Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
heit mehr zu finden glauben, oder durch Be-
trachtungen von der Art, wie ich sie im Anfange
dieser Vorrede kurz angeführt habe, zum Zwei-
feln verleitet werden.

Vergleicht man die Zeichnung, so ich für
wahrscheinliche Sätze, und so auch für bestimm-
te Sätze gegeben, aus welchen wahrscheinliche
folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange-
gebenen Merkmal wissenschaftlicher Zeichen: so
wird man diese Zeichnung nach aller Strenge
wissenschaftlich finden. Nämlich ein Satz, des-
sen Bindwörtgen mit einem Bruche multipli-
cirt ist, ist ein wahrscheinlicher Satz, und der
Bruch drückt den Grad der Wahrscheinlichkeit
aus, die sich gleichförmig über den ganzen Satz
ausbreitet. Und hinwiederum müssen solche
Sätze auf diese Art gezeichnet werden, wenn man
das Willkührliche vermeiden will, und die
Theorie der Zeichnung statt der Theorie der
Sache dienen soll. Die Frage, woher die
Wahrscheinlichkeit eines Satzes entstehe, wird
dadurch in die verwandelt, woher das Bind-
wörtgen mit einem Bruche behaftet werde.
Und da zeige ich, daß dieser Bruch entstehe,
wenn in den Vordersätzen der Schlußrede, wo-
durch man den Satz beweißt, das Mittelglied
mit Brüchen behaftet ist, und daher der
Allgemeinheit des Subjects, oder der Vollstän-
digkeit des Prädieats etwas abgeht. Und die-
ses ist die Grundlage zur Berechnung jeder

Wahr-

Vorrede.
heit mehr zu finden glauben, oder durch Be-
trachtungen von der Art, wie ich ſie im Anfange
dieſer Vorrede kurz angefuͤhrt habe, zum Zwei-
feln verleitet werden.

Vergleicht man die Zeichnung, ſo ich fuͤr
wahrſcheinliche Saͤtze, und ſo auch fuͤr beſtimm-
te Saͤtze gegeben, aus welchen wahrſcheinliche
folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange-
gebenen Merkmal wiſſenſchaftlicher Zeichen: ſo
wird man dieſe Zeichnung nach aller Strenge
wiſſenſchaftlich finden. Naͤmlich ein Satz, deſ-
ſen Bindwoͤrtgen mit einem Bruche multipli-
cirt iſt, iſt ein wahrſcheinlicher Satz, und der
Bruch druͤckt den Grad der Wahrſcheinlichkeit
aus, die ſich gleichfoͤrmig uͤber den ganzen Satz
ausbreitet. Und hinwiederum muͤſſen ſolche
Saͤtze auf dieſe Art gezeichnet werden, wenn man
das Willkuͤhrliche vermeiden will, und die
Theorie der Zeichnung ſtatt der Theorie der
Sache dienen ſoll. Die Frage, woher die
Wahrſcheinlichkeit eines Satzes entſtehe, wird
dadurch in die verwandelt, woher das Bind-
woͤrtgen mit einem Bruche behaftet werde.
Und da zeige ich, daß dieſer Bruch entſtehe,
wenn in den Vorderſaͤtzen der Schlußrede, wo-
durch man den Satz beweißt, das Mittelglied
mit Bruͤchen behaftet iſt, und daher der
Allgemeinheit des Subjects, oder der Vollſtaͤn-
digkeit des Praͤdieats etwas abgeht. Und die-
ſes iſt die Grundlage zur Berechnung jeder

Wahr-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/>
heit mehr zu finden glauben, oder durch Be-<lb/>
trachtungen von der Art, wie ich &#x017F;ie im Anfange<lb/>
die&#x017F;er Vorrede kurz angefu&#x0364;hrt habe, zum Zwei-<lb/>
feln verleitet werden.</p><lb/>
        <p>Vergleicht man die Zeichnung, &#x017F;o ich fu&#x0364;r<lb/>
wahr&#x017F;cheinliche Sa&#x0364;tze, und &#x017F;o auch fu&#x0364;r be&#x017F;timm-<lb/>
te Sa&#x0364;tze gegeben, aus welchen wahr&#x017F;cheinliche<lb/>
folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange-<lb/>
gebenen Merkmal wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlicher Zeichen: &#x017F;o<lb/>
wird man die&#x017F;e Zeichnung nach aller Strenge<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich finden. Na&#x0364;mlich ein Satz, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Bindwo&#x0364;rtgen mit einem Bruche multipli-<lb/>
cirt i&#x017F;t, i&#x017F;t ein wahr&#x017F;cheinlicher Satz, und der<lb/>
Bruch dru&#x0364;ckt den Grad der Wahr&#x017F;cheinlichkeit<lb/>
aus, die &#x017F;ich gleichfo&#x0364;rmig u&#x0364;ber den ganzen Satz<lb/>
ausbreitet. Und hinwiederum mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche<lb/>
Sa&#x0364;tze auf die&#x017F;e Art gezeichnet werden, wenn man<lb/>
das Willku&#x0364;hrliche vermeiden will, und die<lb/>
Theorie der Zeichnung &#x017F;tatt der Theorie der<lb/>
Sache dienen &#x017F;oll. Die Frage, woher die<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit eines Satzes ent&#x017F;tehe, wird<lb/>
dadurch in die verwandelt, woher das Bind-<lb/>
wo&#x0364;rtgen mit einem Bruche behaftet werde.<lb/>
Und da zeige ich, daß die&#x017F;er Bruch ent&#x017F;tehe,<lb/>
wenn in den Vorder&#x017F;a&#x0364;tzen der Schlußrede, wo-<lb/>
durch man den Satz beweißt, das Mittelglied<lb/>
mit Bru&#x0364;chen behaftet i&#x017F;t, und daher der<lb/>
Allgemeinheit des Subjects, oder der Voll&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digkeit des Pra&#x0364;dieats etwas abgeht. Und die-<lb/>
&#x017F;es i&#x017F;t die Grundlage zur Berechnung jeder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wahr-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0019] Vorrede. heit mehr zu finden glauben, oder durch Be- trachtungen von der Art, wie ich ſie im Anfange dieſer Vorrede kurz angefuͤhrt habe, zum Zwei- feln verleitet werden. Vergleicht man die Zeichnung, ſo ich fuͤr wahrſcheinliche Saͤtze, und ſo auch fuͤr beſtimm- te Saͤtze gegeben, aus welchen wahrſcheinliche folgen, mit dem in der Semiotic §. 23. ange- gebenen Merkmal wiſſenſchaftlicher Zeichen: ſo wird man dieſe Zeichnung nach aller Strenge wiſſenſchaftlich finden. Naͤmlich ein Satz, deſ- ſen Bindwoͤrtgen mit einem Bruche multipli- cirt iſt, iſt ein wahrſcheinlicher Satz, und der Bruch druͤckt den Grad der Wahrſcheinlichkeit aus, die ſich gleichfoͤrmig uͤber den ganzen Satz ausbreitet. Und hinwiederum muͤſſen ſolche Saͤtze auf dieſe Art gezeichnet werden, wenn man das Willkuͤhrliche vermeiden will, und die Theorie der Zeichnung ſtatt der Theorie der Sache dienen ſoll. Die Frage, woher die Wahrſcheinlichkeit eines Satzes entſtehe, wird dadurch in die verwandelt, woher das Bind- woͤrtgen mit einem Bruche behaftet werde. Und da zeige ich, daß dieſer Bruch entſtehe, wenn in den Vorderſaͤtzen der Schlußrede, wo- durch man den Satz beweißt, das Mittelglied mit Bruͤchen behaftet iſt, und daher der Allgemeinheit des Subjects, oder der Vollſtaͤn- digkeit des Praͤdieats etwas abgeht. Und die- ſes iſt die Grundlage zur Berechnung jeder Wahr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/19
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/19>, abgerufen am 18.12.2024.