hätten, aus welcher sich nebst der Be- deutung eines jeden Vorworts, diejenige Fallendung ein für allemal bestimmen ließe, die es erfordert. Ei- ne Vollkommenheit, die die Sprachen noch in meh- rern Stücken haben sollten, um wissenschaftlich zu seyn. (§. 157.)
§. 210. So ordentlich sind aber die wirklichen Spra- chen nicht, und sie zeigen hierinn mehr als eine Abwei- chung von dieser Vollkommenheit. Jhre Lücken in Ab- sicht auf die Bedeutung und Anzahl der Fallendungen, haben wir schon oben (§. 178. seqq.) angezeigt, ohne noch auf ihre Verhältniß zu den Vorwörtern oder Präpositionen zu sehen. Diese Verhältniß aber hat in den wirklichen Sprachen wenig oder gar nichts Meta- physisches. Denn wenn wir sie unter einander verglei- chen, so findet sich, daß einerley Vorwörter in verschie- denen Sprachen verschiedene Fallendungen fordern, und daß in einigen Sprachen Vorwörter wegbleiben, die man in den andern mitnimmt. So z. E. haben die Lateiner nur Vorwörter für die vierte und sechste Fallendung, daferne man nicht einige Jnterjectionen, als: O Meliboee! Hei mihi! Vae misero! und ei- nige Nennwörter, als: vi dicti, etc. oder auch einige Aduerbia, als: ubi gentium, etc. darunter rechnen will. Jm Deutschen geben wir propter ea, durch deswe- gen;cis, ultra montem, durch dießeits, jenseits des Berges;ante me, durch vor mit etc. verbo, durch mit einem Wort;forma excellens, durch von ansehnlicher Gestalt etc. Alles dieses macht, daß man in jeder Sprache besonders erlernen muß, wo Präpositionen nöthig sind, und welche Fallendungen sie regieren. Es zeigt aber auch, daß das meiste dabey willkührlich ist. Und da die Fallendungen entweder für sich schon den Begriff der Präposition in sich schlies- sen könnten, wie im Lateinischen öfters der Ablatiuus,
oder
Von den unveraͤnderlichen Redetheilen.
eine Bedeutung haͤtten, aus welcher ſich nebſt der Be- deutung eines jeden Vorworts, diejenige Fallendung ein fuͤr allemal beſtimmen ließe, die es erfordert. Ei- ne Vollkommenheit, die die Sprachen noch in meh- rern Stuͤcken haben ſollten, um wiſſenſchaftlich zu ſeyn. (§. 157.)
§. 210. So ordentlich ſind aber die wirklichen Spra- chen nicht, und ſie zeigen hierinn mehr als eine Abwei- chung von dieſer Vollkommenheit. Jhre Luͤcken in Ab- ſicht auf die Bedeutung und Anzahl der Fallendungen, haben wir ſchon oben (§. 178. ſeqq.) angezeigt, ohne noch auf ihre Verhaͤltniß zu den Vorwoͤrtern oder Praͤpoſitionen zu ſehen. Dieſe Verhaͤltniß aber hat in den wirklichen Sprachen wenig oder gar nichts Meta- phyſiſches. Denn wenn wir ſie unter einander verglei- chen, ſo findet ſich, daß einerley Vorwoͤrter in verſchie- denen Sprachen verſchiedene Fallendungen fordern, und daß in einigen Sprachen Vorwoͤrter wegbleiben, die man in den andern mitnimmt. So z. E. haben die Lateiner nur Vorwoͤrter fuͤr die vierte und ſechſte Fallendung, daferne man nicht einige Jnterjectionen, als: O Meliboee! Hei mihi! Vae miſero! und ei- nige Nennwoͤrter, als: vi dicti, ꝛc. oder auch einige Aduerbia, als: ubi gentium, ꝛc. darunter rechnen will. Jm Deutſchen geben wir propter ea, durch deswe- gen;cis, ultra montem, durch dießeits, jenſeits des Berges;ante me, durch vor mit ꝛc. verbo, durch mit einem Wort;forma excellens, durch von anſehnlicher Geſtalt ꝛc. Alles dieſes macht, daß man in jeder Sprache beſonders erlernen muß, wo Praͤpoſitionen noͤthig ſind, und welche Fallendungen ſie regieren. Es zeigt aber auch, daß das meiſte dabey willkuͤhrlich iſt. Und da die Fallendungen entweder fuͤr ſich ſchon den Begriff der Praͤpoſition in ſich ſchlieſ- ſen koͤnnten, wie im Lateiniſchen oͤfters der Ablatiuus,
oder
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Von den unveraͤnderlichen Redetheilen.
eine Bedeutung haͤtten, aus welcher ſich nebſt der Be-
deutung eines jeden Vorworts, diejenige Fallendung
ein fuͤr allemal beſtimmen ließe, die es erfordert. Ei-
ne Vollkommenheit, die die Sprachen noch in meh-
rern Stuͤcken haben ſollten, um wiſſenſchaftlich zu ſeyn.
(§. 157.)
§. 210. So ordentlich ſind aber die wirklichen Spra-
chen nicht, und ſie zeigen hierinn mehr als eine Abwei-
chung von dieſer Vollkommenheit. Jhre Luͤcken in Ab-
ſicht auf die Bedeutung und Anzahl der Fallendungen,
haben wir ſchon oben (§. 178. ſeqq.) angezeigt, ohne
noch auf ihre Verhaͤltniß zu den Vorwoͤrtern oder
Praͤpoſitionen zu ſehen. Dieſe Verhaͤltniß aber hat in
den wirklichen Sprachen wenig oder gar nichts Meta-
phyſiſches. Denn wenn wir ſie unter einander verglei-
chen, ſo findet ſich, daß einerley Vorwoͤrter in verſchie-
denen Sprachen verſchiedene Fallendungen fordern,
und daß in einigen Sprachen Vorwoͤrter wegbleiben,
die man in den andern mitnimmt. So z. E. haben
die Lateiner nur Vorwoͤrter fuͤr die vierte und ſechſte
Fallendung, daferne man nicht einige Jnterjectionen,
als: O Meliboee! Hei mihi! Vae miſero! und ei-
nige Nennwoͤrter, als: vi dicti, ꝛc. oder auch einige
Aduerbia, als: ubi gentium, ꝛc. darunter rechnen will.
Jm Deutſchen geben wir propter ea, durch deswe-
gen;cis, ultra montem, durch dießeits, jenſeits
des Berges;ante me, durch vor mit ꝛc. verbo,
durch mit einem Wort;forma excellens, durch
von anſehnlicher Geſtalt ꝛc. Alles dieſes macht,
daß man in jeder Sprache beſonders erlernen muß, wo
Praͤpoſitionen noͤthig ſind, und welche Fallendungen ſie
regieren. Es zeigt aber auch, daß das meiſte dabey
willkuͤhrlich iſt. Und da die Fallendungen entweder
fuͤr ſich ſchon den Begriff der Praͤpoſition in ſich ſchlieſ-
ſen koͤnnten, wie im Lateiniſchen oͤfters der Ablatiuus,
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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