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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von den Eintheilungen.
überhaupt vorstellen, so fällt hier das meiste in dem
Bilde weg, worinn die Partes integrantes der Arten
völlig von einander verschieden sind, oder man stellt
sich, ohne daran zu gedenken, statt der Gattung, nur
eine, oder nach einander etliche Arten vor. Hierinn
hat aber die Mathematik nicht viel voraus, weil ihre
Begriffe und Formeln mehrentheils auch auf einzelnere
Fälle gehen.

§. 112.

Die erstbetrachteten Bilder der Dinge, womit
die Einbildungskraft den Begriffen zu statten kömmt,
sind noch alles Bilder der Dinge selbst, wie sie in
die Sinne fallen. Sie erschöpfen daher den Reich-
thum unsrer Begriffe noch lange nicht, und besonders
bleiben sie bey abstracten Begriffen zurück. Jn-
dessen haben wir allerdings auch von diesen Begriffen
eine confuse Vorstellung und innere Empfindung der
Merkmaale, die wir in jeden Jndividualfällen gefun-
den, und die wir lange nicht alle deutlich aus einan-
dersetzen und mit Worten ausdrücken können. Die
Begriffe, Bescheidenheit, Mitleiden, Billigkeit,
Hoffnung, Ursach, Grund etc.
mögen zum Bey-
spiele dienen. Die Partes integrantes sind in solchen
Begriffen von einer ganz andern Art, als bey körper-
lichen Dingen, und lassen sich nicht so leicht her-
zählen, ungeachtet wir gewisser Maaßen eine innere
Empfindung davon haben, und zwar um desto mehr
und vollständiger, je bekannter und geläufiger uns
der Begriff ist. Es geschieht daher, daß, wo in einem
vorgegebenen Fall ein solcher Begriff nicht vollständig
vorkömmt, wir etwann wohl bemerken können, daß
etwas dabey fehle, ohne jedoch das Mangelnde im-
mer anzeigen zu können. Man kann hieraus sehen,
daß, wenn wir einen allgemeinen Begriff durch viele

und
E 4

von den Eintheilungen.
uͤberhaupt vorſtellen, ſo faͤllt hier das meiſte in dem
Bilde weg, worinn die Partes integrantes der Arten
voͤllig von einander verſchieden ſind, oder man ſtellt
ſich, ohne daran zu gedenken, ſtatt der Gattung, nur
eine, oder nach einander etliche Arten vor. Hierinn
hat aber die Mathematik nicht viel voraus, weil ihre
Begriffe und Formeln mehrentheils auch auf einzelnere
Faͤlle gehen.

§. 112.

Die erſtbetrachteten Bilder der Dinge, womit
die Einbildungskraft den Begriffen zu ſtatten koͤmmt,
ſind noch alles Bilder der Dinge ſelbſt, wie ſie in
die Sinne fallen. Sie erſchoͤpfen daher den Reich-
thum unſrer Begriffe noch lange nicht, und beſonders
bleiben ſie bey abſtracten Begriffen zuruͤck. Jn-
deſſen haben wir allerdings auch von dieſen Begriffen
eine confuſe Vorſtellung und innere Empfindung der
Merkmaale, die wir in jeden Jndividualfaͤllen gefun-
den, und die wir lange nicht alle deutlich aus einan-
derſetzen und mit Worten ausdruͤcken koͤnnen. Die
Begriffe, Beſcheidenheit, Mitleiden, Billigkeit,
Hoffnung, Urſach, Grund ꝛc.
moͤgen zum Bey-
ſpiele dienen. Die Partes integrantes ſind in ſolchen
Begriffen von einer ganz andern Art, als bey koͤrper-
lichen Dingen, und laſſen ſich nicht ſo leicht her-
zaͤhlen, ungeachtet wir gewiſſer Maaßen eine innere
Empfindung davon haben, und zwar um deſto mehr
und vollſtaͤndiger, je bekannter und gelaͤufiger uns
der Begriff iſt. Es geſchieht daher, daß, wo in einem
vorgegebenen Fall ein ſolcher Begriff nicht vollſtaͤndig
vorkoͤmmt, wir etwann wohl bemerken koͤnnen, daß
etwas dabey fehle, ohne jedoch das Mangelnde im-
mer anzeigen zu koͤnnen. Man kann hieraus ſehen,
daß, wenn wir einen allgemeinen Begriff durch viele

und
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[71/0093] von den Eintheilungen. uͤberhaupt vorſtellen, ſo faͤllt hier das meiſte in dem Bilde weg, worinn die Partes integrantes der Arten voͤllig von einander verſchieden ſind, oder man ſtellt ſich, ohne daran zu gedenken, ſtatt der Gattung, nur eine, oder nach einander etliche Arten vor. Hierinn hat aber die Mathematik nicht viel voraus, weil ihre Begriffe und Formeln mehrentheils auch auf einzelnere Faͤlle gehen. §. 112. Die erſtbetrachteten Bilder der Dinge, womit die Einbildungskraft den Begriffen zu ſtatten koͤmmt, ſind noch alles Bilder der Dinge ſelbſt, wie ſie in die Sinne fallen. Sie erſchoͤpfen daher den Reich- thum unſrer Begriffe noch lange nicht, und beſonders bleiben ſie bey abſtracten Begriffen zuruͤck. Jn- deſſen haben wir allerdings auch von dieſen Begriffen eine confuſe Vorſtellung und innere Empfindung der Merkmaale, die wir in jeden Jndividualfaͤllen gefun- den, und die wir lange nicht alle deutlich aus einan- derſetzen und mit Worten ausdruͤcken koͤnnen. Die Begriffe, Beſcheidenheit, Mitleiden, Billigkeit, Hoffnung, Urſach, Grund ꝛc. moͤgen zum Bey- ſpiele dienen. Die Partes integrantes ſind in ſolchen Begriffen von einer ganz andern Art, als bey koͤrper- lichen Dingen, und laſſen ſich nicht ſo leicht her- zaͤhlen, ungeachtet wir gewiſſer Maaßen eine innere Empfindung davon haben, und zwar um deſto mehr und vollſtaͤndiger, je bekannter und gelaͤufiger uns der Begriff iſt. Es geſchieht daher, daß, wo in einem vorgegebenen Fall ein ſolcher Begriff nicht vollſtaͤndig vorkoͤmmt, wir etwann wohl bemerken koͤnnen, daß etwas dabey fehle, ohne jedoch das Mangelnde im- mer anzeigen zu koͤnnen. Man kann hieraus ſehen, daß, wenn wir einen allgemeinen Begriff durch viele und E 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/93>, abgerufen am 23.11.2024.