Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Hauptstück,
noch alle das besonders, daß man bey der Sache selbst
anfängt, und dieselbe als bekannt und möglich oder
als existirend voraussetzt. Das neue darinn ist dem-
nach nichts anders, als die Entwickelung der Merk-
maale oder Verhältnisse, wodurch der Begriff der
Sache und sein Umfang bestimmt wird. Wir ha-
ben gesehen, daß durch allmähliches Weglassen einiger
Merkmaale, die übrig bleibenden nach und nach all-
gemeinere Begriffe geben, und daß man dadurch zu
den höhern Gattungen hinauf steigt. Der Begriff
einer Gattung besteht in den gemeinsamen Merkmaa-
len ihrer Arten, und man findet ihn durch Abstrahi-
ren, indem man die eigenen Merkmaale der Sache
wegläßt. Nimmt man hiebey den Rückweg, und
setzt diese eigenen Merkmaale mit dem Begriffe der
Gattung wieder zusammen, so ist klar, daß hieraus
wiederum die Begriffe der Arten entstehen. (§. 17. 18.)
Demnach ist auch das Zusammensetzen der
Merkmaale ein Mittel, Begriffe zu finden, und

der herausgebrachte Begriff wird ebenfalls richtig
seyn, so oft man sich versichern kann, daß die zusam-
mengesetzten Merkmaale einander nicht widersprechen.

§. 65.

Verfährt man dabey auf eine willkührliche
Art, indem man Merkmaale zusammen nimmt, wie
man sie findet, so wird zwar ein zusammengesetzter
Begriff entstehen; allein es muß bewiesen werden, daß
er nichts widersprechendes in sich habe. Und hiezu
kann man verschiedene Mittel vorschlagen. Das er-
ste ist die Erfahrung, wodurch man die Sache auf
die Probe setzen kann, oder welche uns bereits solche
Beyspiele aufweist, worinn die willkührlich zusam-
mengesetzten Merkmaale vorkommen. Dieses letztere

ist

I. Hauptſtuͤck,
noch alle das beſonders, daß man bey der Sache ſelbſt
anfaͤngt, und dieſelbe als bekannt und moͤglich oder
als exiſtirend vorausſetzt. Das neue darinn iſt dem-
nach nichts anders, als die Entwickelung der Merk-
maale oder Verhaͤltniſſe, wodurch der Begriff der
Sache und ſein Umfang beſtimmt wird. Wir ha-
ben geſehen, daß durch allmaͤhliches Weglaſſen einiger
Merkmaale, die uͤbrig bleibenden nach und nach all-
gemeinere Begriffe geben, und daß man dadurch zu
den hoͤhern Gattungen hinauf ſteigt. Der Begriff
einer Gattung beſteht in den gemeinſamen Merkmaa-
len ihrer Arten, und man findet ihn durch Abſtrahi-
ren, indem man die eigenen Merkmaale der Sache
weglaͤßt. Nimmt man hiebey den Ruͤckweg, und
ſetzt dieſe eigenen Merkmaale mit dem Begriffe der
Gattung wieder zuſammen, ſo iſt klar, daß hieraus
wiederum die Begriffe der Arten entſtehen. (§. 17. 18.)
Demnach iſt auch das Zuſammenſetzen der
Merkmaale ein Mittel, Begriffe zu finden, und

der herausgebrachte Begriff wird ebenfalls richtig
ſeyn, ſo oft man ſich verſichern kann, daß die zuſam-
mengeſetzten Merkmaale einander nicht widerſprechen.

§. 65.

Verfaͤhrt man dabey auf eine willkuͤhrliche
Art, indem man Merkmaale zuſammen nimmt, wie
man ſie findet, ſo wird zwar ein zuſammengeſetzter
Begriff entſtehen; allein es muß bewieſen werden, daß
er nichts widerſprechendes in ſich habe. Und hiezu
kann man verſchiedene Mittel vorſchlagen. Das er-
ſte iſt die Erfahrung, wodurch man die Sache auf
die Probe ſetzen kann, oder welche uns bereits ſolche
Beyſpiele aufweiſt, worinn die willkuͤhrlich zuſam-
mengeſetzten Merkmaale vorkommen. Dieſes letztere

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0064" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
noch alle das be&#x017F;onders, daß man bey der Sache &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
anfa&#x0364;ngt, und die&#x017F;elbe als bekannt und mo&#x0364;glich oder<lb/>
als exi&#x017F;tirend voraus&#x017F;etzt. Das neue darinn i&#x017F;t dem-<lb/>
nach nichts anders, als die Entwickelung der Merk-<lb/>
maale oder Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, wodurch der Begriff der<lb/>
Sache und &#x017F;ein Umfang be&#x017F;timmt wird. Wir ha-<lb/>
ben ge&#x017F;ehen, daß durch allma&#x0364;hliches Wegla&#x017F;&#x017F;en einiger<lb/>
Merkmaale, die u&#x0364;brig bleibenden nach und nach all-<lb/>
gemeinere Begriffe geben, und daß man dadurch zu<lb/>
den ho&#x0364;hern Gattungen hinauf &#x017F;teigt. Der Begriff<lb/>
einer Gattung be&#x017F;teht in den gemein&#x017F;amen Merkmaa-<lb/>
len ihrer Arten, und man findet ihn durch Ab&#x017F;trahi-<lb/>
ren, indem man die eigenen Merkmaale der Sache<lb/>
wegla&#x0364;ßt. Nimmt man hiebey den Ru&#x0364;ckweg, und<lb/>
&#x017F;etzt die&#x017F;e eigenen Merkmaale mit dem Begriffe der<lb/>
Gattung wieder zu&#x017F;ammen, &#x017F;o i&#x017F;t klar, daß hieraus<lb/>
wiederum die Begriffe der Arten ent&#x017F;tehen. (§. 17. 18.)<lb/><hi rendition="#fr">Demnach i&#x017F;t auch das Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzen der<lb/>
Merkmaale ein Mittel, Begriffe zu finden, und</hi><lb/>
der herausgebrachte Begriff wird ebenfalls richtig<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;o oft man &#x017F;ich ver&#x017F;ichern kann, daß die zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etzten Merkmaale einander nicht wider&#x017F;prechen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 65.</head><lb/>
            <p>Verfa&#x0364;hrt man dabey auf eine <hi rendition="#fr">willku&#x0364;hrliche</hi><lb/>
Art, indem man Merkmaale zu&#x017F;ammen nimmt, wie<lb/>
man &#x017F;ie findet, &#x017F;o wird zwar ein zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzter<lb/>
Begriff ent&#x017F;tehen; allein es muß bewie&#x017F;en werden, daß<lb/>
er nichts wider&#x017F;prechendes in &#x017F;ich habe. Und hiezu<lb/>
kann man ver&#x017F;chiedene Mittel vor&#x017F;chlagen. Das er-<lb/>
&#x017F;te i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Erfahrung,</hi> wodurch man die Sache auf<lb/>
die Probe &#x017F;etzen kann, oder welche uns bereits &#x017F;olche<lb/>
Bey&#x017F;piele aufwei&#x017F;t, worinn die willku&#x0364;hrlich zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etzten Merkmaale vorkommen. Die&#x017F;es letztere<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0064] I. Hauptſtuͤck, noch alle das beſonders, daß man bey der Sache ſelbſt anfaͤngt, und dieſelbe als bekannt und moͤglich oder als exiſtirend vorausſetzt. Das neue darinn iſt dem- nach nichts anders, als die Entwickelung der Merk- maale oder Verhaͤltniſſe, wodurch der Begriff der Sache und ſein Umfang beſtimmt wird. Wir ha- ben geſehen, daß durch allmaͤhliches Weglaſſen einiger Merkmaale, die uͤbrig bleibenden nach und nach all- gemeinere Begriffe geben, und daß man dadurch zu den hoͤhern Gattungen hinauf ſteigt. Der Begriff einer Gattung beſteht in den gemeinſamen Merkmaa- len ihrer Arten, und man findet ihn durch Abſtrahi- ren, indem man die eigenen Merkmaale der Sache weglaͤßt. Nimmt man hiebey den Ruͤckweg, und ſetzt dieſe eigenen Merkmaale mit dem Begriffe der Gattung wieder zuſammen, ſo iſt klar, daß hieraus wiederum die Begriffe der Arten entſtehen. (§. 17. 18.) Demnach iſt auch das Zuſammenſetzen der Merkmaale ein Mittel, Begriffe zu finden, und der herausgebrachte Begriff wird ebenfalls richtig ſeyn, ſo oft man ſich verſichern kann, daß die zuſam- mengeſetzten Merkmaale einander nicht widerſprechen. §. 65. Verfaͤhrt man dabey auf eine willkuͤhrliche Art, indem man Merkmaale zuſammen nimmt, wie man ſie findet, ſo wird zwar ein zuſammengeſetzter Begriff entſtehen; allein es muß bewieſen werden, daß er nichts widerſprechendes in ſich habe. Und hiezu kann man verſchiedene Mittel vorſchlagen. Das er- ſte iſt die Erfahrung, wodurch man die Sache auf die Probe ſetzen kann, oder welche uns bereits ſolche Beyſpiele aufweiſt, worinn die willkuͤhrlich zuſam- mengeſetzten Merkmaale vorkommen. Dieſes letztere iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/64
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/64>, abgerufen am 21.11.2024.