Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Cosmologische Briefe
Sie wissen sich schon zurecht zu helfen. Ich werde
sie demnach nur angeben. Im eigentlichsten Verstan-
de läuft unsere Erde, und überhaupt jeder Weltkörper
um den Mittelpunct der Schöpfung. Mit der Son-
ne hat sie weiter nichts zu thun, als daß sie dieselbe
begleitet, beständig in ihrer Nachbarschaft bleibt, um
ihr Licht und ihre Wärme zu nutzen. Hiezu gebraucht
sie einen Umweg, weil das Gesetz der Schwere kein
ander Mittel leidet, zween und mehrere Körper bey-
sammen zu behalten. Ich will nicht bestimmen, wie
viele Körper zu jedem Range gehören, aber aus jedem
Range nehme ich einen, zu welchem unsere Erde ge-
hört, und gegen welchen sie nothwendig eine Schwere
hat. Sie ist gegen die Sonne schwer, damit sie in
der Cycloide um sie bleibe. Mit der Sonne zugleich
ist sie gegen den Körper vom vierten Range schwer,
damit beyde in desselben Nähe und unter seinem Ge-
folge bleiben. Dieser Körper, die Sonne und die
Erde sind gegen den Körper vom fünften Range
schwer, der die Milchstrasse regiert, wiederum damit
sie sich nicht zerstreuen. Auf diese Art schreite ich wei-
ter fort, und bey jedem Schritte bekömmt die Cycloi-
dal-
Linie der Erde neue und grössere Wendungen zu
den kleinern, die sie nimmer behält. Es scheint, als
wenn die Satelliten uns zum Muster dessen dienten,
was im Grossen vorgeht. Die Cycloidal-Linien,
die wir bisher bey ihnen angenommen haben, zeigen
uns, daß wir eben nicht bey den Ellipsen stehen blei-
ben sollen, wenn wir den wahren Lauf der Weltkörper
uns vorstellen wollen, und beyde sind viel zu einfach

für

Coſmologiſche Briefe
Sie wiſſen ſich ſchon zurecht zu helfen. Ich werde
ſie demnach nur angeben. Im eigentlichſten Verſtan-
de laͤuft unſere Erde, und uͤberhaupt jeder Weltkoͤrper
um den Mittelpunct der Schoͤpfung. Mit der Son-
ne hat ſie weiter nichts zu thun, als daß ſie dieſelbe
begleitet, beſtaͤndig in ihrer Nachbarſchaft bleibt, um
ihr Licht und ihre Waͤrme zu nutzen. Hiezu gebraucht
ſie einen Umweg, weil das Geſetz der Schwere kein
ander Mittel leidet, zween und mehrere Koͤrper bey-
ſammen zu behalten. Ich will nicht beſtimmen, wie
viele Koͤrper zu jedem Range gehoͤren, aber aus jedem
Range nehme ich einen, zu welchem unſere Erde ge-
hoͤrt, und gegen welchen ſie nothwendig eine Schwere
hat. Sie iſt gegen die Sonne ſchwer, damit ſie in
der Cycloide um ſie bleibe. Mit der Sonne zugleich
iſt ſie gegen den Koͤrper vom vierten Range ſchwer,
damit beyde in deſſelben Naͤhe und unter ſeinem Ge-
folge bleiben. Dieſer Koͤrper, die Sonne und die
Erde ſind gegen den Koͤrper vom fuͤnften Range
ſchwer, der die Milchſtraſſe regiert, wiederum damit
ſie ſich nicht zerſtreuen. Auf dieſe Art ſchreite ich wei-
ter fort, und bey jedem Schritte bekoͤmmt die Cycloi-
dal-
Linie der Erde neue und groͤſſere Wendungen zu
den kleinern, die ſie nimmer behaͤlt. Es ſcheint, als
wenn die Satelliten uns zum Muſter deſſen dienten,
was im Groſſen vorgeht. Die Cycloidal-Linien,
die wir bisher bey ihnen angenommen haben, zeigen
uns, daß wir eben nicht bey den Ellipſen ſtehen blei-
ben ſollen, wenn wir den wahren Lauf der Weltkoͤrper
uns vorſtellen wollen, und beyde ſind viel zu einfach

fuͤr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="262"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Co&#x017F;mologi&#x017F;che Briefe</hi></fw><lb/>
Sie wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;chon zurecht zu helfen. Ich werde<lb/>
&#x017F;ie demnach nur angeben. Im eigentlich&#x017F;ten Ver&#x017F;tan-<lb/>
de la&#x0364;uft un&#x017F;ere Erde, und u&#x0364;berhaupt jeder Weltko&#x0364;rper<lb/>
um den Mittelpunct der Scho&#x0364;pfung. Mit der Son-<lb/>
ne hat &#x017F;ie weiter nichts zu thun, als daß &#x017F;ie die&#x017F;elbe<lb/>
begleitet, be&#x017F;ta&#x0364;ndig in ihrer Nachbar&#x017F;chaft bleibt, um<lb/>
ihr Licht und ihre Wa&#x0364;rme zu nutzen. Hiezu gebraucht<lb/>
&#x017F;ie einen Umweg, weil das Ge&#x017F;etz der Schwere kein<lb/>
ander Mittel leidet, zween und mehrere Ko&#x0364;rper bey-<lb/>
&#x017F;ammen zu behalten. Ich will nicht be&#x017F;timmen, wie<lb/>
viele Ko&#x0364;rper zu jedem Range geho&#x0364;ren, aber aus jedem<lb/>
Range nehme ich einen, zu welchem un&#x017F;ere Erde ge-<lb/>
ho&#x0364;rt, und gegen welchen &#x017F;ie nothwendig eine Schwere<lb/>
hat. Sie i&#x017F;t gegen die Sonne &#x017F;chwer, damit &#x017F;ie in<lb/>
der <hi rendition="#aq">Cycloide</hi> um &#x017F;ie bleibe. Mit der Sonne zugleich<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie gegen den Ko&#x0364;rper vom vierten Range &#x017F;chwer,<lb/>
damit beyde in de&#x017F;&#x017F;elben Na&#x0364;he und unter &#x017F;einem Ge-<lb/>
folge bleiben. Die&#x017F;er Ko&#x0364;rper, die Sonne und die<lb/>
Erde &#x017F;ind gegen den Ko&#x0364;rper vom fu&#x0364;nften Range<lb/>
&#x017F;chwer, der die Milch&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e regiert, wiederum damit<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nicht zer&#x017F;treuen. Auf die&#x017F;e Art &#x017F;chreite ich wei-<lb/>
ter fort, und bey jedem Schritte beko&#x0364;mmt die <hi rendition="#aq">Cycloi-<lb/>
dal-</hi>Linie der Erde neue und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Wendungen zu<lb/>
den kleinern, die &#x017F;ie nimmer beha&#x0364;lt. Es &#x017F;cheint, als<lb/>
wenn die Satelliten uns zum Mu&#x017F;ter de&#x017F;&#x017F;en dienten,<lb/>
was im Gro&#x017F;&#x017F;en vorgeht. Die <hi rendition="#aq">Cycloidal-</hi>Linien,<lb/>
die wir bisher bey ihnen angenommen haben, zeigen<lb/>
uns, daß wir eben nicht bey den Ellip&#x017F;en &#x017F;tehen blei-<lb/>
ben &#x017F;ollen, wenn wir den wahren Lauf der Weltko&#x0364;rper<lb/>
uns vor&#x017F;tellen wollen, und beyde &#x017F;ind viel zu einfach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fu&#x0364;r</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0295] Coſmologiſche Briefe Sie wiſſen ſich ſchon zurecht zu helfen. Ich werde ſie demnach nur angeben. Im eigentlichſten Verſtan- de laͤuft unſere Erde, und uͤberhaupt jeder Weltkoͤrper um den Mittelpunct der Schoͤpfung. Mit der Son- ne hat ſie weiter nichts zu thun, als daß ſie dieſelbe begleitet, beſtaͤndig in ihrer Nachbarſchaft bleibt, um ihr Licht und ihre Waͤrme zu nutzen. Hiezu gebraucht ſie einen Umweg, weil das Geſetz der Schwere kein ander Mittel leidet, zween und mehrere Koͤrper bey- ſammen zu behalten. Ich will nicht beſtimmen, wie viele Koͤrper zu jedem Range gehoͤren, aber aus jedem Range nehme ich einen, zu welchem unſere Erde ge- hoͤrt, und gegen welchen ſie nothwendig eine Schwere hat. Sie iſt gegen die Sonne ſchwer, damit ſie in der Cycloide um ſie bleibe. Mit der Sonne zugleich iſt ſie gegen den Koͤrper vom vierten Range ſchwer, damit beyde in deſſelben Naͤhe und unter ſeinem Ge- folge bleiben. Dieſer Koͤrper, die Sonne und die Erde ſind gegen den Koͤrper vom fuͤnften Range ſchwer, der die Milchſtraſſe regiert, wiederum damit ſie ſich nicht zerſtreuen. Auf dieſe Art ſchreite ich wei- ter fort, und bey jedem Schritte bekoͤmmt die Cycloi- dal-Linie der Erde neue und groͤſſere Wendungen zu den kleinern, die ſie nimmer behaͤlt. Es ſcheint, als wenn die Satelliten uns zum Muſter deſſen dienten, was im Groſſen vorgeht. Die Cycloidal-Linien, die wir bisher bey ihnen angenommen haben, zeigen uns, daß wir eben nicht bey den Ellipſen ſtehen blei- ben ſollen, wenn wir den wahren Lauf der Weltkoͤrper uns vorſtellen wollen, und beyde ſind viel zu einfach fuͤr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/295
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/295>, abgerufen am 23.11.2024.