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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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Cosmologische Briefe
Neunter Brief.

So ruhen Sie denn niemals, mein Herr, wenn
es um Gründe zu thun ist, Ihr Welt-System
auch den Ungläubigsten annehmenswürdig zu

machen? In Ihrem vorhergehenden Schreiben unter-
suchten Sie, wie ferne die allgemeinen Absichten der
Schöpfung, mit unsern Erfahrungen verglichen, die
Beweise zur Vollständigkeit bringen könnten. Und
nun erwägen Sie die verschiedenen Gesichtspuncten,
aus welchen die Einrichtung und Bewohnbarkeit der
Welt betrachtet werden. Ich gebe Ihnen vollkommen
recht, daß diejenige, so noch an den Einwohnern der
Planeten zweifeln, oder sie durchaus läugnen, noch
zuweit zurücke bleiben, und in ihrem Verstande zu sehr
eingeschränkt sind, weil sie ausser den Augen kein ander
Mittel kennen, den Beyfall abzunöthigen, und daher
von allgemeinen Beweisen, und von der moralischen
Gewißheit nichts hören wollen. Es ist auch nicht nö-
thig, daß alle alles einsehen, und es mag unter den Erd-
bewohnern in kleinem ein ähnlicher Unterschied seyn,
wie der, so zwischen den Einwohnern verschiedener
Weltkörper ist. Die, so in hyperbolischen Laufbahnen
einhergehen, und von Sonne zu Sonne wandeln, deh-
nen ihre Betrachtungen auf das Ganze aus, da wir
höchstens bey der Erde stehen bleiben. Unser Gesichts-
kreyß ist überhaupt enger eingeschränkt. Aber wie
unzählig viele kleinere Stuffen hat er nicht? Die mei-
sten kennen nur einzele Dörfer, ihren Geburtsort, an-

dere
Coſmologiſche Briefe
Neunter Brief.

So ruhen Sie denn niemals, mein Herr, wenn
es um Gruͤnde zu thun iſt, Ihr Welt-Syſtem
auch den Unglaͤubigſten annehmenswuͤrdig zu

machen? In Ihrem vorhergehenden Schreiben unter-
ſuchten Sie, wie ferne die allgemeinen Abſichten der
Schoͤpfung, mit unſern Erfahrungen verglichen, die
Beweiſe zur Vollſtaͤndigkeit bringen koͤnnten. Und
nun erwaͤgen Sie die verſchiedenen Geſichtspuncten,
aus welchen die Einrichtung und Bewohnbarkeit der
Welt betrachtet werden. Ich gebe Ihnen vollkommen
recht, daß diejenige, ſo noch an den Einwohnern der
Planeten zweifeln, oder ſie durchaus laͤugnen, noch
zuweit zuruͤcke bleiben, und in ihrem Verſtande zu ſehr
eingeſchraͤnkt ſind, weil ſie auſſer den Augen kein ander
Mittel kennen, den Beyfall abzunoͤthigen, und daher
von allgemeinen Beweiſen, und von der moraliſchen
Gewißheit nichts hoͤren wollen. Es iſt auch nicht noͤ-
thig, daß alle alles einſehen, und es mag unter den Erd-
bewohnern in kleinem ein aͤhnlicher Unterſchied ſeyn,
wie der, ſo zwiſchen den Einwohnern verſchiedener
Weltkoͤrper iſt. Die, ſo in hyperboliſchen Laufbahnen
einhergehen, und von Sonne zu Sonne wandeln, deh-
nen ihre Betrachtungen auf das Ganze aus, da wir
hoͤchſtens bey der Erde ſtehen bleiben. Unſer Geſichts-
kreyß iſt uͤberhaupt enger eingeſchraͤnkt. Aber wie
unzaͤhlig viele kleinere Stuffen hat er nicht? Die mei-
ſten kennen nur einzele Doͤrfer, ihren Geburtsort, an-

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[106/0139] Coſmologiſche Briefe Neunter Brief. So ruhen Sie denn niemals, mein Herr, wenn es um Gruͤnde zu thun iſt, Ihr Welt-Syſtem auch den Unglaͤubigſten annehmenswuͤrdig zu machen? In Ihrem vorhergehenden Schreiben unter- ſuchten Sie, wie ferne die allgemeinen Abſichten der Schoͤpfung, mit unſern Erfahrungen verglichen, die Beweiſe zur Vollſtaͤndigkeit bringen koͤnnten. Und nun erwaͤgen Sie die verſchiedenen Geſichtspuncten, aus welchen die Einrichtung und Bewohnbarkeit der Welt betrachtet werden. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, daß diejenige, ſo noch an den Einwohnern der Planeten zweifeln, oder ſie durchaus laͤugnen, noch zuweit zuruͤcke bleiben, und in ihrem Verſtande zu ſehr eingeſchraͤnkt ſind, weil ſie auſſer den Augen kein ander Mittel kennen, den Beyfall abzunoͤthigen, und daher von allgemeinen Beweiſen, und von der moraliſchen Gewißheit nichts hoͤren wollen. Es iſt auch nicht noͤ- thig, daß alle alles einſehen, und es mag unter den Erd- bewohnern in kleinem ein aͤhnlicher Unterſchied ſeyn, wie der, ſo zwiſchen den Einwohnern verſchiedener Weltkoͤrper iſt. Die, ſo in hyperboliſchen Laufbahnen einhergehen, und von Sonne zu Sonne wandeln, deh- nen ihre Betrachtungen auf das Ganze aus, da wir hoͤchſtens bey der Erde ſtehen bleiben. Unſer Geſichts- kreyß iſt uͤberhaupt enger eingeſchraͤnkt. Aber wie unzaͤhlig viele kleinere Stuffen hat er nicht? Die mei- ſten kennen nur einzele Doͤrfer, ihren Geburtsort, an- dere

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/139>, abgerufen am 22.11.2024.