Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite
Cosmologische Briefe

In Ansehung der Fernröhren hat der verschiede-
ne Abstand der Fixsterne nichts zu sagen, weil er so
gut als unendlich entfernt angesehen werden kann.
Hingegen vermindert derselbe die scheinbare Grösse der
Sterne. Ich will setzen, ein Fernrohr seye so voll-
kommen, daß es parallele Strahlen im Auge auf ei-
nen Punct brächte, so würde allerdings das Bild der
entfernten Sterne kleiner seyn, aber deßwegen immer
gleiche Klarheit behalten. Die ganze Sache kömmt
demnach darauf an, wie klein ein Punct auf dem Au-
gennetze seyn müsse, bis ein so starkes Licht, wie das
von den Sternen, keinen Eindruck mehr darauf ma-
chen könne, wenn es auf diesen Punct allein fällt?
So zart und klein auch die Gesichtsnerven seyn mö-
gen, so müßte dieser Punct immer unzähligemal klei-
ner seyn, damit das darauf fallende Licht die Masse
des Nervens in keine empfindbare Bewegung zu setzen
vermögend wäre.

Ungeacht aber weder die Fernröhre, noch unsere
Augen so vollkommen sind, daß jeder geometrische
Punct auf dem Augennetze wieder als ein solcher Punct
erscheinen sollte, so nähern sie sich doch dieser Vollkom-
menheit sehr merklich, weil sich das Fernrohr nach den
Augen einrichten läßt. Dadurch läßt sich ein Punct
erkennen, dessen scheinbarer Durchmesser, durch das
Fernrohr betrachtet, kaum eine Secunde beträgt.
Das Fernrohr stellt die Sache so vor, als wenn wir
ihr Bild in der Entfernung von 8, 10. oder 12. Zoll
sähen. In diesem Abstande würden wir nach Herrn

Muß-
Coſmologiſche Briefe

In Anſehung der Fernroͤhren hat der verſchiede-
ne Abſtand der Fixſterne nichts zu ſagen, weil er ſo
gut als unendlich entfernt angeſehen werden kann.
Hingegen vermindert derſelbe die ſcheinbare Groͤſſe der
Sterne. Ich will ſetzen, ein Fernrohr ſeye ſo voll-
kommen, daß es parallele Strahlen im Auge auf ei-
nen Punct braͤchte, ſo wuͤrde allerdings das Bild der
entfernten Sterne kleiner ſeyn, aber deßwegen immer
gleiche Klarheit behalten. Die ganze Sache koͤmmt
demnach darauf an, wie klein ein Punct auf dem Au-
gennetze ſeyn muͤſſe, bis ein ſo ſtarkes Licht, wie das
von den Sternen, keinen Eindruck mehr darauf ma-
chen koͤnne, wenn es auf dieſen Punct allein faͤllt?
So zart und klein auch die Geſichtsnerven ſeyn moͤ-
gen, ſo muͤßte dieſer Punct immer unzaͤhligemal klei-
ner ſeyn, damit das darauf fallende Licht die Maſſe
des Nervens in keine empfindbare Bewegung zu ſetzen
vermoͤgend waͤre.

Ungeacht aber weder die Fernroͤhre, noch unſere
Augen ſo vollkommen ſind, daß jeder geometriſche
Punct auf dem Augennetze wieder als ein ſolcher Punct
erſcheinen ſollte, ſo naͤhern ſie ſich doch dieſer Vollkom-
menheit ſehr merklich, weil ſich das Fernrohr nach den
Augen einrichten laͤßt. Dadurch laͤßt ſich ein Punct
erkennen, deſſen ſcheinbarer Durchmeſſer, durch das
Fernrohr betrachtet, kaum eine Secunde betraͤgt.
Das Fernrohr ſtellt die Sache ſo vor, als wenn wir
ihr Bild in der Entfernung von 8, 10. oder 12. Zoll
ſaͤhen. In dieſem Abſtande wuͤrden wir nach Herꝛn

Muß-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0215" n="182"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Co&#x017F;mologi&#x017F;che Briefe</hi> </fw><lb/>
          <p>In An&#x017F;ehung der Fernro&#x0364;hren hat der ver&#x017F;chiede-<lb/>
ne Ab&#x017F;tand der Fix&#x017F;terne nichts zu &#x017F;agen, weil er &#x017F;o<lb/>
gut als unendlich entfernt ange&#x017F;ehen werden kann.<lb/>
Hingegen vermindert der&#x017F;elbe die &#x017F;cheinbare Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Sterne. Ich will &#x017F;etzen, ein Fernrohr &#x017F;eye &#x017F;o voll-<lb/>
kommen, daß es <hi rendition="#aq">parallele</hi> Strahlen im Auge auf ei-<lb/>
nen Punct bra&#x0364;chte, &#x017F;o wu&#x0364;rde allerdings das Bild der<lb/>
entfernten Sterne kleiner &#x017F;eyn, aber deßwegen immer<lb/>
gleiche Klarheit behalten. Die ganze Sache ko&#x0364;mmt<lb/>
demnach darauf an, wie klein ein Punct auf dem Au-<lb/>
gennetze &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, bis ein &#x017F;o &#x017F;tarkes Licht, wie das<lb/>
von den Sternen, keinen Eindruck mehr darauf ma-<lb/>
chen ko&#x0364;nne, wenn es auf die&#x017F;en Punct allein fa&#x0364;llt?<lb/>
So zart und klein auch die Ge&#x017F;ichtsnerven &#x017F;eyn mo&#x0364;-<lb/>
gen, &#x017F;o mu&#x0364;ßte die&#x017F;er Punct immer unza&#x0364;hligemal klei-<lb/>
ner &#x017F;eyn, damit das darauf fallende Licht die Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Nervens in keine empfindbare Bewegung zu &#x017F;etzen<lb/>
vermo&#x0364;gend wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Ungeacht aber weder die Fernro&#x0364;hre, noch un&#x017F;ere<lb/>
Augen &#x017F;o vollkommen &#x017F;ind, daß jeder geometri&#x017F;che<lb/>
Punct auf dem Augennetze wieder als ein &#x017F;olcher Punct<lb/>
er&#x017F;cheinen &#x017F;ollte, &#x017F;o na&#x0364;hern &#x017F;ie &#x017F;ich doch die&#x017F;er Vollkom-<lb/>
menheit &#x017F;ehr merklich, weil &#x017F;ich das Fernrohr nach den<lb/>
Augen einrichten la&#x0364;ßt. Dadurch la&#x0364;ßt &#x017F;ich ein Punct<lb/>
erkennen, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheinbarer Durchme&#x017F;&#x017F;er, durch das<lb/>
Fernrohr betrachtet, kaum eine <hi rendition="#aq">Secunde</hi> betra&#x0364;gt.<lb/>
Das Fernrohr &#x017F;tellt die Sache &#x017F;o vor, als wenn wir<lb/>
ihr Bild in der Entfernung von 8, 10. oder 12. Zoll<lb/>
&#x017F;a&#x0364;hen. In die&#x017F;em Ab&#x017F;tande wu&#x0364;rden wir nach Her&#xA75B;n<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Muß-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0215] Coſmologiſche Briefe In Anſehung der Fernroͤhren hat der verſchiede- ne Abſtand der Fixſterne nichts zu ſagen, weil er ſo gut als unendlich entfernt angeſehen werden kann. Hingegen vermindert derſelbe die ſcheinbare Groͤſſe der Sterne. Ich will ſetzen, ein Fernrohr ſeye ſo voll- kommen, daß es parallele Strahlen im Auge auf ei- nen Punct braͤchte, ſo wuͤrde allerdings das Bild der entfernten Sterne kleiner ſeyn, aber deßwegen immer gleiche Klarheit behalten. Die ganze Sache koͤmmt demnach darauf an, wie klein ein Punct auf dem Au- gennetze ſeyn muͤſſe, bis ein ſo ſtarkes Licht, wie das von den Sternen, keinen Eindruck mehr darauf ma- chen koͤnne, wenn es auf dieſen Punct allein faͤllt? So zart und klein auch die Geſichtsnerven ſeyn moͤ- gen, ſo muͤßte dieſer Punct immer unzaͤhligemal klei- ner ſeyn, damit das darauf fallende Licht die Maſſe des Nervens in keine empfindbare Bewegung zu ſetzen vermoͤgend waͤre. Ungeacht aber weder die Fernroͤhre, noch unſere Augen ſo vollkommen ſind, daß jeder geometriſche Punct auf dem Augennetze wieder als ein ſolcher Punct erſcheinen ſollte, ſo naͤhern ſie ſich doch dieſer Vollkom- menheit ſehr merklich, weil ſich das Fernrohr nach den Augen einrichten laͤßt. Dadurch laͤßt ſich ein Punct erkennen, deſſen ſcheinbarer Durchmeſſer, durch das Fernrohr betrachtet, kaum eine Secunde betraͤgt. Das Fernrohr ſtellt die Sache ſo vor, als wenn wir ihr Bild in der Entfernung von 8, 10. oder 12. Zoll ſaͤhen. In dieſem Abſtande wuͤrden wir nach Herꝛn Muß-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/215
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/215>, abgerufen am 07.05.2024.