Sie geben mir, mein Herr, einen erwünschten Anlaß, meiner Einbildungskraft ungehemm- ten Lauf zu lassen, und wollen mich noch da- zu berechtigen, weil die Erfahrung, wodurch man mich widerlegen könnte, noch weit ausgesetzt ist. Al- lein Sie wissen, daß ich zu sehr diejenige Wahrschein- lichkeit liebe, die auch bey strengerer Untersuchung noch zulässig ist, und ich werde es den Dichtern überlassen, aus meinen Betrachtungen über den Weltbau vollends einen astronomischen Roman zu machen. Es werden ihn viele ohnedem schon für nichts bessers ansehen. Ich will dennoch versuchen, wie weit hiebey die Schlüs- se reichen mögen, und das übrige durch Vermuthun- gen ergänzen, weil die genaue Erörterung ihrer vor- gelegten Fragen allem Ansehen nach den künftigen Zei- ten vorbehalten seyn wird. Es ist mir indessen ein wahres Vergnügen, daß Sie, mein Herr, nun auch anfangen, ihrer edlen Wißbegierde nicht mehr Schran- ken zu setzen, sondern dieselbe durch das ganze Welt- gebäude auszudehnen, und ewige Gesetze und weise Ordnung da zu suchen, wo lauter Verwirrung zu seyn scheinet. Werfen Sie mir nur immer Fragen auf, weil mich Ihre Untersuchung zu weiterm Nachdenken verleitet. Aber helfen Sie mir auch meine Betrach- tungen erweitern, und sie durch das, so Ihnen dabey noch einfällt, vollständiger machen.
Ich
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Zehnter Brief.
Sie geben mir, mein Herr, einen erwuͤnſchten Anlaß, meiner Einbildungskraft ungehemm- ten Lauf zu laſſen, und wollen mich noch da- zu berechtigen, weil die Erfahrung, wodurch man mich widerlegen koͤnnte, noch weit ausgeſetzt iſt. Al- lein Sie wiſſen, daß ich zu ſehr diejenige Wahrſchein- lichkeit liebe, die auch bey ſtrengerer Unterſuchung noch zulaͤſſig iſt, und ich werde es den Dichtern uͤberlaſſen, aus meinen Betrachtungen uͤber den Weltbau vollends einen aſtronomiſchen Roman zu machen. Es werden ihn viele ohnedem ſchon fuͤr nichts beſſers anſehen. Ich will dennoch verſuchen, wie weit hiebey die Schluͤſ- ſe reichen moͤgen, und das uͤbrige durch Vermuthun- gen ergaͤnzen, weil die genaue Eroͤrterung ihrer vor- gelegten Fragen allem Anſehen nach den kuͤnftigen Zei- ten vorbehalten ſeyn wird. Es iſt mir indeſſen ein wahres Vergnuͤgen, daß Sie, mein Herr, nun auch anfangen, ihrer edlen Wißbegierde nicht mehr Schran- ken zu ſetzen, ſondern dieſelbe durch das ganze Welt- gebaͤude auszudehnen, und ewige Geſetze und weiſe Ordnung da zu ſuchen, wo lauter Verwirrung zu ſeyn ſcheinet. Werfen Sie mir nur immer Fragen auf, weil mich Ihre Unterſuchung zu weiterm Nachdenken verleitet. Aber helfen Sie mir auch meine Betrach- tungen erweitern, und ſie durch das, ſo Ihnen dabey noch einfaͤllt, vollſtaͤndiger machen.
Ich
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uͤber die Einrichtung des Weltbaues.
Zehnter Brief.
Sie geben mir, mein Herr, einen erwuͤnſchten
Anlaß, meiner Einbildungskraft ungehemm-
ten Lauf zu laſſen, und wollen mich noch da-
zu berechtigen, weil die Erfahrung, wodurch man
mich widerlegen koͤnnte, noch weit ausgeſetzt iſt. Al-
lein Sie wiſſen, daß ich zu ſehr diejenige Wahrſchein-
lichkeit liebe, die auch bey ſtrengerer Unterſuchung noch
zulaͤſſig iſt, und ich werde es den Dichtern uͤberlaſſen,
aus meinen Betrachtungen uͤber den Weltbau vollends
einen aſtronomiſchen Roman zu machen. Es werden
ihn viele ohnedem ſchon fuͤr nichts beſſers anſehen.
Ich will dennoch verſuchen, wie weit hiebey die Schluͤſ-
ſe reichen moͤgen, und das uͤbrige durch Vermuthun-
gen ergaͤnzen, weil die genaue Eroͤrterung ihrer vor-
gelegten Fragen allem Anſehen nach den kuͤnftigen Zei-
ten vorbehalten ſeyn wird. Es iſt mir indeſſen ein
wahres Vergnuͤgen, daß Sie, mein Herr, nun auch
anfangen, ihrer edlen Wißbegierde nicht mehr Schran-
ken zu ſetzen, ſondern dieſelbe durch das ganze Welt-
gebaͤude auszudehnen, und ewige Geſetze und weiſe
Ordnung da zu ſuchen, wo lauter Verwirrung zu ſeyn
ſcheinet. Werfen Sie mir nur immer Fragen auf,
weil mich Ihre Unterſuchung zu weiterm Nachdenken
verleitet. Aber helfen Sie mir auch meine Betrach-
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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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